L 13 R 5245/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 2279/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 5245/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24. November 2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch der Beklagten gegen die Klägerin auf Rückzahlung überzahlter Witwenrente für den Zeitraum 1. Juli 2010 bis 30. September 2013 in Höhe von 2.473,80 EUR wegen nicht berücksichtigter Unfallrente.

Die 1950 geborene Klägerin ist die Witwe des 1943 geborenen und am 4. Januar 2001 verstorbenen W. S., der bei der B. für A., deren Rechtsnachfolgerin die D. R. B., rentenversichert war. Die Klägerin war seit 1995 mit dem Versicherten verheiratet.

Die Klägerin hat den Beruf der Großhandelskauffrau erlernt und war im kaufmännischen Bereich im Betrieb ihres Mannes tätig, den sie nach dem Tod ihres Mannes übernommen hat.

Am 8. Juli 2004 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Hinterbliebenenrente. Im Rahmen dieser Antragstellung verneinte die Klägerin u.a. eine Versichertenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung (Bl. 10 der Verwaltungsakten). Mit Rentenbescheid vom 12. Oktober 2004 bewilligte die Beklagte ab 1. Juli 2003 große Witwenrente. Auf der S. 3 f. wurde unter der Überschrift "Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten" auf die gesetzliche Verpflichtung hingewiesen, Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen unverzüglich mitzuteilen. Auf S. 5 wurde noch mitgeteilt, dass auf die Rente Einkommen in Höhe von 40 % des Betrages anzurechnen sei, um den das monatliche Einkommen einen dynamischen Freibetrag übersteige.

Mit Schreiben vom 29. Dezember 2004 teilte die Klägerin mit, dass sich ihr Arbeitsentgelt ab Januar 2005 verringere. Hierbei gab sie u.a. an, dass sie keine Versichertenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung beziehe. Mit Bescheid vom 11. März 2005 erhöhte die Beklagte die Rente ab 1. Januar 2005. Gegen den Rentenbescheid der Beklagten vom 23. Mai 2005 erhob die Klägerin zu Recht Widerspruch, sodass die Beklagte abhalf (Bescheid vom 19. August 2005).

Am 14. Februar 2006 teilte die Klägerin mit, dass sie seit 16. Januar 2006 ohne Einkünfte sei. Mittels Vordruck R 660 wurde die Klägerin erneut zu den Verhältnissen befragt. Sie gab hierbei an, keine Versichertenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu beziehen. Mit Bescheid vom 14. März 2006 berechnete die Beklagte die Witwenrente ab 16. Januar 2006 neu. Erneut wurde darauf hingewiesen, dass die Klägerin zur Mitteilung von Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen verpflichtet sei (Bl. 42 ff der Sozialgerichtsakte).

Die Klägerin erhielt von der V.-B. ab 16. August 2008 eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. Die Klägerin teilte den Bezug der Unfallrente der für die Witwenrente zuständigen Stelle der Beklagten nicht mit.

Am 14. Oktober 2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten zum 1. April 2010 eine Altersrente für Frauen. Hierbei gab sie zwar die Unfallrente, nicht aber die bezogene Hinterbliebenenrente an (siehe Bl. 12 der SG-Akten). In der Meldung zur Krankenversicherung der Rentner hingegen gab sie die Hinterbliebenenrente an (Bl. 15 der SG-Akten). Die Beklagte gewährte der Klägerin Altersrente ab 1. April 2010. Auch hiervon unterrichtete die Klägerin die für die Witwenrente zuständige Stelle der Beklagten nicht.

Am 14. August 2012 erfolgte eine interne Mitteilung über den Bezug der Altersrente, worauf die Beklagte mit Rentenbescheid vom 7. September 2012 die große Witwenrente ab 1. April 2010 neu berechnete. Hierbei wurde das Erwerbsersatzeinkommen aus der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt (siehe Anl. 8 des Bescheides vom 7. September 2012). Des Weiteren wurde eine Überzahlung von 626,00 EUR festgestellt. Den hiergegen erhobenen Widerspruch, mit dem Hinweis, es könne nicht zu ihren Lasten gehen, wenn die Beklagte in ihrem Haus keine Informationen untereinander austausche, nahm sie zurück.

