Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 13 AS 3721/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 3105/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 16. Juni 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob zu Recht eine Aufforderung zur Rentenantragstellung erfolgt ist.
Die im Jahr 1951 geborene Klägerin ist ausweislich des Arbeitsvertrages vom 30.05.2010 seit dem 01.06.2010 in der A.-Apotheke B. monatlich 11 Stunden gegen ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 99,00 EUR beschäftigt. Mit ihrer Arbeitgeberin wurde arbeitsvertraglich vereinbart, dass dieses Beschäftigungsverhältnis mit dem Eintritt in die Rente ende.
Aus der Rentenauskunft der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund vom 16.01.2014 geht hervor, dass der Klägerin eine monatliche Altersrente für Frauen mit einem Abschlag um 7,2 % ab 01.07.2014 in Höhe von brutto 846,84 EUR beziehungsweise nach Abzug des Eigenanteils zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von netto 760,04 EUR sowie ohne einen Abschlag ab 01.07.2016 zustünde.
Die Klägerin erhält vom Beklagten seit 01.04.2014 monatliche Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe des Regelsatzes von 391,00 EUR im Jahr 2014 beziehungsweise von 399,00 EUR im Jahr 2015 sowie der Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 505,00 EUR.
Bereits im Bewilligungsbescheid vom 04.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2014 sowie in den Schreiben vom 21.05.2014 und 06.06.2014 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, sie sei verpflichtet, eine Altersrente mit Abschlag ab 01.07.2014 in Anspruch zu nehmen, und forderte sie zu einer entsprechenden Antragstellung auf.
Der Beklagte wies in seinem Bescheid vom 11.08.2014 erneut darauf hin, die Klägerin habe seit dem 01.07.2014 einen Anspruch auf Altersrente für Frauen mit Abschlag. Diese vorrangige Sozialleistung könne den Anspruch nach dem SGB II verringern oder ganz ausschließen. Die Klägerin sei verpflichtet, einen Antrag bei ihrem zuständigen Rentenversicherungsträger zu stellen. Gründe, die diese Aufforderung als unbillig oder unzumutbar erscheinen ließen, seien nicht erkennbar. Aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung der Klägerin, vorrangige Leistungen in Anspruch zu nehmen, sei er berechtigt, den Antrag ersatzweise für die Klägerin zu stellen, wenn durch sie eine Antragstellung nicht bis zum 28.08.2014 erfolge.
Sodann beantragte der Beklagte mit Schreiben vom 09.09.2014 bei der DRV Baden-Württemberg für die Klägerin eine Altersrente für Frauen mit Abschlag.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2014 wies der Beklagte den gegen den Bescheid vom 11.08.2014 eingelegten Widerspruch zurück. Er führte zur Begründung aus, die DRV prognostiziere eine abschlagsfreie monatliche Rente in Höhe von brutto 912,34 EUR beziehungsweise nach Abzug des Eigenanteils für die Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von netto 822,34 EUR. Damit wäre es der Klägerin bereits jetzt nicht möglich, ihren aktuellen monatlichen Bedarf an Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 896,00 EUR zu decken. Auch wenn die derzeitige Beschäftigung bei Bezug einer Altersrente nicht mehr ausgeübt werden könne, sei darauf hinzuweisen, dass Altersrentner grundsätzlich Arbeitsentgelt bis zu 450,00 EUR hinzu verdienen dürften. Es sei der Klägerin deswegen zumutbar, vorzeitig den Rentenantrag zu stellen.
Hiergegen hat die Klägerin am 28.11.2014 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben.
Auf Anfrage des SG hat die DRV Bund mit Schreiben vom 20.04.2015 mitgeteilt, für die Altersrente für Frauen würde sich bei Berücksichtigung aller rentenrechtlichen Zeiten bis zum 30.06.2014 bei einem Rentenbeginn ab 01.07.2014 mit Abschlag eine monatliche Rente in Höhe von brutto 903,64 EUR beziehungsweise nach Abzug des Eigenanteils zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von netto 811,02 EUR sowie bei Berücksichtigung aller rentenrechtlichen Zeiten bis zum 31.12.2014 bei einem Rentenbeginn ab 01.07.2016 ohne Abschlag eine monatliche Rente in Höhe von brutto 972,51 EUR beziehungsweise nach Abzug des Eigenanteils zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von netto 869,92 EUR ergeben.
In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin angegeben, über kein Vermögen zu verfügen.
