L 13 SB 218/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 34 SB 527/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 SB 218/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 26. Juni 2014 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des bei dem Kläger festzustellenden Grades der Behinderung (GdB).

Auf den Feststellungsantrag des Klägers vom 13. Dezember 2010 hat der Beklagte bei ihm mit Bescheid vom 11. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 2011 einen Grad der Behinderung von 40 festgesetzt, aber die beantragte Zuerkennung der Merkzeichen G und RF abgelehnt. Hierbei legte er folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde:

a) Parkinson-Syndrom (Einzel-GdB von 30), b) Sehbehinderung links (Einzel-GdB von 15), c) Refluxkrankheit der Speiseröhre (Einzel-GdB 10), d) Einzelniere links (Einzel-GdB 25), e) Wirbelsäulensyndrom (Einzel-GdB von 10).

Mit der Klage vor dem Sozialgericht Potsdam hat der Kläger einen GdB von mindestens 80 begehrt.

Im Hinblick auf das bei dem Kläger Ende Oktober 2012 diagnostizierte Schlafapnoe-Syndrom hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 26. April 2013 erklärt, er werde bei dem Kläger einen GdB von 50 ab 30. Oktober 2012 festsetzen. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen und den Rechtsstreit im Übrigen weitergeführt.

Neben Befundberichten hat das Sozialgericht das Gutachten des Facharztes für Neurologie Dr. M vom 31. Dezember 2013 eingeholt, der den Gesamt-GdB auf 50 eingeschätzt hat, wobei er das Parkinson-Syndrom, das sich seinen Feststellungen zufolge verschlechtert habe, mit einem Einzel-GdB von 40 berücksichtigt hat.

Ferner hat das Sozialgericht das Gutachten des Facharztes für Innere Medizin Dr. H vom 27. März 2014 eingeholt, der den Gesamt-GdB ebenfalls auf 50 eingeschätzt hat.

Mit Urteil vom 26. Juni 2014 hat das Sozialgericht Potsdam den Beklagten verurteilt, bei dem Kläger mit Wirkung bereits ab dem 28. September 2012, dem Beginn des Aufenthalts in der Parkinson-Klinik, einen GdB von 50 festzustellen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der Beklagte hat dieses Urteil mit Bescheid vom 10. September 2014 ausgeführt.

Mit der Berufung bei dem Landessozialgericht begehrt der Kläger ab 28. September 2012 einen GdB von mindestens 60.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung des Gutachtens des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. S vom 2. Juli 2015. Der Sachverständige hat folgende Behinderungen bei dem Kläger ermittelt:

a) Parkinson-Syndrom (Einzel-GdB von 40), b) Sehbehinderung links bei Schielfehlstellung (Einzel-GdB von 20), c) schlafbezogene Atmungsregulationsstörung, mit Atemmaske behandelt (Einzel-GdB von 20), d) Rückflusskrankheit der Speiseröhre (Einzel-GdB 10), e) Einzelniere links (Einzel-GdB 30), f) Wirbelsäulenfunktionsstörung bei Verschleiß, Bandscheibenvorfall zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbel (Einzel-GdB von 10), g) Lipombildung (Einzel-GdB von 10), h) saisonal Heuschnupfen (Einzel-GdB von 10).

Der Gutachter hat vorgeschlagen, einen Gesamt-GdB von 50 festzustellen.

Der Kläger ist dem Gutachten entgegengetreten. Er hat den Arztbrief der radiologischen Praxis Dr. N vom 24. September 2015 über die MRT-Untersuchung der Lendenwirbelsäule vom 23. September 2015 vorgelegt.

Der Kläger beantragt seinem schriftlichen Vorbringen zufolge,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 26. Juni 2014 zu ändern sowie den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 2011 in der Fassung des Ausführungsbescheides vom 10. September 2014 zu verpflichten, bei ihm mit Wirkung ab dem 28. September 2014 einen GdB von mindestens 60 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge des Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz Ausbleibens des Klägers im Termin verhandeln und entscheiden (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 110 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat den Beklagten zu Recht verpflichtet, bei dem Kläger (nur) einen Gesamt-GdB von 50 festzustellen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf einen höheren GdB.

Nach den §§ 2 Abs. 1, 69 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX) sind die Auswirkungen der länger als sechs Monate anhaltenden Funktionsstörungen nach Zehnergraden abgestuft entsprechend den Maßstäben des § 30 Bundesversorgungsgesetz zu bewerten. Hierbei sind die in der Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412), die am 1. Januar 2009 in Kraft getreten ist, festgelegten "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" heranzuziehen.