Am 20. Juni 2013 erlangte das für die Hinterbliebenenrente zuständige Dezernat intern Kenntnis davon, dass die Klägerin eine Unfallrente beziehe (Bl.139 der Verwaltungsakten). Die Beklagte erließ noch einen Rentenbescheid vom 9. Juli 2013, mit der die große Witwenrente ab 1. Juli 2013 neu berechnet wurde. Auch hierbei wurde als Erwerbsersatzeinkommen nur die Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt. Die Beklagte veranlasste die Einholung einer Auskunft der V.-B ... Nach Eingang deren Auskunft vom 17. Juli 2013 hörte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 29. Juli 2013 wegen einer beabsichtigten Rückforderung an. Die Klägerin hat darauf hingewiesen, dass sie beim Antrag auf Altersrente ihre Unfallrente angegeben habe. Für die erfolgte Überzahlung sei sie deshalb nicht verantwortlich. Das Geld habe sie verbraucht. Mit Rentenbescheid vom 19. August 2013 berechnete die Beklagte die große Witwenrente ab 16. August 2008 neu und stellte eine Überzahlung in Höhe von 2.473,80 EUR fest. Der Rentenbescheid vom 7. September 2012 in der Fassung der Folgebescheide werde ab 1. Juli 2010 nach § 45 SGB X zurückgenommen, die entstandene Überzahlung erstattet verlangt. Die Klägerin könne sich nicht auf Vertrauen berufen; auch die vorzunehmende Ermessensausübung führe zu keinem anderen Ergebnis. Die angeführten Gründe seien beachtet worden, jedoch nicht geeignet, von der Rücknahme des Bescheids abzusehen. An der Herstellung des rechtmäßigen Zustandes überwiege das öffentliche Interesse. Aus der Anlage 1 Seite 7 f. ergibt sich, dass von Juli 2010 bis September 2013 2.576,78 EUR überzahlt worden sind und für April bis Juni 2010 monatlich 34, 12 EUR (insgesamt 102,36 EUR) nachzuzahlen sind.

Dagegen erhob die Klägerin am 16. September 2013 Widerspruch. Es sei richtig, dass sie es versäumt habe, die am 16. August 2008 beginnende Unfallrente der R. sofort zu melden. Der Mangel sei aber bei Beantragung der Altersrente nachträglich geheilt worden. Bei den nachfolgenden Mitteilungen der D. R. seien sowohl die Altersrente als auch die Witwenrente in ein und demselben Schreiben hintereinander aufgeführt worden, sodass sie annehmen musste, dass der Bezug der Unfallrente auch bei der Berechnung der Witwenrente berücksichtigt worden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ergänzend führte sie aus, dass es keine gesetzliche Verpflichtung zu einer internen Informationsweitergabe gäbe, zumal bei der für ihre Altersrente zuständigen Stelle hätte vermutet werden dürfen, dass sie der Mitteilungs- und Mitwirkungspflicht gegenüber der für ihre Witwenrente zuständigen Stelle bereits nachgekommen war. In Abwägung des öffentlichen Interesses an der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes und an dem Ausgleich des erlittenen Vermögensschadens auf der einen Seite und ihrem Interesse am Verbleib der überzahlten Gelder auf der anderen Seite genieße Letzteres keinen Vorrang. Hiernach sei die Überzahlung in Höhe von 2.576,16 EUR abzüglich der erfolgten Verrechnung mit der Nachzahlung in Höhe von 102, 36 EUR, mithin 2.473,80 EUR zu erstatten.

Am 7. Juli 2014 hat die Klägerin hiergegen Anfechtungsklage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Sie habe zwecks Beantragung ihrer Altersrente den Rentenberater aufgesucht und ihm alle Rentenbescheide vorgelegt. Selbst wenn ihr vorgeworfen werden könnte, dass die Meldung der Unfallrente nicht unverzüglich geschehen sei, sei dies nicht relevant, weil die Überzahlung bei der Witwenrente erst beim Hinzutreten der Altersrente entstanden sei. Sie habe nicht bemerkt, dass aus der Anlage 8 des Bescheids über die Witwenrente kein Hinweis auf die Unfallrente ersichtlich sei. In der Verhandlung hat sie noch angegeben, sie habe vom Sozialversicherungsrecht keine Ahnung und habe 2008 ein Krankenhausaufenthalt für ein Jahr gehabt; zuvor habe sie einen Trümmerbruch gehabt (s. Protokoll vom 24. November 2014, Bl. 53 f. der SG Akten). Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Korrektur des Bescheides beruhe nicht auf einer Verletzung von Mitteilungspflichten. Es komme auf die grobe Fahrlässigkeit der Klägerin bei dem Betrachten der keine Verletztenrente aufweisenden Anlage 8 der Bescheide an.

Mit Urteil vom 24. November 2014 hat das SG den Bescheid vom 19. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juni 2014 insoweit aufgehoben, als darin der Rentenbescheid vom 7. September 2012 und der Rentenbescheid vom 9. Juli 2013 hinsichtlich der Rentenhöhe für die Zeit ab dem 1. Juli 2010 bis 30. September 2013 zurückgenommen und unter Verrechnung einer Nachzahlung in Höhe von 102,36 EUR die Erstattung eines Betrages in Höhe von 2.473,80 EUR gefordert wurde. Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X seien nicht erfüllt, da nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Klägerin die Rechtswidrigkeit der Bescheide kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Schließlich liege auch kein Fall des § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB X vor, da die Klägerin bei der Beantragung der Altersrente auf die Unfallrente hingewiesen habe.

Die Beklagte hat hiergegen am 18. Dezember 2014 Berufung erhoben. Das Verhalten der Klägerin lasse den Eindruck zu, dass sie Änderungen, die sich zu ihren Gunsten auswirkten unverzüglich mitgeteilt habe, Änderungen, die sich zu ihren Lasten auswirkten, vorsätzlich verschwiegen habe, um sich auf Kosten der Versichertengemeinschaft unrechtmäßig zu bereichern. Die Klägerin sei mehrfach konkret aufgefordert worden, sowohl den Bezug als auch den Hinzutritt von Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung mitzuteilen. Vor diesem Hintergrund sei auch davon auszugehen, dass die Klägerin es vorsätzlich unterlassen habe, der die Witwenrente zahlende Stelle mitzuteilen, dass ihr mit Bescheid vom 28. April 2010 ab dem 1. April 2010 eine Altersrente bewilligt wurde. Für das vorsätzliche Verhalten spreche auch, dass die Klägerin bei der Beantragung ihrer Altersrente den Bezug einer Hinterbliebenenrente wahrheitswidrig verneint habe. Die Behauptung der Klägerin, dass sie dem Versichertenberater auch die Unterlagen über die Witwenrente vorgelegt habe, sei unglaubhaft. Entgegen der Auffassung des SG gehe es auch nicht darum, ob die Klägerin das komplizierte Rechenwerk nachvollziehen könne, sondern darum, ob sie wusste, dass die Unfallrente nicht berücksichtigt worden sei. Die Klägerin habe auch nicht den geringsten Anlass zu der Annahme gehabt, dass die die Witwenrente zahlende Stelle aufgrund der Angabe der Klägerin in ihrem Altersrentenantrag Kenntnis von der Unfallrente hatte. Denn zu keiner Zeit und an keiner Stelle sei der Klägerin mitgeteilt worden, dass ein Datenabgleich/eine Datenverknüpfung zwischen den beiden Stellen vorgenommen werde. Dies zeigten gerade die in den Witwenrentenbescheiden enthaltenen Hinweise auf die Mitteilungspflichten. Auch der Argumentation des SG zu § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X werde nicht gefolgt. Die Klägerin habe nicht den geringsten Anlass gehabt, dass die die Altersrente zahlende Stelle die Information weiterleiten würde. Dies gelte umso mehr, als die Klägerin im Antrag auf Versichertenrente den Bezug einer Hinterbliebenenrente verneint habe. Insoweit habe die die Altersrente zahlende Stelle keine Veranlassung zur Weiterleitung der Information über den Unfallrentenbezug gehabt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24. November 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie habe zu keinem Zeitpunkt etwas verheimlichen wollen. Sie habe dem Rentenberater den Witwenrentenbescheid vorgelegt, der diese Information im Formular R 810 erfasst habe. Sie sei der Überzeugung gewesen, dass auch die für die Witwenrente maßgebende Stelle die notwendigen Informationen erhalten habe. Es sei ihr unverständlich, wie ihr arglistige Täuschung vorgeworfen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung der Beklagten, über die der Senat nach Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt, zulässig und in der Sache begründet. Das SG hat mit Urteil vom 24. November 2014 die Aufhebungs- und Rückforderungsentscheidung der Beklagten vom 19. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juni 2014 zu Unrecht aufgehoben. Denn der mit Anfechtungsklage angefochtene Bescheid erweist sich als rechtmäßig.

Die Klägerin ficht die teilweise Aufhebung der Rentenbewilligung in dem Zeitraum vom 1. Juli 2010 bis 30. September 2013 in Höhe von 2.576,16 EUR an und wendet sich gegen die Erstattung in Höhe von 2.473,80 EUR. Dass sie in der Klage statt 2.473,80 EUR 2.406,54 EUR beziffert hat, kann nur als nach § 123 SGG zu korrigierenden Flüchtigkeitsfehler gewertet werden, der bei der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung vor dem SG auch behoben worden ist. Nicht verfolgt worden ist mit der Klage die Auszahlung der mit Bescheid vom 19. August 2013 für den Zeitraum April 2010 bis Juni 2010 festgestellten Nachzahlung in Höhe von 34,12 EUR monatlich, insgesamt 102,36 EUR. Denn die Klägerin hat mit ihrer Klage nicht eine Auszahlung, also die Erweiterung ihres Rechtskreises begehrt, sondern lediglich einen Eingriff in ihren Rechtskreis abzuwehren versucht. Demzufolge ist nicht Streitgegenstand die Frage der Rechtmäßigkeit der von der Beklagten möglicherweise vorgenommenen Aufrechnung gemäß § 51 SGB I in Höhe von 102,36 EUR.

Die Beklagte hat ihre Aufhebungsentscheidung zu Recht auf § 45 SGB X gestützt. Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 SGB X). Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit (Nr. 1) er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, (Nr. 2) der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder (Nr. 3) er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, wobei grobe Fahrlässigkeit vorliegt, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 SGB X). Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Abs. 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Abs. 2 zurückgenommen werden, wenn (Nr. 1) die Voraussetzungen des Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder (Nr. 2) der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde. In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird (§ 45 Abs. 3 SGB X). Nur in den Fällen von Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen (§ 45 Abs. 4 SGB X). § 44 Abs. 3 SGB X gilt entsprechend (§ 45 Abs. 5 SGB X).

Bei den Rentenbescheiden handelt es sich um begünstigende (Dauer-)Verwaltungsakte. Der Rentenbescheid vom 7. September 2012 und der Rentenbescheid vom 9. Juli 2013 waren auch von Anfang an rechtswidrig, da sie die ab 16. August 2008 gewährte Unfallrente der Klägerin (Bescheid der V.- B. vom 26. November 2008) ab Juli 2010 nicht rentenmindernd berücksichtigt haben. Die Beklagte hat mit Rentenbescheid vom 19. August 2013 zutreffend festgestellt, dass die große Witwenrente unter Berücksichtigung der Altersrente und der gesetzlichen Unfallrente für den Zeitraum Juli 2010 bis September 2013 in Höhe von 2.576,16 EUR zu Unrecht bezogen worden ist. Denn gemäß § 97 Abs.1 Satz 1 SGB VI wird Einkommen (§ 18a SGB IV) von Berechtigten, das mit einer Witwenrente zusammentrifft, hierauf angerechnet. Die näheren Anrechnungsmodalitäten sind dabei in § 97 Abs. 2 SGB VI geregelt. Diesen Vorgaben ist die Beklagte nachgekommen. Insoweit wird auf die zutreffende Berechnung im Bescheid vom 19. August 2013 Bezug genommen. Die Klägerin hat diese Berechnung auch nicht angegriffen. Der Senat hat keine Fehler bei der Rentenberechnung feststellen können. Der Bescheid vom 7. September 2012 und der Rentenbescheid vom 9. Juli 2013 waren insoweit von Anfang an rechtswidrig.

Entgegen der Auffassung des SG kann sich die Klägerin nicht auf Vertrauen berufen, da sie jedenfalls die Rechtswidrigkeit der Verwaltungsakte infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Die Klägerin hat den Bezug der Unfallrente der für die Witwenrente zuständigen Stelle zu keinem Zeitpunkt angezeigt. Zwar hat sie beim Antrag auf Altersrente für Frauen am 14. Oktober 2009 die Unfallrente angegeben. Es stellt aber eine besonders schwere Sorgfaltsverletzung dar, wenn der Rentenbezieher sich darauf verlässt, dass die Information automatisch, ohne dahingehende Bitte oder Aufforderung, an die zusätzlich zuständige Stelle weitergegeben wird, ohne zu prüfen, ob die Information -der Bezug der Unfallrente- dann auch dort berücksichtigt wird. Noch mit Bescheiden vom 7. September 2012 und 9. Juli 2013, also lange nach dem Beginn der Altersrente, erfolgte keine Anrechnung der Unfallrente bei der Witwenrente. Eine Prüfung der Rentenbescheide daraufhin hat die Klägerin nicht einmal behauptet. Aus den Rentenbescheiden vom 7. September 2012 und 9. Juli 2013 geht in Anlage 8 eindeutig hervor, dass lediglich ein Erwerbsersatzeinkommen aus der gesetzlichen Rentenversicherung zur Anrechnung gelangt ist und nicht auch die -ab August 2008- bezogene Unfallrente. Die Klägerin wurde in den mehrfachen Rentenbescheiden auch immer wieder darauf hingewiesen, dass Einkommen auf die Witwenrente Einfluss hat. Sie selber hat auch Verringerungen ihres Einkommens unverzüglich angezeigt, was darauf schließen lässt, dass ihr die Abhängigkeit der Witwenrente von Einkommen bewusst war. Die Klägerin ist auch als Großhandelskauffrau ausgebildet, war im kaufmännischen Bereich und zuletzt sogar selbstständig tätig. Dass die Klägerin selbst die einfachen Ausführungen der Rentenbescheide unter Anlage 8 nicht verstehen konnte, ist nicht ansatzweise ersichtlich. Wie die Beklagte zu Recht ausgeführt hat, ist nicht erforderlich, dass die Klägerin die komplexe Rentenberechnung nachvollziehen kann. Es reicht aus, dass die Klägerin mit Hilfe der Anlage 8 der Rentenbescheide mit einfachen Mitteln feststellen konnte, dass die Unfallrente unberücksichtigt geblieben ist. Demnach ist der Klägerin selbst dann grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, wenn sie davon ausgegangen ist, dass die Mitteilung der Unfallrente der Altersrente gewährenden Stelle der Beklagten der Witwenrente gewährenden Stelle weitergeleitet werde. Dies gilt hier umso mehr, als sie im Antrag auf Altersrente einen Bezug von Hinterbliebenenrente verneint hat, lediglich in der Meldung zur Krankenversicherung ein Hinweis darauf vermerkt ist. Zudem hat die Klägerin schon zuvor bemerkt, dass bei der Witwenrente selbst eine von der Beklagten gewährte andere Leistung, nämlich die Altersrente, jahrelang unberücksichtigt geblieben ist, was auch zur Rückforderung einer Überzahlung geführt hat. Den Widerspruch hiergegen hatte die Klägerin zurückgenommen, obwohl auch damals der Widerspruch damit begründet worden ist, sie sei von einem internen Austausch ausgegangen. Schließlich wurde in den Bescheiden auch auf die Mitteilungspflicht eines Bezuges von Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung hingewiesen, sodass von einer automatischen Weiterleitung selbst einer Leistung der Rentenversicherung nicht ausgegangen werden konnte; dies gilt erst recht für Leistungen eines anderen Sozialversicherungszweiges. Nach alledem ist es schon nicht glaubhaft, dass die Klägerin von einem automatischen Weiterleiten der Information an die jeweils zuständige Stelle ausgegangen ist. Unerklärlich ist der Vortrag der Klägerin, aus den Rentenanpassungsmitteilungen habe sie Vertrauen gebildet, dass die Unfallrente bei der Witwenrente berücksichtigt werde. Denn eine irgendwie geartete Andeutung dahingehend findet sich nicht (s. z.B. Blatt 16-18 der SG Akten); bei einer Rentenanpassung wird nur über den Grad der Anpassung entschieden, nicht über das Stammrecht. Ausführungen zur Berechnung der Rente fehlen gänzlich. Nicht nachvollziehbar ist auch der Hinweis der Klägerin darauf, dass erst die Gewährung der Altersrente zu einer Minderung der Witwenrente -ab Juli 2010- geführt hat. Sie hat nach ihren Angaben keine Ahnung vom Sozialversicherungsrecht, was eher dafür sprechen würde, jedes Einkommen zu melden, zumal sie auch jede Einkommensminderung (Blatt 42 der Verwaltungsakten) gemeldet hat. Zudem hat sie auch nach der Gewährung der Altersrente mit Bescheid vom 28. April 2010 der für die Witwenrente zuständigen Stelle die Unfallrente nicht mitgeteilt, sondern auch den anschließenden Bescheid vom 7. September 2012, der zwar die Altersrente aber gerade nicht die Unfallrente berücksichtigt, zumindest ungeprüft hingenommen. Wenn sie aber den Bescheid vom 7. September 2012 mit seiner Anlage 8 geprüft hätte, wäre ihr auch klar gewesen, dass wenn schon die Altersrente zur Minderung führt, auch die zusätzliche Unfallrente nicht ohne Auswirkungen bleiben kann. Dass die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen außerstande war, die Rechtswidrigkeit der Rentenbescheide vom 7. September 2012 und 9. Juli 2013 zu erkennen, ist nicht feststellbar. Weder ein Krankenhausaufenthalt in den Jahren 2008/2009 noch ein vorausgegangener Trümmerbruch lassen Schlüsse auf eine verminderte Einsichts- und Urteilsfähigkeit zum Zeitpunkt der maßgeblichen Bescheide zu.

Nachdem sich die Klägerin hiernach gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X nicht auf Vertrauen berufen kann, steht Abs. 2 und Abs. 4 Satz 1 SGB X einer Rücknahme für die Vergangenheit nicht entgegen. Die Beklagte hat die Rücknahme auch innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen verfügt, welche die Rücknahme rechtfertigen, da § 45 SGB X nicht auf die Behörde als Ganzes abstellt, sondern auf die sachbearbeitende Stelle (vgl. Kasseler Kommentar, § 45 SGB X Rdnr. 30 m.w.N.). Die sachbearbeitende Stelle hat erst am 20. Juni 2013 Kenntnis von der bezogenen Unfallrente erhalten und im Juli 2013 die Auskunft der V. eingeholt. Da die Frist zudem frühestens mit der Anhörung beginnt (Kasseler Kommentar, § 45 SGB X Rdnr. 27 m.w.N.), erfolgte der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 19. August 2013 demzufolge innerhalb der Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X. Auch die Zehnjahresfrist des § 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB X ist eingehalten. Die Bescheide vom 7. September 2012 und 9. Juli 2013 wurden innerhalb von zehn Jahren zurückgenommen durch den Bescheid vom 19. August 2013. Die Beklagte war sich auch bewusst, dass die Aufhebung in ihrem Ermessen stand und hat es in ausreichendem Umfang ausgeübt und dargelegt. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Weder hat die Beklagte ihr eingeräumtes Ermessen unter- noch überschritten oder davon einen Fehlgebrauch gemacht. Sie hat insbesondere in ihre Erwägungen einbezogen, dass die Klägerin das zu Unrecht erhaltene Geld verbraucht hat (s. Bescheid vom 19. August 2013).

Nachdem die Beklagte die Bewilligung von Witwenrente in Höhe von 2.576,16 EUR aufgehoben hat, war sie gem. § 50 SGB X berechtigt, die Erstattung von 2.473,80 EUR zu verlangen.

Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Klägerin mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen berechtigten Anlass zur Klageerhebung gegeben hat und die von ihr eingelegte Berufung erfolgreich ist.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved