L 13 SB 239/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 3 SB 72/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 SB 239/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 14. August 2014 geändert sowie der Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 9. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2013 verpflichtet, bei dem Kläger mit Wirkung ab dem 18. August 2015 einen Gesamt-GdB von 50 festzustellen. Der Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten des gesamten Verfahrens zur Hälfte zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Behinderung (GdB).

Im Jahre 2005 war bei dem 1953 geborenen Kläger ein Grad der Behinderung von 30 festgesetzt worden. Den Verschlimmerungsantrag vom 16. Mai 2012 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 9. August 2012 ab. Hiergegen erhob der Kläger Wider-spruch. Im Widerspruchsverfahren gelangte das Rentengutachten des Allgemeinmediziners Dr. S vom November 2012 zur Verwaltungsakte. Der Beklagte stellte bei dem Kläger mit Widerspruchsbescheid vom 13. März 2013 einen Grad der Behinde-rung von 40 ab 23. Oktober 2012 fest, wies den Widerspruch aber im Übrigen zurück. Hierbei legte er folgende Behinderungen zugrunde:

1. chronisches Schmerzsyndrom (Einzel-GdB von 10), 2. Funktionsstörung der Wirbelsäule (Einzel-GdB von 30), 3. Funktionsstörung des rechten Schultergelenks (Einzel-GdB von 10), 4. Funktionsstörung des linken Hüftgelenks (Einzel-GdB von 20).

Mit der Klage bei dem Sozialgericht Neuruppin hat der Kläger einen Grad der Behinderung von wenigstens 50 begehrt. Während des Klageverfahrens hat der Kläger am 22. Juli 2013 einen weiteren Änderungsantrag bei dem Beklagten gestellt.

Das Sozialgericht hat das Gutachten des Chirurgen Dr. B vom 13. Mai 2014 eingeholt, der den Gesamt-GdB von 40 bestätigt hat. Der Gutachter hat hierbei die einzelnen Behinderungen in der gleichen Weise wie der Beklagte bewertet.

Den auf die Feststellung eines Gesamt-GdB von 50 beschränkten Klageantrag hat das Sozialgericht mit Urteil vom 14. August 2014 abgewiesen. Mit der Berufung hat der Kläger dieses Begehren zunächst weiterverfolgt.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung des Gutachtens des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. S vom 31. August 2015. Der Sachverständige hat nach der Untersuchung des Klägers am 18. August 2015 folgende GdB-relevante Funktionsstörungen für den streitbefangenen Zeitraum festgestellt:

- Wirbelsäulenfunktionsstörungen bei Verschleiß, chronisches morphinpflichtiges Schmerz-Syndrom (Einzel-GdB von 40), - Kunsthüftgelenk links operiert am 30. März 2015, Hüftgelenkverschleiß rechts, Sehnenentzündung, Kniegelenkverschleiß beidseits (Einzel-GdB von 20).

Der Sachverständige hat vorgeschlagen, den Gesamt-GdB mit 50 festzusetzen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 18. November 2015 hat der Kläger sein Begehren auf den Zeitraum ab der Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. S, also ab dem 18. August 2015, beschränkt.

Die Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 14. August 2014 zu ändern sowie den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 9. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2013 zu verpflichten, bei ihm mit Wirkung ab dem 18. August 2015 einen Gesamt-GdB von 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass seine Entscheidungen zutreffend sind.

Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist, soweit er diese aufrechterhalten hat, begründet.

Der Kläger hat Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50 mit Wirkung ab dem 18. August 2015.

Nach den §§ 2 Abs. 1, 69 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX) sind die Auswirkungen der länger als sechs Monate anhaltenden Funktionsstörungen nach Zehnergraden abgestuft entsprechend den Maßstäben des § 30 Bundesversorgungsgesetz zu bewerten. Hierbei sind die in der Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) festgelegten "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" heranzuziehen.

Für die Wirbelsäulenfunktionsstörung bei Verschleiß mit Bandscheibenleiden ist nach Teil B Nr. 18.9 der Anlage zu § 2 VersMedV ein Einzel-GdB von 30 anzusetzen, der unter Beachtung der Vorgaben in Teil A Nr. 2i der Anlage zu § 2 VersMedV mit Rücksicht auf das chronische morphinpflichtige Schmerzsyndrom auf einen Einzel-GdB von 40 anzuheben ist. Der Senat folgt den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. S, da die mittelgradigen funktionellen Einschränkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten durch die Schmerzkrankheit deutlich negativ überlagert werden.

Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. S rechtfertigen die Funktionsstörungen der unteren Extremitäten, d.h. das Kunsthüftgelenk links, der Hüftgelenkverschleiß rechts, die Sehnenentzündung und der Kniegelenkverschleiß beidseits einen Einzel-GdB von 20. Der Senat schließt sich dieser Bewertung im Ergebnis an. Nach Teil B Nr. 18.12 der Anlage zu § 2 VersMedV ist für die einseitige Endoprothese des Hüftgelenks – bei bestmöglichem Behandlungsergebnis – ein GdB von 10, für die beidseitige Endoprothese der Hüftgelenke ein GdB von 20 zu vergeben. Vorliegend ist der Kläger einseitig, nämlich am linken Hüftgelenk, prothetisch versorgt, während das rechte Hüftgelenk den von dem Gutachter beschriebenen Verschleiß aufweist, der ebenfalls eine Operation erforderlich macht. Im Hinblick darauf, dass das bestehende Leiden nicht geringer bewertet werden darf als der Zustand, der nach – optimaler – prothetisch Versorgung eintreten wird, erscheint es dem Senat gerechtfertigt, für das Funktionssystem der unteren Extremitäten insgesamt einen Einzel-GdB von 20 anzusetzen.

Liegen – wie hier – mehrere Beeinträchtigungen am Leben in der Gesellschaft vor, ist der GdB gemäß § 69 Abs. 3 SGB IX nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Nach Teil A Nr. 3c der Anlage zur VersMedV ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB von der Funktionsstörung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird.

Bei dem Kläger ist der Gesamt-GdB danach mit 50 festzusetzen. Der Einzel-GdB von 40 für das Funktionssystem Wirbelsäule ist nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. S unter Berücksichtigung der mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewertenden Behinderungen im Funktionssystem der unteren Extre-mitäten um einen Zehnergrad heraufzusetzen, da sich die Funktionsstörungen gegenseitig negativ überlagern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
Saved