L 2 R 4714/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 2672/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 4714/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. Juli 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe der zu erstattenden Rentenversicherungsbeiträge für den im Ausland lebenden Kläger.

Der geborene Kläger ist albanischer Staatsangehöriger und war vom 3.7.1992 bis 28.2.1999 in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt, unterbrochen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit mit Bezug von Leistungen der Bundesagentur für Arbeit. Am 3.2.2000 ist der Kläger nach Albanien zurückgekehrt.

Am 19.9.2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Beitragserstattung bei Aufenthalt im Ausland. Unter Ziffer 5.1 des Antrags gab er an, dass bereits ein deutscher Versicherungslaufverlauf erteilt worden sei, der vollständig und richtig sei. Die Beklagte übersandte dem Kläger den Versicherungsverlauf vom 18.7.2014. Mit Bescheid vom 4.11.2014 erstattete die Beklagte dem Kläger Beiträge aus der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. 3.647,12 EUR. Die Beitragserstattung erfolge in der Höhe, in der die Versicherten sie getragen haben. Der Erstattungsbetrag errechnete sich aus den gespeicherten Entgelten multipliziert mit einem Faktor zwischen 8,75 % und 10,15 % (jeweils der hälftige - auf den Arbeitnehmer entfallende - Rentenversicherungsbeitrag) und zusätzlich mit dem Faktor 1,95583 von D-Mark in Euro umgerechnet. Als Beitragszeiten mit den entsprechenden Entgelten festgehalten sind die Zeit vom 3.7.1992 bis 8.9.1992, vom 1.10.1992 bis 31.12.1992, vom 1.1.1993 bis 31.12.1993, vom 1.1.1994 bis 31.1.1994, vom 20.10.1994 bis 30.11.1994, vom 16.7.1995 bis 31.12.1995, vom 29.6.1997 bis 15.7.1997, vom 16.11.1998 bis 31.12.1998 und vom 1.1.1999 bis 28.2.1999.

Wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder einer vergleichbaren Geldleistung eines Sozialleistungsträgers nicht erstattet wurden Beiträge für die Zeit vom 1.2.1994 bis 19.10.1994, vom 1.12.1994 bis 15.7.1995, vom 1.1.1996 bis 15.6.1996, vom 20.6.1996 bis 12.9.1996, vom 7.12.1996 bis 13.6.1997, vom 16.7.1997 bis 27.4.1998, vom 4.6.1998 bis 15.11.1998, vom 1.3.1999 bis 22.6.1999 und vom 15.7.1999 bis 31.1.2000. Diese Zeiten sind im Versicherungsverlauf vom 18.7.2014 mit AFG gekennzeichnet.

Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und verlangte die Überprüfung der Daten sowie die Erstattung eines höheren Betrages. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.1.2015 zurück und führte sinngemäß aus, dass nur der vom Kläger getragene Eigenanteil des Beitrags zur Rentenversicherung erstattet werden könne und sich ein höherer Erstattungsbetrag nicht ergebe. Den Widerspruchsbescheid sandte die Beklagte am 29.1.2015 mit Einschreiben gegen Rückschein an den Kläger nach Albanien. Der in der Akte der Beklagten befindliche Rückschein weist kein Datum aus.

Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 10.2.2015 am 23.2.2015 wegen der Höhe der Beitragserstattung Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG - S 7 R 1197/15) und verlangte die seinerzeit erschwerten Arbeitsbedingungen bei der Beitragserstattung zu berücksichtigen. Nach richterlichem Hinweis nahm er die Klage am 28.4.2015 zurück.

Am 11.5.2015 - einem Montag - hat der Kläger beim SG erneut gegen den Widerspruchsbescheid vom 28.1.2015 und mit der gleichen Begründung Klage wegen der Höhe der Beitragserstattung erhoben (S 12 R 2672/15).

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 24.7.2015 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Klage nicht bereits unzulässig sei. Das Fristende - nach fehlendem Zugangsnachweis könne nur auf das Datum des Verfassens der Klageschrift abgestellt werden - am 10.5.2015 zur Erhebung der Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 28.1.2015 sei auf einen Sonntag gefallen, sodass die am Montag, dem 11.5.2015 erhobene Klage fristgerecht sei. Die Klage sei - unter Bezugnahme auf die Begründung im Widerspruchsbescheid - jedoch nicht begründet.

Gegen den Gerichtsbescheid - den das SG dem Kläger nach Albanien mit am 31.7.2015 zur Post gegebenem eingeschriebenen Brief mit Rückschein zuzustellen versucht hat ohne dass der Rücklauf des Rückscheins zu verzeichnen ist - hat der Kläger mit Schreiben vom 19.10.2015 am 11.11.2015 schriftlich Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und sein Begehren auf höhere Beitragserstattung weiterverfolgt. Er behauptet, während der Zeit in Deutschland fast immer mit einem Arbeitsvertrag gearbeitet zu haben. Es könne nicht sein, dass er den Versicherungsbeitrag nur an bestimmten Monaten gezahlt habe, obwohl er durchgehend mit einem Arbeitsvertrag vollzeitig beschäftigt gewesen sei. Für einen Arbeitslosengeldanspruch sei Voraussetzung, dass man unbedingt ein Jahr durchgehend gearbeitet habe. Für die Zeiten, für die die Beiträge nicht erstattet worden seien, sei unklar, von wem die Beiträge gezahlt worden seien. Aus dem Versicherungsverlauf ergebe sich nicht, welche Beiträge vom Kläger und welche von Ämtern übernommen worden seien. Hier verlange er Aufklärung damit eine genaue Berechnung des zu erstattenden Betrages durchgeführt werden könne.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. Juli 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. November 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger höhere Rentenversicherungsbeiträge zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schreiben des Klägers vom 9.12.2015/11.1.2016 und des Beklagten vom 20.1.2016).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Nachdem der Zeitpunkt der Zustellung durch Einschreiben (§ 202 SGG i.V.m. § 175 ZPO) mangels Vorliegens des Rückscheins in der SG-Akte nicht nachgewiesen ist, liegt ein Zustellungsmangel vor, der grundsätzlich zur Folge hat, dass die wegen des Auslandsbezugs hier 3-monatige Berufungsfrist (§§ 151, 153 Abs. 1, 87 Abs. 1 Satz 2 SGG) nicht zu laufen begonnen hätte (Binder HK-SGG, 3. Aufl. § 151 Rn. 13). Allerdings ist der Mangel mit dem tatsächlichen Zugang, von dem spätestens an dem Tag des Verfassens der Berufungsschrift am 19.10.2015 auszugehen ist, geheilt (BSG, Beschluss vom 15.11.2010 - B 8 SO 71/10 B -, juris Rn. 6). Ausgehend davon ist die am 11.11.2015 eingelegte Berufung als fristgerecht zu betrachten.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat einen Anspruch auf eine Beitragserstattung über den Betrag von 3.647,12 EUR hinaus nicht nachgewiesen.

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 4.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.1.2015, gegen den der Kläger auch mit der erneuten kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig vorgeht. Die am Montag, den 11.5.2015 dagegen erhobene weitere Klage (S 12 R 2672/15) ist zulässig erhoben worden. Die Bescheide sind nicht durch die Rücknahme der zuvor erhobenen Klage S 7 R 1197/15 bestandskräftig geworden. Durch die Klagerücknahme wird der materiell-rechtliche Anspruch nicht berührt. Vor Verstreichen der Klagefrist ist eine erneute Klageerhebung möglich (Roller HK-SGG, 3. Aufl., § 102 Rn. 12). Im Zeitpunkt der Rücknahme der Klage am 28.4.2015 und Erhebung der weiteren Klage am 11.5.2015 war die bei Zustellung im Ausland 3-monatige Klagefrist (§ 87 Abs. 1 Satz 2 SGG) noch nicht abgelaufen. Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass mangels Vermerks des Datums auf dem Rückschein für die Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids vom 28.1.2015 (§ 87 Abs. 2 SGG) auf das Datum der Klageschrift vom 10.2.2015 abzustellen ist. Nachdem ausgehend davon das Ende der 3-monatigen Klagefrist am 10.5.2015 auf einen Sonntag fiel, ist die erneute Klageerhebung am 11.5.2015 noch fristgerecht gewesen.

Inhaltlich hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Anspruchsgrundlage ist § 210 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI. Danach werden Beiträge auf Antrag Versicherten erstattet, die nicht versicherungspflichtig sind und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung haben. Diese Voraussetzungen erfüllt der in Albanien lebende Kläger. Zur Höhe der Beitragserstattung ist in § 210 Abs. 3 S. 1 SGB VI geregelt, dass nur der vom Versicherten getragene Beitragsanteil erstattet wird. Dies hat die Beklagte durch die Multiplikation der Pflichtbeiträge mit einem Faktor zwischen 8,75 % und 10,15 % umgesetzt. Ausgehend von den im Versicherungsverlauf vom 18.7.2014 festgehaltenen Pflichtbeitragszeiten, an denen sich der Erstattungsbescheid vom 4.11.2014 orientiert und den der Kläger in seinem Erstattungsantrag als richtig bewertet hat, ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Erstattungsbetrag von 3.647,12 EUR unrichtig wäre. Insbesondere hat der Kläger keine konkreten Zeiten benannt, in denen er über die gespeicherten Zeiten hinaus versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein will und weitere Beiträge zur Rentenversicherung, die zu erstatten wären, geleistet hätte. Sein allgemeiner Vortrag, er sei fast durchgehend mit einem Arbeitsvertrag versicherungspflichtig beschäftigt gewesen, ist zu unkonkret, um hier Anhaltspunkte für falsch gespeicherte Zeiten zu haben. Auch auf das aufklärende Schreiben des Senats vom 30.11.2015 hin hat der Kläger keine konkreten Angaben gemacht, die Anlass zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 4.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.1.2015 geben könnten. Auf der Grundlage der im Versicherungsverlauf gespeicherten Beitragszeiten hat die Beklagte den Erstattungsbetrag zutreffend mit 3.647,12 EUR errechnet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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