S 5 KR 286/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 5 KR 286/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Beigeladene zu 1) von Januar 2011 bis Dezember 2011 in einem Beschäftigungsverhältnis bei der Klägerin stand.

Die am 00.00.1965 geborene Beigeladene zu 1) ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Sie war seit dem 01.01.2009 als Reitlehrerin und Pferdepflegerin selbständig erwerbstätig. Am 11.02.2011 meldete sie ein Gewerbe bei der Stadt Minden an als Reinigungskraft, wobei sie als Betriebsstätte ihre Wohnadresse angab. Unter der Rubrik "Angemeldete Tätigkeit" führte die Beigeladene an: Reitlehrerin und Pferdepflegerin, Ausbildung von Pferden sowie jegliche Hilfsarbeiten und Reinigungsarbeiten um das Pferd; Reinigungskraft.

Die Beigeladene zu 1) bewohnt am N N1-Weg 0 in N2 eine Mietwohnung. Bis Ende 2010 wurden die Hauseingänge der im Eigentum der Klägerin stehenden Immobilie (N N1-Weg 5 - 7) von einem Reinigungsunternehmen regelmäßig gesäubert. Nachdem dieser Vertrag ausgelaufen war, kam es zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) zu einer dahingehenden mündlichen Absprache, dass die Beigeladene zu 1) gegen eine monatliche Pauschale in Höhe von 90,00 Euro die Hauseingänge und Treppenhäuser der Immobilie regelmäßig zu reinigen hatte. Die Beigeladene zu 1) stellte die Pauschale der Klägerin monatlich in Rechnung, wobei sie gleichzeitig Umsatzsteuer abrechnete. Reinigungsmaterialien mussten von der Beigeladenen zu 1) nicht beschafft werden. Diese befanden sich - ebenso wie die nötigen Reinigungsutensilien - in dem Haus der Klägerin und konnten von der Beigeladenen zu 1) genutzt werden.

Da die Beigeladene zu 1), die mindestens seit dem 01.01.2011 vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch, 2. Buch (SGB II) bezieht, in Erfahrung bringen wollte, welche Möglichkeiten bestehen, Anwartschaften zur Gewährung einer Rente aus der Gesetzlichen Rentenversicherung zu begründen, hatte sie am 16.11.2010 bereits einen Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen (im folgenden: DRV) auf Durchführung einer freiwilligen Versicherung gestellt. Im Rahmen der Ermittlungen der DRV gab die Beigeladene zu 1) am 25.02.2011 an, als Reinigungskraft selbständig erwerbstätig zu sein. Sie wies dabei darauf hin, nur für ihre Vermieterin tätig zu sein.

Die DRV beauftragte sodann die Beklagte mit der Prüfung, ob die Beigeladene zu 1) hauptberuflich selbstständig erwerbstätig ist. Im Rahmen der sich daran anschließenden Prüfung machte die Beigeladene zu 1) am 12.05.2011 weitere Angaben zunächst zu ihrer Tätigkeit als Reitlehrerin. Sie fügte eine betriebswirtschaftliche Auswertung für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis 31.12.2011 bei.

Die Rentenversicherung bezweifelte im Hinblick auf die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) als Reinigungskraft das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit und wandte sich mit Schreiben vom 08.09.2011 erneut an die Beklagte mit der Bitte um weitere Prüfung.

Bei den sich daran anschließenden Ermittlungen der Beklagten gab die Beigeladene zu 1) an, dass der Arbeitsort das Reinigungsobjekt sei - wie vertraglich vereinbart. Vorgaben des Auftraggebers bezüglich der Arbeitszeit, bezüglich der Dauer der Tätigkeit und bezüglich der Art und Weise der Durchführung der Arbeiten gebe es nicht. Die Vertretung im Krankheitsfall veranlasse die Beigeladene zu 1) selbst.

