L 13 SB 71/12

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 41 SB 1014/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 SB 71/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. März 2012 aufgehoben. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 7. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2011 verpflichtet, zugunsten des Klägers mit Wirkung von März 2009 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen. Der Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten für das gesamte Verfahren in vollem Umfang zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der im Jahre 1967 geborene Kläger begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB).

Der Kläger leidet an psychischen Erkrankungen, an Hautleiden und an Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 19. Juli 2000 stellte der Beklagte zugunsten des Klägers einen GdB von 40 fest. Dem lag bei der internen Bewertung zugrunde, dass das Hautleiden mit einem GdB von 30 und das psychische Leiden sowie das Wirbelsäulenleiden jeweils mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet wurden.

Auf den im März 2009 gestellten Neuantrag des Klägers erteilte der Beklagte nach Durchführung medizinischer Ermittlungen am 7. August 2009 einen ablehnenden Bescheid und wies auch den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 19. April 2011 mit der Begründung zurück, es habe sich keine wesentliche Veränderung hinsichtlich des Grades der Behinderung und der zugrunde liegenden Funktionsbeeinträchtigungen ergeben.

Im anschließenden Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Berlin hat am 24. September 2011 aufgrund richterlicher Beweisanordnung der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. B ein medizinisches Sachverständigengutachten erstattet und darin die Einschätzung des Beklagten hinsichtlich des GdB bestätigt. Mit Urteil vom 6. März 2012 hat das Sozialgericht, insbesondere auch auf das medizinische Sachverständigengutachten gestützt, die Klage abgewiesen.

Mit seiner Berufung zum Landessozialgericht verfolgt der Kläger sein Ziel weiter, einen GdB von 50 zu erreichen. Er hält insbesondere das psychische Leiden für wesentlich zu gering bewertet.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. März 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 7. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2011 zu verpflichten, mit Wirkung vom März 2009 zugunsten des Klägers einen GdB von 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffen.

Aufgrund richterlicher Beweisanordnung hat am 8. Juli 2015 der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B ein medizinisches Sachverständigengutachten erstattet. Darin ist er zu der Einschätzung gelangt, das psychische Leiden des Klägers sei mit einem Einzel-GdB von 50, das Hautleiden mit einem Einzel-GdB von 30 und das Wirbelsäulenleiden mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Insgesamt betrage im streitbefangenen Zeitraum der GdB durchgängig 60.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Verwaltungsakten des Beklagten, die im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sie ist auch begründet. Das angefochtene Urteil und die angefochtenen Bescheide waren aufzuheben und der Beklagte in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu verpflichten, denn dem Kläger steht ab März 2009 ein Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50 zu.

Rechtsgrundlage für die Feststellung ist § 69 Sozialgesetzbuch/Neuntes Buch (SGB IX), wobei eine Konkretisierung in der in der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersmedV) erfolgt. Nach Teil A 3.c der vorgenannten Anlage zu § 2 VersmedV ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung gerecht zu werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach Teil A 3.d.ee leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 für sich genommen bedingen, in der Regel nicht zu einer Erhöhung des GdB führen, dies gilt ebenfalls teilweise für Einzel-GdB von 20.

Nach den vorgenannten Kriterien steht dem Kläger jedenfalls ein GdB von 50 zu. Denn bei ihm ist eine psychische Beeinträchtigung festzustellen, die mindestens mit einem GdB von 40 zu bewerten ist; hinzu tritt ein von dem Beklagten bereits festgestelltes Hautleiden mit einem Einzel-GdB von 30.

Der Senat stützt seine Überzeugung auf das Gesamtergebnis des Verfahrens, vgl. § 128 SGG, wobei dem Sachverständigengutachten des Dr. B vom 8. Juli 2015 eine maßgebliche Bedeutung zukommt. Der Sachverständige, der ein erfahrener Psychiater ist, hat das psychische Leiden des Klägers nach eigener Untersuchung eingeschätzt. Hierbei kann offen bleiben, ob bei dem Kläger bereits schwere Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten vorliegen, die nach Teil B 3.7 der Anlage zu § 2 VersmedV mit einem Mindest-GdB von 50 zu bewerten sind, denn jedenfalls hat der Senat keine Zweifel, dass sicher der obere Bereich der stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit erreicht ist, wodurch ein Einzel-GdB von mindestens 40 für die psychischen Erkrankungen des Klägers festzustellen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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