Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 KR 4656/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3071/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 30.06.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Beendigung seines Krankengeld-Wahltarifs bei der Beklagten.
Der 1973 geborene Kläger ist niedergelassener Arzt und bei der Beklagten als hauptberuflich Selbständiger freiwillig krankenversichert. Zum 01.12.2013 wählte er den Tarif KGPlus mit ergänzendem Krankengeld ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit iHv 150 EUR kalendertäglich. Mit Schreiben vom 24.10.2013 bestätigte die Beklagte den Tarif ab 01.12.2013. Beigefügt war ein Merkblatt mit Rechtsbehelfsbelehrung. § 17m der Satzung der Beklagten sah für den Wahltarif KGPlus folgende Regelungen vor: (7) folgende Krankengeldtarife können gewählt werden: 1 ... 2. Mitglieder nach Abs 1 Satz 1 Nr 1 (Mitglieder, die hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind, bis zur Vollendung des 50. Lebensjahres, sofern diese ein Krankengeld nach § 44 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB V gewählt haben), deren beitragspflichtiges Einkommen die kalendertägliche Beitragsbemessungsgrenze übersteigt, können einen ergänzenden Krankengeldtarif zur Absicherung eines höheren Krankengeldes ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit wählen (Tarif KGPlus). In Abs 8 war im Tarif KGPlus eine gestaffelte Prämie für kalendertägliches Krankengeld zwischen 10 und maximal 150 EUR vorgesehen, gestaffelt in 10-EUR-Schritten. Für das vom Kläger gewählte tägliche Krankengeld von 150 EUR war eine monatliche Prämie von 81 EUR zu zahlen. § 17m Abs 3 der Satzung sah eine Mindestbindung an den gewählten Krankengeldtarif von 3 Jahren vor, § 17m Abs 4 der Satzung enthielt Kündigungsmöglichkeiten des Mitglieds. Die Beklagten konnte den Krankengeldtarif beenden, wenn das Mitglied seiner Verpflichtung zur Prämienzahlung trotz Mahnung nicht nachkam (§ 17m Abs 6 der Satzung). Im Tarif KGPlus durfte das Wahltarif-Krankengeld zusammen mit dem Höchstkrankengeld nach § 47 SGB V 70 vH des Arbeitseinkommens nicht übersteigen (§ 17m Abs 11 Satz 1 Nr 3 der Satzung).
Der Verwaltungsrat der Beklagten entschied mit Beschluss vom 01.04.2014, § 17m der Satzung zu ändern und die Tarifoption Krankengeld-Wahltarif KGPlus zum 30.06.2014 zu beenden. Das Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Senioren Baden-Württemberg genehmigte die Satzungsänderung mit Bescheid vom 07.04.2014 (veröffentlicht im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg Nr 14/14 vom 11.04.2014). § 17m Abs 14 der Satzung in der neuen Fassung (nF) enthielt folgende Regelung: Für Mitglieder, die am 30.06.2014 Krankengeld aus der Tarifausprägung KGPlus (§ 17m Abs 7 Nr 2 in der bis 30.06.2014 geltenden Fassung) beziehen, besteht der Anspruch auf dieses Krankengeld unter den bisherigen Voraussetzungen weiter, der Anspruch besteht maximal bis zum Ende der Arbeitsunfähigkeit, die den Leistungsanspruch ausgelöst hat bzw bis zu der nach § 48 SGB V festgestellten Höchstanspruchsdauer.
Mit Bescheid vom 03.06.2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie den Tarif KGPlus wegen der damit verbundenen Kostenentwicklung zum 30.06.2014 einstelle. Mit dem Stichtag 30.06.2014 ende auch die Pflicht zur Prämienzahlung.
Am 06.06.2014 erhob der Kläger Widerspruch, mit dem er sich gegen die kurzfristige Schließung des Krankengeld-Wahltarifs KGPlus wandte. Die Satzung sehe eine einseitige Beendigung des Tarifs durch die Beklagte nur bei fehlender Prämienzahlung, Zuerkennung bestimmter Renten oder Tod des Versicherten vor. Ein Ruhen könne eintreten, wenn der Versicherte nicht mehr zum Personenkreis zähle, der den Wahltarif wählen könne. Diese Voraussetzungen seien bei ihm nicht erfüllt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.09.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach § 53 Abs 9 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sei sie verpflichtet, Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen aus den Wahltarifen auf Dauer zu finanzieren. Das sei im Tarif KGPlus nicht mehr gewährleistet gewesen. Der Kläger sei auch nicht übermäßig belastet, weil sein Anspruch auf Krankengeld ab der 7. Woche nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit nicht vollständig entfalle. Er erhalte nur nicht mehr Krankengeld über den aus der Beitragsbemessungsgrenze errechneten Betrag hinaus. Als Selbstständiger sei er in geringerem Maße schutzbedürftig. Mit dem Krankengeld KGPlus werde lediglich das weiterhin gewährte Optionskrankengeld nach § 44 SGB V aufgestockt. Dem Kläger sei insoweit eine anderweitige Absicherung zumutbar. Es bestehe kein schutzwürdiges Vertrauen in das unbefristete Bestehen eines Wahltarifs.