Mit Urteil vom 16.06.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Rechtsgrundlage für die streitige Aufforderung des Beklagten an die Klägerin, eine vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen, sei § 12a Satz 1 SGB II. Diese Regelung finde auf die Klägerin nach § 65 Abs. 4 SGB II Anwendung, da sie nach dem 01.01.2008 ihr 58. Lebensjahr vollendet habe. Die Klägerin sei vor Erlass des Bescheides angehört worden. Durch das Schreiben des Beklagten vom 21.05.2014 habe die Klägerin ausreichend Gelegenheit gehabt, sich mit der vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente zu befassen und ihre Argumente vorzutragen. Eine Unbilligkeit im Sinne der auf Grundlage von § 13 Abs. 2 SGB II erlassenen Verordnung zur Vermeidung unbilliger Härten durch Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente (UnbilligkeitsV) liege bei der Klägerin nicht vor. Die in §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV aufgeführten Gründe seien nicht gegeben, da die Klägerin keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld verliere, nicht innerhalb von 3 Monaten und damit nicht in nächster Zukunft die Altersrente abschlagsfrei in Anspruch nehmen könne, nur eine geringfügige Tätigkeit ausübe und mithin weder sozialversicherungspflichtig beschäftigt noch aus sonstiger Erwerbstätigkeit ein entsprechend hohes Einkommen erziele sowie eine bevorstehende Erwerbstätigkeit nicht glaubhaft gemacht habe. Auch ein Fall einer generellen Unbilligkeit nach § 1 UnbilligkeitsV liege nicht vor. Bei der Prüfung der allgemeinen Unbilligkeit sei zu berücksichtigen, dass das Renteneinkommen bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente mit Abschlag als auch bei Inanspruchnahme der Altersrente ohne Abschlag nicht den sozialhilferechtlichen Bedarf der Klägerin decken könne. Die Rente betrage bei einem Rentenbeginn am 01.07.2014 netto 811,02 EUR beziehungsweise bei einem Rentenbeginn am 01.07.2016 netto 869,92 EUR. Der derzeitige Bedarf sowohl nach dem SGB II als auch nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) betrage bei einem Regelbedarf in Höhe von 399,00 EUR und den Kosten für die Unterkunft und Heizung in Höhe von 505,00 EUR insgesamt 904,00 EUR. Daher könne die Klägerin sowohl mit dem Renteneinkommen bei einer vorzeitigen Inanspruchnahme am 01.07.2014 als auch bei einer regulären Inanspruchnahme am 01.07.2016 ihren derzeitigen Bedarf in Höhe von 904,00 EUR nicht decken. Die Notwendigkeit von ergänzenden Sozialhilfe-Leistungen begründe keine Unbilligkeit. Eine Unbilligkeit folge auch nicht aus den geringeren Vermögensfreigrenzen nach dem SGB XII. Denn die Klägerin verfüge nach ihren eigenen im Rahmen der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben über kein Schonvermögen. Eine Verpflichtung zum Einsatz des das Schonvermögen übersteigenden Vermögens ergebe sich daher mit der vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente nicht. Die von der Klägerin ausgeübte Erwerbstätigkeit bei der A.-Apotheke begründe ebenfalls keine Unbilligkeit. Denn bei der Berücksichtigung dieser Beschäftigung im Rahmen der Unbilligkeit sei festzuhalten, dass der Gesetzgeber mit § 4 UnbilligkeitsV einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Beschäftigung mit gleich hohem Einkommen den Vorrang gegenüber der vorzeitigen Inanspruchnahme einer Rente zuordne. Die ausgeübte Erwerbstätigkeit nehme nur einen ganz niedrigen Teil der Arbeitskraft in Anspruch, denn die Klägerin arbeite im Monat nur 11 Stunden. Zudem könne der derzeitige Verdienst nicht zur Verringerung der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II beitragen. Der Freibetrag für Einkommen liege nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II bei 100,00 EUR. Die Erwerbstätigkeit führe daher zu einem derzeitigen Einkommen bei der Klägerin in Höhe der Leistungen nach dem SGB II von 904,00 EUR und des Arbeitsentgelts von 99,00 EUR und damit insgesamt von 1.003,00 EUR, so dass es aus ihrer Sicht verständlich und nachvollziehbar sei, keinen Rentenantrag stellen zu wollen, da sie hierdurch bei Unterstellung des Wegfalls des Beschäftigungsverhältnisses schlechter gestellt werde. Den Ausgleich zwischen der Altersrente und dem sozialhilferechtlichen Bedarf würde sie nach dem SGB XII vom Sozialamt erhalten. Allerdings ende die derzeitige Tätigkeit spätestens zum 01.07.2016 mit dem Eintritt in die reguläre Altersrente, so dass die Klägerin ab diesem Zeitpunkt ebenfalls ihre Tätigkeit aufgeben und sich gegebenenfalls eine neue Tätigkeit suchen müsse. Nach der gesetzlichen Konzeption stelle die Verpflichtung zur Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente den Grundsatz und die fehlende Verpflichtung hierzu die Ausnahme dar. Der Beklagte habe auch sein Ermessen in genügender Weise ausgeübt. Unerheblich sei, dass der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden ein Ermessen nicht ausdrücklich genannt habe. Wie der Begründung des angegriffenen Bescheides aber zu entnehmen sei, habe eine Abwägung und Auseinandersetzung der Interessen der Versichertengemeinschaft und der Klägerin stattgefunden. Die Aufforderung zur vorzeitigen Rentenantragstellung stelle auch keine Verletzung von Grundrechten dar.
