Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 4291/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 339/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17.12.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin macht einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung ab 01.01.2013 geltend.
Die am 18.07.1961 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Einen Beruf erlernte sie nicht. Von 1983 bis Oktober 1991 lebte sie in Kanada. Dort wurden zwei ihrer drei Kinder geboren. Von 1991 bis 2008 war sie als Produktionsmitarbeiterin bei der Firma B. versicherungspflichtig beschäftigt. Nachdem sie längere Zeit unter zunehmenden Schmerzen an der rechten Hand gelitten hatte, wurde schließlich die Indikation zu einem operativen Eingriff gestellt, der am 24.06.2010 im O. Klinikum vorgenommen wurde. Postoperativ kam es allerdings zu einer Fehlstellung der Hand mit Bewegungseinschränkung sowie zu einer persistierenden Schmerzsymptomatik. Deshalb erfolgte am 12.01.2011 eine Nachoperation.
Am 15.11.2010 stellt die Klägerin einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte holte ein Gutachten auf orthopädischem Fachgebiet ein (Gutachten Dr. U. vom 20.02.2011) und lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 23.05.2011 ab mit der Begründung, die Klägerin sei noch in der Lage, leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten ohne besondere Beanspruchung an die Fingerfeinmotorik oder an die grobe Kraft der Hand vollschichtig zu verrichten. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 25.08.2011). Das anschließende Klageverfahren (S 2 R 4060/11) vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) endete durch einen in der mündlichen Verhandlung am 20.08.2013 geschlossenen Vergleich. Darin verpflichtete sich die Beklagte, der Klägerin eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01.06.2011 bis zum 31.12.2012 zu gewähren.
Den streitgegenständlichen Weitergewährungsantrag stellte die Klägerin am 02.09.2013.
Bereits am 07.01.2013 war die Klägerin an einem Bandscheibenvorfall der Halswirbelsäule (HWS) operiert worden. Die Anschlussheilbehandlung erfolgte vom 24.01.2013 bis 14.02.2013 in der B.-Klinik. Im Entlassungsbericht der Klinik vom 15.02.2013 wird die Klägerin für fähig erachtet, nach einer Rekonvaleszenz von ca drei Monaten leichte Arbeiten sechs Stunden und mehr zu verrichten. Nicht geeignet seien monotone Zwangshaltungen der Wirbelsäule und häufige In-/Reklinationsbelastungen (Beugen und Strecken), Arbeiten mit diadochokinetischen Bewegungsmuster (zB Schraubendrehen), monotone Fein- und Sortierarbeiten. Mit Bescheid vom 25.04.2014 und Widerspruchsbescheid vom 21.11.2014 lehnte die Beklagte den Antrag auf Weiterzahlung der Rente ab.
Am 18.12.2014 hat die Klägerin Klage vor dem SG erhoben. Aufgrund ihrer Beschwerden in den Händen, die sich verschlimmert hätten, sei sie nicht mehr in der Lage, auch nur leichte Tätigkeiten des Alltags wie etwa Obst schälen, Staub saugen oder das Tragen von Einkaufstüten zu bewältigen. Ein erneute Operation der Hand biete keine Aussicht auf Besserung. Von der Arthrose seien inzwischen nicht nur die Hände, sondern auch die Kniegelenke betroffen. Das SG hat die behandelnden Ärzte schriftlich befragt. Der Facharzt für Chirurgie, Handchirurgie Dr. L., F., hat in seiner Auskunft vom 03.03.2015 mitgeteilt, die Klägerin habe sich erstmals am 11.03.2014 und zuletzt am 06.05.2014 bei ihm vorgestellt. Grund seien Beschwerden nach zweimaliger Operation des Sattelgelenks rechts gewesen. Die Fachärztin für Innere und Allgemeinmedizin Dr. H. hat mitgeteilt, dass die Klägerin über tägliche Schmerzen beider Handgelenke sowie über Schwindelbeschwerden bei wechselnden Blutdruckwerten geklagt habe (Schreiben vom 22.03.2015). Anschließen hat das SG ein Gutachten bei dem Facharzt für Orthopädie Dr. M. eingeholt (Gutachten vom 22.07.2015). Dieser hat ausgeführt, im Vordergrund der Beschwerdesymptomatik auf seinem Fachgebiet stehe eindeutig die rechte Hand. Die Beweglichkeit der Handgelenke sei zwar eingeschränkt, aber für die Funktion noch ausreichend. Tätigkeiten, die die Feinfunktion der Hände oder einen vermehrten ständigen Krafteinsatz durch Greifbewegungen, Heben und Tragen von Lasten erforderten, seien zu vermeiden. Dieser Leistungseinschränkung hat die Klägerin mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 25.08.2015 widersprochen. Angesichts der vom Gutachter festgestellten Einschränkungen sei entgegen dessen Wertung eine Tätigkeit von sechs Stunden im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche nicht möglich. Mit Urteil vom 17.12.2015, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 23.12.2015, hat das SG die Klage abgewiesen.