Das Parkinson-Syndrom des Klägers ist mit einem Einzel-GdB von 40 zu bewerten. Der Senat folgt der Bewertung durch den Sachverständigen Dr. S, die den Vorgaben in Teil B Nr. 3.1.2 der Anlage zu § 2 VersMedV entspricht. Ein höherer GdB – von 50 bis 70 – setzt eine deutliche Störung der Bewegungsabläufe, Gleichgewichtsstörungen, Unsicherheit beim Umdrehen, stärkere Verlangsamung voraus, die bei dem Kläger nicht vorliegen.

Für das Fehlen einer Niere ist nach Teil B Nr. 12.1.1 ein Einzel-GdB von 25 vorgesehen.

Die Sehminderung bedingt nach Teil B Nr. 4.2 der Anlage zu § 2 VersMedV einen Einzel-GdB von 20. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten zu Recht kein Streit.

Für das Schlafapnoe-Syndrom ist nach Teil B Nr. 8.7 der Anlage zu § 2 VersMedV ein Einzel-GdB von 20 anzusetzen, da nach den gutachterlichen Feststellungen eine kontinuierliche nasale Überdruckbeatmung erforderlich ist. Den Angaben des Klägers gegenüber dem Sachverständigen Dr. S zufolge hilft ihm die Atemmaske gut; er könne damit gut durchschlafen. Die noch in der ersten Instanz vorgetragenen Probleme wegen Heuschnupfens hat der Kläger nicht mehr erwähnt. Im Übrigen würden sie auch nur saisonal auftreten und damit eine Höherbewertung nicht rechtfertigen.

Hinsichtlich des Wirbelsäulenleidens des Klägers hat der Sachverständige Dr. S in seinem Gutachten festgestellt, dass ein Wirbelsäulenabschnitt mit nur relativ geringen funktionellen Einschränkungen betroffen ist. Auf der Grundlage von Teil B Nr. 18.9 der Anlage zu § 2 VersMedV bedingt dies ein Einzel-GdB von 10. Der nunmehr vorgelegte Arztbrief der radiologischen Praxis Dr. N et al. vom 24. September 2015 über die MRT-Untersuchung der Lendenwirbelsäule vom 23. September 2015 rechtfertigt keine andere Bewertung, da die dort beschriebenen Bandscheibenvorwölbungen (L3/4, L5/S1) und der Bandscheibenvorfall (L4/5) dem Gutachter aus früheren kernspintomographischen Untersuchungsbefunden bekannt gewesen sind.

Der Senat schließt sich der Bewertung der Lipome durch den Sachverständigen mit einem Einzel-GdB von 10 an.

Der Gutachter hat den saisonalen Heuschnupfen, an dem der Kläger seinen eigenen Angaben zufolge von April bis September leide, mit einem Einzel-GdB von 10 angesetzt. Ein höherer GdB kommt nicht in Betracht, da bei der Begutachtung durch Dr. S im Juli 2015 keine Hinweise auf eine allergische Rhinitis oder Konjunktivitis bestanden haben.

Weitere Behinderungen, die einen GdB von mindestens 10 zur Folge haben, sind bei dem Kläger nicht festzustellen. Die operierte Vorsteherdrüsenveränderung, der Bluthochdruck und die Herzrhythmusstörungen, die Dysthymie sowie das Übergewicht und die Fettstoffwechselstörung begründen keine messbaren Defizite.

Unter Berücksichtigung der einzelnen Behinderungen des Klägers ist der Gesamt-GdB als Ausdruck der Gesamtbeeinträchtigung mit 50 zu bilden.

Liegen mehrere Beeinträchtigungen am Leben in der Gesellschaft vor, ist der GdB gemäß § 69 Abs. 3 SGB IX nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Nach Teil A Nr. 3c der Anlage zu § 2 VersMedV ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB von der Funktionsstörung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird.

Der einzusetzende Einzel-GdB von 40 für das Parkinson-Syndrom ist entsprechend dem Vorschlag des Sachverständigen Dr. S mit Rücksicht auf die Sehminderung und das Schlafapnoe-Syndrom, die jeweils einen Einzel-GdB von 20 bedingen, um einen Zehnergrad auf den Gesamt-GdB von 50 anzuheben. Eine Verstärkung der Funkti-onsbeeinträchtigungen durch die lediglich formal mit einem Einzel-GdB von 25 bewertete Einzelniere tritt nicht ein. Die bei dem Kläger zusätzlich vorliegenden leichten Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, führen, von hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen (z. B. hochgradige Schwerhörigkeit eines Ohres bei schwerer beidseitiger Einschränkung der Sehfähigkeit) abgesehen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis der Hauptsache.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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