Mit Schreiben vom 16.12.2011 wurde die Klägerin dazu angehört, dass für die Beigeladene zu 1) ab dem 01.01.2011 Versicherungspflicht in ihrer Tätigkeit als Reinigungskraft angenommen werden soll. Die Prüfung habe hier nach § 28 h Abs 2 Sozialgesetzbuch, 4. Buch (SGB IV) zu erfolgen. Die überwiegenden Gesichtspunkte sprächen für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Auch wenn Zeitpunkt und Dauer der Tätigkeit freigestellt seien, bestünden Vorgaben und Erwartungen, in welcher Form die Reinigung zu erfolgen habe. Ebenso sei nicht ausschlaggebend, dass nicht im einzelnen Anweisungen zur Reinigungstechnik gegeben würden. Einen tatsächlichen Spielraum, wie die Reinigung des Treppenhauses zu erfolgen habe, stehe der Beigeladenen zu 1) nicht zu. Auch die Delegationsbefugnis stelle kein entscheidungsrelevantes Kriterium dar. Es sei auch nicht klar, in welchem Umfang hiervon Gebrauch gemacht werde. Ebenso wenig bestehe ein unternehmerisches Risiko. Auch wenn die Beigeladene zu 1) die Reinigungsmittel selbst anschaffen müsste, könne dies nicht als Unternehmerrisiko angesehen werden. Ein solches existiere nur, wenn damit auch tatsächliche Chancen und Risiken einer Einkommenserzielung verbunden sind.

Die Beklagte wies auch darauf hin, dass in diesem Beschäftigungsverhältnis Versicherungsfreiheit zur Kranken-, Pflege-, Renten-, und Arbeitslosenversicherung besteht, da es sich um eine geringfügige Beschäftigung handelt. Auf die einschlägigen Normen wurde verwiesen.

Nach Eingang der Anhörung bei der Klägerin löste diese das Vertragsverhältnis mit der Beigeladenen zu 1). Die letzte Rechnung wurde nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten im Dezember 2011 übersandt und von der Klägerin bezahlt. Diese wandte mit Schreiben vom 28.12.2011 gegenüber der Beklagten ein, dass die Beigeladene zu 1) sich auf der Grundlage ihres Gewerbes um die Reinigungsarbeiten beworben habe. Eine Beschäftigung habe zu keinem Zeitpunkt bestanden. Zur Begründung verwies sie auf die übersandten Rechnungen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.01.2012 stellte die Beklagte gegenüber der Beigeladenen zu 1) und der Klägerin fest, dass die Beigeladene zu 1) im Rahmen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses bei der Klägerin tätig ist. Sie wiederholte ihre Argumente aus dem Anhörungsschreiben. Ferner wurde die Klägerin aufgefordert, sich mit der Minijob-Zentrale der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See zwecks Klärung der zu veranlassenden Meldungen und Beitragsnachweise in Verbindung zu setzen.

Die Beigeladene zu 1) erhob hiergegen Widerspruch und führte zur Begründung aus, zwischen den Beteiligten sei nur ein Werkvertragsverhältnis gewünscht und begründet worden. Es könne nicht akzeptiert werden, dass dieses nun in ein Anstellungsverhältnis umgedeutet werde. Dies habe dazu geführt, dass der Werkvertrag fristlos gekündigt worden sei. Sie habe mehrere Auftraggeber und stimme die Verträge über die Honorierung ihrer Tätigkeit immer mit den Kunden im Reitsportbereich ab. Der Klägerin habe sie die Reinigung der Hauseingänge im Rahmen eines Werkvertrages geschuldet. Sie sei frei gewesen, in welcher Art und Weise sie dieses Ergebnis erziele. Auf Anraten ihres Existenzgründungs-Coaches sei die Reinigungstätigkeit ergänzend zu ihrer Tätigkeit als Reitsportlehrerin in die Gewerbeanmeldung aufgenommen worden.