Am 22.01.2016 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Nach Einschätzung ihrer behandelnden Ärztin Dr. H. bestehe keine nennenswerte Leistungsfähigkeit mehr. Die Beurteilung des Handchirurgen Dr. L. sei überholt. Dieser habe eine konventionelle Behandlung ihrer Beschwerden abgelehnt und eine erneute Operation vorgeschlagen, ohne dass eine Gewähr für eine Besserung der Beschwerden bestehe. Der vom SG gehörte Sachverständige habe nicht berücksichtigt, dass die Schmerzen bei Belastung zunähmen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17.12.2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.01.2013 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie verweist auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden Entscheidungsgründe des Urteils 1. Instanz.
Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 04.02.2016 darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss zurückzuweisen, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Die Klägerin hat Gelegenheit zur Stellungnahme bis 29.02.2016 erhalten. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat am 25.02.2016 beantragt, ein Gutachten nach § 109 SGG einzuholen. Im Hinblick auf die bereits aufgezeigten widersprüchlichen Beurteilungen durch Herrn Dr. L. und Herrn Dr. M. verbleibe angesichts der Stellungnahme der Frau Dr. H. die Annahme, dass die Klägerin nicht in der Lage sei, in entsprechendem Umfang einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzukommen. Dies werde sich nur durch ein weiteres Sachverständigengutachten klären lassen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 25.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller bzw teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01.1.2013.
Der Senat weist die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gemäß § 153 Abs 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden. Die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 25.02.2016 stehen der Entscheidung durch Beschluss nicht entgegen. Die Klägerin macht nur deutlich, dass sie eine weitere Sachverhaltsaufklärung für notwendig erachtet, legt aber nicht dar, aus welchen Gründen eine mündliche Verhandlung anberaumt werden muss.
Befristete Renten wegen Erwerbsminderung können verlängert werden; dabei verbleibt es nach § 102 Abs 2 Satz 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) bei dem ursprünglichen Rentenbeginn. Mit dieser durch Art 1 Nr 32 Buchst a) Doppelbuchst aa) RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554) mit Wirkung ab 01.05.2007 (Art 27 Abs 7 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) eingefügten Regelung wird bestimmt, dass lediglich eine Verlängerung der anfänglichen Befristung erfolgt, es beim ursprünglichen Rentenbeginn verbleibt und eine Folgerente ohne Neuberechnung im Umfang der bisherigen Rente weiterzuzahlen ist (BT-Drs 16/3794 S 37).
Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann und er damit nach dem Wortlaut des § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI ohne Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage an sich nur teilweise erwerbsgemindert ist (sog abstrakte Betrachtungsweise), ihm aber der Teilzeitarbeitsmarkt tatsächlich verschlossen ist (sog konkrete Betrachtungsweise). Wurde für die Prüfung, ob der Arbeitsmarkt verschlossen ist, zunächst noch gefordert, dass Vermittlungsbemühungen der Arbeitsverwaltung oder des Rentenversicherungsträgers innerhalb eines Jahres ab Stellung des Rentenantrags erfolglos blieben (vgl BSG 10.05.1977, 11 RA 8/76, juris), ist nunmehr zur Feststellung der Erwerbsminderung eines drei bis unter sechsstündig einsatzfähigen Versicherten bei rückwirkender Prüfung der Arbeitsmarktlage der Nachweis solcher konkreter Vermittlungsbemühungen nicht mehr erforderlich (vgl zum früheren Recht BSG 08.09.2005, B 13 RJ 10/04 R, BSGE 95, 112). Die nach dem früheren, dh bis 31.12.2000 geltenden Recht maßgebliche konkrete Betrachtungsweise hat der Gesetzgeber beibehalten, wie sich auch aus einem Umkehrschluss aus § 43 Abs 2 SGB VI ergibt (BSG 05.10.2005, B 5 RJ 6/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr 5; zum Ganzen siehe auch ausführlich LSG Baden-Württemberg 10.10.2014, L 4 R 5172/13, juris).