Dagegen richtet sich die am 08.10.2014 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Klage. Die Beklagte sei nach § 53 Abs 6 Satz 1 SGB V verpflichtet, ihm Wahltarife wie den Tarif KGPlus anzubieten. Zur Kündigung des Tarifs sei sie nicht berechtigt gewesen, denn die Satzung sehe eine solche Kündigungsmöglichkeit nicht vor. Wäre die Krankenkasse berechtigt, unrentable Wahlleistungen einseitig zu beenden, könnte dies dazu führen, dass Versicherte jahrelang für ihre Absicherung im Krankheitsfall gezahlt hätten, ohne einen Leistungsanspruch zu haben, zumal im Alter das Risiko einer Arbeitsunfähigkeit steige. Es werde auch bestritten, dass der Wahltarif unterfinanziert sei. Im Übrigen seien Selbstständige sogar schutzbedürftiger als Beschäftigte, denn ihnen drohe bei Krankheit nicht nur der Verlust des Gewinns, sondern schlimmstenfalls die Insolvenz. Die Beklagte könne den Wahltarif auch nicht als Verwaltungsakt zurücknehmen, denn der Anspruch beruhe nicht auf einer Entscheidung der Beklagten, sondern einer einseitigen Erklärung des Klägers. Die Versicherungspolice habe nur deklaratorischen Charakter. Unabhängig davon lägen auch die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Verwaltungsakts nicht vor.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) erfüllt seien. Die Rechtsgrundlage für den Tarif KGPlus sei mit der Satzungsänderung weggefallen. Der Bescheid vom 24.10.2013 habe daher mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben werden können. Einer gesonderten Kündigungsregelung bedürfe es nicht.
Mit Urteil vom 30.06.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Wahltarif des Klägers sei wirksam zum 30.06.2014 beendet worden. Eine vertragliche Bindung stehe dem nicht entgegen. Im Grundsatz habe es keiner konstitutiven Entscheidung der Beklagten bedurft. Der Bescheid vom 03.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.09.2014 sei als feststellender Bescheid zu verstehen, mit dem die Beklagte ihrer Aufklärungs- und Beratungspflicht nachgekommen sei. Zugleich werde damit die zumindest formell als Bescheid ausgestaltete Mitteilung vom 24.10.2013 aus der Welt geschafft. Dieses Schreiben enthalte die Feststellung, dass die Rechtswirkungen der Willenserklärung ab 01.12.2013 eintreten. Entsprechend der Regelung im Einzelfall enthalte das Schreiben auch eine Rechtsbehelfsbelehrung. Diesen feststellenden Bescheid habe die Beklagte nach § 48 Abs 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben gehabt. Eine Änderung in den rechtlichen Verhältnissen sei eingetreten, da die Satzungsregelung zum Wahltarif KGPlus zum 30.06.2014 ersatzlos entfallen sei. Die Möglichkeit der einseitigen Beendigung nach § 53 Abs 6 SGB V möglicher, aber nicht verpflichtender Wahltarife ergebe sich bereits aus dem Gesetz (§§ 59 Abs 9, 6 Satz 2, 194 ff SGB V). Die Satzung werde als autonomes Recht der Beklagten gesetzt. Diese sei nicht verpflichtet, einen Wahltarif zum Bezug von Krankengeld über die gesetzliche Höhe nach § 47 SGB V hinaus anzubieten, § 53 Abs 6 SGB V sei als "Kann-Vorschrift" ausgestaltet. Die Krankenkasse könne daher einen solchen Tarif anbieten, müsse dies aber nicht. Im Umkehrschluss bedeute dies, dass sie einen solchen Wahltarif auch wieder beenden könne. Grenzen ergäben sich aus dem verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot. Diese Grenzen habe die Beklagte eingehalten. Dem Vertrauen der bisher im Wahltarif KGPlus Versicherten habe sie dadurch Rechnung getragen, dass diejenigen Versicherten, die bei Inkraftreten der Neuregelung bereits Krankengeld bezogen hätte, bis zum Ende der laufenden Arbeitsunfähigkeit (höchstens 78 Wochen) weiter Krankengeld erhielten. Das weitergehende Vertrauen habe sie nicht als schutzwürdig angesehen. Der Beklagten habe es freigestanden, den Tarif KGPlus nicht mehr anzubieten; ob dieser nicht mehr auskömmlich gewesen sei, sei nicht entscheidend. Soweit der Kläger Vertrauensschutz langjährig Versicherter anführe, könne er sich darauf nicht berufen, da er bei Beendigung des Tarifs in diesem gerade sieben Monate versichert gewesen sei. Das besondere Risiko als Selbstständiger müsse nicht zwingend durch die Krankenkasse abgesichert werden, dies könne auch durch private Rücklagen oder entsprechende Krankentagegeldversicherungen einer privaten Zusatzversicherung erfolgen.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 13.07.2015 zugestellte Urteil richtet sich die am 23.07.2015 eingelegte Berufung des Klägers. Die Möglichkeit zur Beendigung von Krankengeld-Wahltarifen ergebe sich nicht bereits aus dem Gesetz. Die Beklagte dürfe ihre Satzung nicht beliebig ändern oder erlassen, sondern sei an die gesetzlichen Vorgaben gebunden. Möge die Beklagte berechtigt gewesen sein, den Wahltarif KGPlus für neue Mitglieder zu schließen, gelte dies nicht für die bereits dort versicherten Personen. Dies würde auch gegen elementare Grund-sätze der Prinzipien der Sozialversicherung bzw einer Versicherung für den Krankheitsfall verstoßen. Ein schützenswertes Recht des Klägers entstehe nicht erst mit der Bewilligung von Krankengeld, sondern bereits mit dem Versicherungsverhältnis, das einen Anspruch auf Krankengeld begründe. Hierin liege der entscheidende Unterschied zu der vom Senat im Parallelverfahren zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Abschaffung der Arbeitslosenhilfe. Diese sei nicht aufgrund eines beitragspflichtigen Versicherungsverhältnisses gewährt worden, sondern als Sozialleistung. Es liege in der Natur einer Versicherung für den Krankheitsfall, dass nicht nur das heutige Risiko, sondern auch das mit steigendem Alter höhere künftige Risiko einer Erkrankung abgedeckt werde. Mithin seien mit vorzeitiger Beendigung auch diejenigen Beitragsanteile verloren, die für das künftige Risiko bezahlt worden seien. Dies komme einer Enteignung gleich. Wenn der Gesetzgeber mit § 319 SGB V die Wahltarife habe enden lassen, spreche auch dies dafür, dass eine Beendigung nicht durch bloße Satzungsänderung der Beklagten möglich gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 30.06.2015 und den Bescheid der Beklagten vom 03.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.09.2014 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger weiterhin im Krankengeld-Wahltarif KGPlus versichert ist.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat den Beteiligten seine Entscheidung vom 30.11.2015 (L 11 KR 2953/15) in einem Parallelverfahren zur Kenntnis gegeben.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und damit zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der Bescheid vom 03.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.09.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass der Wahltarif KGPlus zum 30.06.2014 geendet hat. Ein Anspruch des Klägers auf Fortführung dieses Tarifs besteht nicht.