Die Klägerin erhob ebenfalls Widerspruch. Zur Begründung nahm sie auf die Ausführungen der Beigeladenen zu 1) Bezug. Diese habe sich bei ihr als Gewerbetreibende vorgestellt. Die Rechnungen seien daher richtig erstellt worden. Sie habe auf diese Angaben vertraut.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.05.2012 wurde der Widerspruch gegenüber der Beigeladenen zu 1) und der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die versicherungsrechtliche Beurteilung der Reinigungstätigkeit sei nicht zu beanstanden. Grundsätzlich entscheide die Einzugsstelle nach § 28 h Abs 2 SGB IV über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Sie erlasse auch den Widerspruchsbescheid. Die Auswertung der tatsächlichen Gesichtspunkte führe zur Annahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung, soweit die Reinigungsdienste für die Klägerin betroffen seien. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass die Beigeladene zu 1) einem Weisungsrecht unterliege. Für die Selbstständigkeit spreche noch nicht, dass der Verpflichtete berechtigt ist, seine Arbeitsleistung von einem Dritten erbringen zu lassen. Außerdem liege kein eigenes Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1) vor. Insgesamt handele es sich daher im Grundsatz um ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis. Die Versicherungsfreiheit zu den einzelnen Versicherungszweigen ergebe sich aus § 8 SGB IV, da das Arbeitsentgelt aus der Beschäftigung regelmäßig 400 EUR monatlich nicht überschreite.

Hiergegen richtet sich die 08.06.2012 erhobene Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung des Bescheides begehrt. Sie trägt zur Begründung vor, die Beigeladene zu 1) habe ihre unternehmerische Tätigkeit zugesichert und ihre Umsatzsteuerpflicht durch ihre Steuernummer nachgewiesen. Nur vor diesem Hintergrund habe die Beigeladene zu 1) den Auftrag für die Reinigung des Gebäudes erhalten. Die erbrachten Leistungen seien monatlich korrekt abgerechnet worden. Ein Anstellungsverhältnis habe zu keinem Zeitpunkt bestanden.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 10.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

Die Beklagte ist der Auffassung, der angefochtene Bescheid entspreche der Sach- und Rechtslage und sei nicht zu beanstanden. Zur Begründung nimmt sie Bezug auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten im Sach- und Streitstand die Kammer Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, aber nicht begründet.

Der Bescheid vom 10.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Der Bescheid findet seine Grundlage in § 28 h Abs 2 SGB IV. Danach obliegt der Einzugsstelle die Entscheidung über die Versicherungspflicht und über die Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Sie erlässt auch den Widerspruchsbescheid. Ebenso prüft die Beklagte als Einzugsstelle die Einhaltung der Arbeitsentgeltgrenze bei geringfügiger Beschäftigung nach den §§ 8, 8 a SGB IV und entscheidet bei deren Überschreiten über die Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Auch insoweit erlässt sie den Widerspruchsbescheid.

Die Beklagte war zunächst als Einzugsstelle für die Entscheidung über die Versicherungspflicht zuständig. Zwar regelt § 28 p Abs 1 S 5 SGB IV die Verpflichtung der Rentenversicherungsträger zur Prüfung der Versicherungspflicht und Beitragshöhe der Arbeitnehmer und ihre Befugnis zur Erteilung von Bescheiden. Diese Bestimmungen finden allerdings nur dann Anwendung, wenn eine Prüfung beim Arbeitgeber stattgefunden hat. Die Entscheidungskompetenz des Rentenversicherungsträgers geht daher dann auf den Rentenversicherungsträger über, wenn ein Prüfverfahren gemäß § 28 p SGB IV eröffnet wurde. Auch wenn die Verfahren der Einzugsstellen nach § 28 h Abs 2 S 1 SGB IV sowie der prüfenden Rentenversicherungsträger nach § 28 p Abs 1 S 5 SGB IV und § 7 a Abs 1 SGB IV grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander stehen (vgl BSG, Urteil v. 30.10.2013, B 12 AL 2/11 R, www.juris.de), war vorliegend die Zuständigkeit der Einzugsstelle gegeben, da sich die Prüfung der Beklagten allein auf die Feststellung der Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) in ihrer Tätigkeit für die Klägerin beschränkt hat. Wie sich aus der Stellungnahme der beigeladenen Minijobzentrale der Rentenversicherung Knappschaft Bahn See ergibt, ist ein Prüfverfahren bei der Klägerin als Arbeitgeberin nicht eingeleitet worden. Die Meldepflichten der Klägerin als Arbeitgeberin ergeben sich erst nach der Entscheidung über das Bestehen von Versicherungspflicht. Hierauf hatte die Beklagte in ihrem Anhörungsschreiben vom 16.12.2011 und in dem Bescheid vom 10.01.2012 hingewiesen.

Der angefochtene Bescheid erweist sich auch im Übrigen als rechtmäßig.

Der Versicherungspflicht in der Kranken- Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 5 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch - SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch, 11. Buch - SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch - SGB VI, § 25 Abs 1 S 1 Sozialgesetzbuch, Drittes Buch - SGB III). Sofern eine geringfügige Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV vorliegt (die maßgebende Grenze lag in dem hier strittigen Zeitraum bei 400 EUR monatlich), führt dies zur grundsätzlichen Versicherungsfreiheit in den jeweiligen Zweigen der Sozialversicherung (§ 27 Abs 2 S 1 SGB III, § 7 SGB V und § 5 Abs 2 Nr 1 SGB VI). Liegen diese Voraussetzungen vor, besteht eine Pflicht zur Abführung pauschaler Sozialversicherungsbeiträge für den Arbeitgeber in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung (§ 249 b S 1 SGB V, § 172 Abs 3 S 1 SGB VI).

Entgegen der Auffassung der Klägerin bestand in der Zeit von Januar 2011 bis Dezember 2011 ein dem Grunde nach sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) mit der Folge der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Abführung pauschaler Sozialversicherungsbeiträge.

Die Klägerin war nämlich als Arbeitgeberin im sozialversicherungsrechtlichen Sinne anzusehen. Arbeitgeber in diesem Sinne ist regelmäßig derjenige, zu dem ein anderer - der Beschäftigte - in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis steht. Nach § 7 Abs 1 S 1 SGB IV ist Beschäftigung die "nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis". § 7 Abs 1 S 2 SGB IV führt dabei aus, dass Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers sind.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (z.B. Urteil vom 27.07.2011, B 12 KR 10/09 R, www.juris.de) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 29.08.2012, B 12 R 14/10; BSG, Urteil vom 25.04.2012, B 12 KR 24/10 R, BSG, Urteil vom 11.03.2009, B 12 KR 21/07 R, www.juris.de; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung: BVerfG, Beschl. vom 20.05.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3 - 2400 § 7 Nr 11).

Welches Gesamtbild zugrunde zu legen ist, setzt sich einerseits aus den tatsächlichen Verhältnissen und andererseits aus den vertraglichen Abreden zusammen. Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse sowie die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben, zugrunde zu legen. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst die Vereinbarung der Beteiligten, so wie sie sich aus den getroffenen Regelungen ergibt oder wie sie sich aus der gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die eigentlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine formlose Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 28.09.2011, B 12 R 17/09 R, www.juris.de).

Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist die Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass die Beigeladene zu 1) in dem hier umstrittenen Zeitraum abhängig beschäftigt gewesen ist.

Die Beigeladene zu 1) ist für die Klägerin auf der Grundlage der offenbar im Dezember 2010 getroffenen mündlichen Vereinbarung tätig geworden, die Hauseingänge ihrer Immobilie zu reinigen und die dazugehörenden Treppenhäuser zu säubern. Da der vorherige Unternehmer Putzmittel zurückgelassen hatte, konnte die Beigeladene zu 1) diese nutzen und mit dem Werkzeug der Klägerin die Reinigungsarbeiten durchführen. Der Beigeladenen zu 2) war es freigestellt, wann sie die Reinigung verrichtet. Von ihr wurde erwartet, dass die Hauseingänge und Treppenhäuser regelmäßig gereinigt werden und das Ergebnis den herkömmlichen Anforderungen an die Reinlichkeit in Mietshäusern entsprechen sollte.

Auch wenn es dem Willen der Vertragsparteien entsprochen haben mag, dass eine selbständige Tätigkeit durch die Beigeladene zu 2) verrichtet werden sollte, - die Reinigung des Objektes also auf Erfolgs- bzw. Werkvertragsbasis erfolgen sollte und die Beigeladene zu 2) sich hierbei die Arbeitszeit frei einteilen konnte - sprechen die überwiegenden Gesichtspunkte nach Auffassung der Kammer gegen eine selbständige Tätigkeit.