Nach dem Ergebnis der vom SG durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin zumindest seit dem 01.01.2013 in der Lage ist, noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts zu arbeiten. Zu vermeiden sind Tätigkeiten, die die Feinfunktion der Hände oder einen vermehrten ständigen Krafteinsatz durch Greifbewegungen, Heben und Tragen von Lasten erfordern, ferner Tätigkeiten, die stereotype Bewegungsabläufe der HWS beinhalten. Dies folgt aus dem Gutachten des Dr. M., dem sich der Senat anschließt.
Der Sachverständige Dr. M., der die Klägerin auf Veranlassung des SG untersucht und begutachtet hat, weist in seinem Gutachten darauf hin, dass im Vordergrund der Beschwerdesymptomatik auf orthopädischem Fachgebiet eindeutig die rechte Hand steht. Wegen einer Daumensattelgelenkarthrose wurde die Klägerin zweimal operiert, im Juni 2010 und im Januar 2011. Auch nach den Operationen ist die Beweglichkeit der rechten Hand gegenüber links eingeschränkt. Bei seiner Untersuchung stellte der Sachverständige fest, dass rechts die Bewegung in Richtung Handrücken und Hohlhand um 55-0-55° gegenüber 75-0-65° links gelingt und die Seitkantung Richtung Speiche und Ellen um 10-0-35° rechts und 20-0-45° links. Beim Faustschluss berühren links die Langfingerkuppen die quere Hohlhandfalte, rechts besteht zwischen den Langfingerkuppen und der queren Hohlhandfalte an den Fingern II bis V ein Abstand von etwa 1 cm. Der Spitzgriff des Daumens ist mit allen Langfingern möglich. Die Muskelumfangmessungen ergeben eine Schonungsverschmächtigung der Unterarmmuskulatur rechts von 1 cm. Wenn man berücksichtigt, dass idR Rechtshänder einen Mehrumfang des rechten Armes von etwa 1 cm haben, beträgt die theoretische Muskelminderung am Unterarm rechts 2 cm. Da auch an der linken Hand eine Handwurzelarthrose vorliegt, nannte der Sachverständige als Diagnose eine Funktionsstörung beider Hände, rechtsbetont, bei Handwurzelarthrose links, Zustand nach operativer Versorgung einer Handwurzelarthrose rechts. Aufgrund der erhobenen Befunde hat der Sachverständige nachvollziehbar den Schluss gezogen, dass die Klägerin Tätigkeiten, die die Feinfunktion der Hände oder einen vermehrten ständigen Krafteinsatz durch Greifbewegungen, Heben und Tragen von Lasten erfordern, vermeiden sollte, eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit hieraus aber nicht resultiert.
Die HWS wurde wegen eines Bandscheibenvorfalls in den Segmenten C5 bis C7 versteift. Neurologische Komplikationen sind nicht aufgetreten. Die vor der Operation bestehenden Schmerzen im rechten Arm waren jetzt nicht mehr nachweisbar. Radiologisch war eine Instabilität C3/4 erkennbar, die aber keine klinische Relevanz hat. Demzufolge kann die Klägerin nach Ansicht von Dr. M. Tätigkeiten, die stereotype Bewegungsabläufe der HWS beinhalten und eine freie Beweglichkeit der HWS voraussetzen, nicht mehr ausführen. Auch insoweit ist Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen für den Senat nachvollziehbar und schlüssig. Den beginnenden Arthrosen in beiden Kniegelenken und im Großzehengrundgelenk rechts hat der Sachverständige aufgrund der erhobenen Befunde zu Recht keine Bedeutung in Bezug auf die Erwerbsfähigkeit beigemessen. Die Beweglichkeit beider Kniegelenke war frei, es zeigte sich keine Ergussbildung und kein Synovitis.
Wegen einer Sensibilitätsstörung beider Füße, die der Sachverständige als diabetische Polyneuropathie bezeichnete, sind der Klägerin absturzgefährdete Tätigkeiten und ständiges Besteigen von Leitern und Gerüsten nicht zumutbar. Mit keinem der von Dr. M. sorgfältig erhobenen Befunde lässt sich eine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin in zeitlicher Hinsicht begründen. Dies gilt auch in Bezug auf die von der Klägerin geklagten Schmerzen. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsründen des angefochtenen Urteils verwiesen, die sich der Senat in vollem Umfang zu eigen macht.
