Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 3258/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 4181/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 3. Juni 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zur Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) Nr. 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) - im Folgenden: BK 3101 - verpflichtet ist.
Die 1956 geborene Klägerin war von 1989 bis einschließlich Februar 2006 als Krankenschwester im Universitätsklinikum A. tätig. Sie teilte der Beklagten mit Schreiben vom 09.01.2008, bei der Beklagten eingegangen am 24.09.2008, mit, sie habe vom 04. bis 07., vom 09. bis 10. und am 11. und 13.04.2005 als Pflegekraft auf der Chirurgischen Intensivstation des Universitätsklinikums A. gearbeitet und in dieser Zeit u.a. eine Patientin mit Streptokokken bei eitrigem offenen Abdomen, die einer Bettspülung bedurfte, einen weiteren Patienten mit Streptokokkenbefall mit eitriger Thorax-Saug-Bettspülung und einen isolierten MRSA-Patienten gepflegt. Ab 17.04.2005 seien Grippeanzeichen aufgetreten mit Fieber, eitriger Angina und unter Lymphknotenbeteiligung ab dem 19.04.2005; diese Erkrankung habe eine Behandlung mit Antibiotika für 70 Tage erfordert.
Die Beklagte zog medizinische Unterlagen über die Behandlung der Klägerin seit 2001 bei - darunter u.a. Berichte des Dr. B., Arzt für Laboratoriumsmedizin, vom Juni 2005, ausweislich derer dieser bei der Klägerin ß-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A massenhaft festgestellt hat - und holte bei der gesetzlichen Krankenkasse der Klägerin ein Vorerkrankungsverzeichnis ab Juli 1991 ein. In einer von der Beklagten veranlassten beratungsärztlichen Stellungnahme teilte Dr. C., Klinik D., mit, er sehe sich für Fragestellungen bezüglich einer Streptokokkeninfektion nicht als besonders sachkundig an. Streptokokken seien ubiquitär vorkommende Keime, die am ehesten im Wege der Tröpfcheninfektion übertragen würden. Dementsprechend könne nicht von einer vermehrten Gefährdung durch die berufliche Tätigkeit ausgegangen werden. Eine Infektionsgefahr bestehe bei jedem Kontakt mit einem möglicherweise asymptomatischen Bakterienträger, z.B. in öffentlichen Verkehrsmitteln usw. Auch sei völlig unersichtlich, wie bei einer Wundversorgung Keime in den Rachen der Klägerin gelangt sein sollten.
In einem daraufhin von der Beklagten veranlassten Gutachten des Prof. Dr. E., Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie vom 26.01.2010 teilte dieser mit, bei der Klägerin habe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in der Zeit um den 19.04.2005 eine Streptokokkenerkrankung vorgelegen; eine erste mikrobiologische Absicherung der klinischen Erscheinungen sei allerdings erst durch den im Juni 2005 durch Dr. B. veranlassten Rachenabstrich erfolgt. Die Infektion sei wahrscheinlich wenige Tage vor dem 17.04.2005 eingetreten, wobei die Symptome offenbar ab 19.04.2005 ausgeprägt gewesen seien. Die Erkrankung stehe angesichts des seltenen Auftretens bei Erwachsenen sowie der ersten klinischen Beschwerden im Zusammenhang mit der Pflege von Streptokokkenpatienten mit großer Wahrscheinlichkeit in ursächlichem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit.
In einer daraufhin von der Beklagten eingeholten beratungsärztlichen Stellungnahme des Prof. Dr. Dr. F., Arzt für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Unfallmedizin, vom 11.03.2010 stimmte dieser Prof. Dr. E. insoweit zu, als die von der Klägerin beschriebene Symptomatik unter Berücksichtigung der serologischen und bakteriologischen Befunde zweifelsfrei als Ausdruck einer Streptokokkenangina zu deuten seien. Eine auf Grund anamnestischen Angaben der Klägerin errechenbare Inkubationszeit zwischen 5 und 15 Tagen zwischen letztem beruflichen Streptokokkenkontakt und Ausbruch der Tonsillitis erscheine als zu lang und schließe zusammen mit der nicht anzunehmenden Tröpfcheninfektion eine berufliche Verursachung der chronischen Streptokokkentonsillitis der Klägerin mit hoher Wahrscheinlichkeit aus. Denn erfahrungsgemäß liege die Inkubationszeit bei einer Streptokokkenangina zwischen 24 und 72 Stunden. Mit Bescheid vom 14.05.2010 lehnte die Beklagte hierauf gestützt die Anerkennung einer BK 3101 ab und wies den hiergegen eingelegten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.08.2010 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 20.09.2010 Klage zum Sozialgericht Ulm erhoben und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe zwei "extreme Streptokokken-Patienten" vom 04.04. bis 13.04.2005 intensiv medizinisch betreut. Angesichts der sich am 17.04.2005 eingestellten Symptome sei der Kausalzusammenhang damit hinreichend nachgewiesen. Dem stehe auch die von Prof. Dr. Dr. F. geltend gemachte Inkubationszeit nicht entgegen. Denn zwischen dem letztmaligen Nachtdienst am 13.04. und dem Auftreten der ersten Symptome am 17.04. lägen volle drei Tage, womit sich der Sachverhalt in der von Prof. Dr. E. genannten Inkubationszeit bewege.
Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin hat das Sozialgericht ein Gutachten gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei Privatdozent Dr. G., Facharzt u.a. für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie, in Auftrag gegeben. Dr. G. hat in seinem Gutachten vom 31.08.2012 eine berufliche Verursachung der Streptokokkeninfektion im Jahre 2005 und damit eine BK 3101 bejaht. Die Infektion vom April 2005 sei mit Sicherheit in Zusammenhang mit der Pflege zweier Streptokokkenpatienten zu sehen. Streptokokken würden üblicherweise als Tröpfcheninfektion übertragen und bei der Pflege von Patienten seien die Voraussetzungen für eine Übertragung insofern in "idealster Weise" gegeben.
Das Sozialgericht hat mit Urteil auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 03.06.2013 die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Klägerin sei bei ihrer Tätigkeit als Krankenschwester keiner erhöhten Infektionsgefahr gegenüber Streptokokken ausgesetzt gewesen und hat sich diesbezüglich auf die beratungsfachärztliche Stellungnahme des Dr. C. gestützt. Den Ausführungen des Prof. Dr. E. könne nicht gefolgt werden, da dieser ausschließlich aus dem zeitlichen Zusammenhang der Pflegetätigkeit der Klägerin mit dem Auftreten ihrer Erkrankung auf einen ursächlichen Zusammenhang schließe und auch übersehen habe, dass bei der Klägerin bereits im Vorfeld eine erhöhte Infektionsanfälligkeit vorgelegen habe.
Gegen das der Klägerin am 26.08.2013 zugestellte Urteil hat diese am 25.09.2013 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung ihr bisheriges Vorbringen vertieft und erweitert.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 3. Juni 2013 sowie den Bescheid vom 14. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. August 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Streptokokkeninfektion als Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie stützt sich auf die beratungsfachärztlichen Stellungnahmen von Dr. C. und Prof. Dr. Dr. F. und verweist im Übrigen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowie auf die angefochtenen Bescheide.
Der Senat hat am 21.02.2014 eine nichtöffentliche Sitzung zur Erörterung des Sachverhalts durchgeführt und die Klägerin insbesondere bezüglich der bei der Behandlung der infektiösen Patienten praktizierten Hygienemaßnahmen befragt. Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom 21.02.2014 verwiesen.
Der Senat hat weiterhin den Leiter des Zentrums für Chirurgie des Universitätsklinikums A., Prof. Dr. H. sowie die Leiterin der Sektion Klinikhygiene des Universitätsklinikums A., Prof. Dr. von I. als sachverständige Zeugen schriftlich vernommen. Prof. Dr. H. sowie Prof. Dr. von I. haben zunächst Auskunft über die auf der Station 2. West A behandelten Patienten mit Streptokokkeninfektion im Jahr 2005 erteilt. Weiterhin ist beim Universitätsklinikum A. der Dienstplan der Pflegekräfte für den Monat April 2005 beigezogen worden. Auf den Einwand der Klägerin hin, sie sei nicht in der herzchirurgischen Intensivstation 2. West A, sondern in der Chirurgischen Intensivstation 1. Ost tätig gewesen, hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. von I. eingeholt. Prof. Dr. von I. hat diesbezüglich mitgeteilt, im Jahre 2005 seien bei keinem Patienten der Station 1. Ost ß-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A nachgewiesen worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die bei der Beklagten geführten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht die Anerkennung einer BK 3101 abgelehnt.
Die hier vorliegende kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist zulässig. Mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG begehrt die Klägerin die Aufhebung der die Anerkennung der streitigen BK ablehnenden Verwaltungsentscheidungen. Nach der Rechtsprechung des BSG kann der Versicherte anstelle gerichtlicher Feststellung (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) auch die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung einer BK als Element eines jeglichen Leistungsanspruchs im Wege der Verpflichtungsklage verlangen (Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, in SozR 4-2700 § 11 Nr. 1 m.w.N.).
Die Klage ist indes unbegründet. Bei der Klägerin liegt keine BK 3101 vor.
BKen sind nach § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet (Listen-BK) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden (Satz 1). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII). Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung durch Erlass der BKV Gebrauch gemacht. Zu den BKen zählen danach gem. Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war.
Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggf. bei einzelnen Listen-BKen einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität); dabei müssen die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 30/07 R, SozR4-2700 § 9 Nr. 15). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
In Anwendung dieser Grundsätze liegen die Voraussetzungen der hier streitigen BK nicht vor.