Zunächst spielt dabei eine Rolle, dass die Beigeladene zu 1) eigene Putzmittel sowie andere Utensilien zum Reinigen der Flächen (Wischmopp, Wischer und Eimer) nicht aus ihrem eigenen Bestand verwendet hat, sondern hierfür auf die Mittel der Klägerin zurückgegriffen hat. Auch wenn die Klägerin angegeben hat, es handle sich hierbei um Reinigungsmittel, die die vorherige Reinigungsfirma zurückgelassen hatte, so hat doch die Beigeladene zu 1) glaubhaft versichert, immer Materialien der Klägerin genutzt zu haben. Gegenstand der Vereinbarung der beteiligten Vertragsparteien war darüber hinaus auch, dass eine regelmäßige Reinigung der Hauseingänge und Treppenhäusern zu erfolgen hat. So konnte die Beigeladene zu 1) zwar frei darüber entscheiden, wann innerhalb einer Woche die Arbeiten erledigt werden, sie konnte allerdings nicht zwei oder drei Wochen warten, um dann eine umso gründlichere oder zeitintensivere Reinigung vorzunehmen. Dies hätte den Erwartungen der Klägerin nicht entsprochen.

Dementsprechend unterlag die Beigeladene zu 1) auch einem Weisungsrecht der Klägerin. Insbesondere hätte die Klägerin zu jeder Zeit die Möglichkeit gehabt, auf die Art und Weise der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) einzuwirken und zu bestimmen, wann und in welcher Intensität die Reinigung der Objekte vorzunehmen ist. Dass die Klägerin von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch gemacht hat, ist unbeachtlich, weil die versicherungsrechtliche Beurteilung ansonsten wesentlich davon abhänge, ob die Tätigkeit aus Sicht des Rechtsmachtinhabers (hier der Klägerin) beanstandungsfrei ausgeübt wurde (vgl. LSG NRW, Urteil vom 25.03.2010, L 16 (5) KR 190/08, LSG NRW, Urteil vom 12.02.2014, L 8 R 1108/12, www.juris.de). Die Beigeladene zu 1) war daher auch in den Betrieb der Klägerin eingegliedert.

Das weitere wesentliche Merkmal der abhängigen Beschäftigung, das Weisungsrecht des Arbeitgebers, lag gleichfalls vor. Damit ist es unerheblich, dass die Vertragsparteien keine abhängige Beschäftigung vereinbaren wollten. Der sozialversicherungsrechtliche Status unterliegt nämlich nicht der Dispositionsfreiheit der beteiligten Personen, sondern ergibt sich aus den gesetzlichen Bestimmungen i.V.m. den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung dazu herausgearbeiteten Beurteilungskriterien (LSG NRW, Urteil vom 30.04.2014, L 8 R 981/12 www.juris.de).

Daneben ist zu berücksichtigen, dass die Beigeladene zu 1) nicht über eine eigene Betriebsstätte verfügt hat und sie ihr Gewerbe auch erst zu einem Zeitpunkt angemeldet hat, zu dem der Vertrag mit der Klägerin bereits geschlossen war. Ein besonderes Unternehmerrisiko, das für die Annahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit sprechen könnte, lag ebenfalls nicht vor. Ein Risiko der Beigeladenen zu 1), das über das auch von einem abhängig Beschäftigten zu tragende Insolvenzrisiko des Arbeitgebers hinausgeht, ist nämlich nicht ersichtlich. Die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) wurde monatlich mit einer Pauschale von 90,00 EUR vergütet. Eigenes Kapital hatte die Beigeladene zu 1) dabei nicht einzusetzen. Solches wurde auch nicht beispielsweise durch Werbung eingesetzt, um auch andere Kunden für die Inanspruchnahme von Reinigungsdiensten zu akquirieren. Vielmehr war die Beigeladene zu 1) während des gesamten Zeitraums selbständig erwerbstätig als Pferdesportlehrerin. Hierzu hatte sie einen eigenen Internetauftritt und verschiedene Auftraggeber, wobei sie jeweils mit den einzelnen Kunden Honorare ausgehandelt und insoweit auch ein persönliches Risiko getragen hat. Für ihre in der Gewerbeanmeldung vom 10.02.2011 aufgeführte Reinigungstätigkeit gilt dies jedoch nicht.