Gegen das ihr am 24.06.2015 zugestellte Urteil des SG hat die Klägerin am 24.07.2015 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Die vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente mit Abschlägen erweise sich für sie als unbillig. Es treffe zwar zu, dass die Tatbestände der § 2 bis 5 UnbilligkeitsV nicht einschlägig seien. Allerdings liege eine unbenannte Unbilligkeit nach § 1 UnbilligkeitsV vor. Aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit sei sie aktuell noch in den Arbeitsmarkt eingegliedert. Ihr Arbeitgeber habe entsprechend der arbeitsvertraglichen Vereinbarung bestätigt, sie nicht über den Rentenbeginn hinaus weiter zu beschäftigen. Die Eingliederung in den Arbeitsmarkt könne noch bis zum regulären Rentenbeginn 10 Monate lang Bestand haben. Ihr die Eingliederung vorzeitig zu nehmen, erscheine nicht gerechtfertigt. Das Argument, wonach sie auch als Rentnerin noch einer Erwerbstätigkeit nachgehen könne, greife vorliegend nicht ein. Zwar möge es zutreffen, dass sich der Bezug einer Altersrente und eine Erwerbstätigkeit nicht ausschlössen. Allerdings müsse sie sich in jedem Fall eine neue Beschäftigung suchen, um wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden zu können. Ob und wann dies gegebenenfalls gelinge, sei in keiner Weise absehbar. Auch würde der Zusatzverdienst entfallen. Zwar reiche das monatliche Arbeitsentgelt in Höhe von 99,00 EUR nicht aus, um den sozialhilferechtlichen Bedarf zu mildern, da es gänzlich anrechnungsfrei sei. Gleichwohl stehe dieses Geld zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung. Da der bisherige sozialhilferechtliche Bedarf voll umfänglich durch die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II habe gedeckt werden können, erziele sie einen Zusatzverdienst, der gegebenenfalls verwendet werden könne, um Ansparungen zu tätigen. Das SG habe insoweit zutreffend ausgeführt, dass ihr aktuell ein monatlicher Geldbetrag in Höhe von 1.003,00 EUR zur Verfügung stehe, während der Bedarf nur 904,00 EUR betrage. Die Tatsache, dass auch eine abschlagsfreie Rente zur Bedarfsdeckung nicht ausreichend sei, führe ebenfalls nicht dazu, eine Unbilligkeit abzulehnen. Der Bedarf könne zwar weder mit einer Rente mit Abschlägen noch mit einer Rente ohne Abschläge vollständig gedeckt werden, jedoch fiele die Unterdeckung mit 34,08 EUR im Fall des regulären Rentenbeginns erheblich geringer aus, als mit 290,98 EUR im Fall des vorzeitigen Rentenbeginns. Eine solche Unterdeckung hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur Folge, dass ergänzende Leistungen nach dem SGB XII in Anspruch genommen werden müssten. Bei einer geringeren Unterdeckung sei hiervon nicht zwingend auszugehen. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Hilfebedürftigkeit durch die vorzeitige Berentung gerade nicht beseitigt werden könne. Es würde sich nur eine Verschiebung von Zuständigkeiten ergeben. Anstelle des Beklagten müsse das zuständige Sozialamt für die Bedarfsdeckung sorgen. Ob diese Änderung im Bereich der Zuständigkeit eine Kürzung der Altersrente rechtfertige, für die über Jahre hinweg Beiträge entrichtet worden seien, dürfe bezweifelt werden. Der Sinn des § 12a Satz 1 SGB II bestehe in erster Linie darin, die Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II dadurch zu vermeiden, dass Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch genommen würden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 16. Juni 2015 sowie den Bescheid des Beklagten vom 11. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2014 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente sei gerechtfertigt, da diese zur Beseitigung der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II führe. Umstände, welche ausnahmsweise eine Unbilligkeit begründen könnten, seien abschließend in der UnbilligkeitsV geregelt und lägen nicht vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie nach § 151 SGG form- sowie fristgerechte Berufung der Klägerin musste der Erfolg versagt bleiben.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Urteils des SG vom 16.06.2015. Die Klägerin erstrebt neben der Aufhebung dieses Urteils die Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 11.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2014. Dieses prozessuale Ziel verfolgt die Klägerin gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGG mit einer isolierten Anfechtungsklage.
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden.
Der die Aufforderung der Klägerin, eine Altersrente für Frauen mit Abschlag mit Rentenbeginn ab 01.07.2014 zu beantragen, regelnde Bescheid des Beklagten vom 11.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Diese Aufforderung ist von der in § 12a Abs. 1 Satz 1 SGB II normierten Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Die in § 12a Abs. 1 Satz 2 SGB II geregelten Ausnahmetatbestände sind nicht gegeben. Die Tatbestände der §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV sind nicht einschlägig. Dies hat das SG zutreffend in seinem Urteil dargelegt. Der Senat schließt sich gemäß § 153 Abs. 2 SGG diesen Ausführungen nach eigener Prüfung unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zur Vermeidung von Wiederholungen an.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die angefochtene Aufforderung der Klägerin zur Antragstellung hinreichend bestimmt ist, da sie sich sich auf einen Antrag auf vorzeitige Altersrente für Frauen mit Abschlag beginnend ab 01.07.2014 bei dem für Sie zuständigen Rentenversicherungsträger bezieht. Die ihr für die Antragstellung bei der DRV bis zum 28.08.2014 gesetzte und damit rund zweiwöchige Frist bietet mit ihrer Länge keinen Anlass für rechtliche Bedenken, zumal der Beklagte die Klägerin bereits mit Schreiben vom 21.05.2014 sowie vom 06.06.2014 auf ihre Verpflichtung zur Rentenantragstellung hingewiesen hat.
Die in §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV geregelten Ausnahmetatbestände, bei deren Vorliegen Leistungsberechtigte gleichwohl zur Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente nicht verpflichtet sind, stellen eine abschließende Regelung dar (BSG, Urteil vom 19.08.2015 - B 14 AS 1/15 R - juris Rn. 23).
