Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 280/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 2998/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
für Recht erkannt: Tenor: Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 15.06.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens zuletzt noch die Feststellung von Schmerzen im Nackenbereich und Schwindelanfällen als Folge des Arbeitsunfalles vom 10.12.2007 streitig.
Dem Kläger war am Unfalltag eine Stoßklammer auf die Nase gefallen, als er mit dem Blick nach oben auf einer Leiter stand und einem über ihm die Stoßklammer montierenden Kollegen bei der Montage zugeschaut hatte. Die durchgangsärztliche Untersuchung am Unfalltag führte zu der Diagnose einer Schädelprellung, Kopfplatzwunde und Nasenbeininfraktion (Durchgangsarztbericht von Dr. Wü. vom 10.12.2007).
Mit Bescheid vom 09.02.2009 wurden von der Beklagten anlässlich des Arbeitsunfalles vom 10.12.2007 "Leistungen" aufgrund der "erlittenen Schädelprellung mit Kopfplatzwunde und Nasenbeinfraktur vom 10.12.2007 bis zum 22.08.2008" anerkannt. Die wegen anhaltenden Nackenschmerzen veranlasste Magnetresonanztomographie habe ein degeneratives Halswirbelsäulen(HWS)-Syndrom mit Prolaps bei C3/4 und Protrusionen bei C4/5 und C5/6 ergeben, diese seien nicht Unfallfolge. Da die Unfallfolgen folgenlos ausgeheilt seien, bestünde kein Anspruch auf eine Verletztenrente. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.03.2009 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen.
Hiergegen richtete sich die unter dem Aktenzeichen S 5 U 1038/09 vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG) anhängig gewesene Klage. Das SG holte von Amts wegen das Gutachten von Dr. L. vom 08.10.2009 und auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten von Dr. We. vom 03.02.2010 ein. Der Sachverständige Dr. L. führte aus, beim Kläger seien aufwendige apparative diagnostische Untersuchungen eineinhalb Jahre vor dem Unfall an der HWS und der Lendenwirbelsäule (LWS) durchgeführt worden, was der Kläger bei der Anamneseerhebung bei seiner Untersuchung verschwiegen habe. Traumaspezifische Veränderungen im gesamten HWS-Bereich seien in den zeitnah nach dem Unfall kernspintomographisch gefertigten Aufnahmen nicht ersichtlich. Zwar sei dem Kläger ein 3 kg schweres Konstruktionsteil aus 50 cm Höhe direkt auf das Gesicht gefallen, jedoch bei der Erstversorgung durch Dr. Wü. seien keine neurologischen Ausfälle bzw. Bewegungseinschränkungen und Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der HWS dokumentiert worden. Die Nasenrückeninfraktion des Nasenbeins ohne wesentliche Verschiebung sei folgenlos ausgeheilt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) läge bei unter 10 v.H. Dr. We. kam zu dem Ergebnis, möglicherweise sei neben den von der Beklagten anerkannten Unfallfolgen weiterhin eine für wenige Tage bis höchstens 2 bis 3 Wochen anhaltende Verspannungsproblematik der Nackenmuskulatur auf den Unfall zurückzuführen. In Abweichung zu den bisherigen Angaben habe der Kläger bei seiner Unfallschilderung eine Fallhöhe des Eisenteils von 2,5 m angegeben. Die praktisch identischen bildgebenden Befunde der HWS vor und nach dem Unfall sprächen gegen eine durch den Unfall aufgetretene Verletzung der HWS. Daraufhin wurde mit Schreiben vom 15.03.2010 die Klage in dem Verfahren S 5 U 1038/09 zurückgenommen.
Mit Schreiben vom 15.02.2011 forderte die Klägerbevollmächtigte die Beklagte auf, den Bescheid vom "04.03.2008" gemäß § 44 SGB X auf seine Richtigkeit zu überprüfen. Dem Kläger sei Verletztenrente zu gewähren. Zu rügen sei die Feststellung, dass die Verletzungen des Unfalls folgenlos ausgeheilt seien (Schriftsatz vom 17.12.2012).
Mit Bescheid vom 13.08.2014 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 09.02.2009 ab. Die Überprüfung habe ergeben, dass weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Den hiergegen mit der Begründung eingelegten Widerspruch vom 08.09.2014, seit dem Unfall hätten Nackenschmerzen und Schwindelerscheinungen bestanden, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2014 - der Klägerbevollmächtigten am 05.01.2015 zugegangen - zurück.