Die Möglichkeit, die Arbeiten von einem Dritten erledigen zu lassen, kann zwar ein Anhaltspunkt für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit sein, führt aber vorliegend ebenfalls nicht zu diesem Schluss. Die Beigeladene zu 1) hat hierzu im Rahmen des gerichtlichen Erörterungstermins angegeben, dass sie finanziell nicht die Möglichkeit gehabt hätte, eine andere Person zu beauftragen und zu finanzieren, die im Falle von Krankheit oder Urlaub ihrerseits die Arbeiten übernimmt. Vielmehr hat die Beigeladene zu 1) vor diesem Hintergrund regelmäßig darauf geachtet, die Arbeiten selbst verrichten zu können. Dementsprechend hat sich die Beigeladene zu 1) auch zu keinem Zeitpunkt vertreten lassen, sondern ihren privaten Zeitplan so eingeteilt, dass sie die Reinigungsdienste bei der Klägerin immer ausführen konnte. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin tatsächlich einverstanden gewesen wäre, wenn die Beigeladene zu 1) im wöchentlichen Wechsel andere Personen in die Mietshäuser gelassen hätte, um von ihnen die Reinigungsarbeiten durchführen zu lassen.

Soweit die Klägerin darauf verweist, allein der Umstand, dass die Beigeladene zu 1) Rechnungen mit Ausweisung von Umsatzsteuer gestellt habe, spreche für die selbständige Erwerbstätigkeit, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Die Klägerin verkennt bei ihrer Argumentation, dass die Kleinunternehmerregelung und damit die Umsatzsteuerbefreiung nach § 19 UStG nicht automatisch zur Anwendung kommt. Insbesondere kann allein aus dem Umstand, dass in einer Rechnung eine Umsatzsteuer enthalten ist, keine sozialversicherungsrechtliche Einordnung abgeleitet werden. Vielmehr sind die tatsächlichen Umstände maßgeblich. Die statusrechtliche Einordnung kann insbesondere nicht von der Vorstellung des Arbeitgebers abhängen, welche Indizien seiner Meinung nach für die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit sprechen. Es genügt für die Beurteilung des Status jedenfalls nicht, die Nutzung einer Steuernummer und die Ausweisung von Umsatzsteuer zur Beantwortung der umfangreichen Abgrenzungsfragen heranzuziehen. Wenn es das erklärte Ziel der Klägerin war, die Begründung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern, kann es nicht ausreichen, sich auf die Verwendung einer Steuernummer durch den "Beschäftigten" zu berufen, um sich den Arbeitgeberpflichten zu entziehen. Im Übrigen hängt die statusrechtliche Prüfung nicht von einer (verschuldensabhängigen) Kenntnis oder Unkenntnis der Beteiligten bzgl. der rechtlichen Einordnung der tatsächlichen Gesichtspunkte ab. Diese Gesichtspunkte können allenfalls im nachgeordneten Meldeverfahren sowie bei der Frage der Verletzung von Meldepflichten zum Tragen kommen.

Die Beklagte hat daher die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) für die Tätigkeit bei der Klägerin zutreffend festgestellt.

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs 1 S 1 SGG i.V.m. § 154 Abs 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 197 a SGG i.V.m. § 52 Abs 2 GKG und berücksichtigt, dass über die Versicherungspflicht dem Grunde nach, nicht aber über eine Beitragsforderung in bestimmter Höhe gestritten wurde (BSG, Urteil vom 24.09.2008, B 12 R 10/07 R). Für eine konkrete Bestimmung des Streitwertes bedarf es im Übrigen im Hinblick auf §§ 8 Abs 1 Nr 1, 8 a SGB IV weiterer Ermittlungen.
Rechtskraft
Aus
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