Bei der noch vorhandenen Leistungsfähigkeit der Klägerin - leichte Arbeiten mindestens sechsstündig - muss ihr eine konkrete Tätigkeit, die sie noch verrichten kann, nicht benannt werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit, die ein Versicherter mit seinem Leistungsvermögen noch auszuüben vermag, wird von der Rechtsprechung des BSG jedenfalls in den Fällen für erforderlich gehalten, in denen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG Großer Senat (GS) BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Für die Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, gibt es keinen konkreten Beurteilungsmaßstab. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Daher ist eine genaue Untersuchung erforderlich, welche Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen durch die beim Versicherten vorliegenden Gesundheitsstörungen im Einzelnen ausgeschlossen sind. Die Pflicht zur konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit hängt von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss dargelegt werden, welche Tätigkeiten der Versicherte noch verrichten kann (BSG 23.05.2006, B 13 RJ 38/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr 9 = NZS 2007, 265).
Die Beurteilung, ob der Versicherte erwerbsfähig oder erwerbsgemindert ist, muss im Regelfall nicht nach Anforderungsprofilen einer oder mehrerer bestimmter Berufstätigkeiten erfolgen; es genügt eine Beurteilung, ob das Restleistungsvermögen dem Versicherten körperliche Verrichtungen (wie zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw) erlaubt, die in ungelernten Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen (BSG Großer Senat (GS) BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Solche Tätigkeiten kann die Klägerin noch ausüben. Zwar ist die Beweglichkeit beider Hände bei der Klägerin in dem vom Sachverständigen Dr. M. beschriebenen Umfang eingeschränkt, aber – wie der Sachverständige ausdrücklich festgehalten hat (Gutachten Seite 10) - für die Funktion noch ausreichend. Die Funktionsstörung der rechten Hand ist jedenfalls nicht mit Einarmigkeit vergleichbar. Die Klägerin kann damit zwar einzelne Tätigkeiten wie zB Sortieren und Zusammensetzen von Kleinteilen nicht mehr verrichten, in den übrigen Arbeitsfeldern – zB Zureichen, Abnehmen, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben – ergibt sich jedoch keine Einschränkung. Bei der Prüfung, ob Versicherte trotz qualitativer Leistungseinschränkungen noch zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten können, genügt die Benennung von "Arbeitsfeldern", von "Tätigkeiten der Art nach" oder von "geeigneten Tätigkeitsfeldern", die der Versicherte ausfüllen könnte (BSG 19.10.2011, B 13 R 78/09 R, BSGE 109, 189).
Soweit die Einschränkungen der Handbeweglichkeit als schwere spezifische Leistungseinschränkung zu werten sind, muss sich die Klägerin auf eine Tätigkeit als Pförtnerin an der Nebenpforte verweisen lassen. Die bei dieser Verweisungstätigkeit anfallenden Verrichtungen wie die Durchführung von Ausweiskontrollen, Begrüßen und Anmelden von Besuchern und das Überwachen des Fahrzeug- und Warenverkehrs, können auch mit eingeschränkter Handbeweglichkeit verrichtet werden. Der Senat hat dabei auch keinen Zweifel daran, dass die Klägerin in der Lage ist, soweit erforderlich, Notizen mit der rechten Hand zu fertigen oder eine Telefonanlage zu bedienen. Da der Spitzgriff des Daumens der rechten Hand mit allen Langfingern möglich ist, sind auch Schreibarbeiten möglich.
Der mit Schriftsatz vom 25.02.2016 gestellte Beweisantrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens wird abgelehnt. Ein formgerechter Antrag nach § 109 SGG wurde nicht gestellt, weil kein Arzt benannt wurde, der gutachtlich gehört werden soll. Die vom Senat im Schreiben vom 04.02.2016 gesetzte Frist, innerhalb der Gelegenheit zur Äußerung gegeben wurde, war ersichtlich ausreichend bemessen.
Der in diesem Schriftsatz (auch) gestellte Beweisantrag auf Einholung eines (weiteren) Gutachtens von Amts wegen wird ebenfalls abgelehnt. Ein weiteres Gutachten ist nicht notwendig, da durch den im Klageverfahren gehörten Sachverständigen Dr. M. das Gegenteil der von der Klägerin behaupteten Tatsache – nämlich ein erhaltenes Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeiten - bereits erwiesen ist (vgl § 244 Abs 3 Satz 2 Strafprozessordnung). Überdies hat das Gutachten des Dr. M. dem Senat die zur Beantwortung der Beweisfrage erforderliche Sachkunde vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 412 Abs 1 ZPO), es geht von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthält keine inhaltliche Widersprüche und gibt auch keinen Anlass an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters zu zweifeln.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin macht einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung ab 01.01.2013 geltend.
