S 91 AS 27859/12

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
91
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 91 AS 27859/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1.Zur Klagebefugnis bei Geltendmachung einer temporären Bedarfsgemeinschaft
2.Im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II ist Kind der eines Mitglieds einer Bedarfsgemeinschaft nur, wer entweder dessen biologisches Kind ist oder rechtlich als dessen Kind gilt.
3.Eine erweiternde Auslegung der Vorschrift ist nicht geboten, soweit Leistungsberechtigte faktisch die Aufgaben der Eltern wahrnehmen und eine familienähnliche Beziehung zu dem Kind, das nicht biologisch oder rechtlich ihr Kind ist, leben („soziale Eltern“). Dies gilt im Rahmen zeitweiliger Bedarfsgemeinschaften ebenso wie bei dauerhaftem Zusammenleben der Betroffenen.
4.„Soziale Kinder“ sind auch nicht als § 7 Abs. 3 Nr. 3 c) SGB II unterfallender Partner Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ihres „sozialen Elternteils“.
5.Das faktische Einstehen für den vom Regelbedarf umfassten Bedarf des „sozialen Kindes“ lässt diesen nicht zum eigenen Bedarf des „sozialen Elternteils“ werden, der als Mehrbedarf berücksichtigt werden könnte.
I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Beklagte hat dem Kläger dessen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Aufwendungen zu einem Drittel zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt für den Zeitraum Februar 2012 bis Juli 2012 höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) zweites Buch (II) im Zusammenhang mit der Ausübung eines Umgangsrechtes.

Der 1977 geborene Kläger lebte im streitigen Zeitraum von seiner – inzwischen geschiedenen – Ehefrau getrennt. Aufgrund einer vor dem Amtsgericht Schöneberg – Familiengericht – geschlossenen Vereinbarung übte er ein Umgangsrecht mit seiner im Jahr 2009 geborenen Tochter E T und mit dem bereits vor Eingehung der Ehe geborenen Sohn seiner Ehefrau, dem 2003 geborenen N K , aus; wegen der (zwischen den Beteiligten unstreitigen) genauen Tage und Zeiten, zu denen der Umgang stattfand, wird auf die Aufstellungen des Klägers, Bl. 105 bis 109 der Gerichtsakte, verwiesen. Er erzielte außerdem Einkommen aus einer nichtselbstständigen Erwerbstätigkeit.

Auf Antrag des Klägers vom 16. Februar 2012 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 6. Juli 2012 zunächst dem Kläger allein Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den Zeitraum 1. Februar 2012 bis 31. Juli 2012. Hiergegen erhob der durch seine Prozessbevollmächtigte vertretene Kläger am 6. August 2012 Widerspruch und führte im Wesentlichen aus, der Beklagte habe die Bedarfe der Kinder während der Umgangszeiten außer Acht gelassen. Außerdem wandte er sich gegen die Höhe des als teilweise bedarfsdeckend angerechneten Einkommens. Der Beklagte änderte darauf den Bewilligungsbescheid mit Bescheiden vom 7. September 2012 und vom 20. September 2012 jeweils ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 2012 wies der Beklagte den Widerspruch als nach Erteilung der vorgenannten Änderungsbescheide unbegründet zurück. Mit Bescheid vom 9. Oktober 2012 änderte der Beklagte die Bewilligungsentscheidung erneut ab.

Hinsichtlich der Monate Februar, April, Juni und Juli 2012 mit dem Änderungsbescheid vom 20. September 2012 (Bl. 97 bis 101 der Gerichtsakte) und hinsichtlich der Monate März und Mai 2012 mit dem Änderungsbescheid vom 9. Oktober 2012 (Bl. 102 bis 104 der Gerichtsakte) bewilligte der Beklagte im Ergebnis jeweils Leistungen unter Berücksichtigung von zeitanteiligen Bedarfen der Tochter des Klägers für diejenigen Tage, an denen sich die Tochter mehr als 12 Stunden beim Kläger aufgehalten hatte, teilweise (insbesondere im Monat April 2012) noch unter Berücksichtigung weiterer Tage. N K fand in den Bescheiden keine Berücksichtigung. Hinsichtlich des als teilweise bedarfsdeckend angerechneten Einkommens entsprach der Beklagte dabei dem Begehren des Klägers mit Ausnahme der Monate Mai und Juli 2012, in denen er mit vorgenannten Bescheiden noch ein Nettoeinkommen von je 1.078,42 EUR statt (unstreitig zugeflossener) 1.051,42 EUR berücksichtigte.

Mit der am 29. Oktober 2012 beim Sozialgericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger nunmehr noch die Berücksichtigung der Umgangszeiten mit dem Kind N K , nachdem der Beklagte mit weiterem Änderungsbescheid vom 25. Januar 2013 (Bl. 112 bis 122 der Gerichtsakte), wie ursprünglich mit der Klage ebenfalls begehrt, hinsichtlich der Monate Mai und Juli 2012 das unstreitige Nettoeinkommen berücksichtigt hat.

Der Kläger behauptet, die soziale Vaterrolle für N K auszuüben und meint, dieser sei im selben Umfang wie die Tochter des Klägers als (zeitweiliges) Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen. Dies ergebe sich aus § 7 Abs. 3 Nr. 3 c) SGB II oder aus § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II, der nicht ausdrücklich auf biologische oder rechtliche Kindschaft beschränkt sei, sowie aus § 38 Abs. 2 SGB II, wonach er als Umgangsberechtigter zum Empfang der Leistungen berechtigt sei.

Das ihm zustehende Umgangsrecht dürfe nicht durch Vorenthaltung der zu seiner Ausübung notwendigen Mittel vereitelt werden. Außerdem sei es wertungswidersprüchlich, dass während des Zusammenlebens von Eheleuten oder in nichtehelichen Lebensgemeinschaften die Stiefkinder zur Bedarfsgemeinschaft des Leistungsberechtigten gehörten, nach Trennung aber nicht mehr.

Er beantragt zuletzt schriftlich,

den Beklagten zu verurteilen, ihm unter Änderung des Bescheides vom 6. Juli 2012 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 7. September 2012 und 20. September 2012, diese in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2012 sowie unter Abänderung der weiteren Änderungsbescheide vom 9. Oktober 2012 und 25. Januar 2013 weitere Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 1. Februar 2012 – 31. Juli 2012 für das mit ihm in temporärer Bedarfsgemeinschaft lebende Kinder N K , geb. 25. Oktober 2003, in folgender Höhe zu gewähren für dessen anteiligen Regelbedarf und den anteiligen Mehrbedarf für Warmwasser:

für 02/12 für 4 Umgangstage in Höhe von 33,71 EUR (33,48 EUR + 0,23 EUR)

für 03/12 für 6 Umgangstage in Höhe von 50,57 EUR (50,22 EUR + 0,35 EUR)

für 04/12 für 3 Umgangstage in Höhe von 25,29 EUR (25,11 EUR + 0,18 EUR)

für 05/12 für 10 Umgangstage in Höhe von 84,28 EUR (83,70 EUR + 0,58 EUR)

für 06/12 für 5 Umgangstage in Höhe von 42,14 EUR (41,85 EUR + 0,29 EUR)

für 07/12 für 9 Umgangstage in Höhe von 75,86 EUR (75,33 EUR + 0,53 EUR),

mithin zusammen in Höhe von 311,85 EUR für den BWZ 02/12 – 07/12.

Der Beklagte beantragt schriftlich,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die Leistungsakte des Beklagten verwiesen, die dem Gericht vorlag und Gegenstand der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis hiermit erklärt haben.

I. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Gegenstand des Anfechtungsbegehrens sind der Bescheid vom 6. Juli 2012 in Gestalt der nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gewordenen Änderungsbescheide vom 7. September 2012 und 20. September 2012, des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2012 (§ 95 SGG) und der nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens gewordenen Änderungsbescheide vom 9. Oktober 2012 und 25. Januar 2013.

Dem Kläger fehlt es auch nicht an der Möglichkeit einer Verletzung in eigenen Rechten, mithin der Klagebefugnis (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Wäre N K als zeitweiliges Mitglied der Bedarfsgemeinschaft anzusehen, so würde dies zwar zuvörderst individuelle Leistungsansprüche des N K selbst begründen (so bereits Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 07. November 2006 – B 7b AS 14/06 R –, SozR 4-4200 § 20 Nr. 1, BSGE 97, 242-254, SozR 4-4200 § 5 Nr. 1, SozR 4-1500 § 75 Nr. 7, SozR 4-3500 § 73 Nr. 1, juris Rn. 28; Landessozialgericht [LSG] Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. November 2013 – L 32 AS 2879/13 B ER –, juris Rn. 26), die der Kläger nicht im eigenen Namen geltend machen könnte und aus deren Nichtbewilligung sich keine Verletzung seiner Rechte ergeben kann. kann. Eine abweichende Beurteilung gebietet insbesondere auch § 38 Abs. 2 SGB II nicht; die hiernach im Rahmen eines Umgangsrechts begründete Vertretungsmacht ist auf die Beantragung und den Empfang von Leistungen nach dem SGB II beschränkt. Die Vorschrift berechtigt nicht zur gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche der Kinder (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. November 2013 – L 32 AS 2879/13 B ER –, juris Rn. 33 ff., Kallert in Gagel, SGB II / SGB III, 57. Ergänzungslieferung März 2015, § 37 Rn. 29), erst recht nicht zur Geltendmachung von deren Ansprüchen im eigenen Namen.

Eine Möglichkeit der Verletzung in eigenen Rechten ergibt sich aber daraus, dass sich auch der individuell dem Kläger zustehende Leistungsanspruch erhöhen würde, wenn N K als zeitweiliges Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen wäre. Dies ergibt sich aus § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II; hiernach gilt, sofern in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf gedeckt ist, jede Person im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft als hilfebedürftig. Da vorliegend in der Bedarfsgemeinschaft nur teilweise bedarfsdeckendes Einkommen vorhanden war, würde die anteilige Berücksichtigung von N K (der über kein ersichtlich anrechenbares Einkommen verfügte) zu einer Erhöhung des insgesamt ungedeckten Bedarfes in der Bedarfsgemeinschaft und damit zu einer betragsmäßigen Erhöhung des ungedeckten Bedarfsteils des Klägers führen, mithin zu einem höheren individuellen Leistungsanspruch des Klägers. Dass es sich dabei um einen anderen materiellen Anspruch als den vom Kläger begehrten Anspruch des N K selbst handelt, steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Denn das Gericht ist nach § 123 SGG zwar an das Begehren des Klägers, nicht jedoch dessen Herleitung oder Begründung aus konkreten Rechtsnormen gebunden; vielmehr hat es – da das Bergehren ausweislich seines Antrages auf höhere Leistungen an ihn selbst gerichtet ist – jede Rechtsgrundlage in Betracht zu ziehen, die diesem Begehren (mindestens teilweise) zum Erfolg verhelfen kann.

II. Die Klage ist indes nicht begründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten, denn ihm steht ein weitergehender Leistungsanspruch nicht zu. Dabei kann vorliegend dahinstehen, inwieweit die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erfüllt sein mögen; denn nach § 19 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 3 Satz 1 SGB II werden Leistungen nur für Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung gewährt, soweit diese nicht durch anzurechnendes Einkommen gedeckt sind. Weitere als die bereits vom Beklagten berücksichtigten ungedeckten Bedarfe stehen dem Kläger für die Zeit von Februar 2012 bis Juli 2012 nicht zu.

Ein über die bereits bewilligten Leistungen hinausgehender Anspruch ergibt sich nicht daraus, dass zeitanteilige Bedarfe des N K zu Unrecht im Rahmen der Ermittlung des ungedeckten Bedarfs in der Bedarfsgemeinschaft des Klägers und der Bedarfsverteilung im Rahmen des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II nicht berücksichtigt worden wären. Denn nach der vorgenannten Vorschrift sind nur die Bedarfe der Angehörigen der jeweiligen Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen. N K gehört der Bedarfsgemeinschaft des Klägers aber nicht an.

1. Zu einer Bedarfsgemeinschaft gehören, unabhängig vom Bezug weiterer Leistungen innerhalb einer anderen Bedarfsgemeinschaft (BSG, Urteil vom 12. Juni 2013 – B 14 AS 50/12 R –, SozR 4-4200 § 7 Nr. 35, SozR 4-4200 § 20 Nr.19, juris Rn. 21) gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 1 und 4 neben dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten dessen dem Haushalt angehörende unverheiratete Kinder, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

Um die Lebenshaltungskosten bzw. Bedarfe bei der Ausübung eines Umgangsrechts angemessen zu verteilen, ist dabei zwar die Annahme einer sogenannten zeitweisen Bedarfsgemeinschaft bei zeitweiser Haushaltszugehörigkeit von Kindern der Leistungsberechtigten im Sinne der vorstehenden Norm grundsätzlich denkbar; N K ist aber nicht Kind des Klägers. Im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II ist Kind der in § 7 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB II genannten Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft nur, wer entweder deren biologisches Kind ist oder rechtlich als deren Kind gilt, etwa aufgrund Adoption oder aufgrund der Regelung des § 1592 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Dies ist hier nicht der Fall. N K ist weder biologisches Kind des Klägers noch sind Umstände ersichtlich oder auch nur behauptet, nach denen dieser rechtlich als dessen Vater zu gelten hätte, insbesondere eine nach dem Klägervortrag früher einmal beabsichtigte Adoption ist nicht erfolgt.

Die Voraussetzung der biologischen oder rechtlichen Kindschaft ist entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht entbehrlich oder ohne Rechtsgrundlage. Denn die Norm verlangt, dass es sich um das Kind des jeweils weiteren Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft handelt, mithin eine Zuordnung im Sinne eines Kindschaftsverhältnisses; dies belegt bereits der eindeutige Normwortlaut (" die Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen"). Eine andere Abgrenzung von Kindern der übrigen Mitglieder gegenüber Kindern schlechthin als die biologische oder rechtliche Kindschaft ist nicht ersichtlich: Die einzig begrifflich-sprachlogisch noch denkbare weitere Verständnismöglichkeit der im Gesetz verwendeten Genitiv-Wendung "Kind(er) der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen" wäre eine Verständnis als Zuordnung im Sinne eines Eigentumsverhältnisses an den Kindern. Ein solches Verständnis verbietet sich in Ansehung von Art. 1 Grundgesetz (GG) und entspricht der gesetzgeberischen Intention nicht. Andere Verständnismöglichkeiten als die genannten überschreiten den Wortlaut der Vorschrift, der die Grenze des Normverständnisses bildet und sind daher nicht heranzuziehen.

Eine erweiternde Auslegung ist insoweit auch nicht deswegen geboten, weil der Kläger faktisch die Aufgaben des Vaters wahrnehmen mag. Dabei verkennt das Gericht nicht die billigenswerten Motive des Klägers für sein Verhalten; die Beschränkung des § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB II auf tatsächliche Kindschaftsverhältnisse entspringt aber der gesetzgeberischen Konzeption der Bedarfsgemeinschaft als insoweit durch die natürliche, grundsätzlich unauflösliche familiäre Zusammengehörigkeit begründete Einstandsgemeinschaft. Eine solche besteht aber nicht, wo eine familiäre Beziehung eben nicht besteht. Solche Beziehungen – mögen sie auch familienähnlich gelebt werden – sind anders als familiäre Beziehungen nicht unauflöslich und beruhen letztlich auf dem Willen der Betroffenen, was einer Gleichsetzung entgegensteht. Darin liegt keine Besonderheit in Bezug auf das Umgangsrecht bzw. die Figur der zeitweiligen Bedarfsgemeinschaft: Selbst wenn N K dauerhaft zu dem Haushalt des Klägers gehören würde und der Kläger vollumfänglich die Erziehungsaufgaben wahrnähme, würde dies nicht dazu führen, dass er im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II als dessen Kind anzusehen wäre (vgl. für Pflegekinder: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. März 2009 – L 25 AS 1446/07 –, juris).

Auch aus § 38 Abs. 2 SGB II ergibt sich nichts Abweichendes: Wie bereits oben im Zusammenhang mit der Anspruchsinhaberschaft ausgeführt, begründet die Norm lediglich leine Vertretungsmacht im Rahmen des Verwaltungsverfahrens, vermittelt oder erweitert aber keine materiellen Ansprüche auf Sozialleistungen.

Auch der Umstand, dass während des Bestehens einer Partnerschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II die Kinder des jeweiligen Partners des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ("Stiefkinder") zur Bedarfsgemeinschaft gehören (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II) und das Einkommen des Partners des Elternteils für deren Bedarfsdeckung zu berücksichtigten ist (§ 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II) rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Denn die über diese Vorschriften (praktisch) begründete Einstandspflicht für Stiefkinder rechtfertigt sich gerade aus der Annahme, dass Kinder, die in einem gemeinsamen Haushalt von Partnern leben, faktisch an den Vorteilen der gemeinsamen Haushaltsführung teilhaben, die sich aus dem Zusammenleben des Elternteils mit einem Partner ergeben (vgl. BSG, Urteil vom 13. November 2008 – B 14 AS 2/08 R –, BSGE 102, 76-90, SozR 4-4200 § 9 Nr. 7, juris Rn. 33). Diese – dem Gesetzgeber zustehende – Annahme muss aber dort enden, wo ein gemeinsamer Haushalt eben nicht mehr besteht, und eine Partizipation an den Vorteilen der Partnerschaft zwischen natürlichem Elternteil und Stiefelternteil nicht mehr möglich ist. Eine Fortwirkung der die Stiefkinder betreffenden Regelungen der §§ 7 Abs. 3 Nr. 4, 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II nach dem Ende der Partnerschaft wäre damit ohne Grundlage.

2.

N K ist auch nicht nach § 7 Abs. 3 Nr. 1, 3, und 4 SGB II Mitglied der Bedarfsgemeinschaft des Klägers, weil dieser im streitigen Zeitraum noch mit dessen Mutter verheiratet war; Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sind nach den vorstehenden Vorschriften zwar auch die Kinder der Partner des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die Partnerschaft von Ehegatten endet ausweislich § 7 Abs. 3 Nr. 3 a) SGB II aber mit dem – im Streitzeitraum gegebenen – dauernden Getrenntleben der Eheleute.

3.

N K ist entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht als sein Partner nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 c) SGB II Mitglied einer (temporären) Bedarfsgemeinschaft, ohne dass es einer Entscheidung bedürfte, ob die Grundsätze der temporären Bedarfsgemeinschaft auf partnerschaftliche Begründung von Bedarfsgemeinschaften überhaupt Anwendung finden. Denn die Vorschrift umfasst – unabhängig vom Vorliegen der weiter erforderlichen Haushaltsgemeinschaft und des Einstandswillens – nur Personen, die als Partner mit dem die Bedarfsgemeinschaft begründenden Leistungsberechtigten leben. Die Vorschrift ist – wie sich aus ihrer systematischen Stellung gleichrangig neben der der Partnerschaft kraft Ehe und Lebenspartnerschaft (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 a) bzw. b) SGB II) ergibt, auf ehe- bzw. lebenspartnerschaftsähnliches Zusammenleben beschränkt. Partner im Sinne der Vorschrift können daher nur Personen sein, die rechtlich gesehen miteinander die Ehe oder Lebenspartnerschaft prinzipiell eingehen könnten und deren Beziehung – ohne notwendig eine sexuelle sein zu müssen – einen monogamen Charakter im Sinne des Ausschlusses gleichartiger weiterer Beziehungen aufweist (Hänlein in Gagel, SGB II / SGB III, 57. Ergänzungslieferung März 2015, § 7 Rn. 47). N K ist in diesem Sinne nicht, auch nicht temporärer, Partner des Klägers. Weder könnten die beiden miteinander die Lebenspartnerschaft eingehen (vgl. § 1 Abs. 3 LPartG), noch ist die Beziehung der beiden, die sich als eine einer Eltern-Kind-Beziehung ähnliche Beziehung darstellt, von einem ausschließenden Charakter; im Gegenteil unterhalten beide (der Kläger zu seiner leiblichen Tochter, N K zu seiner Mutter) weitere vergleichbar ausgestaltete Beziehungen.

4.

Ein abweichendes Verständnis von § 7 Abs. 3 SGB II ist auch nicht deswegen geboten, weil der Kläger den Umgang mit N K aufgrund eines familienrechtlichen Umgangsrechts ausübt. Es ist bereits nicht erkennbar, dass dieses Recht – wie der Kläger meint – durch das gefundene Ergebnis vereitelt oder seine Ausübung erschwert würde. Der Kläger kann dieses ausüben, ohne dass er für sich selbst weniger als die im Übrigen zutreffend bewilligten existenzsichernden Leistungen erhielte. Soweit der Kläger – dies verkennt das Gericht nicht – im Rahmen der Ausübung des Umgangs auch für den Lebensunterhalt von N K (mit) sorgt, stellt dies zuvörderst dessen eigenen Bedarf dar, den er entweder selbst decken oder für dessen Deckung er selbst Leistungen erhalten kann. Die temporäre Bedarfsgemeinschaft dient der Zuordnung von Leistungen von Fällen, in denen Personen die Voraussetzungen zur Zugehörigkeit zu zwei Bedarfsgemeinschaften (zeitweilig) erfüllen, nicht aber dazu, dem Umgangsberechtigten Unterhaltsleistungen zu verschaffen, die vom Unterhaltsverpflichteten nicht geleistet werden, werden müssen oder werden können (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 07. November 2006 – B 7b AS 14/06 R –, SozR 4-4200 § 20 Nr. 1, BSGE 97, 242-254, SozR 4-4200 § 5 Nr. 1, SozR 4-1500 § 75 Nr. 7, SozR 4-3500 § 73 Nr. 1, juris Rn. 28) und begründet daher auch keine Ausweitung von existenzsichernden Leistungen auf Personen, die – wie ausgeführt – selbst bei dauerhafter Zugehörigkeit zum Haushalt des Klägers keinen Leistungsanspruch innerhalb der über ihn begründeten Bedarfsgemeinschaft hätten.

Soweit der Kläger während der Umgangszeiten faktisch für den Lebensunterhalt von N K eintreten mag, stellen die hierdurch begründeten Kosten auch keinen seinen Leistungsanspruch erhöhenden (eigenen) Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II dar. Mehrbedarfe im Sinne der Vorschrift gemäß § 21 Abs. 1 SGB II nur solche Bedarfe, die nicht bereits durch den Regelbedarf abgedeckt sind. Dies können zwar auch Kosten der Ausübung eines Umgangsrechts sein, erfasst sind aber nur die Bedarfe, die sich gerade als persönlicher Bedarf des Umgangsberechtigten selbst darstellen. Die Kosten des Lebensunterhaltes von N K sind aber gerade keine eigenen Bedarfe des Klägers, sondern dessen individuelle Bedarfe. Auch die vom Kläger in diesem Zusammenhang angeführte "Interessenabwägung" zwischen dem fiskalischen Interesse des Beklagten und dem Umgangsrecht des Klägers sowie dem Persönlichkeitsrecht des N K andererseits stellt – abgesehen davon, dass eine Vereitelung des Umgangsrechts nicht konkret ersichtlich ist – keine Anspruchsgrundlage dar.

III.

Die nach § 193 SGG zu treffende Kostenentscheidung hatte im Ausgangspunkt den Ausgang der Hauptsache zu berücksichtigen, wobei der vom Kläger erzielte Erfolg in Form der mit Bescheid vom 25. Januar 2013 erfolgten Korrektur des angerechneten Nettoeinkommens für zwei Monate gegenüber den mit der Klage im Erhebungszeitpunkt ursprünglich begehrten Leistungen so gering ausfällt, dass in entsprechender Anwendung des verallgemeinerungsfähigen Rechtsgedankens aus § 92 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) eine Kostenbelastung des Beklagten insoweit nicht gerechtfertigt ist. Die erkannte Kostenquote rechtfertigt sich aber aus dem von der gerichtlichen Kostenentscheidung mit erfassten (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 193 Rn. 5 ff.) Widerspruchsverfahren: In diesem hat der Kläger eine erhebliche Verbesserung seiner Rechtsstellung erzielt, wobei der erzielte Erfolg nicht in voller Höhe, sondern, da die Tragung von Kosten des anschließenden Klageverfahrens durch den Beklagten nach dem Vorstehenden nicht gerechtfertigt war, im Rahmen der einheitlichen Kostenentscheidung nur anteilig zu berücksichtigen war, was insgesamt die erkannte Kostenquote rechtfertigt.

Der Kläger kann den gegen dieses Urteil gemäß nachfolgender Rechtsmittelbelehrung vorgehen, da er nicht in die Berufungssumme von 750,00 EUR übersteigender Höhe beschwert ist (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) und die Berufung mangels grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht zuzulassen war (144 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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