Das SG hat zutreffend die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage als zulässig erachtet. Der Senat schließt sich zur Vermeidung von Wiederholungen den Ausführungen im angefochtenen Urteil an (§ 153 Abs 2 SGG).
Der vom Kläger ab 01.12.2013 gewählte Wahltarif ist wirksam zum 30.06.2014 beendet worden. Durch Entfall der Satzungsregelung mit Wirkung zum 30.06.2014 endete der Wahltarif KGPlus ersatzlos. Die Satzungsänderung ist von der Aufsichtsbehörde genehmigt und ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Eine vertragliche Bindung, die dem entgegenstehen könnte, liegt nicht vor. Der Beitritt zu einem Wahltarif erfolgt durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung (Krauskopf in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung SGB V, § 53 RdNr 4; Dreher in juris-PK SGB V, 2. Aufl 2012, § 53 RdNr 25; Nolte in Kasseler Kommentar, SGB V, § 53 RdNr 4c). Ein Vertrag kommt zwischen dem Versicherten und der Krankenkasse nicht zustande, der Versicherte kann vielmehr durch Ausübung eines Gestaltungsrechts die Teilnahme am Wahltarif unmittelbar herbeiführen. Versicherten kann nur dann ein Wahltarif nach § 53 SGB V angeboten werden, wenn eine entsprechende Grundlage in der Satzung der Krankenkasse geschaffen wurde (Krauskopf aaO, § 53 RdNr 5). Da die Grundlage des Wahltarifs KGPlus in der Satzung zum 01.07.2014 nicht mehr gegeben war, durfte die Beklagte die Beendigung des Tarifs gegenüber dem Kläger feststellen. Für die vom Kläger beanspruchte Feststellung, dass er weiterhin im Tarif KGPlus versichert ist, gibt es für die Zeit ab 01.07.2014 aufgrund der Änderung der Satzung keinerlei rechtliche Grundlage mehr. Damit liegt eine wesentliche Änderung in den rechtlichen Verhältnissen vor, die gemäß § 48 Abs 1 SGB X zur Aufhebung der (deklaratorischen) Feststellung der Versicherung im Tarif KGPlus im Bescheid vom 24.10.2013 mit Wirkung für die Zukunft berechtigt.
Die Krankenkassen sind als Versicherungsträger nach § 34 Abs 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) verpflichtet, sich eine Satzung zu geben. Die Satzung hat als autonomes Recht Bindungswirkung für die Versicherten. Die Rechtsgültigkeit der Satzungsänderung in § 17m mit Wirkung zum 01.07.2014 ist im vorliegenden Verfahren inzident zu prüfen. Insoweit hat der erkennende Senat keine Zweifel, dass die Beklagte berechtigt war, den Wahltarif KGPlus zum 01.07.2014 zu beenden.
Dem Wegfall des Wahltarifs KGPlus steht zunächst nicht entgegen, dass eine Kündigung durch die Beklagte (außer für den Fall von Beitragsrückständen des Versicherten) weder im Gesetz noch in der Satzung vorgesehen war. Einer solchen Regelung bedarf es nicht, denn die Möglichkeit der einseitigen Beendigung freiwilliger Krankengeld-Wahltarife ergibt sich bereits aus dem Gesetz, insbesondere aus §§ 59 Abs 9, Abs 6 Satz 2, 194 ff SGB V. Bei dem Wahltarif KGPlus handelte es sich nicht um einen verpflichtend vorgesehenen Krankengeldtarif nach § 53 Abs 6 SGB VI, der dem gesetzlichen Anspruch auf Krankengeld entspricht, sondern es wurde hierdurch ein über den gesetzlichen Krankengeldanspruch hinausgehender monatlicher Zahlungsanspruch abgesichert. Handelte es sich bei dem Wahltarif KGPlus um ein freiwilliges Angebot der Beklagten und war sie nicht verpflichtet, diesen Wahltarif anzubieten, kann sie einen solchen Wahltarif auch wieder beenden.
Grenzen ergeben sich insoweit lediglich aus dem verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot, das aus dem Rechtsstaatsprinzip nach Art 20 Abs 3 Grundgesetz (GG) hergeleitet wird. Das Verbot rückwirkender Gesetze ist auch im Bereich des autonom gesetzten Rechts, namentlich Satzungen, anwendbar (BSG 19.02.2014, B 6 KA 10/13 R - SozR 4-2500 § 35 Nr 79 RdNr 44). Eine Regelung mit echter Rückwirkung, die in der Vergangenheit liegende, abgeschlossene Zeiträume betrifft, ist grundsätzlich nicht mit der Verfassung vereinbar (ständige Rechtsprechung, vgl BVerfG 23.11.1999, 1 BVF 1/94, BVerfGE 101, 239; zu Ausnahmen vgl BVerfG 02.05.2012, 2 BVL 5/10, BVerfGE 131, 20). Eine derartige echte Rückwirkung liegt nicht vor, denn die Satzungsänderung gilt mit Wirkung für die Zukunft und greift nicht in abgeschlossene Sachverhalte ein. Für eine unechte Rückwirkung, dh ein in der Vergangenheit begonnener, aber noch nicht abgeschlossener Sachverhalt (tatbestandliche Rückanknüpfung), gelten weniger strenge Beschränkungen (vgl BVerfG 05.20.2004, 2 BVR 2029/01, BVerfGE 109, 133). Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht allerdings nicht soweit, den Staatsbürger vor jeglicher Enttäuschung seiner Erwartung in die Dauerhaftigkeit der Rechtslage zu schützen. Die schlichte Erwartung, das geltende Recht werde auch in der Zukunft unverändert fortbestehen, ist verfassungsrechtlich nicht geschützt (BVerfG 07.12.2010, 1 BvR 2628/07, BVerfGE 128, 90 = SozR 4-1100 Art 14 Nr 23).
Im konkreten Fall liegt noch nicht einmal eine unechte Rückwirkung vor. Krankengeld wird jeweils abschnittsweise bewilligt, bei jeder Neubewilligung sind die Anspruchsvoraussetzungen erneut zu prüfen (ständige Rechtsprechung vgl BSG 26.06.2007, B 1 KR 8/07 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 12). Eine einmal erfolgte Bewilligung vermag weder in ihrem Verfügungssatz noch in den ihr zugrundeliegenden Feststellungen eine über den im Bescheid geregelten Zeitraum hinausgehende Rechtsposition zu begründen. Ein Recht, das durch den Vertrauensschutzgrundsatz gegen seine nachträgliche Entwertung hätte geschützt werden können, entstand daher frühestens mit der jeweiligen Neu- oder Weiterbewilligung von Krankengeld. Dieses Vertrauen ist jedoch durch die Übergangsregelung in § 17m Abs 18 der Satzung geschützt. Denn denjenigen Versicherten, die bei Inkrafttreten der Neuregelung bereits Krankengeld nach dem Tarif KGPlus bezogen haben, wird das erhöhte Krankengeld bis zum Ende der laufenden Arbeitsunfähigkeit (höchstens 78 Wochen) weitergezahlt. Eine unabhängig vom Bewilligungsakt bestehende Erwartung des Bürgers, er werde - den Fortbestand der jeweiligen Rechtslage vorausgesetzt - in einer bestimmten zukünftigen Sachlage leistungsberechtigt sein, ist mangels hinreichender Konkretisierung kein geschütztes Recht, denn die Verfassung gewährt keinen Schutz vor einer nachteiligen Veränderung der geltenden Rechtslage (BVerfG 07.12.2010, aaO zur Abschaffung der Arbeitslosenhilfe). Nichts anderes folgt daraus, dass vorliegend Leistungen der Krankenversicherung streitig sind, die auf Beiträgen der Versicherten beruhen.
Selbst wenn der Anspruch auf Krankengeld dem Grunde nach dem Eigentumsschutz von Art 14 Abs 1 Grundgesetz (GG) unterliegen würde (offengelassen BVerfG 24.03.1998, 1 BvL 6/92, BVerfGE 97, 378), wäre die Aufhebung des Wahltarifs KGPlus für die Zukunft eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung. Als gewichtiger Grund des öffentlichen Interesses für die Beendigung dieses Tarifs ist die fehlende Auskömmlichkeit des Wahltarifs zu sehen, die § 53 Abs 9 Satz 1 SGB V widerspricht. Aus dem Parallelverfahren L 11 KR 2953/15 ist dem Senat, wie den Beteiligten mitgeteilt, das Ergebnis des Tarifcontrollings der Beklagten mit Stichtag 01.01.2014 über die angebotenen Krankengeld-Wahltarife bekannt. Danach beliefen sich im Zeitraum 01.01. bis 31.12.2013 im Tarif KGPlus die Prämieneinnahmen auf 105.483,42 EUR, denen im gleichen Zeitraum Ausgaben für Krankengeld iHv 202.971,18 EUR gegenüber standen bei 266 Tarifteilnehmern zum Stichtag. Ein schutzwürdiges Interesse des Klägers, gleichwohl diesen – über die gesetzlich gebotene Grundsicherung weit hinausgehenden - Wahltarif beizubehalten, ist nicht ersichtlich, zumal der Kläger zum Zeitpunkt der Beendigung gerade einmal sieben Monate dem Wahltarif KGPlus beigetreten war. Der Kläger konnte sich daher ohne Schwierigkeiten auf die geänderte Rechtslage einstellen.
Im Übrigen hat der Gesetzgeber selbst mit § 319 SGB V (eingefügt mit Gesetz vom 17.07.2009, BGBl I 1990, in Kraft getreten mit Wirkung vom 01.08.2009) kurzfristig sämtliche Wahltarife auf der Grundlage von § 53 Abs 6 SGB V aF zum 31.07.2009 enden lassen mit einer Übergangsregelung in Abs 2 nur für Versicherte, die bereits am 31.07.2009 Leistungen aus dem Wahltarif bezogen haben. Aus dieser Regelung kann allerdings keinesfalls abgeleitet werden, dass grundsätzlich nur der Gesetzgeber berechtigt wäre, durch Satzungsrecht eingeführte Wahltarife wieder zu beenden. Dem steht schon die Normsetzungskompetenz der Krankenkasse als Satzungsgeber entgegen.
Soweit Zusatzbeiträge entsprechend dem Wahltarif KGPlus gezahlt wurden, der Kläger hierfür jedoch keine Leistungen erhalten hat, entspricht es dem Wesen einer Versicherung, dass die Beiträge verloren sind, wenn der versicherte Leistungsfall nicht eintritt. Mit den in der Vergangenheit gezahlten Beiträgen ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht das künftige, im Alter zunehmende individuelle Risiko einer Erkrankung abgedeckt. Altersrückstellungen sind insoweit nicht enthalten, so dass keine Rede vom Verlust von Beitragsanteilen für ein künftiges Risiko sein kann. Als "Gegenleistung" für seine Beiträge erhält der Kläger die bei Eintritt eines Versicherungsfalles ihm aktuell zustehenden Leistungen. Der Beendigung des streitigen Wahltarifs - mit der Folge des Wegfalls der Zusatzbeiträge - steht ein schützenswertes Recht des Klägers somit nicht entgegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Beendigung seines Krankengeld-Wahltarifs bei der Beklagten.
Der 1973 geborene Kläger ist niedergelassener Arzt und bei der Beklagten als hauptberuflich Selbständiger freiwillig krankenversichert. Zum 01.12.2013 wählte er den Tarif KGPlus mit ergänzendem Krankengeld ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit iHv 150 EUR kalendertäglich. Mit Schreiben vom 24.10.2013 bestätigte die Beklagte den Tarif ab 01.12.2013. Beigefügt war ein Merkblatt mit Rechtsbehelfsbelehrung. § 17m der Satzung der Beklagten sah für den Wahltarif KGPlus folgende Regelungen vor: (7) folgende Krankengeldtarife können gewählt werden: 1 ... 2. Mitglieder nach Abs 1 Satz 1 Nr 1 (Mitglieder, die hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind, bis zur Vollendung des 50. Lebensjahres, sofern diese ein Krankengeld nach § 44 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB V gewählt haben), deren beitragspflichtiges Einkommen die kalendertägliche Beitragsbemessungsgrenze übersteigt, können einen ergänzenden Krankengeldtarif zur Absicherung eines höheren Krankengeldes ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit wählen (Tarif KGPlus). In Abs 8 war im Tarif KGPlus eine gestaffelte Prämie für kalendertägliches Krankengeld zwischen 10 und maximal 150 EUR vorgesehen, gestaffelt in 10-EUR-Schritten. Für das vom Kläger gewählte tägliche Krankengeld von 150 EUR war eine monatliche Prämie von 81 EUR zu zahlen. § 17m Abs 3 der Satzung sah eine Mindestbindung an den gewählten Krankengeldtarif von 3 Jahren vor, § 17m Abs 4 der Satzung enthielt Kündigungsmöglichkeiten des Mitglieds. Die Beklagten konnte den Krankengeldtarif beenden, wenn das Mitglied seiner Verpflichtung zur Prämienzahlung trotz Mahnung nicht nachkam (§ 17m Abs 6 der Satzung). Im Tarif KGPlus durfte das Wahltarif-Krankengeld zusammen mit dem Höchstkrankengeld nach § 47 SGB V 70 vH des Arbeitseinkommens nicht übersteigen (§ 17m Abs 11 Satz 1 Nr 3 der Satzung).
Der Verwaltungsrat der Beklagten entschied mit Beschluss vom 01.04.2014, § 17m der Satzung zu ändern und die Tarifoption Krankengeld-Wahltarif KGPlus zum 30.06.2014 zu beenden. Das Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Senioren Baden-Württemberg genehmigte die Satzungsänderung mit Bescheid vom 07.04.2014 (veröffentlicht im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg Nr 14/14 vom 11.04.2014). § 17m Abs 14 der Satzung in der neuen Fassung (nF) enthielt folgende Regelung: Für Mitglieder, die am 30.06.2014 Krankengeld aus der Tarifausprägung KGPlus (§ 17m Abs 7 Nr 2 in der bis 30.06.2014 geltenden Fassung) beziehen, besteht der Anspruch auf dieses Krankengeld unter den bisherigen Voraussetzungen weiter, der Anspruch besteht maximal bis zum Ende der Arbeitsunfähigkeit, die den Leistungsanspruch ausgelöst hat bzw bis zu der nach § 48 SGB V festgestellten Höchstanspruchsdauer.
Mit Bescheid vom 03.06.2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie den Tarif KGPlus wegen der damit verbundenen Kostenentwicklung zum 30.06.2014 einstelle. Mit dem Stichtag 30.06.2014 ende auch die Pflicht zur Prämienzahlung.
Am 06.06.2014 erhob der Kläger Widerspruch, mit dem er sich gegen die kurzfristige Schließung des Krankengeld-Wahltarifs KGPlus wandte. Die Satzung sehe eine einseitige Beendigung des Tarifs durch die Beklagte nur bei fehlender Prämienzahlung, Zuerkennung bestimmter Renten oder Tod des Versicherten vor. Ein Ruhen könne eintreten, wenn der Versicherte nicht mehr zum Personenkreis zähle, der den Wahltarif wählen könne. Diese Voraussetzungen seien bei ihm nicht erfüllt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.09.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach § 53 Abs 9 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sei sie verpflichtet, Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen aus den Wahltarifen auf Dauer zu finanzieren. Das sei im Tarif KGPlus nicht mehr gewährleistet gewesen. Der Kläger sei auch nicht übermäßig belastet, weil sein Anspruch auf Krankengeld ab der 7. Woche nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit nicht vollständig entfalle. Er erhalte nur nicht mehr Krankengeld über den aus der Beitragsbemessungsgrenze errechneten Betrag hinaus. Als Selbstständiger sei er in geringerem Maße schutzbedürftig. Mit dem Krankengeld KGPlus werde lediglich das weiterhin gewährte Optionskrankengeld nach § 44 SGB V aufgestockt. Dem Kläger sei insoweit eine anderweitige Absicherung zumutbar. Es bestehe kein schutzwürdiges Vertrauen in das unbefristete Bestehen eines Wahltarifs.
Dagegen richtet sich die am 08.10.2014 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Klage. Die Beklagte sei nach § 53 Abs 6 Satz 1 SGB V verpflichtet, ihm Wahltarife wie den Tarif KGPlus anzubieten. Zur Kündigung des Tarifs sei sie nicht berechtigt gewesen, denn die Satzung sehe eine solche Kündigungsmöglichkeit nicht vor. Wäre die Krankenkasse berechtigt, unrentable Wahlleistungen einseitig zu beenden, könnte dies dazu führen, dass Versicherte jahrelang für ihre Absicherung im Krankheitsfall gezahlt hätten, ohne einen Leistungsanspruch zu haben, zumal im Alter das Risiko einer Arbeitsunfähigkeit steige. Es werde auch bestritten, dass der Wahltarif unterfinanziert sei. Im Übrigen seien Selbstständige sogar schutzbedürftiger als Beschäftigte, denn ihnen drohe bei Krankheit nicht nur der Verlust des Gewinns, sondern schlimmstenfalls die Insolvenz. Die Beklagte könne den Wahltarif auch nicht als Verwaltungsakt zurücknehmen, denn der Anspruch beruhe nicht auf einer Entscheidung der Beklagten, sondern einer einseitigen Erklärung des Klägers. Die Versicherungspolice habe nur deklaratorischen Charakter. Unabhängig davon lägen auch die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Verwaltungsakts nicht vor.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) erfüllt seien. Die Rechtsgrundlage für den Tarif KGPlus sei mit der Satzungsänderung weggefallen. Der Bescheid vom 24.10.2013 habe daher mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben werden können. Einer gesonderten Kündigungsregelung bedürfe es nicht.
Mit Urteil vom 30.06.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Wahltarif des Klägers sei wirksam zum 30.06.2014 beendet worden. Eine vertragliche Bindung stehe dem nicht entgegen. Im Grundsatz habe es keiner konstitutiven Entscheidung der Beklagten bedurft. Der Bescheid vom 03.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.09.2014 sei als feststellender Bescheid zu verstehen, mit dem die Beklagte ihrer Aufklärungs- und Beratungspflicht nachgekommen sei. Zugleich werde damit die zumindest formell als Bescheid ausgestaltete Mitteilung vom 24.10.2013 aus der Welt geschafft. Dieses Schreiben enthalte die Feststellung, dass die Rechtswirkungen der Willenserklärung ab 01.12.2013 eintreten. Entsprechend der Regelung im Einzelfall enthalte das Schreiben auch eine Rechtsbehelfsbelehrung. Diesen feststellenden Bescheid habe die Beklagte nach § 48 Abs 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben gehabt. Eine Änderung in den rechtlichen Verhältnissen sei eingetreten, da die Satzungsregelung zum Wahltarif KGPlus zum 30.06.2014 ersatzlos entfallen sei. Die Möglichkeit der einseitigen Beendigung nach § 53 Abs 6 SGB V möglicher, aber nicht verpflichtender Wahltarife ergebe sich bereits aus dem Gesetz (§§ 59 Abs 9, 6 Satz 2, 194 ff SGB V). Die Satzung werde als autonomes Recht der Beklagten gesetzt. Diese sei nicht verpflichtet, einen Wahltarif zum Bezug von Krankengeld über die gesetzliche Höhe nach § 47 SGB V hinaus anzubieten, § 53 Abs 6 SGB V sei als "Kann-Vorschrift" ausgestaltet. Die Krankenkasse könne daher einen solchen Tarif anbieten, müsse dies aber nicht. Im Umkehrschluss bedeute dies, dass sie einen solchen Wahltarif auch wieder beenden könne. Grenzen ergäben sich aus dem verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot. Diese Grenzen habe die Beklagte eingehalten. Dem Vertrauen der bisher im Wahltarif KGPlus Versicherten habe sie dadurch Rechnung getragen, dass diejenigen Versicherten, die bei Inkraftreten der Neuregelung bereits Krankengeld bezogen hätte, bis zum Ende der laufenden Arbeitsunfähigkeit (höchstens 78 Wochen) weiter Krankengeld erhielten. Das weitergehende Vertrauen habe sie nicht als schutzwürdig angesehen. Der Beklagten habe es freigestanden, den Tarif KGPlus nicht mehr anzubieten; ob dieser nicht mehr auskömmlich gewesen sei, sei nicht entscheidend. Soweit der Kläger Vertrauensschutz langjährig Versicherter anführe, könne er sich darauf nicht berufen, da er bei Beendigung des Tarifs in diesem gerade sieben Monate versichert gewesen sei. Das besondere Risiko als Selbstständiger müsse nicht zwingend durch die Krankenkasse abgesichert werden, dies könne auch durch private Rücklagen oder entsprechende Krankentagegeldversicherungen einer privaten Zusatzversicherung erfolgen.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 13.07.2015 zugestellte Urteil richtet sich die am 23.07.2015 eingelegte Berufung des Klägers. Die Möglichkeit zur Beendigung von Krankengeld-Wahltarifen ergebe sich nicht bereits aus dem Gesetz. Die Beklagte dürfe ihre Satzung nicht beliebig ändern oder erlassen, sondern sei an die gesetzlichen Vorgaben gebunden. Möge die Beklagte berechtigt gewesen sein, den Wahltarif KGPlus für neue Mitglieder zu schließen, gelte dies nicht für die bereits dort versicherten Personen. Dies würde auch gegen elementare Grund-sätze der Prinzipien der Sozialversicherung bzw einer Versicherung für den Krankheitsfall verstoßen. Ein schützenswertes Recht des Klägers entstehe nicht erst mit der Bewilligung von Krankengeld, sondern bereits mit dem Versicherungsverhältnis, das einen Anspruch auf Krankengeld begründe. Hierin liege der entscheidende Unterschied zu der vom Senat im Parallelverfahren zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Abschaffung der Arbeitslosenhilfe. Diese sei nicht aufgrund eines beitragspflichtigen Versicherungsverhältnisses gewährt worden, sondern als Sozialleistung. Es liege in der Natur einer Versicherung für den Krankheitsfall, dass nicht nur das heutige Risiko, sondern auch das mit steigendem Alter höhere künftige Risiko einer Erkrankung abgedeckt werde. Mithin seien mit vorzeitiger Beendigung auch diejenigen Beitragsanteile verloren, die für das künftige Risiko bezahlt worden seien. Dies komme einer Enteignung gleich. Wenn der Gesetzgeber mit § 319 SGB V die Wahltarife habe enden lassen, spreche auch dies dafür, dass eine Beendigung nicht durch bloße Satzungsänderung der Beklagten möglich gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 30.06.2015 und den Bescheid der Beklagten vom 03.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.09.2014 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger weiterhin im Krankengeld-Wahltarif KGPlus versichert ist.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat den Beteiligten seine Entscheidung vom 30.11.2015 (L 11 KR 2953/15) in einem Parallelverfahren zur Kenntnis gegeben.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und damit zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der Bescheid vom 03.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.09.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass der Wahltarif KGPlus zum 30.06.2014 geendet hat. Ein Anspruch des Klägers auf Fortführung dieses Tarifs besteht nicht.
Das SG hat zutreffend die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage als zulässig erachtet. Der Senat schließt sich zur Vermeidung von Wiederholungen den Ausführungen im angefochtenen Urteil an (§ 153 Abs 2 SGG).
Der vom Kläger ab 01.12.2013 gewählte Wahltarif ist wirksam zum 30.06.2014 beendet worden. Durch Entfall der Satzungsregelung mit Wirkung zum 30.06.2014 endete der Wahltarif KGPlus ersatzlos. Die Satzungsänderung ist von der Aufsichtsbehörde genehmigt und ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Eine vertragliche Bindung, die dem entgegenstehen könnte, liegt nicht vor. Der Beitritt zu einem Wahltarif erfolgt durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung (Krauskopf in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung SGB V, § 53 RdNr 4; Dreher in juris-PK SGB V, 2. Aufl 2012, § 53 RdNr 25; Nolte in Kasseler Kommentar, SGB V, § 53 RdNr 4c). Ein Vertrag kommt zwischen dem Versicherten und der Krankenkasse nicht zustande, der Versicherte kann vielmehr durch Ausübung eines Gestaltungsrechts die Teilnahme am Wahltarif unmittelbar herbeiführen. Versicherten kann nur dann ein Wahltarif nach § 53 SGB V angeboten werden, wenn eine entsprechende Grundlage in der Satzung der Krankenkasse geschaffen wurde (Krauskopf aaO, § 53 RdNr 5). Da die Grundlage des Wahltarifs KGPlus in der Satzung zum 01.07.2014 nicht mehr gegeben war, durfte die Beklagte die Beendigung des Tarifs gegenüber dem Kläger feststellen. Für die vom Kläger beanspruchte Feststellung, dass er weiterhin im Tarif KGPlus versichert ist, gibt es für die Zeit ab 01.07.2014 aufgrund der Änderung der Satzung keinerlei rechtliche Grundlage mehr. Damit liegt eine wesentliche Änderung in den rechtlichen Verhältnissen vor, die gemäß § 48 Abs 1 SGB X zur Aufhebung der (deklaratorischen) Feststellung der Versicherung im Tarif KGPlus im Bescheid vom 24.10.2013 mit Wirkung für die Zukunft berechtigt.
Die Krankenkassen sind als Versicherungsträger nach § 34 Abs 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) verpflichtet, sich eine Satzung zu geben. Die Satzung hat als autonomes Recht Bindungswirkung für die Versicherten. Die Rechtsgültigkeit der Satzungsänderung in § 17m mit Wirkung zum 01.07.2014 ist im vorliegenden Verfahren inzident zu prüfen. Insoweit hat der erkennende Senat keine Zweifel, dass die Beklagte berechtigt war, den Wahltarif KGPlus zum 01.07.2014 zu beenden.
Dem Wegfall des Wahltarifs KGPlus steht zunächst nicht entgegen, dass eine Kündigung durch die Beklagte (außer für den Fall von Beitragsrückständen des Versicherten) weder im Gesetz noch in der Satzung vorgesehen war. Einer solchen Regelung bedarf es nicht, denn die Möglichkeit der einseitigen Beendigung freiwilliger Krankengeld-Wahltarife ergibt sich bereits aus dem Gesetz, insbesondere aus §§ 59 Abs 9, Abs 6 Satz 2, 194 ff SGB V. Bei dem Wahltarif KGPlus handelte es sich nicht um einen verpflichtend vorgesehenen Krankengeldtarif nach § 53 Abs 6 SGB VI, der dem gesetzlichen Anspruch auf Krankengeld entspricht, sondern es wurde hierdurch ein über den gesetzlichen Krankengeldanspruch hinausgehender monatlicher Zahlungsanspruch abgesichert. Handelte es sich bei dem Wahltarif KGPlus um ein freiwilliges Angebot der Beklagten und war sie nicht verpflichtet, diesen Wahltarif anzubieten, kann sie einen solchen Wahltarif auch wieder beenden.
Grenzen ergeben sich insoweit lediglich aus dem verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot, das aus dem Rechtsstaatsprinzip nach Art 20 Abs 3 Grundgesetz (GG) hergeleitet wird. Das Verbot rückwirkender Gesetze ist auch im Bereich des autonom gesetzten Rechts, namentlich Satzungen, anwendbar (BSG 19.02.2014, B 6 KA 10/13 R - SozR 4-2500 § 35 Nr 79 RdNr 44). Eine Regelung mit echter Rückwirkung, die in der Vergangenheit liegende, abgeschlossene Zeiträume betrifft, ist grundsätzlich nicht mit der Verfassung vereinbar (ständige Rechtsprechung, vgl BVerfG 23.11.1999, 1 BVF 1/94, BVerfGE 101, 239; zu Ausnahmen vgl BVerfG 02.05.2012, 2 BVL 5/10, BVerfGE 131, 20). Eine derartige echte Rückwirkung liegt nicht vor, denn die Satzungsänderung gilt mit Wirkung für die Zukunft und greift nicht in abgeschlossene Sachverhalte ein. Für eine unechte Rückwirkung, dh ein in der Vergangenheit begonnener, aber noch nicht abgeschlossener Sachverhalt (tatbestandliche Rückanknüpfung), gelten weniger strenge Beschränkungen (vgl BVerfG 05.20.2004, 2 BVR 2029/01, BVerfGE 109, 133). Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht allerdings nicht soweit, den Staatsbürger vor jeglicher Enttäuschung seiner Erwartung in die Dauerhaftigkeit der Rechtslage zu schützen. Die schlichte Erwartung, das geltende Recht werde auch in der Zukunft unverändert fortbestehen, ist verfassungsrechtlich nicht geschützt (BVerfG 07.12.2010, 1 BvR 2628/07, BVerfGE 128, 90 = SozR 4-1100 Art 14 Nr 23).
Im konkreten Fall liegt noch nicht einmal eine unechte Rückwirkung vor. Krankengeld wird jeweils abschnittsweise bewilligt, bei jeder Neubewilligung sind die Anspruchsvoraussetzungen erneut zu prüfen (ständige Rechtsprechung vgl BSG 26.06.2007, B 1 KR 8/07 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 12). Eine einmal erfolgte Bewilligung vermag weder in ihrem Verfügungssatz noch in den ihr zugrundeliegenden Feststellungen eine über den im Bescheid geregelten Zeitraum hinausgehende Rechtsposition zu begründen. Ein Recht, das durch den Vertrauensschutzgrundsatz gegen seine nachträgliche Entwertung hätte geschützt werden können, entstand daher frühestens mit der jeweiligen Neu- oder Weiterbewilligung von Krankengeld. Dieses Vertrauen ist jedoch durch die Übergangsregelung in § 17m Abs 18 der Satzung geschützt. Denn denjenigen Versicherten, die bei Inkrafttreten der Neuregelung bereits Krankengeld nach dem Tarif KGPlus bezogen haben, wird das erhöhte Krankengeld bis zum Ende der laufenden Arbeitsunfähigkeit (höchstens 78 Wochen) weitergezahlt. Eine unabhängig vom Bewilligungsakt bestehende Erwartung des Bürgers, er werde - den Fortbestand der jeweiligen Rechtslage vorausgesetzt - in einer bestimmten zukünftigen Sachlage leistungsberechtigt sein, ist mangels hinreichender Konkretisierung kein geschütztes Recht, denn die Verfassung gewährt keinen Schutz vor einer nachteiligen Veränderung der geltenden Rechtslage (BVerfG 07.12.2010, aaO zur Abschaffung der Arbeitslosenhilfe). Nichts anderes folgt daraus, dass vorliegend Leistungen der Krankenversicherung streitig sind, die auf Beiträgen der Versicherten beruhen.
Selbst wenn der Anspruch auf Krankengeld dem Grunde nach dem Eigentumsschutz von Art 14 Abs 1 Grundgesetz (GG) unterliegen würde (offengelassen BVerfG 24.03.1998, 1 BvL 6/92, BVerfGE 97, 378), wäre die Aufhebung des Wahltarifs KGPlus für die Zukunft eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung. Als gewichtiger Grund des öffentlichen Interesses für die Beendigung dieses Tarifs ist die fehlende Auskömmlichkeit des Wahltarifs zu sehen, die § 53 Abs 9 Satz 1 SGB V widerspricht. Aus dem Parallelverfahren L 11 KR 2953/15 ist dem Senat, wie den Beteiligten mitgeteilt, das Ergebnis des Tarifcontrollings der Beklagten mit Stichtag 01.01.2014 über die angebotenen Krankengeld-Wahltarife bekannt. Danach beliefen sich im Zeitraum 01.01. bis 31.12.2013 im Tarif KGPlus die Prämieneinnahmen auf 105.483,42 EUR, denen im gleichen Zeitraum Ausgaben für Krankengeld iHv 202.971,18 EUR gegenüber standen bei 266 Tarifteilnehmern zum Stichtag. Ein schutzwürdiges Interesse des Klägers, gleichwohl diesen – über die gesetzlich gebotene Grundsicherung weit hinausgehenden - Wahltarif beizubehalten, ist nicht ersichtlich, zumal der Kläger zum Zeitpunkt der Beendigung gerade einmal sieben Monate dem Wahltarif KGPlus beigetreten war. Der Kläger konnte sich daher ohne Schwierigkeiten auf die geänderte Rechtslage einstellen.
Im Übrigen hat der Gesetzgeber selbst mit § 319 SGB V (eingefügt mit Gesetz vom 17.07.2009, BGBl I 1990, in Kraft getreten mit Wirkung vom 01.08.2009) kurzfristig sämtliche Wahltarife auf der Grundlage von § 53 Abs 6 SGB V aF zum 31.07.2009 enden lassen mit einer Übergangsregelung in Abs 2 nur für Versicherte, die bereits am 31.07.2009 Leistungen aus dem Wahltarif bezogen haben. Aus dieser Regelung kann allerdings keinesfalls abgeleitet werden, dass grundsätzlich nur der Gesetzgeber berechtigt wäre, durch Satzungsrecht eingeführte Wahltarife wieder zu beenden. Dem steht schon die Normsetzungskompetenz der Krankenkasse als Satzungsgeber entgegen.
Soweit Zusatzbeiträge entsprechend dem Wahltarif KGPlus gezahlt wurden, der Kläger hierfür jedoch keine Leistungen erhalten hat, entspricht es dem Wesen einer Versicherung, dass die Beiträge verloren sind, wenn der versicherte Leistungsfall nicht eintritt. Mit den in der Vergangenheit gezahlten Beiträgen ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht das künftige, im Alter zunehmende individuelle Risiko einer Erkrankung abgedeckt. Altersrückstellungen sind insoweit nicht enthalten, so dass keine Rede vom Verlust von Beitragsanteilen für ein künftiges Risiko sein kann. Als "Gegenleistung" für seine Beiträge erhält der Kläger die bei Eintritt eines Versicherungsfalles ihm aktuell zustehenden Leistungen. Der Beendigung des streitigen Wahltarifs - mit der Folge des Wegfalls der Zusatzbeiträge - steht ein schützenswertes Recht des Klägers somit nicht entgegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
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