Die am 18.07.1961 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Einen Beruf erlernte sie nicht. Von 1983 bis Oktober 1991 lebte sie in Kanada. Dort wurden zwei ihrer drei Kinder geboren. Von 1991 bis 2008 war sie als Produktionsmitarbeiterin bei der Firma B. versicherungspflichtig beschäftigt. Nachdem sie längere Zeit unter zunehmenden Schmerzen an der rechten Hand gelitten hatte, wurde schließlich die Indikation zu einem operativen Eingriff gestellt, der am 24.06.2010 im O. Klinikum vorgenommen wurde. Postoperativ kam es allerdings zu einer Fehlstellung der Hand mit Bewegungseinschränkung sowie zu einer persistierenden Schmerzsymptomatik. Deshalb erfolgte am 12.01.2011 eine Nachoperation.
Am 15.11.2010 stellt die Klägerin einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte holte ein Gutachten auf orthopädischem Fachgebiet ein (Gutachten Dr. U. vom 20.02.2011) und lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 23.05.2011 ab mit der Begründung, die Klägerin sei noch in der Lage, leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten ohne besondere Beanspruchung an die Fingerfeinmotorik oder an die grobe Kraft der Hand vollschichtig zu verrichten. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 25.08.2011). Das anschließende Klageverfahren (S 2 R 4060/11) vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) endete durch einen in der mündlichen Verhandlung am 20.08.2013 geschlossenen Vergleich. Darin verpflichtete sich die Beklagte, der Klägerin eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01.06.2011 bis zum 31.12.2012 zu gewähren.
Den streitgegenständlichen Weitergewährungsantrag stellte die Klägerin am 02.09.2013.
Bereits am 07.01.2013 war die Klägerin an einem Bandscheibenvorfall der Halswirbelsäule (HWS) operiert worden. Die Anschlussheilbehandlung erfolgte vom 24.01.2013 bis 14.02.2013 in der B.-Klinik. Im Entlassungsbericht der Klinik vom 15.02.2013 wird die Klägerin für fähig erachtet, nach einer Rekonvaleszenz von ca drei Monaten leichte Arbeiten sechs Stunden und mehr zu verrichten. Nicht geeignet seien monotone Zwangshaltungen der Wirbelsäule und häufige In-/Reklinationsbelastungen (Beugen und Strecken), Arbeiten mit diadochokinetischen Bewegungsmuster (zB Schraubendrehen), monotone Fein- und Sortierarbeiten. Mit Bescheid vom 25.04.2014 und Widerspruchsbescheid vom 21.11.2014 lehnte die Beklagte den Antrag auf Weiterzahlung der Rente ab.
Am 18.12.2014 hat die Klägerin Klage vor dem SG erhoben. Aufgrund ihrer Beschwerden in den Händen, die sich verschlimmert hätten, sei sie nicht mehr in der Lage, auch nur leichte Tätigkeiten des Alltags wie etwa Obst schälen, Staub saugen oder das Tragen von Einkaufstüten zu bewältigen. Ein erneute Operation der Hand biete keine Aussicht auf Besserung. Von der Arthrose seien inzwischen nicht nur die Hände, sondern auch die Kniegelenke betroffen. Das SG hat die behandelnden Ärzte schriftlich befragt. Der Facharzt für Chirurgie, Handchirurgie Dr. L., F., hat in seiner Auskunft vom 03.03.2015 mitgeteilt, die Klägerin habe sich erstmals am 11.03.2014 und zuletzt am 06.05.2014 bei ihm vorgestellt. Grund seien Beschwerden nach zweimaliger Operation des Sattelgelenks rechts gewesen. Die Fachärztin für Innere und Allgemeinmedizin Dr. H. hat mitgeteilt, dass die Klägerin über tägliche Schmerzen beider Handgelenke sowie über Schwindelbeschwerden bei wechselnden Blutdruckwerten geklagt habe (Schreiben vom 22.03.2015). Anschließen hat das SG ein Gutachten bei dem Facharzt für Orthopädie Dr. M. eingeholt (Gutachten vom 22.07.2015). Dieser hat ausgeführt, im Vordergrund der Beschwerdesymptomatik auf seinem Fachgebiet stehe eindeutig die rechte Hand. Die Beweglichkeit der Handgelenke sei zwar eingeschränkt, aber für die Funktion noch ausreichend. Tätigkeiten, die die Feinfunktion der Hände oder einen vermehrten ständigen Krafteinsatz durch Greifbewegungen, Heben und Tragen von Lasten erforderten, seien zu vermeiden. Dieser Leistungseinschränkung hat die Klägerin mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 25.08.2015 widersprochen. Angesichts der vom Gutachter festgestellten Einschränkungen sei entgegen dessen Wertung eine Tätigkeit von sechs Stunden im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche nicht möglich. Mit Urteil vom 17.12.2015, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 23.12.2015, hat das SG die Klage abgewiesen.
Am 22.01.2016 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Nach Einschätzung ihrer behandelnden Ärztin Dr. H. bestehe keine nennenswerte Leistungsfähigkeit mehr. Die Beurteilung des Handchirurgen Dr. L. sei überholt. Dieser habe eine konventionelle Behandlung ihrer Beschwerden abgelehnt und eine erneute Operation vorgeschlagen, ohne dass eine Gewähr für eine Besserung der Beschwerden bestehe. Der vom SG gehörte Sachverständige habe nicht berücksichtigt, dass die Schmerzen bei Belastung zunähmen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17.12.2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.01.2013 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie verweist auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden Entscheidungsgründe des Urteils 1. Instanz.
Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 04.02.2016 darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss zurückzuweisen, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Die Klägerin hat Gelegenheit zur Stellungnahme bis 29.02.2016 erhalten. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat am 25.02.2016 beantragt, ein Gutachten nach § 109 SGG einzuholen. Im Hinblick auf die bereits aufgezeigten widersprüchlichen Beurteilungen durch Herrn Dr. L. und Herrn Dr. M. verbleibe angesichts der Stellungnahme der Frau Dr. H. die Annahme, dass die Klägerin nicht in der Lage sei, in entsprechendem Umfang einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzukommen. Dies werde sich nur durch ein weiteres Sachverständigengutachten klären lassen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 25.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller bzw teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01.1.2013.
Der Senat weist die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gemäß § 153 Abs 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden. Die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 25.02.2016 stehen der Entscheidung durch Beschluss nicht entgegen. Die Klägerin macht nur deutlich, dass sie eine weitere Sachverhaltsaufklärung für notwendig erachtet, legt aber nicht dar, aus welchen Gründen eine mündliche Verhandlung anberaumt werden muss.
Befristete Renten wegen Erwerbsminderung können verlängert werden; dabei verbleibt es nach § 102 Abs 2 Satz 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) bei dem ursprünglichen Rentenbeginn. Mit dieser durch Art 1 Nr 32 Buchst a) Doppelbuchst aa) RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554) mit Wirkung ab 01.05.2007 (Art 27 Abs 7 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) eingefügten Regelung wird bestimmt, dass lediglich eine Verlängerung der anfänglichen Befristung erfolgt, es beim ursprünglichen Rentenbeginn verbleibt und eine Folgerente ohne Neuberechnung im Umfang der bisherigen Rente weiterzuzahlen ist (BT-Drs 16/3794 S 37).
Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann und er damit nach dem Wortlaut des § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI ohne Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage an sich nur teilweise erwerbsgemindert ist (sog abstrakte Betrachtungsweise), ihm aber der Teilzeitarbeitsmarkt tatsächlich verschlossen ist (sog konkrete Betrachtungsweise). Wurde für die Prüfung, ob der Arbeitsmarkt verschlossen ist, zunächst noch gefordert, dass Vermittlungsbemühungen der Arbeitsverwaltung oder des Rentenversicherungsträgers innerhalb eines Jahres ab Stellung des Rentenantrags erfolglos blieben (vgl BSG 10.05.1977, 11 RA 8/76, juris), ist nunmehr zur Feststellung der Erwerbsminderung eines drei bis unter sechsstündig einsatzfähigen Versicherten bei rückwirkender Prüfung der Arbeitsmarktlage der Nachweis solcher konkreter Vermittlungsbemühungen nicht mehr erforderlich (vgl zum früheren Recht BSG 08.09.2005, B 13 RJ 10/04 R, BSGE 95, 112). Die nach dem früheren, dh bis 31.12.2000 geltenden Recht maßgebliche konkrete Betrachtungsweise hat der Gesetzgeber beibehalten, wie sich auch aus einem Umkehrschluss aus § 43 Abs 2 SGB VI ergibt (BSG 05.10.2005, B 5 RJ 6/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr 5; zum Ganzen siehe auch ausführlich LSG Baden-Württemberg 10.10.2014, L 4 R 5172/13, juris).
Nach dem Ergebnis der vom SG durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin zumindest seit dem 01.01.2013 in der Lage ist, noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts zu arbeiten. Zu vermeiden sind Tätigkeiten, die die Feinfunktion der Hände oder einen vermehrten ständigen Krafteinsatz durch Greifbewegungen, Heben und Tragen von Lasten erfordern, ferner Tätigkeiten, die stereotype Bewegungsabläufe der HWS beinhalten. Dies folgt aus dem Gutachten des Dr. M., dem sich der Senat anschließt.
Der Sachverständige Dr. M., der die Klägerin auf Veranlassung des SG untersucht und begutachtet hat, weist in seinem Gutachten darauf hin, dass im Vordergrund der Beschwerdesymptomatik auf orthopädischem Fachgebiet eindeutig die rechte Hand steht. Wegen einer Daumensattelgelenkarthrose wurde die Klägerin zweimal operiert, im Juni 2010 und im Januar 2011. Auch nach den Operationen ist die Beweglichkeit der rechten Hand gegenüber links eingeschränkt. Bei seiner Untersuchung stellte der Sachverständige fest, dass rechts die Bewegung in Richtung Handrücken und Hohlhand um 55-0-55° gegenüber 75-0-65° links gelingt und die Seitkantung Richtung Speiche und Ellen um 10-0-35° rechts und 20-0-45° links. Beim Faustschluss berühren links die Langfingerkuppen die quere Hohlhandfalte, rechts besteht zwischen den Langfingerkuppen und der queren Hohlhandfalte an den Fingern II bis V ein Abstand von etwa 1 cm. Der Spitzgriff des Daumens ist mit allen Langfingern möglich. Die Muskelumfangmessungen ergeben eine Schonungsverschmächtigung der Unterarmmuskulatur rechts von 1 cm. Wenn man berücksichtigt, dass idR Rechtshänder einen Mehrumfang des rechten Armes von etwa 1 cm haben, beträgt die theoretische Muskelminderung am Unterarm rechts 2 cm. Da auch an der linken Hand eine Handwurzelarthrose vorliegt, nannte der Sachverständige als Diagnose eine Funktionsstörung beider Hände, rechtsbetont, bei Handwurzelarthrose links, Zustand nach operativer Versorgung einer Handwurzelarthrose rechts. Aufgrund der erhobenen Befunde hat der Sachverständige nachvollziehbar den Schluss gezogen, dass die Klägerin Tätigkeiten, die die Feinfunktion der Hände oder einen vermehrten ständigen Krafteinsatz durch Greifbewegungen, Heben und Tragen von Lasten erfordern, vermeiden sollte, eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit hieraus aber nicht resultiert.
Die HWS wurde wegen eines Bandscheibenvorfalls in den Segmenten C5 bis C7 versteift. Neurologische Komplikationen sind nicht aufgetreten. Die vor der Operation bestehenden Schmerzen im rechten Arm waren jetzt nicht mehr nachweisbar. Radiologisch war eine Instabilität C3/4 erkennbar, die aber keine klinische Relevanz hat. Demzufolge kann die Klägerin nach Ansicht von Dr. M. Tätigkeiten, die stereotype Bewegungsabläufe der HWS beinhalten und eine freie Beweglichkeit der HWS voraussetzen, nicht mehr ausführen. Auch insoweit ist Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen für den Senat nachvollziehbar und schlüssig. Den beginnenden Arthrosen in beiden Kniegelenken und im Großzehengrundgelenk rechts hat der Sachverständige aufgrund der erhobenen Befunde zu Recht keine Bedeutung in Bezug auf die Erwerbsfähigkeit beigemessen. Die Beweglichkeit beider Kniegelenke war frei, es zeigte sich keine Ergussbildung und kein Synovitis.
Wegen einer Sensibilitätsstörung beider Füße, die der Sachverständige als diabetische Polyneuropathie bezeichnete, sind der Klägerin absturzgefährdete Tätigkeiten und ständiges Besteigen von Leitern und Gerüsten nicht zumutbar. Mit keinem der von Dr. M. sorgfältig erhobenen Befunde lässt sich eine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin in zeitlicher Hinsicht begründen. Dies gilt auch in Bezug auf die von der Klägerin geklagten Schmerzen. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsründen des angefochtenen Urteils verwiesen, die sich der Senat in vollem Umfang zu eigen macht.
Bei der noch vorhandenen Leistungsfähigkeit der Klägerin - leichte Arbeiten mindestens sechsstündig - muss ihr eine konkrete Tätigkeit, die sie noch verrichten kann, nicht benannt werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit, die ein Versicherter mit seinem Leistungsvermögen noch auszuüben vermag, wird von der Rechtsprechung des BSG jedenfalls in den Fällen für erforderlich gehalten, in denen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG Großer Senat (GS) BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Für die Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, gibt es keinen konkreten Beurteilungsmaßstab. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Daher ist eine genaue Untersuchung erforderlich, welche Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen durch die beim Versicherten vorliegenden Gesundheitsstörungen im Einzelnen ausgeschlossen sind. Die Pflicht zur konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit hängt von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss dargelegt werden, welche Tätigkeiten der Versicherte noch verrichten kann (BSG 23.05.2006, B 13 RJ 38/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr 9 = NZS 2007, 265).
Die Beurteilung, ob der Versicherte erwerbsfähig oder erwerbsgemindert ist, muss im Regelfall nicht nach Anforderungsprofilen einer oder mehrerer bestimmter Berufstätigkeiten erfolgen; es genügt eine Beurteilung, ob das Restleistungsvermögen dem Versicherten körperliche Verrichtungen (wie zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw) erlaubt, die in ungelernten Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen (BSG Großer Senat (GS) BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Solche Tätigkeiten kann die Klägerin noch ausüben. Zwar ist die Beweglichkeit beider Hände bei der Klägerin in dem vom Sachverständigen Dr. M. beschriebenen Umfang eingeschränkt, aber – wie der Sachverständige ausdrücklich festgehalten hat (Gutachten Seite 10) - für die Funktion noch ausreichend. Die Funktionsstörung der rechten Hand ist jedenfalls nicht mit Einarmigkeit vergleichbar. Die Klägerin kann damit zwar einzelne Tätigkeiten wie zB Sortieren und Zusammensetzen von Kleinteilen nicht mehr verrichten, in den übrigen Arbeitsfeldern – zB Zureichen, Abnehmen, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben – ergibt sich jedoch keine Einschränkung. Bei der Prüfung, ob Versicherte trotz qualitativer Leistungseinschränkungen noch zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten können, genügt die Benennung von "Arbeitsfeldern", von "Tätigkeiten der Art nach" oder von "geeigneten Tätigkeitsfeldern", die der Versicherte ausfüllen könnte (BSG 19.10.2011, B 13 R 78/09 R, BSGE 109, 189).
Soweit die Einschränkungen der Handbeweglichkeit als schwere spezifische Leistungseinschränkung zu werten sind, muss sich die Klägerin auf eine Tätigkeit als Pförtnerin an der Nebenpforte verweisen lassen. Die bei dieser Verweisungstätigkeit anfallenden Verrichtungen wie die Durchführung von Ausweiskontrollen, Begrüßen und Anmelden von Besuchern und das Überwachen des Fahrzeug- und Warenverkehrs, können auch mit eingeschränkter Handbeweglichkeit verrichtet werden. Der Senat hat dabei auch keinen Zweifel daran, dass die Klägerin in der Lage ist, soweit erforderlich, Notizen mit der rechten Hand zu fertigen oder eine Telefonanlage zu bedienen. Da der Spitzgriff des Daumens der rechten Hand mit allen Langfingern möglich ist, sind auch Schreibarbeiten möglich.
Der mit Schriftsatz vom 25.02.2016 gestellte Beweisantrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens wird abgelehnt. Ein formgerechter Antrag nach § 109 SGG wurde nicht gestellt, weil kein Arzt benannt wurde, der gutachtlich gehört werden soll. Die vom Senat im Schreiben vom 04.02.2016 gesetzte Frist, innerhalb der Gelegenheit zur Äußerung gegeben wurde, war ersichtlich ausreichend bemessen.
Der in diesem Schriftsatz (auch) gestellte Beweisantrag auf Einholung eines (weiteren) Gutachtens von Amts wegen wird ebenfalls abgelehnt. Ein weiteres Gutachten ist nicht notwendig, da durch den im Klageverfahren gehörten Sachverständigen Dr. M. das Gegenteil der von der Klägerin behaupteten Tatsache – nämlich ein erhaltenes Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeiten - bereits erwiesen ist (vgl § 244 Abs 3 Satz 2 Strafprozessordnung). Überdies hat das Gutachten des Dr. M. dem Senat die zur Beantwortung der Beweisfrage erforderliche Sachkunde vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 412 Abs 1 ZPO), es geht von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthält keine inhaltliche Widersprüche und gibt auch keinen Anlass an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters zu zweifeln.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved