L 1 KR 328/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 27 KR 254/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 328/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt aktuell noch die Erstattung von 900,00 EUR.

Die bei der Beklagten versicherte Klägerin beantragte am 9. April 2013 die Versorgung mit einem Elektromobil mit einer Leistung von 15 km/h unter Vorlage eines ärztlichen Attestes.

Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 23. April 2013 einen Elektrorollstuhl in der Version bis 6 km/h und lehnte die Versorgung mit einem 15 km/h Antrieb ab.

Die Klägerin erhob Widerspruch. Um ihre Lebensqualität entscheidend verbessern zu können, benötige sie das schnellere Fahrzeug, da die nächstgelegenen Einkaufsmärkte, Ärzte und Apotheke alle in weiterer Entfernung lägen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6. August 2013 (Zustellung 22. August 2013) zurück. Die von ihr zu gewährleistende Mobilität sei auf den unmittelbaren Wohnbereich begrenzt. Die Höchstgeschwindigkeit sei aus der normalen Gehgeschwindigkeit abgeleitet, die bei circa 6 km/h liege.

Hiergegen hat die Klägerin am (Montag, den) 23. September 2013 Berufung beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) (SG) erhoben. Sie benötige das begehrte Elektromobil, um das Grundbedürfnis der Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraumes im Nahbereich zur Wohnung zu ermöglichen.

Mit Gerichtsbescheid vom 28. Juli 2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 23. April 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2013 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Diese habe unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil der 15 km/h Version. Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i. V. m. § 33 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) hätten Versicherte im Rahmen der Krankenbehandlung Anspruch auf Versorgung u. a. mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich seien, um u. a. eine Behinderung auszugleichen (3. Alternative), soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 5 SGB V ausgeschlossen seien. Ein Anspruch auf eine Versorgung mit dem Hilfsmittel bestehe zudem nur, soweit es ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sei und das Maß des Notwendigen nicht überschreite. Darüber hinausgehende Leistungen dürfe die Krankenversicherung gemäß § 12 SGB V nicht bewilligen. Das begehrte Elektromobil sei zwar kein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Ferner sei die Versorgung der Klägerin mit einem Elektromobil auch erforderlich im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Dem trage der Bewilligungsbescheid der Beklagten Rechnung. Ein Anspruch auf ein Elektromobil in der 15 km/h Version lasse sich jedoch nicht auf § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V stützen, auch nicht auf § 33 Sozialgesetzbuch Erstes Buch. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) seien die Leistungspflichten der gesetzlichen Krankenversicherung bei einem sogenannten mittelbaren Behinderungsausgleich, wenn das Hilfsmittel zum Ausgleich von direkten und indirekten Folgen der Behinderung benötigt werde, beschränkter als bei einem unmittelbaren Behinderungsausgleich. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich sei nur dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitige oder mildere und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betreffe. Zu diesen allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehöre das Gehen, das selbständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R - m. w. N.). Für den Ausgleich darüber hinaus seien ggf. andere Sozialleistungsträger zuständig. Auch hier gehe es um einen mittelbaren Behinderungsausgleich der eingeschränkten Körperfunktion des Gehens. Zum von der Krankenversicherung zu leistenden Basisausgleich gehöre hier letztlich nur die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen wie etwa einen Supermarkt, einen Arzt, eine Apotheke, ein Geldinstitut oder die Post zu erreichen, d. h. die Stellen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen seien (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 16. September 1999 - B 3 KR 8/98 R). Soweit das Hilfsmittel eingesetzt werden solle, um Entfernungen zurückzulegen, die über das zu Fuß Erreichbare hinausgingen, bedürfe es zusätzlicher qualitativer Momente, um die Anwendbarkeit des § 33 Abs. 1 Satz 1 Variante 3 SGB V zu eröffnen (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 16. September 2004 - B 3 KR 19/03 R u. a.). Diese Grundsätze gälten auch dann, wenn - wie hier - im Einzelfall die Stellen der Alltagsgeschäfte nicht im Nahbereich lägen, also längere Strecken zurückzulegen seien, welche die Kräfte eines Rollstuhlfahrers möglicherweise überstiegen. Besonderheiten des Wohnortes seien für die Hilfsmitteleigenschaft gerade nicht maßgeblich (Bezugnahme auf die ausdrückliche Rechtsprechung des BSG, Urteil vom 20. Januar 2008 - B 3 KR 16/08 , juris, Rdnr. 15). Unter Beachtung dieser Maßstäbe habe die Beklagte die Klägerin ausreichend mit einem Elektromobil in der Standardausführung mit 6 km/h versorgt. Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, dass ihr Haus nur eine nicht asphaltierte Straße erschlossen werde (Bezugnahme auf den Beschluss des hiesigen Senates vom 13. Dezember 2013 - L 1 KR 365/13 B ER im zum hiesigen Hauptsacheverfahren korrespondierenden Eilzahlverfahren). Es sei ferner nicht ersichtlich, dass die Versorgung mit einem 15 km/h Elektromobil wirtschaftlicher sei. Zuletzt könne die Klägerin auch nicht aus § 14 Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) i. V. m. §§ 53 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII; Eingliederungshilfe) einen Sachleistungsanspruch herleiten.

Gegen diesen ihr am 4. August 2014 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung der Klägerin vom 29. August 2014. Zur Begründung hat sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und ergänzend ausgeführt, die Mehrkosten betrügen lediglich 375,00 Euro.

Im April 2015 hat sich die Klägerin ein Elektromobil K 15 km/h besorgt und hierfür einen Betrag von 900,00 EUR zugezahlt.

Sie beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 23. April 2013 sowie die Beklagte in Abänderung des Bescheides vom 6. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2014 zu verurteilen, ihr 900,00 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Es konnte im schriftlichen Verfahren und durch den Berichterstatter alleine entschieden werden, §§ 155 Abs. 3, 4 , § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beteiligten haben sich mit dieser Vorgehensweise im Erörterungstermin am 31. Juli 2015 einverstanden erklärt.

Der Berufung muss Erfolg versagt bleiben. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Auf die zutreffende ausführliche Begründung im angegriffenen Gerichtsbescheid wird zur Vermeidung bloßer Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen.

Ergänzend ist nur noch auszuführen, dass der Klägerin - wie bereits im Termin erörtert - ein Anspruch auf Versorgung mit dem begehrten Hilfsmittel als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach den Vorschriften des SGB XII nicht zusteht, da sie sich das Elektromobil mittlerweile selbst beschafft hat. Ein Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 15 Abs. 1 SGB IX scheidet aufgrund der Ausnahmevorschrift des Satzes 5 aus (vgl. BSG, Urteil vom 25. Februar 2015 - B 3 KR 13/13 R , Rdnr. 50 ).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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