Die bei der Klägerin sämtlichen ärztlichen Bekundungen zufolge (vgl. hierzu insbesondere die labormedizinische Bestätigung durch Dr. B. vom Juni 2005) vorliegende Infektion mit ß-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A fällt unter die Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV. Mit der Pflege von Patienten im Frühjahr 2005 als dem hier in Betracht kommenden Zeitraum einer Infektion liegt weiterhin eine versicherte Tätigkeit der Klägerin vor, die in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten fällt.
Es fehlt aber am Nachweis einer Einwirkung.
Um den Nachweisschwierigkeiten, die bei der Feststellung der Frage, bei welcher Verrichtung es tatsächlich zu einer Ansteckung gekommen ist, zu begegnen, genügt bei der BK 3101 nach der Rechtsprechung des BSG als "Einwirkung" im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII, dass der Versicherte einer der versicherten Tätigkeit inne wohnenden Infektionsgefahr besonders ausgesetzt war (BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 30/07 R, a.a.O., auch zum Nachfolgenden). Diese besondere Infektionsgefahr ersetzt als eigenständiges Tatbestandsmerkmal die "Einwirkungen" und ist mit dem weiteren Tatbestandsmerkmal "Verrichtung einer versicherten Tätigkeit" durch einen wesentlichen Kausalzusammenhang, hingegen mit der "Erkrankung" nur durch die Möglichkeit eines Kausalzusammenhangs verbunden. Für die erhöhte Infektionsgefahr gelten damit hinsichtlich des Beweismaßstabes die Anforderungen, die ansonsten für das Tatbestandsmerkmal der Einwirkungen zu beachten sind. Sie muss im Vollbeweis vorliegen. Sie ist bei Versicherten anzunehmen, die auf Grund ihrer Tätigkeit oder ihres Arbeitsumfeldes einer Infektionsgefahr im besonderem Maße ausgesetzt sind. Die besondere Infektionsgefahr kann sich danach im Einzelfall auf Grund der Durchseuchung des Umfelds der Tätigkeit oder der Übertragungsgefahr der ausgeübten Verrichtungen ergeben. Der Grad der Durchseuchung ist hinsichtlich der kontaktierten Person als auch der Objekte festzustellen, mit oder an denen zu arbeiten ist. Lässt sich das Ausmaß der Durchseuchung nicht aufklären, ist vom Durchseuchungsgrad der Gesamtbevölkerung auszugehen. Das Kriterium der mit der versicherten Tätigkeit verbundenen Übertragungsgefahr wiederum richtet sich nach dem Übertragungsmodus der jeweiligen Infektionskrankheit sowie der Art, der Häufigkeit und der Dauer der vom Versicherten verrichteten gefährdenden Handlungen. Die Durchseuchung des Arbeitsumfeldes auf der einen und die Übertragungsgefahr der versicherten Verrichtungen auf der anderen Seite stehen in einer Wechselbeziehung zueinander, derart, dass an den Grad der Durchseuchung umso niedrigere Anforderungen gestellt werden können, je gefährdender die spezifischen Arbeitsbedingungen sind.
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe kann im hier interessierenden Zeitraum keine erhöhte Infektionsgefahr festgestellt werden. Angesichts einer von den Gutachtern bzw. Beratungsärzten Prof. Dr. E., Prof. Dr. Dr. F., und Dr. G. übereinstimmend angenommenen Inkubationszeit von in der Regel ein bis drei Tagen und einer bei der Klägerin in der zweiten Hälfte des Monats April 2005 aufgetretenen Streptokokkenerkrankung - so sind Dr. G. sowie Prof. Dr. Dr. F. übereinstimmend von einem Ausbruch am 17.04.2005 ausgegangen; Prof. Dr. E. sprach von einem Erkrankungsbeginn "um den 19.04.2005" - muss die Infektion in der Monatsmitte des April 2005 erfolgt sein; sie kann jedenfalls nicht vor April 2005 gelegen haben. Ein erhöhtes Infektionsrisiko bestand am Arbeitsplatz der Klägerin (Chirurgische Intensivstation - 1. Ost) indes (jedenfalls) in diesem Zeitraum nicht. Streptokokken sind ubiquitär vorkommende Keime, die am ehesten im Wege der Tröpfcheninfektion übertragen werden (Dr. C., ebenso Prof. Dr. Dr. F.); eine Infektionsgefahr besteht demnach bei jedem Kontakt mit einem möglicherweise asymptomatischen Bakterienträger, z.B. in öffentlichen Verkehrsmitteln, bei Veranstaltungen etc. Soweit Prof. Dr. E. wie auch Dr. G. in ihren Gutachten jeweils von einem erhöhten Infektionsrisiko bei der versicherten Tätigkeit und von einer Ursächlichkeit der Pflegetätigkeit der Klägerin im April 2005 für die erlittene Infektion ausgehen, begründen sie dies mit den Angaben der Klägerin über die Pflege zweier Streptokokkenpatienten; der von der Klägerin weiterhin im April 2005 gepflegte MRSA-infizierte Patient scheidet als Infektionsquelle von vornherein aus, da es sich hierbei um eine Staphylokokkeninfektion handelt, so zutreffend Prof. Dr. Dr. F ...
Die beiden Sachverständigen haben sich bei der von ihnen angenommenen Streptokokkeninfektion ausschließlich auf die anamnestischen Angaben der Klägerin über die Behandlung einer Patientin mit Streptokokkeninfektion mit eitrigem offenem Abdomen und eines weiteren Patienten mit Streptokokkeninfektion mit eitriger Thorax-Saug-Bettspülung gestützt. Zwar war die Klägerin ausweislich der vorgelegten Dienstpläne des Universitätsklinikums A., Haus I/1. OG Ost im April 2005 zwischen dem 04. und 17.04.2005 wiederholt in der Spät- bzw. auch Nachtschicht im Einsatz. Für das gesamte Jahr 2005 sind indes bei keinem Patienten der Station 1. Ost ß-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A nachgewiesen worden, so Prof. Dr. von I. in ihrer korrigierten Stellungnahme gegenüber dem Senat vom 02.02.2016. Speziell bei der von der Klägerin erwähnten Patientin mit offenem Abdomen auf Grund multipler Verletzungen nach schwerem Verkehrsunfall, die dort sieben Monate stationär im Rahmen von Langzeitbeatmung betreut wurde, wurden zwar Ende März im intraoperativen Abstrich aus dem Bauchraum neben Enterobakterien zwar auch Streptokokken nachgewiesen. Es handelte sich dabei aber um sog. vergrünende Streptokokken, also gerade nicht die Spezies, die die Erkrankung der Klägerin verursacht hatte, so zutreffend Prof. Dr. von I ... Im Übrigen waren diese vergrünenden Streptokokken schon bei einem Wundabstrich Anfang April 2005 nicht mehr nachweisbar und konnten auch in zwei weiteren Proben Mitte bzw. Ende April 2005 keine Streptokokken mehr nachgewiesen werden. Damit lag kein erhöhter Grad der Durchseuchung des Umfelds der Tätigkeit vor; vielmehr ist nach der Rechtsprechung des BSG allenfalls von einem der Gesamtbevölkerung entsprechenden Durchseuchungsgrad, also einem durchschnittlichen Wert, auszugehen (BSG a.a.O.).
Andererseits waren auch die Arbeitsvorgänge mit einem eher unterdurchschnittlichen Risiko einer Infektion behaftet. So hat bereits Dr. C. in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen, dass es angesichts des Übertragungswegs durch Tröpfcheninfektion ihm völlig unersichtlich sei, wie bei einer Wundversorgung Keime in den Rachen der Klägerin gelangt sein sollten. Auch Prof. Dr. Dr. F. hat nachvollziehbar angesichts des zu fordernden Übertragungsmodus mittels Tröpfcheninfektion eine Infektion unter den Bedingungen einer Chirurgischen Intensivstation unter Beachtung der hygienischen Vorsorgeregeln für unwahrscheinlich erachtet. Soweit dem gegenüber Dr. G. davon ausgeht, die Voraussetzungen für eine Übertragung seien "in idealster Weise" gegeben, da sich eine Pflegekraft im Rahmen ihrer Berufsausübung dem Patienten zwangsweise soweit nähern müsse, dass eine Übertragung sehr leicht stattfinde, lässt er die diesbezüglichen Erwägungen von Dr. C. und Prof. Dr. Dr. F. vollständig außer Acht und vermag schon aus diesem Grund nicht zu überzeugen. Im Übrigen hat die Klägerin selbst im Erörterungstermin vom 21.02.2014 berichtet, sie habe sich in besonderem Maße gegenüber einer Infektion geschützt und beispielsweise zwei Paar Handschuhe übereinander angezogen und eine sog. Kittelpflege betrieben. Insbesondere habe sie stets Mundschutz, den die Klinik gestellt habe, vorschriftsmäßig getragen. Eine Nachlässigkeit im Hinblick auf diese Hygienemaßnahmen hat sie im Termin kategorisch ausgeschlossen. Der Senat kann offenlassen, ob angesichts der Art der konkret ausgeübten Tätigkeit, insbesondere angesichts des Mundschutzes, ein Infektionsvorgang ausgeschlossen und damit für die Annahme einer Infektionsgefahr von vorneherein kein Raum ist. Jedenfalls ist von einem gegenüber dem allgemeinen, von Dr. C. beschriebenen Infektionsrisiko (beispielsweise in öffentlichen Verkehrsmitteln oder Veranstaltungen) abweichenden, deutlich geringeren Infektionsrisiko unter den spezifischen Arbeitsbedingungen der Klägerin im hier interessierenden Zeitraum auszugehen. Dies lässt angesichts des festgestellten, bestenfalls durchschnittlichen Durchseuchungsgrads die Feststellung einer erhöhten Ansteckungsgefahr nicht zu. Vielmehr war die Klägerin im Rahmen ihrer versicherten Tätigkeit einem allenfalls durchschnittlichen Infektionsrisiko ausgesetzt.
Fehlt es damit am Nachweis einer berufsbedingten besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Ansteckungsgefahr, so scheidet eine Anerkennung einer BK 3101 aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zur Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) Nr. 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) - im Folgenden: BK 3101 - verpflichtet ist.
Die 1956 geborene Klägerin war von 1989 bis einschließlich Februar 2006 als Krankenschwester im Universitätsklinikum A. tätig. Sie teilte der Beklagten mit Schreiben vom 09.01.2008, bei der Beklagten eingegangen am 24.09.2008, mit, sie habe vom 04. bis 07., vom 09. bis 10. und am 11. und 13.04.2005 als Pflegekraft auf der Chirurgischen Intensivstation des Universitätsklinikums A. gearbeitet und in dieser Zeit u.a. eine Patientin mit Streptokokken bei eitrigem offenen Abdomen, die einer Bettspülung bedurfte, einen weiteren Patienten mit Streptokokkenbefall mit eitriger Thorax-Saug-Bettspülung und einen isolierten MRSA-Patienten gepflegt. Ab 17.04.2005 seien Grippeanzeichen aufgetreten mit Fieber, eitriger Angina und unter Lymphknotenbeteiligung ab dem 19.04.2005; diese Erkrankung habe eine Behandlung mit Antibiotika für 70 Tage erfordert.
Die Beklagte zog medizinische Unterlagen über die Behandlung der Klägerin seit 2001 bei - darunter u.a. Berichte des Dr. B., Arzt für Laboratoriumsmedizin, vom Juni 2005, ausweislich derer dieser bei der Klägerin ß-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A massenhaft festgestellt hat - und holte bei der gesetzlichen Krankenkasse der Klägerin ein Vorerkrankungsverzeichnis ab Juli 1991 ein. In einer von der Beklagten veranlassten beratungsärztlichen Stellungnahme teilte Dr. C., Klinik D., mit, er sehe sich für Fragestellungen bezüglich einer Streptokokkeninfektion nicht als besonders sachkundig an. Streptokokken seien ubiquitär vorkommende Keime, die am ehesten im Wege der Tröpfcheninfektion übertragen würden. Dementsprechend könne nicht von einer vermehrten Gefährdung durch die berufliche Tätigkeit ausgegangen werden. Eine Infektionsgefahr bestehe bei jedem Kontakt mit einem möglicherweise asymptomatischen Bakterienträger, z.B. in öffentlichen Verkehrsmitteln usw. Auch sei völlig unersichtlich, wie bei einer Wundversorgung Keime in den Rachen der Klägerin gelangt sein sollten.
In einem daraufhin von der Beklagten veranlassten Gutachten des Prof. Dr. E., Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie vom 26.01.2010 teilte dieser mit, bei der Klägerin habe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in der Zeit um den 19.04.2005 eine Streptokokkenerkrankung vorgelegen; eine erste mikrobiologische Absicherung der klinischen Erscheinungen sei allerdings erst durch den im Juni 2005 durch Dr. B. veranlassten Rachenabstrich erfolgt. Die Infektion sei wahrscheinlich wenige Tage vor dem 17.04.2005 eingetreten, wobei die Symptome offenbar ab 19.04.2005 ausgeprägt gewesen seien. Die Erkrankung stehe angesichts des seltenen Auftretens bei Erwachsenen sowie der ersten klinischen Beschwerden im Zusammenhang mit der Pflege von Streptokokkenpatienten mit großer Wahrscheinlichkeit in ursächlichem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit.
In einer daraufhin von der Beklagten eingeholten beratungsärztlichen Stellungnahme des Prof. Dr. Dr. F., Arzt für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Unfallmedizin, vom 11.03.2010 stimmte dieser Prof. Dr. E. insoweit zu, als die von der Klägerin beschriebene Symptomatik unter Berücksichtigung der serologischen und bakteriologischen Befunde zweifelsfrei als Ausdruck einer Streptokokkenangina zu deuten seien. Eine auf Grund anamnestischen Angaben der Klägerin errechenbare Inkubationszeit zwischen 5 und 15 Tagen zwischen letztem beruflichen Streptokokkenkontakt und Ausbruch der Tonsillitis erscheine als zu lang und schließe zusammen mit der nicht anzunehmenden Tröpfcheninfektion eine berufliche Verursachung der chronischen Streptokokkentonsillitis der Klägerin mit hoher Wahrscheinlichkeit aus. Denn erfahrungsgemäß liege die Inkubationszeit bei einer Streptokokkenangina zwischen 24 und 72 Stunden. Mit Bescheid vom 14.05.2010 lehnte die Beklagte hierauf gestützt die Anerkennung einer BK 3101 ab und wies den hiergegen eingelegten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.08.2010 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 20.09.2010 Klage zum Sozialgericht Ulm erhoben und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe zwei "extreme Streptokokken-Patienten" vom 04.04. bis 13.04.2005 intensiv medizinisch betreut. Angesichts der sich am 17.04.2005 eingestellten Symptome sei der Kausalzusammenhang damit hinreichend nachgewiesen. Dem stehe auch die von Prof. Dr. Dr. F. geltend gemachte Inkubationszeit nicht entgegen. Denn zwischen dem letztmaligen Nachtdienst am 13.04. und dem Auftreten der ersten Symptome am 17.04. lägen volle drei Tage, womit sich der Sachverhalt in der von Prof. Dr. E. genannten Inkubationszeit bewege.
Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin hat das Sozialgericht ein Gutachten gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei Privatdozent Dr. G., Facharzt u.a. für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie, in Auftrag gegeben. Dr. G. hat in seinem Gutachten vom 31.08.2012 eine berufliche Verursachung der Streptokokkeninfektion im Jahre 2005 und damit eine BK 3101 bejaht. Die Infektion vom April 2005 sei mit Sicherheit in Zusammenhang mit der Pflege zweier Streptokokkenpatienten zu sehen. Streptokokken würden üblicherweise als Tröpfcheninfektion übertragen und bei der Pflege von Patienten seien die Voraussetzungen für eine Übertragung insofern in "idealster Weise" gegeben.
Das Sozialgericht hat mit Urteil auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 03.06.2013 die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Klägerin sei bei ihrer Tätigkeit als Krankenschwester keiner erhöhten Infektionsgefahr gegenüber Streptokokken ausgesetzt gewesen und hat sich diesbezüglich auf die beratungsfachärztliche Stellungnahme des Dr. C. gestützt. Den Ausführungen des Prof. Dr. E. könne nicht gefolgt werden, da dieser ausschließlich aus dem zeitlichen Zusammenhang der Pflegetätigkeit der Klägerin mit dem Auftreten ihrer Erkrankung auf einen ursächlichen Zusammenhang schließe und auch übersehen habe, dass bei der Klägerin bereits im Vorfeld eine erhöhte Infektionsanfälligkeit vorgelegen habe.
Gegen das der Klägerin am 26.08.2013 zugestellte Urteil hat diese am 25.09.2013 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung ihr bisheriges Vorbringen vertieft und erweitert.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 3. Juni 2013 sowie den Bescheid vom 14. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. August 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Streptokokkeninfektion als Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie stützt sich auf die beratungsfachärztlichen Stellungnahmen von Dr. C. und Prof. Dr. Dr. F. und verweist im Übrigen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowie auf die angefochtenen Bescheide.
Der Senat hat am 21.02.2014 eine nichtöffentliche Sitzung zur Erörterung des Sachverhalts durchgeführt und die Klägerin insbesondere bezüglich der bei der Behandlung der infektiösen Patienten praktizierten Hygienemaßnahmen befragt. Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom 21.02.2014 verwiesen.
Der Senat hat weiterhin den Leiter des Zentrums für Chirurgie des Universitätsklinikums A., Prof. Dr. H. sowie die Leiterin der Sektion Klinikhygiene des Universitätsklinikums A., Prof. Dr. von I. als sachverständige Zeugen schriftlich vernommen. Prof. Dr. H. sowie Prof. Dr. von I. haben zunächst Auskunft über die auf der Station 2. West A behandelten Patienten mit Streptokokkeninfektion im Jahr 2005 erteilt. Weiterhin ist beim Universitätsklinikum A. der Dienstplan der Pflegekräfte für den Monat April 2005 beigezogen worden. Auf den Einwand der Klägerin hin, sie sei nicht in der herzchirurgischen Intensivstation 2. West A, sondern in der Chirurgischen Intensivstation 1. Ost tätig gewesen, hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. von I. eingeholt. Prof. Dr. von I. hat diesbezüglich mitgeteilt, im Jahre 2005 seien bei keinem Patienten der Station 1. Ost ß-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A nachgewiesen worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die bei der Beklagten geführten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht die Anerkennung einer BK 3101 abgelehnt.
Die hier vorliegende kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist zulässig. Mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG begehrt die Klägerin die Aufhebung der die Anerkennung der streitigen BK ablehnenden Verwaltungsentscheidungen. Nach der Rechtsprechung des BSG kann der Versicherte anstelle gerichtlicher Feststellung (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) auch die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung einer BK als Element eines jeglichen Leistungsanspruchs im Wege der Verpflichtungsklage verlangen (Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, in SozR 4-2700 § 11 Nr. 1 m.w.N.).
Die Klage ist indes unbegründet. Bei der Klägerin liegt keine BK 3101 vor.
BKen sind nach § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet (Listen-BK) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden (Satz 1). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII). Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung durch Erlass der BKV Gebrauch gemacht. Zu den BKen zählen danach gem. Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war.
Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggf. bei einzelnen Listen-BKen einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität); dabei müssen die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 30/07 R, SozR4-2700 § 9 Nr. 15). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
In Anwendung dieser Grundsätze liegen die Voraussetzungen der hier streitigen BK nicht vor.
Die bei der Klägerin sämtlichen ärztlichen Bekundungen zufolge (vgl. hierzu insbesondere die labormedizinische Bestätigung durch Dr. B. vom Juni 2005) vorliegende Infektion mit ß-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A fällt unter die Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV. Mit der Pflege von Patienten im Frühjahr 2005 als dem hier in Betracht kommenden Zeitraum einer Infektion liegt weiterhin eine versicherte Tätigkeit der Klägerin vor, die in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten fällt.
Es fehlt aber am Nachweis einer Einwirkung.
Um den Nachweisschwierigkeiten, die bei der Feststellung der Frage, bei welcher Verrichtung es tatsächlich zu einer Ansteckung gekommen ist, zu begegnen, genügt bei der BK 3101 nach der Rechtsprechung des BSG als "Einwirkung" im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII, dass der Versicherte einer der versicherten Tätigkeit inne wohnenden Infektionsgefahr besonders ausgesetzt war (BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 30/07 R, a.a.O., auch zum Nachfolgenden). Diese besondere Infektionsgefahr ersetzt als eigenständiges Tatbestandsmerkmal die "Einwirkungen" und ist mit dem weiteren Tatbestandsmerkmal "Verrichtung einer versicherten Tätigkeit" durch einen wesentlichen Kausalzusammenhang, hingegen mit der "Erkrankung" nur durch die Möglichkeit eines Kausalzusammenhangs verbunden. Für die erhöhte Infektionsgefahr gelten damit hinsichtlich des Beweismaßstabes die Anforderungen, die ansonsten für das Tatbestandsmerkmal der Einwirkungen zu beachten sind. Sie muss im Vollbeweis vorliegen. Sie ist bei Versicherten anzunehmen, die auf Grund ihrer Tätigkeit oder ihres Arbeitsumfeldes einer Infektionsgefahr im besonderem Maße ausgesetzt sind. Die besondere Infektionsgefahr kann sich danach im Einzelfall auf Grund der Durchseuchung des Umfelds der Tätigkeit oder der Übertragungsgefahr der ausgeübten Verrichtungen ergeben. Der Grad der Durchseuchung ist hinsichtlich der kontaktierten Person als auch der Objekte festzustellen, mit oder an denen zu arbeiten ist. Lässt sich das Ausmaß der Durchseuchung nicht aufklären, ist vom Durchseuchungsgrad der Gesamtbevölkerung auszugehen. Das Kriterium der mit der versicherten Tätigkeit verbundenen Übertragungsgefahr wiederum richtet sich nach dem Übertragungsmodus der jeweiligen Infektionskrankheit sowie der Art, der Häufigkeit und der Dauer der vom Versicherten verrichteten gefährdenden Handlungen. Die Durchseuchung des Arbeitsumfeldes auf der einen und die Übertragungsgefahr der versicherten Verrichtungen auf der anderen Seite stehen in einer Wechselbeziehung zueinander, derart, dass an den Grad der Durchseuchung umso niedrigere Anforderungen gestellt werden können, je gefährdender die spezifischen Arbeitsbedingungen sind.
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe kann im hier interessierenden Zeitraum keine erhöhte Infektionsgefahr festgestellt werden. Angesichts einer von den Gutachtern bzw. Beratungsärzten Prof. Dr. E., Prof. Dr. Dr. F., und Dr. G. übereinstimmend angenommenen Inkubationszeit von in der Regel ein bis drei Tagen und einer bei der Klägerin in der zweiten Hälfte des Monats April 2005 aufgetretenen Streptokokkenerkrankung - so sind Dr. G. sowie Prof. Dr. Dr. F. übereinstimmend von einem Ausbruch am 17.04.2005 ausgegangen; Prof. Dr. E. sprach von einem Erkrankungsbeginn "um den 19.04.2005" - muss die Infektion in der Monatsmitte des April 2005 erfolgt sein; sie kann jedenfalls nicht vor April 2005 gelegen haben. Ein erhöhtes Infektionsrisiko bestand am Arbeitsplatz der Klägerin (Chirurgische Intensivstation - 1. Ost) indes (jedenfalls) in diesem Zeitraum nicht. Streptokokken sind ubiquitär vorkommende Keime, die am ehesten im Wege der Tröpfcheninfektion übertragen werden (Dr. C., ebenso Prof. Dr. Dr. F.); eine Infektionsgefahr besteht demnach bei jedem Kontakt mit einem möglicherweise asymptomatischen Bakterienträger, z.B. in öffentlichen Verkehrsmitteln, bei Veranstaltungen etc. Soweit Prof. Dr. E. wie auch Dr. G. in ihren Gutachten jeweils von einem erhöhten Infektionsrisiko bei der versicherten Tätigkeit und von einer Ursächlichkeit der Pflegetätigkeit der Klägerin im April 2005 für die erlittene Infektion ausgehen, begründen sie dies mit den Angaben der Klägerin über die Pflege zweier Streptokokkenpatienten; der von der Klägerin weiterhin im April 2005 gepflegte MRSA-infizierte Patient scheidet als Infektionsquelle von vornherein aus, da es sich hierbei um eine Staphylokokkeninfektion handelt, so zutreffend Prof. Dr. Dr. F ...
Die beiden Sachverständigen haben sich bei der von ihnen angenommenen Streptokokkeninfektion ausschließlich auf die anamnestischen Angaben der Klägerin über die Behandlung einer Patientin mit Streptokokkeninfektion mit eitrigem offenem Abdomen und eines weiteren Patienten mit Streptokokkeninfektion mit eitriger Thorax-Saug-Bettspülung gestützt. Zwar war die Klägerin ausweislich der vorgelegten Dienstpläne des Universitätsklinikums A., Haus I/1. OG Ost im April 2005 zwischen dem 04. und 17.04.2005 wiederholt in der Spät- bzw. auch Nachtschicht im Einsatz. Für das gesamte Jahr 2005 sind indes bei keinem Patienten der Station 1. Ost ß-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A nachgewiesen worden, so Prof. Dr. von I. in ihrer korrigierten Stellungnahme gegenüber dem Senat vom 02.02.2016. Speziell bei der von der Klägerin erwähnten Patientin mit offenem Abdomen auf Grund multipler Verletzungen nach schwerem Verkehrsunfall, die dort sieben Monate stationär im Rahmen von Langzeitbeatmung betreut wurde, wurden zwar Ende März im intraoperativen Abstrich aus dem Bauchraum neben Enterobakterien zwar auch Streptokokken nachgewiesen. Es handelte sich dabei aber um sog. vergrünende Streptokokken, also gerade nicht die Spezies, die die Erkrankung der Klägerin verursacht hatte, so zutreffend Prof. Dr. von I ... Im Übrigen waren diese vergrünenden Streptokokken schon bei einem Wundabstrich Anfang April 2005 nicht mehr nachweisbar und konnten auch in zwei weiteren Proben Mitte bzw. Ende April 2005 keine Streptokokken mehr nachgewiesen werden. Damit lag kein erhöhter Grad der Durchseuchung des Umfelds der Tätigkeit vor; vielmehr ist nach der Rechtsprechung des BSG allenfalls von einem der Gesamtbevölkerung entsprechenden Durchseuchungsgrad, also einem durchschnittlichen Wert, auszugehen (BSG a.a.O.).
Andererseits waren auch die Arbeitsvorgänge mit einem eher unterdurchschnittlichen Risiko einer Infektion behaftet. So hat bereits Dr. C. in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen, dass es angesichts des Übertragungswegs durch Tröpfcheninfektion ihm völlig unersichtlich sei, wie bei einer Wundversorgung Keime in den Rachen der Klägerin gelangt sein sollten. Auch Prof. Dr. Dr. F. hat nachvollziehbar angesichts des zu fordernden Übertragungsmodus mittels Tröpfcheninfektion eine Infektion unter den Bedingungen einer Chirurgischen Intensivstation unter Beachtung der hygienischen Vorsorgeregeln für unwahrscheinlich erachtet. Soweit dem gegenüber Dr. G. davon ausgeht, die Voraussetzungen für eine Übertragung seien "in idealster Weise" gegeben, da sich eine Pflegekraft im Rahmen ihrer Berufsausübung dem Patienten zwangsweise soweit nähern müsse, dass eine Übertragung sehr leicht stattfinde, lässt er die diesbezüglichen Erwägungen von Dr. C. und Prof. Dr. Dr. F. vollständig außer Acht und vermag schon aus diesem Grund nicht zu überzeugen. Im Übrigen hat die Klägerin selbst im Erörterungstermin vom 21.02.2014 berichtet, sie habe sich in besonderem Maße gegenüber einer Infektion geschützt und beispielsweise zwei Paar Handschuhe übereinander angezogen und eine sog. Kittelpflege betrieben. Insbesondere habe sie stets Mundschutz, den die Klinik gestellt habe, vorschriftsmäßig getragen. Eine Nachlässigkeit im Hinblick auf diese Hygienemaßnahmen hat sie im Termin kategorisch ausgeschlossen. Der Senat kann offenlassen, ob angesichts der Art der konkret ausgeübten Tätigkeit, insbesondere angesichts des Mundschutzes, ein Infektionsvorgang ausgeschlossen und damit für die Annahme einer Infektionsgefahr von vorneherein kein Raum ist. Jedenfalls ist von einem gegenüber dem allgemeinen, von Dr. C. beschriebenen Infektionsrisiko (beispielsweise in öffentlichen Verkehrsmitteln oder Veranstaltungen) abweichenden, deutlich geringeren Infektionsrisiko unter den spezifischen Arbeitsbedingungen der Klägerin im hier interessierenden Zeitraum auszugehen. Dies lässt angesichts des festgestellten, bestenfalls durchschnittlichen Durchseuchungsgrads die Feststellung einer erhöhten Ansteckungsgefahr nicht zu. Vielmehr war die Klägerin im Rahmen ihrer versicherten Tätigkeit einem allenfalls durchschnittlichen Infektionsrisiko ausgesetzt.
Fehlt es damit am Nachweis einer berufsbedingten besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Ansteckungsgefahr, so scheidet eine Anerkennung einer BK 3101 aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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