L 10 R 3786/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 1441/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 3786/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 17.07.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung streitig.

Die am 1955 geborene, aus der T. stammende Klägerin, die keinen Beruf erlernte, siedelte im Jahr 1978 ins Bundesgebiet über. Eine Erwerbstätigkeit übte sie auf Grund der Pflege ihres 1974 geborenen, behinderten Sohnes nicht aus. Wegen dieser Pflegetätigkeit wurden für die Klägerin von April 1995 - mit kurzer Unterbrechung im Jahr 1996 - bis zu dessen Tod im Mai 2011 Pflichtbeiträge entrichtet. Auf den Versicherungsverlauf vom 24.11.2014 (Bl. 20/22 LSG-Akten) wird insoweit Bezug genommen.

Am 11.07.2011 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Ihren Antrag begründete sie mit chronischen Rückenschmerzen, Kreislaufstörungen, reaktive Depression und Pollenallergie. Die Beklagte veranlasste das Gutachten des Arztes für Innere Medizin Dr. R. , der die Klägerin im Oktober 2011 untersuchte. Er diagnostizierte degenerative Veränderungen und einen Bandscheibenschaden der HWS sowie eine Adipositas. Darüber hinaus ging er von verschiedenen allgemeinen Symptomen, insbesondere einer Trauerreaktion wegen des Todes des Sohnes, aus, wobei die Klägerin ihren Angaben zufolge nie einen Psychiater aufgesucht habe. Der Gutachter verneinte wesentliche Funktionsbeeinträchtigungen und erachtete die Klägerin im Rahmen leichter bis mittelschwerer Tätigkeiten sowohl als Hausfrau und Laienpflegerin als auch für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr leistungsfähig. Gestützt hierauf lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 26.10.2011 und der Begründung ab, die Klägerin könne unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch zumindest sechs Stunden täglich erwerbstätig sein und sei daher weder voll noch teilweise erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig. Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, sie leide unter einer schweren Depression und legte die Bescheinigung der psychiatrischen Poliklinik in K./K. , T. , über die am 21.11.2011 erfolgte Vorstellung vor. Danach wurde wegen einer Major Depression mit einer medikamentösen Behandlung begonnen. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.05.2012 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Am 01.06.2012 hat die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, ihre gesundheitlichen Einschränkungen seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Sie sei erheblich von orthopädischer und nervenärztlicher Seite eingeschränkt, wobei sich durch den Verlust ihres Sohnes zwischenzeitlich eine schwere Depression entwickelt habe. Sie hat den Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. K. vom 22.09.2011 vorgelegt.

Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Dr. K. hat von einem im Vordergrund der Beeinträchtigungen stehenden depressiven Syndrom mit somatoformer Störung bei diffusen körperlichen Beschwerden, insbesondere chronischen therapieresistenten Wirbelsäulenbeschwerden und Gelenkschmerzen, berichtet, derentwegen die Klägerin auch leichtere Tätigkeiten nicht mehr verrichten könne. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. hat von drei Vorstellungen (Mai, Juli und September 2012) und einer ausgeprägten Depression, ausgelöst durch den Tod des Sohnes, berichtet, die mit Medikamenten (Nortrilen und Mirtazapin) behandelt werde, ferner von einer inadäquaten Trauerreaktion. Die Belastbarkeit hat er auf drei bis weniger als sechs Stunden täglich eingeschätzt. Der Orthopäde Dr. B. hat von einer letztmals im Oktober 2009 erfolgten Vorstellung der Klägerin berichtet. Der Facharzt für Orthopädie Dr. K. hat von Vorstellungen im September und Oktober 2012 sowie im April 2013 wegen eines LWS-Syndroms, Beschwerden im linken Sprunggelenk bzw. BWS-Beschwerden berichtet und aus orthopädischer Sicht leichte Tätigkeiten ohne schwere Hebe- und Tragebelastungen über 10 bis 15 Kilogramm in geschlossenen Räumen drei bis sechs Stunden täglich für zumutbar erachtet. Das SG hat darüber hinaus das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. eingeholt, der die Klägerin am 21.03.2013 untersucht hat. Der Sachverständige hat eine Dysthymie, ein Wirbelsäulensyndrom ohne neurologisches Defizit sowie eine Adipositas diagnostiziert und die Klägerin für in der Lage erachtet, die letzte Tätigkeit sowie Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zu verrichten. Zu vermeiden seien Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit, Tätigkeiten in Nacht- und Wechselschicht sowie Tätigkeiten unter besonderem Zeitdruck. Wegen des Wirbelsäulensyndroms sollten keine Tätigkeiten mit schwerem Heben, Tragen und Bewegen von Lasten und keine Tätigkeiten in Wirbelsäulenzwangshaltungen verrichtet werden.

Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das SG ferner das psychiatrisch-schmerzpsychologische Gutachten des Prof. Dr. B. , Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie am S. -Zentrum Bad S. , auf Grund Untersuchung der Klägerin im Juli 2013 eingeholt. Der Sachverständige hat auf seinem Fachgebiet eine chronifizierte mittelschwere depressive Störung mit somatischem Syndrom, ein chronifiziertes Schmerzsyndrom nach Gerbershagen Stadium I sowie einen Kombinationskopfschmerz mit migränoider und Spannungskomponente diagnostiziert und die Klägerin für in der Lage erachtet, bis zu drei Stunden täglich Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Dieser Zustand habe sich in den letzten zehn Jahren allmählich entwickelt. Näheres könne er hierzu nicht sagen.

Gegen dieses Gutachten hat sich die Beklagte unter Vorlage der sozialmedizinischen Stellungnahme des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie B. gewandt, der die Leistungsbeurteilung des Prof. Dr. B. nicht für überzeugend erachtet hat. Insbesondere habe der Sachverständige nicht das Ergebnis des Rey Memory Tests, der klar eine Tendenz zur negativen Antwortverzerrung bzw. zur Simulation aufzeige, diskutiert.

Das SG hat sodann das Gutachten des Facharztes für Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. H. eingeholt, der die Klägerin im Januar 2014 untersucht hat. Der Sachverständige hat eine schmerzhafte Funktionsstörung der gesamten Wirbelsäule bei altersüblichen mäßiggradigen Bandscheibendegenerationen in der Halswirbelsäule und der Lendenwirbelsäule ohne objektive Zeichen einer dadurch bedingten Nerven- bzw. Nervenwurzelschädigung beschrieben und leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung vollschichtig für zumutbar erachtet. Zu vermeiden seien langes Verharren in Zwangshaltungen der Wirbelsäule, häufiges Bücken, Arbeiten auf vibrierenden Maschinen und Fahrzeugen sowie ein ständiger Wechsel zwischen Wärme- und Kältezonen.

Das SG hat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG schließlich die ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. B. eingeholt, der sich zu den Einwendungen des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie B. geäußert hat.

Mit Urteil vom 17.07.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat sich dabei auf die Gutachten der Sachverständigen Dr. D. und Dr. H. gestützt. Soweit der Sachverständige Prof. Dr. B. im Gegensatz zu Dr. D. von einer mittelschweren depressiven Symptomatik ausgehe, spreche hiergegen der Tagesablauf und das Alltagsverhalten der Klägerin. Auch stehe sie nicht in kontinuierlicher psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung, was gegen einen erheblichen Leidensdruck spreche. Allerdings scheide ein Anspruch auf Erwerbsminderung selbst dann aus, wenn man dem Gutachten des Prof. Dr. B. folgen wolle. Denn nach seinen Ausführungen sei allenfalls ein Leistungsfall zum Begutachtungszeitpunkt im Juli 2013 zu bejahen. Zu diesem Zeitpunkt seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Rente jedoch nicht mehr erfüllt (letztmals im Juni 2013), nachdem die Klägerin einen letzten Pflichtbeitrag im Mai 2011 entrichtet habe und es damit an der sog. Drei-Fünftelbelegung fehle.

Gegen das ihren Bevollmächtigten am 12.08.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 03.09.2014 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und gestützt auf das Gutachten des Prof. Dr. B. geltend gemacht, ihr gesundheitlicher Zustand sei im Juni 2013, also 17 Tage vor dem Untersuchungstermin vom 16.07.2013 nicht anders gewesen als an diesem Tag. Hierzu sei Prof. Dr. B. ergänzend zu befragen. Im Übrigen verkenne das SG ihre Alltagstauglichkeit. Insoweit habe sie gegenüber Dr. H. zuletzt erklärt, dass sie kaum noch koche und der Haushalt überwiegend von ihrem Ehemann und den Kindern verrichtet werde.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 17.07.2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 26.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.06.2012 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.07.2011 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig. Zu den eingeholten (weiteren) ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B. hat sie die weitere sozialmedizinische Stellungnahme des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie B. vorgelegt.

Der Senat hat den Facharzt für Neurologie PD Dr. B. , Praxisnachfolger des Dr. K. , schriftlich zu den nach September 2012 erfolgten Vorstellungen bei Dr. K. befragt. Dieser hat von einer weiteren Vorstellung am 18.03.2013 berichtet, wobei die Diagnose einer schweren depressiven Störung ohne psychotische Symptome gestellt worden und eine Umstellung der Medikation auf Venlafaxin und Mirtazapin erfolgt sei.

Darüber hinaus hat der Senat den Sachverständigen Prof. Dr. B. auf den Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG ergänzend dazu befragt, wie sich der Gesundheitszustand der Klägerin 17 Tage vor seiner gutachtlichen Untersuchung dargestellt hat. Dieser hat die Wahrscheinlichkeit als recht hoch beurteilt, dass sich der Zustand der Klägerin Ende Juni 2013 gleichermaßen schlecht dargestellt habe wie anlässlich seiner Untersuchung, da es im Krankheitsverlauf der Klägerin zu keinen groben Schwankungen gekommen sei.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheidet, ist zulässig; die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 26.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.05.2012 insoweit, als die Beklagte damit die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ablehnte. Denn ihr im Klageverfahren allgemein auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung gerichtetes Begehren hat die Klägerin im Berufungsverfahren nicht mehr weiter verfolgt und lediglich noch die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung geltend gemacht. Soweit die Beklagte die Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, ablehnte, ist der angefochtene Bescheid daher bestandskräftig geworden. Der Senat hat mithin lediglich noch darüber zu befinden, ob das SG die auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung gerichtete Klage zu Recht abgewiesen hat. Dies bejaht der Senat. Denn der Bescheid der Beklagten vom 26.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.05.2012 ist insoweit rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des BSG (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist aber nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht.

Zu Recht ist das SG davon ausgegangen, dass die Klägerin die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Rente letztmals am 30.06.2013 erfüllt hat. Denn zu diesem Zeitpunkt sind in den letzten fünf Jahren vor Eintritt des Versicherungsfalls, d.h. vom 30.06.2008 bis 29.06.2013, letztmals 36 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für die Pflegetätigkeit der Klägerin (Juni 2008 bis Mai 2011) belegt, was bei Eintritt des Versicherungsfalls im Juli 2013 nicht mehr der Fall ist. Entsprechend steht der Klägerin die geltend gemachte Erwerbsminderungsrente nur zu, wenn ihr berufliches Leistungsvermögen spätestens am 30.06.2013 auf ein rentenberechtigendes Ausmaß herabgesunken war.

Hiervon vermag sich der Senat jedoch ebenso wie zuvor schon das SG nicht zu überzeugen.

Die Leistungsfähigkeit der Klägerin ist zum einen von nervenärztlicher und zum anderen von orthopädischer Seite eingeschränkt. Dabei liegt der Schwerpunkt der gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet, wovon insbesondere auch die behandelnden Ärzte der Klägerin ausgegangen sind. So hat Dr. K. in seiner dem SG erteilten Auskunft als sachverständiger Zeuge die Haupterkrankung der Klägerin als depressives Syndrom mit somatoformer Störung bezeichnet und deutlich gemacht, dass er die beklagten diffusen körperlichen Beschwerden, vor allem in Form von chronischen therapieresistenten Wirbelsäulenbeschwerden und Gelenkschmerzen, nicht auf eine somatische Ursache zurückführt. Auch Dr. K. , bei dem die Klägerin sich im Mai, Juli und September 2012 und schließlich nochmals im März 2013 (so die Auskunft von dessen Praxisnachfolger Dr. B. gegenüber dem Senat) vorgestellt hat, hat die maßgeblichen Leiden der Klägerin auf dem psychiatrischen Fachgebiet gesehen. Bestätigt wird dies durch das vom SG eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. Hepp, der schwerwiegende Befunde von orthopädischer Seite selbst anlässlich seiner nachfolgend im Januar 2014 erfolgten Untersuchung nicht erhoben hat. Er hat vielmehr lediglich altersübliche mäßiggradige Bandscheibendegenerationen in der HWS und der LWS ohne Zeichen einer Nerven- oder Nervenwurzelschädigung beschrieben und deutlich gemacht, dass sich weder klinisch noch radiologisch Hinweise auf bedeutsame Strukturschäden der Wirbelsäule ergeben haben und die vorgetragenen Beschwerden und Funktionsstörungen daher eher psychosomatisch zu erklären sind, zumal die Klägerin gerade auch eine deutliche Verstärkung seit dem Tod des ältesten Sohnes angegeben hat. Eine rentenrelevante Leistungsminderung lässt sich im Hinblick auf die beschriebene Bandscheibendegeneration im Bereich von HWS und LWS, die in Bezug auf das Lebensalter der Klägerin - so der Sachverständige Dr. H. - nicht unbedingt als krankhaft einzustufen sind, von orthopädischer Seite damit nicht begründen. Entsprechend ist auch ohne weiteres nachvollziehbar, wenn der Sachverständige von einem vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ausgegangen ist und wegen den beklagten Wirbelsäulenbeschwerden lediglich einen Wechsel der Körperhaltung für notwendig gehalten und langes Verharren in Zwangshaltungen der Wirbelsäule, Arbeiten auf vibrierenden Maschinen und Fahrzeugen sowie einen ständigen Wechsel zwischen Wärme- und Kältezonen nicht mehr für leidensgerecht erachtet hat.

Der Senat sieht auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin von nervenärztlicher Seite rentenrelevant eingeschränkt sein könnte. Insoweit hat der Sachverständige Dr. D. auf Grund seiner am 21.03.2013 erfolgten Untersuchung eine Dysthymie diagnostiziert und ist mithin von einem Zustand relativ leicht ausgeprägter depressiver Verstimmtheit ausgegangen. Dies ist auf Grund der von Dr. D. erhobenen Befunde ohne weiteres nachvollziehbar. So ist die Klägerin bewusstseinsklar, allseits richtig orientiert und freundlich zugewandt gewesen. Nachdem die Anfangsmimik und Gestik etwas spärlich gewesen ist, hat sich dies mit zunehmender Gesprächsdauer gebessert und die Klägerin hat dann lebhaft und mit vielen spontanen Ergänzungen über sich und ihren Zustand berichtet. Dabei ist die Grundstimmung - so der Sachverständige weiter - über weite Strecken ausgeglichen bzw. allenfalls leicht in die depressive Richtung verschoben gewesen. Lediglich als die Klägerin über den im Mai 2011 verstorbenen Sohn gesprochen hat, hat sie zu weinen begonnen. Die affektive Resonanzfähigkeit hat der Sachverständige nicht merklich eingeschränkt gesehen, vielmehr hat er die Klägerin für in der Lage gesehen, auf eine freundliche Umgebung oder freudige Ereignisse emotional zu reagieren, wobei die Klägerin auch in der Untersuchungssituation normal affizierbar gewesen ist. Den formalen Denkablauf hat der Sachverständige als geordnet und die Aufmerksamkeit, das Auffassungsvermögen und die Konzentration als ungestört beschrieben. Für eine psychomotorische Hemmung oder Agitiertheit hat der Sachverständige keinen Hinweis gefunden, allerdings hat er den Antrieb als leicht reduziert beschrieben. Auch für eine Störung der mnestischen Funktionen hat er keinen Anhalt gefunden. Soweit die Klägerin über eine erhöhte Ermüd- und Erschöpfbarkeit mit daraus resultierender Aktivitätseinschränkung berichtet hat, ist dies - so der Sachverständige - weitgehend im Subjektiven geblieben, da die Klägerin auf Nachfrage dann doch zahlreiche Aktivitäten beschrieben hat. So versorgt sie zeitweise den Haushalt und kocht, unternimmt Besuche und war sogar in der Lage, einige Wochen allein in der T. zu verbringen und dann alleine nach Deutschland zurückzureisen. Zudem hat die Klägerin - so der Sachverständige - wiederholt angegeben, bestimmte Tätigkeiten nicht zu machen, weil sie keine Lust dazu habe. Damit hat sich der dem Sachverständigen zunächst vermittelte Eindruck einer völligen Inaktivität - so Dr. D. - im Laufe des Gesprächs doch so relativiert, dass sich bei genauerer Betrachtung die Einschränkungen der Klägerin im Alltag nicht so ausgeprägt dargestellt haben, wie dies zunächst den Anschein gehabt hat. Vor dem Hintergrund all dessen überzeugt den Senat die Einschätzung des Dr. Dittmann, dass bei der Klägerin zum Zeitpunkt seiner Untersuchung am 21.03.2013 lediglich eine leicht ausgeprägte depressive Verstimmtheit vorgelegen hat, jedoch kein schwerwiegenderes Krankheitsbild, wie dies Dr. K. im Rahmen seiner dem SG erteilten Auskunft für den Behandlungszeitraum Mai bis September 2012 (ausgeprägten Depression) mitgeteilt und in Bezug auf die lediglich drei Tage zuvor am 18.03.2013 erfolgte Vorstellung (schwere depressive Störung) - so PD Dr. B. in seiner dem Senat erteilten Auskunft - dokumentiert hat. Gegen das Vorliegen eines schweren depressiven Krankheitsbildes spricht auch, dass Dr. K. weder Veranlassung gesehen hat, eine stationäre oder teilstationäre Behandlung zu veranlassen noch die Einleitung einer ambulanten Psychotherapie für erforderlich erachtet hat. Stattdessen hat er - so Dr. D. in seinem Gutachten - lediglich eine relativ niedrig dosierte antidepressive Behandlung begonnen und nicht einmal eine engmaschige Betreuung der Klägerin veranlasst. Insoweit ist auffällig, dass die Klägerin sich bei Dr. K. mit Vorstellungen im Mai, Juli und September 2012 und dann erst wieder im März 2013 nur in größeren zeitlichen Abständen in Behandlung befand, was mit einem schweren Krankheitsbild nicht vereinbar ist. Zutreffend hat Dr. D. insoweit auch deutlich gemacht, dass beim Vorliegen einer schweren depressiven Symptomatik eine erhebliche Verzweiflung oder Agitiertheit zu erwarten gewesen wäre, was gerade nicht festzustellen war. Dies obwohl die zuletzt erfolgte Vorstellung bei Dr. K. nur drei Tage zuvor stattgefunden hat. Der Sachverständige hat es zudem auch für sehr unwahrscheinlich gehalten, dass ein Betroffener während einer schweren depressiven Episode in der Lage ist, soziale bzw. häusliche Aktivitäten in der Weise vorzuführen, wie dies bei der Klägerin der Fall gewesen ist.

Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren geltend gemacht hat, das SG habe unberücksichtigt gelassen, dass sie - wie gegenüber Dr. H. angegeben - kaum noch koche und der Haushalt überwiegend von ihrem Ehemann und den Kindern verrichtet werde, weshalb keine Alltagstauglichkeit mehr bestehe, ist darauf hinzuweisen, dass dahinstehen kann, wie sich die angesprochenen häuslichen Aktivitäten der Klägerin zum Untersuchungszeitpunkt bei Dr. H. im Januar 2014 dargestellt haben. Denn zu diesem Zeitpunkt haben die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Rente - wie dargelegt - bereits nicht mehr vorgelegen. Ungeachtet dessen belegt der Umstand, dass die Klägerin nur noch wenig im Haushalt erledigt aber auch nicht ihre mangelnde Fähigkeit zur Verrichtung der in Rede stehenden Tätigkeiten. Denn in Bezug auf das derartige Verhalten der Klägerin hat der Sachverständige Dr. D. überzeugend dargelegt, dass aus der Regression ein sekundärer Krankheitsgewinn resultiert, indem die Klägerin von ihrer Familie vermehrt Unterstützung und Beachtung erfährt und sie in dieser Haltung auch deshalb verharrt, weil sie daraus Rentenaussprüche ableitet.

Soweit die Klägerin ihre Auffassung durch das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B. bestätigt sieht, der ihr Leistungsvermögen mit weniger als drei Stunden täglich eingeschätzt hat, überzeugt dessen Auffassung nicht. Der Senat geht nicht davon aus, dass sich das Krankheitsbild der Klägerin ausgehend von der gutachtlichen Untersuchung des Dr. D. im März 2013 bis zur Untersuchung durch Prof. Dr. B. im Juli 2013 gravierend verschlimmert hat. Denn wie die vom Senat im Berufungsverfahren bei Dr. B. eingeholte Auskunft aufgezeigt hat, hat die Klägerin sich nach der gutachtlichen Untersuchung durch Dr. D. nicht mehr bei dem behandelnden Psychiater vorgestellt, was bei einer massiven Verschlechterung jedoch zu erwarten gewesen wäre. Auch Prof. Dr. B. selbst sieht keine Verschlechterung in diesem Zeitraum, sondern eine sich seit zehn Jahren entwickelnde Verschlimmerung des psychischen Zustandes. Der Senat geht daher davon aus, dass die Sachverständigen Dr. D. und Prof. Dr. B. ein im Wesentlichen unverändert bestehendes Krankheitsbild deutlich abweichend voneinander beurteilt haben. Vor dem Hintergrund der obigen Darlegungen überzeugt den Senat die Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. B. allerdings nicht. Denn dessen Gutachten lässt nicht hinreichend erkennen, dass er sich mit den Widersprüchen, die Dr. D. in seinem Gutachten aufgezeigt hat, auseinandergesetzt hat. Hierfür hätte auch deshalb Anlass bestanden, als sich im Rahmen der testpsychologischen Untersuchung bei Prof. Dr. B. im Rey Memory Test eindeutige Zeichen für eine Antwortverzerrung bzw. eine Simulation ergeben haben. Schon dies hätte eine ausführliche und differenzierte Diskussion notwendig gemacht. Hierauf hat der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie B. in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme für die Beklagte zutreffend hingewiesen. Ungeachtet dessen ist im Rahmen der Angaben der Klägerin bereits auffällig gewesen, dass die Klägerin regelmäßige Vorstellungen bei dem behandelnden Psychiater Dr. K. im Umfang von ein- bis zweimal monatlich angegeben hat, obwohl sie bei diesem im Jahr 2012 insgesamt nur dreimal (jeweils einmal im Mai, Juli und September) vorstellig wurde und dann erst wieder ein halbes Jahr später einmalig im März 2013. Zum Untersuchungszeitpunkt bei Prof. Dr. B. im Juli 2013 lag dieser letzte Termin damit bereits mehrere Monate zurück. Zweifel an dem Vorbringen der Klägerin sind im Übrigen auch in dem Gutachten des Dr. H. dokumentiert. Diesem gegenüber hat die Klägerin Angaben gemacht, die so nicht den Beobachtungen des Sachverständigen entsprochen haben. So hat die Klägerin nach den Ausführungen des Dr. H. bspw. angegeben, keine 15 Minuten auf dem Stuhl sitzen zu können, während sie zu diesem Zeitpunkt bereits 40 Minuten ohne erkennbare Schmerzäußerungen gesessen ist. Auch die Angaben zu ihrer Geh- und Stehfähigkeit waren - so Dr. H. - nicht konsistent. Denn während die Klägerin im Wartebereich und nach der Untersuchung keine auffällige Stand- oder Gangunsicherheit und kein Hinken gezeigt hat, hat sie in der Untersuchungssituation eine deutliche Stand- und Gangunsicherheit demonstriert und sich permanent mit den Händen an der Untersuchungsliege abgestützt. Dies macht deutlich, dass erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschwerdevorbringens der Klägerin bestehen. Damit verbleiben auch nicht unerhebliche Zweifel, ob die Angaben der Klägerin gegenüber Prof. Dr. B. , die dieser seiner Beurteilung zu Grund gelegt hat, das Ausmaß ihrer Beeinträchtigungen korrekt widerspiegeln. Soweit der Sachverständige das Ergebnis des Rey Memory Tests im Rahmen seiner ergänzenden Stellungnahme für das SG deshalb für nicht relevant erachtet hat, weil bei anderen Tests keine deutliche Verschiebung zu Superlativen bzw. defizitärer Selbstbeschreibung vorhanden gewesen sei und daher lediglich von einer mangelnden Motivation bzw. Aufregung in der Untersuchungssituation auszugehen sei, überzeugt dies angesichts der beschriebenen sonstigen Inkonsistenzen nicht. Auf den von der Klägerin im Berufungsverfahren aufgeworfenen Gesichtspunkt, dass Prof. Dr. B. in der Lage sei, sich zu ihrer Leistungsfähigkeit auch für einen Zeitpunkt 17 Tage vor seiner gutachtlichen Untersuchung zu äußern, kommt es daher nicht mehr entscheidungserheblich an.

Die Berufung der Klägerin kann nach alle dem keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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