Der Kläger erhob am 27.01.2015 Klage vor dem SG. Zur Begründung wiederholte er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen, dass die gesundheitlichen Beschwerden nach dem Arbeitsunfall vom 10.12.2007 nicht folgenlos ausgeheilt seien. Er habe vor dem Unfall keine Beschwerden oder Probleme im Nackenbereich gehabt und auch nicht unter Schwindel gelitten. Erst der Arbeitsunfall habe zu diesen Beschwerden geführt.
Mit Gerichtsbescheid vom 15.06.2015 wies das SG die Klage ab. Es sei weder ersichtlich, dass der ursprüngliche Verwaltungsakt schon aus rechtlichen Gründen keinen Bestand hätte haben können noch sei erkennbar, dass von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise. Die im vorangegangenen Verfahren durchgeführten Ermittlungen, insbesondere die eingeholten Gutachten, würden vom Kläger mit keinem Wort erwähnt. Es ergäben sich keine Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit der bindenden Entscheidung, auch habe der Antragsteller keine neuen Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen.
Gegen den der Klägerbevollmächtigten am 18.06.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerbevollmächtigte am Montag, den 20.07.2015 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt und hat zur Begründung ausgeführt, zu rügen sei ausdrücklich, dass die Beklagte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sei. Der Kläger habe auf Anweisung seines Vorgesetzten eine Schalungstafel festgehalten und sein Chef habe in 2,5 m Höhe über ihm gearbeitet. Dabei sei dem Vorgesetzten das Eisenteil aus den Händen gerutscht und dem Kläger auf das Gesicht gefallen. Seither leide der Kläger an massiven Schmerzen im Nackenbereich sowie unter Schwindelanfällen. Die gerichtlichen Sachverständigen Dr. L. und Dr. We. hätten eine folgenlose Ausheilung der diagnostizierten Platzwunde der Augenbraue, der Nasenbeininfraktion ohne wesentliche Verschiebung angenommen und die Nackenbeschwerden des Klägers sowie die Schwindelanfälle auf die Implantation einer Bandscheibenprothese bei C3/4 sowie die Bandscheibendegeneration der Segmente C4/5 und C5/6 angenommen. Dies werde ausdrücklich gerügt, denn keiner der behandelnden Ärzte verfüge über die fachärztliche Eignung auf den Fachgebieten der Psychiatrie und Neurologie. Eine erforderliche Begutachtung durch einen Facharzt für Psychiatrie und Neurologie sei bisher nicht erfolgt.
Der Kläger beantragt – sachdienlich gefasst –, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 15.06.2015 sowie den Bescheid vom 13.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.12.2014 aufzuheben und in Abänderung des Bescheids vom 09.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.03.2009 die Gesundheitsstörungen des Klägers mit Schmerzen im Nackenbereich sowie Schwindelanfälle als Folgen des Arbeitsunfalls vom 10.12.2007 festzustellen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Ausführungen des Gerichtsbescheids in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht.
Den Beteiligten ist der richterliche Hinweis vom 28.10.2015 erteilt worden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Der Senat hat die Akte der Beklagten und die Akten des SG einschließlich der Vorakte S 5 U 1038/09 beigezogen. Auf diese Unterlagen und auf die vor dem Senat angefallene Berufungsakte wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, jedoch unbegründet.
Das SG hat die Klage mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 13.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.12.2014, mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, dem Kläger unter teilweiser Abänderung des Bescheids vom 09.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.03.2009 Verletztenrente zu gewähren bzw. weitere Unfallfolgen festzustellen, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abänderung des bestandskräftigen Bescheids nach § 44 SGB X und auf die zuletzt nur noch begehrte Feststellung von Unfallfolgen.
Richtige Klageart zur Erreichung des angestrebten Ziels ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Einer zusätzlichen Verpflichtungsklage, mit der die Beklagte verpflichtet werden soll, ihren früheren, dem Anspruch entgegenstehenden Bescheid selbst aufzuheben, bedarf es in einem Gerichtsverfahren zur Überprüfung eines Verwaltungsakts nach § 44 SGB X nicht. Nach der Rechtsprechung des 2. Senats des BSG - anders die Entscheidungen des 9. und des 4. Senats des BSG (BSG vom 3. Februar 1988 - 9/9a RV 18/86 - BSGE 63, 33 = SozR 1300 § 44 Nr. 33 und BSG vom 3. April 2004 - B 4 RA 22/00 R - BSGE 88, 75 = SozR 3-2200 § 1265 Nr. 20) - kann mit der Anfechtungsklage gegen den eine Zugunstenentscheidung ablehnenden Bescheid zugleich die Aufhebung des früheren, dem Klageanspruch entgegenstehenden (Ausgangs-)Bescheides unmittelbar durch das Gericht verlangt werden (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 18; vgl. auch Senatsurteile vom 25.01.2013 - L 8 U 4645/11 juris und 01.07.2011 - L 8 U 4065/10 juris RdNr. 24). Zwar ging das SG von der Notwendigkeit einer solchen Verpflichtung entsprechend der genannten Rechtsprechung der nicht für das Unfallversicherungsrecht zuständigen anderen Senaten des BSG aus, doch hat der Senat das Begehren des Klägers insoweit sachdienlich verstanden und den Antrag entsprechend ausgelegt. Soweit aus den Entscheidungen des 9. und des 4. Senats des BSG, die in Anlehnung an die gerichtlichen Wiederaufnahmeverfahren (vgl. §§ 578 ff der Zivilprozessordnung) oder an § 51 VwVfG ein abgestuftes Prüfungsverfahren (Vorlage neuer Tatsachen oder Erkenntnisse - Prüfung derselben, insbesondere ob sie erheblich sind - Prüfung, ob Rücknahme zu erfolgen hat - neue Entscheidung) fordern, folgt für die sachliche Prüfung nichts Anderes. Unabhängig von der Frage, inwieweit der Rechtsprechung zu einem abgestuften Prüfungsverfahren gefolgt werden kann, ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zwei Alternativen anführt, weswegen ein Verwaltungsakt zurückzunehmen sein kann: Das Recht kann unrichtig angewandt oder es kann von einem Sachverhalt ausgegangen worden sein, der sich als unrichtig erweist. Nur für die zweite Alternative kann es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel und ein abgestuftes Verfahren, wie oben dargestellt, ankommen. Bei der ersten Alternative handelt es sich um eine rein juristische Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, zu der von Seiten des Klägers zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen muss (vgl. BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 18).
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen (BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 24). Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr. 15; BSG SozR 2200 § 1268 Nr. 29). Auch wenn der Versicherte schon wiederholt Überprüfungsanträge nach § 44 SGB X gestellt hat, darf die Verwaltung einen erneuten Antrag nicht ohne Rücksicht auf die wirkliche Sach- und Rechtslage zurückweisen. Entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten muss sie in eine erneute Prüfung eintreten und den Antragsteller bescheiden (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 18 m. w. H.). Dabei ist innerhalb des Zugunstenverfahrens maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des zur Überprüfung gestellten Bescheides der Zeitpunkt seines Erlasses (vgl. Schütze in v. Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl., § 44, RdNr. 24 i.V.m. RdNr. 9). Zur Beurteilung der Fehlerhaftigkeit des streitgegenständlichen Bescheids kommt es im Übrigen nicht auf den Stand der Erkenntnis bei Erlass, sondern bei Überprüfung an. Erforderlich ist dazu eine rückschauende Betrachtungsweise im Lichte einer - eventuell geläuterten - Rechtsauffassung zu der bei Erlass des zu überprüfenden Verwaltungsaktes geltenden Sach- und Rechtslage. In diesem Sinne beurteilt sich die Rechtswidrigkeit nach der damaligen Sach- und Rechtslage aus heutiger Sicht (vgl. Schütze, a.a.O., RdNr. 10 m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen ist mit dem angefochtenen Bescheid der Beklagten rechtlich zutreffend die begehrte Abänderung des bestandskräftigen Bescheids vom 09.02.2009 abgelehnt worden.
Der Kläger rügt, dass die Beklagte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist. Jedoch ergibt sich aus dem Vorbringen nicht, worin die entscheidungsrelevante Abweichung von der Sachverhaltsfeststellung der Beklagten beruht. Der im Berufungsverfahren dargelegte Unfallablauf ist in dem im vorangegangenen, durch Rücknahme beendeten Klageverfahren von beiden Sachverständigen zugrunde gelegt worden. Sowohl Dr. L. als auch Dr. We. sind davon ausgegangen, dass dem Kläger bei nach hinten gebeugtem Kopf ein Eisenteil von oben auf das Gesicht gefallen ist. Lediglich hinsichtlich der Fallhöhe sind Abweichungen möglich, denn Dr. L. ging entsprechend der Unfallanzeige des Unternehmers von einer Fallhöhe von 50 cm aus, wohingegen im Gutachten von Dr. We. eine Fallhöhe von 2,5 m als anamnestische Angaben des Klägers angeführt wird. Im Hinblick auf den am Unfalltag durch den Durchgangsarzt erhobenen klinischen Befund und die bildgebenden Befunde zur HWS, die vor und nach dem Unfall erhoben worden sind, und beiden Sachverständigen zur Verfügung standen, sind jedoch beide begutachtenden Ärzte zu dem übereinstimmenden Ergebnis gelangt, dass eine HWS-Läsion durch die Unfalleinwirkung nicht zu diagnostizieren ist. Hierbei hat die Fallhöhe des die Gesichtsverletzungen herbeiführenden Eisenteils ersichtlich keine Rolle gespielt. Dieser Beurteilung war der Kläger auch beigetreten, wie die Rücknahme der Klage nach Vorlage des Gutachtens von Dr. We. zeigt. Bis zu diesem Zeitpunkt war eine unzureichende Sachverhaltsaufklärung oder eine Abweichung des den Gutachten zugrunde gelegten Sachverhalts von Klägerseite nicht geltend gemacht worden. Diese Beurteilung der Unfallfolgen durch die Sachverständigen, worauf das SG bereits ebenso abgestellt hat, ist auch aus Sicht des Senats nachvollziehbar. Anknüpfungstatsachen, die diese medizinische Sachverhaltsfeststellung widerlegen könnten, sind vom Kläger weder vorgetragen noch aus den beigezogenen Akten für den Senat ersichtlich.
Soweit gerügt wird, es sei eine psychiatrisch-neurologische Untersuchung unterlassen worden, ist bereits nicht erkennbar, welche konkrete Tatsachenfeststellung in Abweichung zu dem der bestandskräftigen Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt hierdurch hätte getroffen werden können. Die bereits im vorangegangenen Verfahren geltend gemachten Nackenbeschwerden und Schwindelanfälle sind von den gerichtlichen Sachverständigen den degenerativ bedingten HWS-Bandscheibenveränderungen zugeschrieben worden, ohne dass von den Sachverständigen eine Indikation für eine weitere fachärztliche Abklärung gesehen worden ist. Anzumerken ist, dass Schwindelanfälle erstmals im Klageverfahren bei der Untersuchung durch Dr. L. angegeben worden waren und Schwindelerscheinungen von den behandelnden Ärzten nach dem Unfall nicht dokumentiert worden sind. Ein Drehschwindel wird erstmals im Befundbericht des M. Hospital S. vom 25.03.2009 (Bl. 79 der SG-Akte S 5 U 1038/09) in der Anamnese erwähnt und eine orthopädische Abklärung empfohlen. Die Beurteilung des Beschwerdebildes einer Bandscheibenschädigung der HWS fällt in das Fachgebiet Orthopädie bzw. Unfallchirurgie, weshalb die Sachverständigen Dr. L. und Dr. We. auch die ausreichende Fachkompetenz für die von ihnen getroffenen gutachterlichen Einschätzungen hatten. Abgesehen davon, dass aus der verfahrensrechtlichen – letztlich unzutreffenden – Rüge einer ungenügenden Sachaufklärung durch die Beklagte bereits nicht behauptet wird, welcher andere konkrete Sachverhalt dadurch hätte aufgeklärt werden können, z.B. sind zerebrale Schädigungen weder behauptet worden noch drängt sich ein solcher Sachverhalt bei dem festgestellten Unfallablauf mit Einwirkung auf das Gesicht und nicht auf die Schädelkalotte auf, ist die Behauptung von fortdauernden Nackenbeschwerden und anhaltenden Schwindelanfällen auch nicht geeignet, einen Unfallzusammenhang im Rückblick nunmehr hinreichend wahrscheinlich zu machen. Diese Beschwerden sind auf die fortbestehenden, unfallunabhängigen degenerativen HWS-Veränderungen mit Bandscheibenimplantat zu beziehen, wie dies den Gutachten von Dr. L. und Dr. We. entnommen werden kann. Dass neue medizinische Befunde beim Kläger erhoben worden sind oder neuere wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die eine andere Zusammenhangsbeurteilung erlauben, ist weder substantiiert dargelegt noch ergeben sich für den Senat hierfür Anhaltspunkte aus den Akten.
Bei dieser Sachlage bestand kein Anlass zu weiteren Ermittlungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens zuletzt noch die Feststellung von Schmerzen im Nackenbereich und Schwindelanfällen als Folge des Arbeitsunfalles vom 10.12.2007 streitig.
Dem Kläger war am Unfalltag eine Stoßklammer auf die Nase gefallen, als er mit dem Blick nach oben auf einer Leiter stand und einem über ihm die Stoßklammer montierenden Kollegen bei der Montage zugeschaut hatte. Die durchgangsärztliche Untersuchung am Unfalltag führte zu der Diagnose einer Schädelprellung, Kopfplatzwunde und Nasenbeininfraktion (Durchgangsarztbericht von Dr. Wü. vom 10.12.2007).
Mit Bescheid vom 09.02.2009 wurden von der Beklagten anlässlich des Arbeitsunfalles vom 10.12.2007 "Leistungen" aufgrund der "erlittenen Schädelprellung mit Kopfplatzwunde und Nasenbeinfraktur vom 10.12.2007 bis zum 22.08.2008" anerkannt. Die wegen anhaltenden Nackenschmerzen veranlasste Magnetresonanztomographie habe ein degeneratives Halswirbelsäulen(HWS)-Syndrom mit Prolaps bei C3/4 und Protrusionen bei C4/5 und C5/6 ergeben, diese seien nicht Unfallfolge. Da die Unfallfolgen folgenlos ausgeheilt seien, bestünde kein Anspruch auf eine Verletztenrente. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.03.2009 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen.
Hiergegen richtete sich die unter dem Aktenzeichen S 5 U 1038/09 vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG) anhängig gewesene Klage. Das SG holte von Amts wegen das Gutachten von Dr. L. vom 08.10.2009 und auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten von Dr. We. vom 03.02.2010 ein. Der Sachverständige Dr. L. führte aus, beim Kläger seien aufwendige apparative diagnostische Untersuchungen eineinhalb Jahre vor dem Unfall an der HWS und der Lendenwirbelsäule (LWS) durchgeführt worden, was der Kläger bei der Anamneseerhebung bei seiner Untersuchung verschwiegen habe. Traumaspezifische Veränderungen im gesamten HWS-Bereich seien in den zeitnah nach dem Unfall kernspintomographisch gefertigten Aufnahmen nicht ersichtlich. Zwar sei dem Kläger ein 3 kg schweres Konstruktionsteil aus 50 cm Höhe direkt auf das Gesicht gefallen, jedoch bei der Erstversorgung durch Dr. Wü. seien keine neurologischen Ausfälle bzw. Bewegungseinschränkungen und Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der HWS dokumentiert worden. Die Nasenrückeninfraktion des Nasenbeins ohne wesentliche Verschiebung sei folgenlos ausgeheilt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) läge bei unter 10 v.H. Dr. We. kam zu dem Ergebnis, möglicherweise sei neben den von der Beklagten anerkannten Unfallfolgen weiterhin eine für wenige Tage bis höchstens 2 bis 3 Wochen anhaltende Verspannungsproblematik der Nackenmuskulatur auf den Unfall zurückzuführen. In Abweichung zu den bisherigen Angaben habe der Kläger bei seiner Unfallschilderung eine Fallhöhe des Eisenteils von 2,5 m angegeben. Die praktisch identischen bildgebenden Befunde der HWS vor und nach dem Unfall sprächen gegen eine durch den Unfall aufgetretene Verletzung der HWS. Daraufhin wurde mit Schreiben vom 15.03.2010 die Klage in dem Verfahren S 5 U 1038/09 zurückgenommen.
Mit Schreiben vom 15.02.2011 forderte die Klägerbevollmächtigte die Beklagte auf, den Bescheid vom "04.03.2008" gemäß § 44 SGB X auf seine Richtigkeit zu überprüfen. Dem Kläger sei Verletztenrente zu gewähren. Zu rügen sei die Feststellung, dass die Verletzungen des Unfalls folgenlos ausgeheilt seien (Schriftsatz vom 17.12.2012).
Mit Bescheid vom 13.08.2014 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 09.02.2009 ab. Die Überprüfung habe ergeben, dass weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Den hiergegen mit der Begründung eingelegten Widerspruch vom 08.09.2014, seit dem Unfall hätten Nackenschmerzen und Schwindelerscheinungen bestanden, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2014 - der Klägerbevollmächtigten am 05.01.2015 zugegangen - zurück.
Der Kläger erhob am 27.01.2015 Klage vor dem SG. Zur Begründung wiederholte er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen, dass die gesundheitlichen Beschwerden nach dem Arbeitsunfall vom 10.12.2007 nicht folgenlos ausgeheilt seien. Er habe vor dem Unfall keine Beschwerden oder Probleme im Nackenbereich gehabt und auch nicht unter Schwindel gelitten. Erst der Arbeitsunfall habe zu diesen Beschwerden geführt.
Mit Gerichtsbescheid vom 15.06.2015 wies das SG die Klage ab. Es sei weder ersichtlich, dass der ursprüngliche Verwaltungsakt schon aus rechtlichen Gründen keinen Bestand hätte haben können noch sei erkennbar, dass von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise. Die im vorangegangenen Verfahren durchgeführten Ermittlungen, insbesondere die eingeholten Gutachten, würden vom Kläger mit keinem Wort erwähnt. Es ergäben sich keine Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit der bindenden Entscheidung, auch habe der Antragsteller keine neuen Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen.
Gegen den der Klägerbevollmächtigten am 18.06.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerbevollmächtigte am Montag, den 20.07.2015 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt und hat zur Begründung ausgeführt, zu rügen sei ausdrücklich, dass die Beklagte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sei. Der Kläger habe auf Anweisung seines Vorgesetzten eine Schalungstafel festgehalten und sein Chef habe in 2,5 m Höhe über ihm gearbeitet. Dabei sei dem Vorgesetzten das Eisenteil aus den Händen gerutscht und dem Kläger auf das Gesicht gefallen. Seither leide der Kläger an massiven Schmerzen im Nackenbereich sowie unter Schwindelanfällen. Die gerichtlichen Sachverständigen Dr. L. und Dr. We. hätten eine folgenlose Ausheilung der diagnostizierten Platzwunde der Augenbraue, der Nasenbeininfraktion ohne wesentliche Verschiebung angenommen und die Nackenbeschwerden des Klägers sowie die Schwindelanfälle auf die Implantation einer Bandscheibenprothese bei C3/4 sowie die Bandscheibendegeneration der Segmente C4/5 und C5/6 angenommen. Dies werde ausdrücklich gerügt, denn keiner der behandelnden Ärzte verfüge über die fachärztliche Eignung auf den Fachgebieten der Psychiatrie und Neurologie. Eine erforderliche Begutachtung durch einen Facharzt für Psychiatrie und Neurologie sei bisher nicht erfolgt.
Der Kläger beantragt – sachdienlich gefasst –, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 15.06.2015 sowie den Bescheid vom 13.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.12.2014 aufzuheben und in Abänderung des Bescheids vom 09.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.03.2009 die Gesundheitsstörungen des Klägers mit Schmerzen im Nackenbereich sowie Schwindelanfälle als Folgen des Arbeitsunfalls vom 10.12.2007 festzustellen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Ausführungen des Gerichtsbescheids in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht.
Den Beteiligten ist der richterliche Hinweis vom 28.10.2015 erteilt worden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Der Senat hat die Akte der Beklagten und die Akten des SG einschließlich der Vorakte S 5 U 1038/09 beigezogen. Auf diese Unterlagen und auf die vor dem Senat angefallene Berufungsakte wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, jedoch unbegründet.
Das SG hat die Klage mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 13.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.12.2014, mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, dem Kläger unter teilweiser Abänderung des Bescheids vom 09.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.03.2009 Verletztenrente zu gewähren bzw. weitere Unfallfolgen festzustellen, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abänderung des bestandskräftigen Bescheids nach § 44 SGB X und auf die zuletzt nur noch begehrte Feststellung von Unfallfolgen.
Richtige Klageart zur Erreichung des angestrebten Ziels ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Einer zusätzlichen Verpflichtungsklage, mit der die Beklagte verpflichtet werden soll, ihren früheren, dem Anspruch entgegenstehenden Bescheid selbst aufzuheben, bedarf es in einem Gerichtsverfahren zur Überprüfung eines Verwaltungsakts nach § 44 SGB X nicht. Nach der Rechtsprechung des 2. Senats des BSG - anders die Entscheidungen des 9. und des 4. Senats des BSG (BSG vom 3. Februar 1988 - 9/9a RV 18/86 - BSGE 63, 33 = SozR 1300 § 44 Nr. 33 und BSG vom 3. April 2004 - B 4 RA 22/00 R - BSGE 88, 75 = SozR 3-2200 § 1265 Nr. 20) - kann mit der Anfechtungsklage gegen den eine Zugunstenentscheidung ablehnenden Bescheid zugleich die Aufhebung des früheren, dem Klageanspruch entgegenstehenden (Ausgangs-)Bescheides unmittelbar durch das Gericht verlangt werden (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 18; vgl. auch Senatsurteile vom 25.01.2013 - L 8 U 4645/11 juris und 01.07.2011 - L 8 U 4065/10 juris RdNr. 24). Zwar ging das SG von der Notwendigkeit einer solchen Verpflichtung entsprechend der genannten Rechtsprechung der nicht für das Unfallversicherungsrecht zuständigen anderen Senaten des BSG aus, doch hat der Senat das Begehren des Klägers insoweit sachdienlich verstanden und den Antrag entsprechend ausgelegt. Soweit aus den Entscheidungen des 9. und des 4. Senats des BSG, die in Anlehnung an die gerichtlichen Wiederaufnahmeverfahren (vgl. §§ 578 ff der Zivilprozessordnung) oder an § 51 VwVfG ein abgestuftes Prüfungsverfahren (Vorlage neuer Tatsachen oder Erkenntnisse - Prüfung derselben, insbesondere ob sie erheblich sind - Prüfung, ob Rücknahme zu erfolgen hat - neue Entscheidung) fordern, folgt für die sachliche Prüfung nichts Anderes. Unabhängig von der Frage, inwieweit der Rechtsprechung zu einem abgestuften Prüfungsverfahren gefolgt werden kann, ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zwei Alternativen anführt, weswegen ein Verwaltungsakt zurückzunehmen sein kann: Das Recht kann unrichtig angewandt oder es kann von einem Sachverhalt ausgegangen worden sein, der sich als unrichtig erweist. Nur für die zweite Alternative kann es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel und ein abgestuftes Verfahren, wie oben dargestellt, ankommen. Bei der ersten Alternative handelt es sich um eine rein juristische Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, zu der von Seiten des Klägers zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen muss (vgl. BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 18).
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen (BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 24). Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr. 15; BSG SozR 2200 § 1268 Nr. 29). Auch wenn der Versicherte schon wiederholt Überprüfungsanträge nach § 44 SGB X gestellt hat, darf die Verwaltung einen erneuten Antrag nicht ohne Rücksicht auf die wirkliche Sach- und Rechtslage zurückweisen. Entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten muss sie in eine erneute Prüfung eintreten und den Antragsteller bescheiden (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 18 m. w. H.). Dabei ist innerhalb des Zugunstenverfahrens maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des zur Überprüfung gestellten Bescheides der Zeitpunkt seines Erlasses (vgl. Schütze in v. Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl., § 44, RdNr. 24 i.V.m. RdNr. 9). Zur Beurteilung der Fehlerhaftigkeit des streitgegenständlichen Bescheids kommt es im Übrigen nicht auf den Stand der Erkenntnis bei Erlass, sondern bei Überprüfung an. Erforderlich ist dazu eine rückschauende Betrachtungsweise im Lichte einer - eventuell geläuterten - Rechtsauffassung zu der bei Erlass des zu überprüfenden Verwaltungsaktes geltenden Sach- und Rechtslage. In diesem Sinne beurteilt sich die Rechtswidrigkeit nach der damaligen Sach- und Rechtslage aus heutiger Sicht (vgl. Schütze, a.a.O., RdNr. 10 m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen ist mit dem angefochtenen Bescheid der Beklagten rechtlich zutreffend die begehrte Abänderung des bestandskräftigen Bescheids vom 09.02.2009 abgelehnt worden.
Der Kläger rügt, dass die Beklagte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist. Jedoch ergibt sich aus dem Vorbringen nicht, worin die entscheidungsrelevante Abweichung von der Sachverhaltsfeststellung der Beklagten beruht. Der im Berufungsverfahren dargelegte Unfallablauf ist in dem im vorangegangenen, durch Rücknahme beendeten Klageverfahren von beiden Sachverständigen zugrunde gelegt worden. Sowohl Dr. L. als auch Dr. We. sind davon ausgegangen, dass dem Kläger bei nach hinten gebeugtem Kopf ein Eisenteil von oben auf das Gesicht gefallen ist. Lediglich hinsichtlich der Fallhöhe sind Abweichungen möglich, denn Dr. L. ging entsprechend der Unfallanzeige des Unternehmers von einer Fallhöhe von 50 cm aus, wohingegen im Gutachten von Dr. We. eine Fallhöhe von 2,5 m als anamnestische Angaben des Klägers angeführt wird. Im Hinblick auf den am Unfalltag durch den Durchgangsarzt erhobenen klinischen Befund und die bildgebenden Befunde zur HWS, die vor und nach dem Unfall erhoben worden sind, und beiden Sachverständigen zur Verfügung standen, sind jedoch beide begutachtenden Ärzte zu dem übereinstimmenden Ergebnis gelangt, dass eine HWS-Läsion durch die Unfalleinwirkung nicht zu diagnostizieren ist. Hierbei hat die Fallhöhe des die Gesichtsverletzungen herbeiführenden Eisenteils ersichtlich keine Rolle gespielt. Dieser Beurteilung war der Kläger auch beigetreten, wie die Rücknahme der Klage nach Vorlage des Gutachtens von Dr. We. zeigt. Bis zu diesem Zeitpunkt war eine unzureichende Sachverhaltsaufklärung oder eine Abweichung des den Gutachten zugrunde gelegten Sachverhalts von Klägerseite nicht geltend gemacht worden. Diese Beurteilung der Unfallfolgen durch die Sachverständigen, worauf das SG bereits ebenso abgestellt hat, ist auch aus Sicht des Senats nachvollziehbar. Anknüpfungstatsachen, die diese medizinische Sachverhaltsfeststellung widerlegen könnten, sind vom Kläger weder vorgetragen noch aus den beigezogenen Akten für den Senat ersichtlich.
Soweit gerügt wird, es sei eine psychiatrisch-neurologische Untersuchung unterlassen worden, ist bereits nicht erkennbar, welche konkrete Tatsachenfeststellung in Abweichung zu dem der bestandskräftigen Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt hierdurch hätte getroffen werden können. Die bereits im vorangegangenen Verfahren geltend gemachten Nackenbeschwerden und Schwindelanfälle sind von den gerichtlichen Sachverständigen den degenerativ bedingten HWS-Bandscheibenveränderungen zugeschrieben worden, ohne dass von den Sachverständigen eine Indikation für eine weitere fachärztliche Abklärung gesehen worden ist. Anzumerken ist, dass Schwindelanfälle erstmals im Klageverfahren bei der Untersuchung durch Dr. L. angegeben worden waren und Schwindelerscheinungen von den behandelnden Ärzten nach dem Unfall nicht dokumentiert worden sind. Ein Drehschwindel wird erstmals im Befundbericht des M. Hospital S. vom 25.03.2009 (Bl. 79 der SG-Akte S 5 U 1038/09) in der Anamnese erwähnt und eine orthopädische Abklärung empfohlen. Die Beurteilung des Beschwerdebildes einer Bandscheibenschädigung der HWS fällt in das Fachgebiet Orthopädie bzw. Unfallchirurgie, weshalb die Sachverständigen Dr. L. und Dr. We. auch die ausreichende Fachkompetenz für die von ihnen getroffenen gutachterlichen Einschätzungen hatten. Abgesehen davon, dass aus der verfahrensrechtlichen – letztlich unzutreffenden – Rüge einer ungenügenden Sachaufklärung durch die Beklagte bereits nicht behauptet wird, welcher andere konkrete Sachverhalt dadurch hätte aufgeklärt werden können, z.B. sind zerebrale Schädigungen weder behauptet worden noch drängt sich ein solcher Sachverhalt bei dem festgestellten Unfallablauf mit Einwirkung auf das Gesicht und nicht auf die Schädelkalotte auf, ist die Behauptung von fortdauernden Nackenbeschwerden und anhaltenden Schwindelanfällen auch nicht geeignet, einen Unfallzusammenhang im Rückblick nunmehr hinreichend wahrscheinlich zu machen. Diese Beschwerden sind auf die fortbestehenden, unfallunabhängigen degenerativen HWS-Veränderungen mit Bandscheibenimplantat zu beziehen, wie dies den Gutachten von Dr. L. und Dr. We. entnommen werden kann. Dass neue medizinische Befunde beim Kläger erhoben worden sind oder neuere wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die eine andere Zusammenhangsbeurteilung erlauben, ist weder substantiiert dargelegt noch ergeben sich für den Senat hierfür Anhaltspunkte aus den Akten.
Bei dieser Sachlage bestand kein Anlass zu weiteren Ermittlungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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