Entgegen der Ansicht der Klägerin liegt vorliegend keine "unbenannte" Unbilligkeit im Sinne des § 1 UnbilligkeitsV vor. Denn der in § 1 UnbilligkeitsV geregelte Grundsatz, dass Hilfebedürftige nach Vollendung des 63. Lebensjahres nicht verpflichtet sind, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen, wenn die Inanspruchnahme unbillig wäre, enthält nicht selbst eine Regelung zur Unbilligkeit, sondern knüpft nur an die Verordnungsermächtigung in § 13 Abs. 2 SGB II an. Das, was in § 13 Abs. 2 SGB II im Sinne des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) als Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung bestimmt ist, stellt § 1 UnbilligkeitsV in der Formulierung eines Grundsatzes den einzelnen Unbilligkeitstatbeständen in §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV lediglich voran. Diese bestimmen im Sinne des § 13 Abs. 2 SGB II, unter welchen Voraussetzungen und für welche Dauer zur Vermeidung von Unbilligkeiten keine Verpflichtung zur Rentenantragstellung besteht. Weder enthalten diese einzelnen Unbilligkeitstatbestände eine Öffnung für andere Sachverhalte, noch enthält der Grundsatz in § 1 UnbilligkeitsV einen Hinweis darauf, dass die §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV nur Fallbeispiele einer Unbilligkeit bestimmen, daneben aber auch bei anderen Sachverhalten eine Unbilligkeit vorliegen könnte, die nicht zur Rentenantragstellung verpflichtet (BSG, Urteil vom 19.08.2015 - B 14 AS 1/15 R - juris Rn. 23). Mithin führt der von der Klägerin ins Feld geführte Umstand, dass mit einem Rentenbezug ihr Arbeitsplatz und damit ihr Zusatzverdienst wegfallen würde, nicht zu einer Unbilligkeit im Sinne der UnbilligkeitsV.
Der Senat hat auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. An der Vereinbarkeit der erzwungenen Selbsthilfe mit Art. 2 Abs. 1 GG ändert sich nichts dadurch, dass der Bezieher einer vorzeitigen Altersrente von den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach dem SGB II ausgeschlossen ist und durch ihn bei nicht bedarfsdeckender Altersrente existenzsichernde Leistungen in Form der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII mit einem gegenüber dem SGB II strengeren Regime der Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen beansprucht werden können. Die mit § 12a, § 13 Abs. 2 SGB II und der UnbilligkeitsV dem Existenzsicherungsrecht hinzugefügte Typisierung, dass die erwerbsbiographische Lebensphase des Anspruchsberechtigten auf Leistungen nach dem SGB II abgeschlossen ist, wenn er einen Anspruch auf eine vorzeitige Altersrente nach Vollendung des 63. Lebensjahres hat, deren Inanspruchnahme nicht unbillig wäre, überschreitet nicht die Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums. Mit einem Wechsel von Leistungen nach dem SGB II zu solchen nach dem SGB XII verbundene Härten im Einzelfall kann im Rahmen der Ermessensausübung begegnet werden (BSG, Urteil vom 19.08.2015 - B 14 AS 1/15 R - juris Rn. 47; vergleiche LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28.04.2015 - L 4 AS 63/15 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 04.12.2014 - L 7 AS 1775/14; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 27.04.2015 - L 5 AS 42/15 B ER).
Doch sieht der Senat in dem vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt keinen solchen atypischen Ausnahmefall, in dem im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung vom gesetzlichen Regelfall der Aufforderung zur Antragstellung abzusehen wäre. Denn für die Annahme eines solchen Ausnahmefalls bei der Aufforderung zur Rentenantragstellung kommen nur besondere Härten im Einzelfall in Betracht, die die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente aufgrund außergewöhnlicher Umstände als unzumutbar erscheinen lassen (BSG, Urteil vom 19.08.2015 - B 14 AS 1/15 R - juris Rn. 29). Ein solcher außergewöhnlicher Umstand ist vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere verfügt die Klägerin über kein im Rahmen einer Leistungsgewährung nach dem SGB XII zu berücksichtigendes und infolgedessen zu verwertendes Vermögen, so dass der Klägerin durch eine Beantragung der Altersrente und von Leistungen nach dem SGB XII keine unzumutbaren Nachteile drohen würden. In diesem Zusammenhang ist ferner darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass - abhängig von der Höhe der Rente - die Klägerin ihren notwendigen Lebensunterhalt gegebenenfalls nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten könnte und ihr deshalb insoweit nach § 19 Abs. 1, § 27 Abs. 1 SGB XII im Umfang ihrer durch die Altersrente verminderten Hilfebedürftigkeit Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII zu leisten sein könnte, nichts daran ändert, dass die Klägerin mit dem Bezug der vorzeitigen Altersrente im Sinne des § 12a Satz 1 SGB II ihre Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II beseitigen und aus diesem existenzsicherungsrechtlichen Leistungssystem ausscheiden würde (BSG, Urteil vom 19.08.2015 - B 14 AS 1/15 R - juris Rn. 33; siehe dazu auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28.04.2015 - L 4 AS 63/15 B - ER - juris, Rn. 25; Thüringer LSG, Beschluss vom 08.04.2015 - L 4 AS 263/15 B ER - juris, Rn. 24).
Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben ist.
Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob zu Recht eine Aufforderung zur Rentenantragstellung erfolgt ist.
Die im Jahr 1951 geborene Klägerin ist ausweislich des Arbeitsvertrages vom 30.05.2010 seit dem 01.06.2010 in der A.-Apotheke B. monatlich 11 Stunden gegen ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 99,00 EUR beschäftigt. Mit ihrer Arbeitgeberin wurde arbeitsvertraglich vereinbart, dass dieses Beschäftigungsverhältnis mit dem Eintritt in die Rente ende.
Aus der Rentenauskunft der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund vom 16.01.2014 geht hervor, dass der Klägerin eine monatliche Altersrente für Frauen mit einem Abschlag um 7,2 % ab 01.07.2014 in Höhe von brutto 846,84 EUR beziehungsweise nach Abzug des Eigenanteils zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von netto 760,04 EUR sowie ohne einen Abschlag ab 01.07.2016 zustünde.
Die Klägerin erhält vom Beklagten seit 01.04.2014 monatliche Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe des Regelsatzes von 391,00 EUR im Jahr 2014 beziehungsweise von 399,00 EUR im Jahr 2015 sowie der Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 505,00 EUR.
Bereits im Bewilligungsbescheid vom 04.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2014 sowie in den Schreiben vom 21.05.2014 und 06.06.2014 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, sie sei verpflichtet, eine Altersrente mit Abschlag ab 01.07.2014 in Anspruch zu nehmen, und forderte sie zu einer entsprechenden Antragstellung auf.
Der Beklagte wies in seinem Bescheid vom 11.08.2014 erneut darauf hin, die Klägerin habe seit dem 01.07.2014 einen Anspruch auf Altersrente für Frauen mit Abschlag. Diese vorrangige Sozialleistung könne den Anspruch nach dem SGB II verringern oder ganz ausschließen. Die Klägerin sei verpflichtet, einen Antrag bei ihrem zuständigen Rentenversicherungsträger zu stellen. Gründe, die diese Aufforderung als unbillig oder unzumutbar erscheinen ließen, seien nicht erkennbar. Aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung der Klägerin, vorrangige Leistungen in Anspruch zu nehmen, sei er berechtigt, den Antrag ersatzweise für die Klägerin zu stellen, wenn durch sie eine Antragstellung nicht bis zum 28.08.2014 erfolge.
Sodann beantragte der Beklagte mit Schreiben vom 09.09.2014 bei der DRV Baden-Württemberg für die Klägerin eine Altersrente für Frauen mit Abschlag.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2014 wies der Beklagte den gegen den Bescheid vom 11.08.2014 eingelegten Widerspruch zurück. Er führte zur Begründung aus, die DRV prognostiziere eine abschlagsfreie monatliche Rente in Höhe von brutto 912,34 EUR beziehungsweise nach Abzug des Eigenanteils für die Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von netto 822,34 EUR. Damit wäre es der Klägerin bereits jetzt nicht möglich, ihren aktuellen monatlichen Bedarf an Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 896,00 EUR zu decken. Auch wenn die derzeitige Beschäftigung bei Bezug einer Altersrente nicht mehr ausgeübt werden könne, sei darauf hinzuweisen, dass Altersrentner grundsätzlich Arbeitsentgelt bis zu 450,00 EUR hinzu verdienen dürften. Es sei der Klägerin deswegen zumutbar, vorzeitig den Rentenantrag zu stellen.
Hiergegen hat die Klägerin am 28.11.2014 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben.
Auf Anfrage des SG hat die DRV Bund mit Schreiben vom 20.04.2015 mitgeteilt, für die Altersrente für Frauen würde sich bei Berücksichtigung aller rentenrechtlichen Zeiten bis zum 30.06.2014 bei einem Rentenbeginn ab 01.07.2014 mit Abschlag eine monatliche Rente in Höhe von brutto 903,64 EUR beziehungsweise nach Abzug des Eigenanteils zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von netto 811,02 EUR sowie bei Berücksichtigung aller rentenrechtlichen Zeiten bis zum 31.12.2014 bei einem Rentenbeginn ab 01.07.2016 ohne Abschlag eine monatliche Rente in Höhe von brutto 972,51 EUR beziehungsweise nach Abzug des Eigenanteils zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von netto 869,92 EUR ergeben.
In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin angegeben, über kein Vermögen zu verfügen.
Mit Urteil vom 16.06.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Rechtsgrundlage für die streitige Aufforderung des Beklagten an die Klägerin, eine vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen, sei § 12a Satz 1 SGB II. Diese Regelung finde auf die Klägerin nach § 65 Abs. 4 SGB II Anwendung, da sie nach dem 01.01.2008 ihr 58. Lebensjahr vollendet habe. Die Klägerin sei vor Erlass des Bescheides angehört worden. Durch das Schreiben des Beklagten vom 21.05.2014 habe die Klägerin ausreichend Gelegenheit gehabt, sich mit der vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente zu befassen und ihre Argumente vorzutragen. Eine Unbilligkeit im Sinne der auf Grundlage von § 13 Abs. 2 SGB II erlassenen Verordnung zur Vermeidung unbilliger Härten durch Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente (UnbilligkeitsV) liege bei der Klägerin nicht vor. Die in §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV aufgeführten Gründe seien nicht gegeben, da die Klägerin keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld verliere, nicht innerhalb von 3 Monaten und damit nicht in nächster Zukunft die Altersrente abschlagsfrei in Anspruch nehmen könne, nur eine geringfügige Tätigkeit ausübe und mithin weder sozialversicherungspflichtig beschäftigt noch aus sonstiger Erwerbstätigkeit ein entsprechend hohes Einkommen erziele sowie eine bevorstehende Erwerbstätigkeit nicht glaubhaft gemacht habe. Auch ein Fall einer generellen Unbilligkeit nach § 1 UnbilligkeitsV liege nicht vor. Bei der Prüfung der allgemeinen Unbilligkeit sei zu berücksichtigen, dass das Renteneinkommen bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente mit Abschlag als auch bei Inanspruchnahme der Altersrente ohne Abschlag nicht den sozialhilferechtlichen Bedarf der Klägerin decken könne. Die Rente betrage bei einem Rentenbeginn am 01.07.2014 netto 811,02 EUR beziehungsweise bei einem Rentenbeginn am 01.07.2016 netto 869,92 EUR. Der derzeitige Bedarf sowohl nach dem SGB II als auch nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) betrage bei einem Regelbedarf in Höhe von 399,00 EUR und den Kosten für die Unterkunft und Heizung in Höhe von 505,00 EUR insgesamt 904,00 EUR. Daher könne die Klägerin sowohl mit dem Renteneinkommen bei einer vorzeitigen Inanspruchnahme am 01.07.2014 als auch bei einer regulären Inanspruchnahme am 01.07.2016 ihren derzeitigen Bedarf in Höhe von 904,00 EUR nicht decken. Die Notwendigkeit von ergänzenden Sozialhilfe-Leistungen begründe keine Unbilligkeit. Eine Unbilligkeit folge auch nicht aus den geringeren Vermögensfreigrenzen nach dem SGB XII. Denn die Klägerin verfüge nach ihren eigenen im Rahmen der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben über kein Schonvermögen. Eine Verpflichtung zum Einsatz des das Schonvermögen übersteigenden Vermögens ergebe sich daher mit der vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente nicht. Die von der Klägerin ausgeübte Erwerbstätigkeit bei der A.-Apotheke begründe ebenfalls keine Unbilligkeit. Denn bei der Berücksichtigung dieser Beschäftigung im Rahmen der Unbilligkeit sei festzuhalten, dass der Gesetzgeber mit § 4 UnbilligkeitsV einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Beschäftigung mit gleich hohem Einkommen den Vorrang gegenüber der vorzeitigen Inanspruchnahme einer Rente zuordne. Die ausgeübte Erwerbstätigkeit nehme nur einen ganz niedrigen Teil der Arbeitskraft in Anspruch, denn die Klägerin arbeite im Monat nur 11 Stunden. Zudem könne der derzeitige Verdienst nicht zur Verringerung der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II beitragen. Der Freibetrag für Einkommen liege nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II bei 100,00 EUR. Die Erwerbstätigkeit führe daher zu einem derzeitigen Einkommen bei der Klägerin in Höhe der Leistungen nach dem SGB II von 904,00 EUR und des Arbeitsentgelts von 99,00 EUR und damit insgesamt von 1.003,00 EUR, so dass es aus ihrer Sicht verständlich und nachvollziehbar sei, keinen Rentenantrag stellen zu wollen, da sie hierdurch bei Unterstellung des Wegfalls des Beschäftigungsverhältnisses schlechter gestellt werde. Den Ausgleich zwischen der Altersrente und dem sozialhilferechtlichen Bedarf würde sie nach dem SGB XII vom Sozialamt erhalten. Allerdings ende die derzeitige Tätigkeit spätestens zum 01.07.2016 mit dem Eintritt in die reguläre Altersrente, so dass die Klägerin ab diesem Zeitpunkt ebenfalls ihre Tätigkeit aufgeben und sich gegebenenfalls eine neue Tätigkeit suchen müsse. Nach der gesetzlichen Konzeption stelle die Verpflichtung zur Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente den Grundsatz und die fehlende Verpflichtung hierzu die Ausnahme dar. Der Beklagte habe auch sein Ermessen in genügender Weise ausgeübt. Unerheblich sei, dass der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden ein Ermessen nicht ausdrücklich genannt habe. Wie der Begründung des angegriffenen Bescheides aber zu entnehmen sei, habe eine Abwägung und Auseinandersetzung der Interessen der Versichertengemeinschaft und der Klägerin stattgefunden. Die Aufforderung zur vorzeitigen Rentenantragstellung stelle auch keine Verletzung von Grundrechten dar.
Gegen das ihr am 24.06.2015 zugestellte Urteil des SG hat die Klägerin am 24.07.2015 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Die vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente mit Abschlägen erweise sich für sie als unbillig. Es treffe zwar zu, dass die Tatbestände der § 2 bis 5 UnbilligkeitsV nicht einschlägig seien. Allerdings liege eine unbenannte Unbilligkeit nach § 1 UnbilligkeitsV vor. Aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit sei sie aktuell noch in den Arbeitsmarkt eingegliedert. Ihr Arbeitgeber habe entsprechend der arbeitsvertraglichen Vereinbarung bestätigt, sie nicht über den Rentenbeginn hinaus weiter zu beschäftigen. Die Eingliederung in den Arbeitsmarkt könne noch bis zum regulären Rentenbeginn 10 Monate lang Bestand haben. Ihr die Eingliederung vorzeitig zu nehmen, erscheine nicht gerechtfertigt. Das Argument, wonach sie auch als Rentnerin noch einer Erwerbstätigkeit nachgehen könne, greife vorliegend nicht ein. Zwar möge es zutreffen, dass sich der Bezug einer Altersrente und eine Erwerbstätigkeit nicht ausschlössen. Allerdings müsse sie sich in jedem Fall eine neue Beschäftigung suchen, um wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden zu können. Ob und wann dies gegebenenfalls gelinge, sei in keiner Weise absehbar. Auch würde der Zusatzverdienst entfallen. Zwar reiche das monatliche Arbeitsentgelt in Höhe von 99,00 EUR nicht aus, um den sozialhilferechtlichen Bedarf zu mildern, da es gänzlich anrechnungsfrei sei. Gleichwohl stehe dieses Geld zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung. Da der bisherige sozialhilferechtliche Bedarf voll umfänglich durch die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II habe gedeckt werden können, erziele sie einen Zusatzverdienst, der gegebenenfalls verwendet werden könne, um Ansparungen zu tätigen. Das SG habe insoweit zutreffend ausgeführt, dass ihr aktuell ein monatlicher Geldbetrag in Höhe von 1.003,00 EUR zur Verfügung stehe, während der Bedarf nur 904,00 EUR betrage. Die Tatsache, dass auch eine abschlagsfreie Rente zur Bedarfsdeckung nicht ausreichend sei, führe ebenfalls nicht dazu, eine Unbilligkeit abzulehnen. Der Bedarf könne zwar weder mit einer Rente mit Abschlägen noch mit einer Rente ohne Abschläge vollständig gedeckt werden, jedoch fiele die Unterdeckung mit 34,08 EUR im Fall des regulären Rentenbeginns erheblich geringer aus, als mit 290,98 EUR im Fall des vorzeitigen Rentenbeginns. Eine solche Unterdeckung hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur Folge, dass ergänzende Leistungen nach dem SGB XII in Anspruch genommen werden müssten. Bei einer geringeren Unterdeckung sei hiervon nicht zwingend auszugehen. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Hilfebedürftigkeit durch die vorzeitige Berentung gerade nicht beseitigt werden könne. Es würde sich nur eine Verschiebung von Zuständigkeiten ergeben. Anstelle des Beklagten müsse das zuständige Sozialamt für die Bedarfsdeckung sorgen. Ob diese Änderung im Bereich der Zuständigkeit eine Kürzung der Altersrente rechtfertige, für die über Jahre hinweg Beiträge entrichtet worden seien, dürfe bezweifelt werden. Der Sinn des § 12a Satz 1 SGB II bestehe in erster Linie darin, die Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II dadurch zu vermeiden, dass Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch genommen würden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 16. Juni 2015 sowie den Bescheid des Beklagten vom 11. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2014 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente sei gerechtfertigt, da diese zur Beseitigung der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II führe. Umstände, welche ausnahmsweise eine Unbilligkeit begründen könnten, seien abschließend in der UnbilligkeitsV geregelt und lägen nicht vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie nach § 151 SGG form- sowie fristgerechte Berufung der Klägerin musste der Erfolg versagt bleiben.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Urteils des SG vom 16.06.2015. Die Klägerin erstrebt neben der Aufhebung dieses Urteils die Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 11.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2014. Dieses prozessuale Ziel verfolgt die Klägerin gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGG mit einer isolierten Anfechtungsklage.
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden.
Der die Aufforderung der Klägerin, eine Altersrente für Frauen mit Abschlag mit Rentenbeginn ab 01.07.2014 zu beantragen, regelnde Bescheid des Beklagten vom 11.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Diese Aufforderung ist von der in § 12a Abs. 1 Satz 1 SGB II normierten Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Die in § 12a Abs. 1 Satz 2 SGB II geregelten Ausnahmetatbestände sind nicht gegeben. Die Tatbestände der §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV sind nicht einschlägig. Dies hat das SG zutreffend in seinem Urteil dargelegt. Der Senat schließt sich gemäß § 153 Abs. 2 SGG diesen Ausführungen nach eigener Prüfung unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zur Vermeidung von Wiederholungen an.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die angefochtene Aufforderung der Klägerin zur Antragstellung hinreichend bestimmt ist, da sie sich sich auf einen Antrag auf vorzeitige Altersrente für Frauen mit Abschlag beginnend ab 01.07.2014 bei dem für Sie zuständigen Rentenversicherungsträger bezieht. Die ihr für die Antragstellung bei der DRV bis zum 28.08.2014 gesetzte und damit rund zweiwöchige Frist bietet mit ihrer Länge keinen Anlass für rechtliche Bedenken, zumal der Beklagte die Klägerin bereits mit Schreiben vom 21.05.2014 sowie vom 06.06.2014 auf ihre Verpflichtung zur Rentenantragstellung hingewiesen hat.
Die in §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV geregelten Ausnahmetatbestände, bei deren Vorliegen Leistungsberechtigte gleichwohl zur Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente nicht verpflichtet sind, stellen eine abschließende Regelung dar (BSG, Urteil vom 19.08.2015 - B 14 AS 1/15 R - juris Rn. 23).
Entgegen der Ansicht der Klägerin liegt vorliegend keine "unbenannte" Unbilligkeit im Sinne des § 1 UnbilligkeitsV vor. Denn der in § 1 UnbilligkeitsV geregelte Grundsatz, dass Hilfebedürftige nach Vollendung des 63. Lebensjahres nicht verpflichtet sind, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen, wenn die Inanspruchnahme unbillig wäre, enthält nicht selbst eine Regelung zur Unbilligkeit, sondern knüpft nur an die Verordnungsermächtigung in § 13 Abs. 2 SGB II an. Das, was in § 13 Abs. 2 SGB II im Sinne des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) als Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung bestimmt ist, stellt § 1 UnbilligkeitsV in der Formulierung eines Grundsatzes den einzelnen Unbilligkeitstatbeständen in §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV lediglich voran. Diese bestimmen im Sinne des § 13 Abs. 2 SGB II, unter welchen Voraussetzungen und für welche Dauer zur Vermeidung von Unbilligkeiten keine Verpflichtung zur Rentenantragstellung besteht. Weder enthalten diese einzelnen Unbilligkeitstatbestände eine Öffnung für andere Sachverhalte, noch enthält der Grundsatz in § 1 UnbilligkeitsV einen Hinweis darauf, dass die §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV nur Fallbeispiele einer Unbilligkeit bestimmen, daneben aber auch bei anderen Sachverhalten eine Unbilligkeit vorliegen könnte, die nicht zur Rentenantragstellung verpflichtet (BSG, Urteil vom 19.08.2015 - B 14 AS 1/15 R - juris Rn. 23). Mithin führt der von der Klägerin ins Feld geführte Umstand, dass mit einem Rentenbezug ihr Arbeitsplatz und damit ihr Zusatzverdienst wegfallen würde, nicht zu einer Unbilligkeit im Sinne der UnbilligkeitsV.
Der Senat hat auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. An der Vereinbarkeit der erzwungenen Selbsthilfe mit Art. 2 Abs. 1 GG ändert sich nichts dadurch, dass der Bezieher einer vorzeitigen Altersrente von den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach dem SGB II ausgeschlossen ist und durch ihn bei nicht bedarfsdeckender Altersrente existenzsichernde Leistungen in Form der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII mit einem gegenüber dem SGB II strengeren Regime der Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen beansprucht werden können. Die mit § 12a, § 13 Abs. 2 SGB II und der UnbilligkeitsV dem Existenzsicherungsrecht hinzugefügte Typisierung, dass die erwerbsbiographische Lebensphase des Anspruchsberechtigten auf Leistungen nach dem SGB II abgeschlossen ist, wenn er einen Anspruch auf eine vorzeitige Altersrente nach Vollendung des 63. Lebensjahres hat, deren Inanspruchnahme nicht unbillig wäre, überschreitet nicht die Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums. Mit einem Wechsel von Leistungen nach dem SGB II zu solchen nach dem SGB XII verbundene Härten im Einzelfall kann im Rahmen der Ermessensausübung begegnet werden (BSG, Urteil vom 19.08.2015 - B 14 AS 1/15 R - juris Rn. 47; vergleiche LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28.04.2015 - L 4 AS 63/15 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 04.12.2014 - L 7 AS 1775/14; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 27.04.2015 - L 5 AS 42/15 B ER).
Doch sieht der Senat in dem vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt keinen solchen atypischen Ausnahmefall, in dem im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung vom gesetzlichen Regelfall der Aufforderung zur Antragstellung abzusehen wäre. Denn für die Annahme eines solchen Ausnahmefalls bei der Aufforderung zur Rentenantragstellung kommen nur besondere Härten im Einzelfall in Betracht, die die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente aufgrund außergewöhnlicher Umstände als unzumutbar erscheinen lassen (BSG, Urteil vom 19.08.2015 - B 14 AS 1/15 R - juris Rn. 29). Ein solcher außergewöhnlicher Umstand ist vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere verfügt die Klägerin über kein im Rahmen einer Leistungsgewährung nach dem SGB XII zu berücksichtigendes und infolgedessen zu verwertendes Vermögen, so dass der Klägerin durch eine Beantragung der Altersrente und von Leistungen nach dem SGB XII keine unzumutbaren Nachteile drohen würden. In diesem Zusammenhang ist ferner darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass - abhängig von der Höhe der Rente - die Klägerin ihren notwendigen Lebensunterhalt gegebenenfalls nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten könnte und ihr deshalb insoweit nach § 19 Abs. 1, § 27 Abs. 1 SGB XII im Umfang ihrer durch die Altersrente verminderten Hilfebedürftigkeit Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII zu leisten sein könnte, nichts daran ändert, dass die Klägerin mit dem Bezug der vorzeitigen Altersrente im Sinne des § 12a Satz 1 SGB II ihre Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II beseitigen und aus diesem existenzsicherungsrechtlichen Leistungssystem ausscheiden würde (BSG, Urteil vom 19.08.2015 - B 14 AS 1/15 R - juris Rn. 33; siehe dazu auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28.04.2015 - L 4 AS 63/15 B - ER - juris, Rn. 25; Thüringer LSG, Beschluss vom 08.04.2015 - L 4 AS 263/15 B ER - juris, Rn. 24).
Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben ist.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved