L 3 R 1116/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 4 R 540/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 R 1116/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 22.10.2014 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die teilweise Rückforderung einer Witwenrente.

Die am 00.00.1938 geborene Klägerin ist Witwe des am 00.00.1937 geborenen und am 00.00.2011 verstorbenen Versicherten X I (nachfolgend: Versicherter). Die Ehe wurde am 05.10.1962 geschlossen.

In dem am 04.10.2011 von ihr unterzeichneten Antrag auf die Gewährung einer Witwenrente gab die Klägerin an, neben Renten aus eigener Versicherung von der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Landwirtschaftlichen Alterskasse über keine weiteren Einkünfte zu verfügen. Mit Bescheid vom 11.11.2011 bewilligte die Beklagte der Klägerin Witwenrente ab dem 01.10.2011. Die laufende Zahlung betrug ab Januar 2012 174,02 EUR (brutto 193,68 EUR, darin sind Steigerungsbeträge aus Höherversicherung in Höhe von brutto 33,13 EUR enthalten). Ab Januar 2012 wurde ein Einkommen in Höhe von 104,07 EUR angerechnet, dies auf der Grundlage einer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von brutto 810,01 EUR sowie einer Leistung aus der Landwirtschaftlichen Alterskasse in Höhe von brutto 322,67 EUR (auf Anlage 8 des Bescheides vom 11.11.2011 wird verwiesen).

Mit Schreiben vom 29.10.2012 übersandte die Landwirtschaftliche Alterskasse Nordrhein-Westfalen den Einkommenssteuerbescheid der Klägerin als "Gesamtrechtsnachfolgerin für X I und F I" für das Jahr 2010. Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Klägerin am 13.11.2012 telefonisch mit, dass der landwirtschaftliche Betrieb nicht mehr bestehe. Das Land sei verpachtet worden.

Mit Schreiben vom 16.01.2013 übersandte die Landwirtschaftliche Alterskasse den Steuerbescheid vom 08.11.2012 für das Jahr 2011. Darin sind für den Versicherten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 2.152,00 EUR und für die Klägerin in Höhe von 11.826,00 EUR ausgewiesen. Beigefügt war eine Bescheinigung des Steuerberaters Heinrichs vom 10.01.2013, auf deren Inhalt verwiesen wird.

Die Beklagte hörte die Klägerin zu einer beabsichtigten Rücknahme des Bescheides vom 11.11.2011 mit Wirkung ab 01.01.2012 an (Schreiben vom 12.03.2013). Die sich aus dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft ausgewiesenen Beträge wirkten sich bei der Einkommensanrechnung für die Zeit ab 01.01.2012 aus. Ab 01.04.2013 betrage die Rente monatlich netto 29,73 EUR. Für die Zeit vom 01.01.2012 bis zum 31.03.2013 errechne sich eine Überzahlung in Höhe von 2.191,77 EUR. Die Klägerin könne sich auf Vertrauen in den Bewilligungsbescheid nicht berufen. Im Rentenantrag vom 04.10.2011 habe sie angegeben, keine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu erzielen. Aufgrund des fehlenden Hinweises auf diese Einkünfte sei die Bescheiderteilung ohne Anrechnung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erfolgt. Die Rentenbewilligung beruhe somit auf unrichtigen Angaben. Der Betrag in Höhe von 2.191,77 EUR sei zu erstatten. Grundsätzlich könne ein Betrag in Höhe von 14,86 EUR aufgerechnet werden.

Nachdem sich die Klägerin im Anhörungsverfahren nicht geäußert hatte, nahm die Beklagte mit Bescheid vom 15.04.2013 den Bescheid über die Bewilligung der Witwenrente vom 11.11.2011 nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) ab 01.01.2012 teilweise zurück. Ab dem 01.04.2013 betrage die Rente netto 29,73 EUR. Die Beklagte wiederholte im Wesentlichen die Ausführungen aus dem Anhörungsschreiben und führte ergänzend aus, das gesetzlich eingeräumte Ermessen werde dahingehend ausgeübt, dass der Bescheid vom 11.11.2011 zurückgenommen werde mit der zwingenden Folge der Erstattungspflicht gemäß § 50 Abs 1 SGB X. Hierbei sei der sich aus Art 3 Grundgesetz (GG) ergebene Gleichheitsgrundsatz berücksichtigt worden, wonach ein Leistungsempfänger, bei dessen Rentenberechnung das Recht zutreffend angewandt worden sei, nicht schlechter gestellt werden dürfe als ein Leistungsempfänger, der zu Unrecht höhere Leistungen erhalten habe. Die für die Zeit vom 01.01.2012 bis zum 31.03.2013 entstandene Überzahlung in Höhe von 2.191,77 EUR sei zu erstatten.

Die Klägerin legte mit Schreiben vom 06.05.2013 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, bei den im Steuerbescheid vom 08.11.2012 ausgewiesenen Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 11.826,00 EUR handele es sich allein um Einkommen aus steuerlicher Sicht. Ein Einkommenszufluss sei nicht zu verzeichnen gewesen. Der Gewinn beruhe lediglich auf steuerrechtlichen Besonderheiten, wonach ein Gewinn sogar dann möglich sei, wenn ein Geldzufluss nicht stattgefunden habe. Ein Verschuldenstatbestand sei nicht gegeben. Des Weiteren sei ihr aber auch im Hinblick auf die bereits vorgetragenen steuerlichen Besonderheiten die mögliche Höhe des steuerlichen Gewinns nicht bewusst gewesen. Diese habe sich erst nach Erhalt des Steuerbescheides ergeben, der für das Veranlagungsjahr 2011 am 08.11.2012 ausgefertigt worden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.08.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Berechnung des anzurechnenden Einkommens sei der in dem Steuerbescheid als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft ausgewiesenen Betrag zu Grunde zulegen. Das Sozialrecht folge insoweit dem Steuerrecht. Schlüssige und erhebliche Einwendungen gegen die Richtigkeit der tatsächlichen Feststellung oder steuerrechtlichen Bewertung des Finanzamtes habe die Klägerin weder vorgetragen noch seien solche ersichtlich. Die Voraussetzungen des § 45 Abs 2 S 3 SGB X lägen vor. Auf Grund der Hinweise in dem Bescheid über die Bewilligung der Witwenrente hätte der Klägerin bewusst sein müssen, dass weitere Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft Einfluss auf die Rentenhöhe haben können, da bereits eine Einkommensanrechnung vorgenommen worden sei. Sei einer der Tatbestände des § 45 Abs 2 S 3 SGB X erfüllt, könne sich der Begünstigte von vorn herein nicht auf (subjektives) Vertrauen berufen, sodass eine Prüfung des objektiven Vertrauens sowie eine Interessenabwägung nicht vorzunehmen seien. Darüber hinaus sei eine Rücknahme des Rentenbewilligungsbescheides auch mit Wirkung für die Vergangenheit zulässig. In Ausübung des ihr zustehenden Ermessens komme die Beklagte zu dem Ergebnis, dass das Interesse der Gemeinschaft an der Erstattung zu Unrecht erhaltener Leistungen überwiege. Es seien keine Argumente zu berücksichtigen, die sich bei der Bescheidung zu Gunsten der Klägerin auswirken könnten. Auf die Ausführungen der Beklagten wird im Übrigen verwiesen.

Am 04.09.2013 ging der Steuerbescheid vom 18.07.2013 für das Jahr 2011 bei der Beklagten ein. Hierin sind für die Klägerin Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nunmehr in Höhe von 22.862,00 EUR ausgewiesen. Die Höhe der Einkünfte des Versicherten blieb unverändert. Mit Bescheid vom 17.09.2013 berechnete die Beklagte die Rente der Klägerin auf Grund des Steuerbescheides vom 18.07.2013 für das Jahr 2011 neu. Eine Änderung im Vergleich zum Bescheid vom 15.04.2012 ergab sich nur insoweit, als ein höheres Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft in die Berechnung einfloss. An den Zahlbeträgen änderte sich nichts.

Die Klägerin hat am 13.09.2013 Klage erhoben. Vorliegend sei § 114 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) zu beachten. Hiernach seien bei Hinterbliebenenrenten Erwerbseinkommen und Erwerbsersatzeinkommen zu berücksichtigen. Bezüglich des Erwerbsersatzeinkommens werde Bezug genommen auf § 18a Abs 3 SGB IV. Für den Begriff des Erwerbseinkommens werde demgegenüber nicht auf die Vorschriften des § 18a Abs 2a SGB IV verwiesen. Es verbleibe somit dabei, dass vorliegend nicht von Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen im Sinne des § 97 SGB IV in dem von der Beklagten unterstellten Umfang auszugehen sei. Ein Geldzufluss habe lediglich in marginaler Höhe stattgefunden. Auch lägen die Voraussetzungen zur rückwirkenden Aufhebung des Rentenbescheides nicht vor. Der Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2011 könne der Klägerin nicht entgegengehalten werden. Maßgeblich seien insoweit lediglich die Festsetzungen des Einkommenssteuerbescheides für die Vorjahre. Der von der Beklagten herangezogene Steuerbescheid für das Jahr 2011 sei weit nach Antragstellung bekannt gegeben worden. Zu beachten sei ferner, dass der Einkommenssteuerbescheid nicht das tatsächliche Wirtschaftsjahr wiedergebe. Im Einkommenssteuerbescheid 2011 seien nämlich auch Einkünfte aus dem Jahr 2012 eingeflossen. Bei landwirtschaftlichen Betrieben gehe das Wirtschaftsjahr vom 01.07. eines Jahres bis zum 30.06. des Folgejahres. Vor diesem Hintergrund sei ihr weder Anfang 2012 noch zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung bekannt gewesen, in welcher Höhe sich der tatsächliche Gewinn zeigen werde.

Mit Bescheid vom 21.01.2014 berechnete die Beklagte die Witwenrente der Klägerin ab dem 01.01.2012 neu. Auch für die Zeit ab dem 01.03.2014 wurde lediglich der Betrag aus der Höherversicherung geleistet. Dieser Bescheid erging im Anschluss an den im Januar 2014 vorgelegten Steuerbescheid vom 23.12.2013 für das Jahr 2012, der für die Klägerin Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 36.449,00 EUR ausweist.

Die Klägerin hat den Steuerbescheid für das Jahr 2013 vorgelegt. Hierin sind Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 4.590,00 EUR ausgewiesen. Mit Bescheid vom 18.07.2014 berechnete die Beklagte die Witwenrente der Klägerin neu. Ab dem 01.09.2014 wurde ein Betrag in Höhe von 97,15 EUR geleistet. Für die Zeit vom 01.10.2011 bis zum 31.08.2014 ergab sich eine Überzahlung in Höhe von 889,81 EUR. Diese errechnet sich wie folgt: für die Zeit vom 01.01.2012 bis zum 31.03.2013 eine Überzahlung in Höhe von 1.998,03 EUR abzüglich einer Nachzahlung für die Zeit vom 01.04.2013 bis zum 31.08.2014 in Höhe von 1.108,22 EUR.

In dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22.10.2014 hat das Sozialgericht den Steuerberater Heinrichs gehört. Auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 22.10.2014 wird Bezug genommen.

Durch Urteil vom 22.10.2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Rentenbewilligungsbescheides sei § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X. Das anrechenbare Einkommen sei unter Beachtung der § 97 SGB VI i.V.m. § 114 Abs 1 SGB IV zu ermitteln. Hinsichtlich der Einkünfte aus Pachtzinsen, die jährlich in Höhe von 1.957,00 EUR jeweils am 30.10. zuflössen, handele es sich - dies räume die Klägerin auch ein - um Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Dieses Einkommen sei nicht beschränkt auf den Monat seines Zuflusses rentenmindernd zu berücksichtigen. Darüber hinaus seien in den jeweiligen Folgejahren die Einkünfte aus Auflösung von stillen Reserven, die steuerrechtlich zu einer entsprechenden Festsetzung in den Jahren 2011 und 2012 geführt hätten, als Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit zu berücksichtigen. Der Umstand, dass das vorliegende steuerrechtliche Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft in der Sache kein Einkommen aufgrund einer Arbeitstätigkeit darstelle und kein Geldbetrag für die Umwandlung von Betriebsvermögen in Privatvermögen der Klägerin und Schenkung an ihren Sohn geflossen sei, führe nicht zur fehlenden Berücksichtigungsfähigkeit (BSG Urteil vom 07.10.2014 - B 13 RJ 13/04 R, Gesetzesbegründung BT-Drucks 14/4595, S. 59). Aus der Gesetzesbegründung könne jedenfalls nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber habe sich die Interpretation zu Eigen gemacht, § 15 SGB IV setze eine eigene Tätigkeit des Betroffenen in dem Sinne voraus, dass der Betroffene selbst im Betrieb mitwirken müsse. Für eine solche Interpretation gebe die Entscheidung des 4. Senats des BSG (Urteil vom 27.01.1999 - B 4 RA 117/98 R) keinen Anlass. Auch hätte es dann näher gelegen, die "Korrektur" der Rechtsprechung des 4. Senats nicht in § 18 a SGB IV vorzunehmen, sondern direkt in § 15 SGB IV. Wenn der Gesetzgeber eine Korrektur des § 18a SGB IV für erforderlich gehalten habe, könne dies seinen Grund nur darin haben, dass er - insoweit zu Recht - die Entscheidung des 4. Senats dahingehend verstanden habe, dass ein "Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit" bei Hinterbliebenenrenten dann unberücksichtigt bleiben solle, wenn dieses Einkommen seinen Ursprung nicht in der Tätigkeit des Hinterbliebenen sondern in der des Rechtsvorgängers gehabt habe. Mit der Einführung des § 18a Abs 2a SGB IV sei hinsichtlich der Anrechnung von Arbeitseinkommen bei Hinterbliebenenrenten die mit der Neufassung des § 15 SGB IV gewollte Parallelität in steuerrechtlicher und sozialversicherungsrechtlicher Beurteilung wiederhergestellt. Eine Änderung des § 15 Abs 1 S 2 SGB IV sei aus der Sicht des Gesetzgebers dagegen nicht geboten gewesen, weil er aufgrund der vom 10. Senat des BSG (Urteil v. 27.08.1998 - B 10 LW 8/97 R) vorgenommene Auslegung dieser Vorschrift die "Parallelität" nicht gefährdet gesehen habe, wenn es sich um Arbeitseinkommen aufgrund letztlich eigener Tätigkeit des Betroffenen handele. Unerheblich sei, dass das Wirtschaftjahr nicht identisch mit dem Kalenderjahr sei. Die hierdurch entstehende Benachteiligung der Klägerin beruhe indes nicht auf den streitgegenständlichen Regelungen des § 97 SGB VI, sondern auf den steuerrechtlichen Vorschriften zur Veranlagung von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft. Eine Nichtberücksichtigung der relevanten Einnahmen sei hiermit nicht begründbar und führe zu unsachgemäßen Ergebnissen, zumal die Beklagte bei Vorlage von Einkommenssteuerbescheiden nicht erkennen könne, ob es sich um einmalige oder wiederkehrende Einkünfte handele. Bei dem Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft, wie es sich aus den Einkommensteuerbescheiden aus dem Jahre 2011 bis 2013 ergebe, handele es sich jeweils um Einkünfte, die erst in Folgejahren zuzuschreiben seien. § 48 SGB X ermögliche hier die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung wegen einer nach seinem Erlass eingetretenen wesentlichen Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse mit Wirkung für die Vergangenheit. Eine derartige Änderung sei nach dem Eingang des Rentenbescheides vom 11.11.2011 eingetreten. Gleiches gelte für den Rentenbescheid vom 23.05.2012, der die Rentenberechnung für den Zeitraum ab 01.07.2012 zum Gegenstand habe, den Rentenbescheid vom 17.09.2013, soweit dieser eine Neuberechnung ab Januar 2013 und den Rentenbescheid vom 21.01.2014, soweit dieser die Zeiträume ab 01.01.2014 betreffe. Das einkommensteuerrechtliche Jährlichkeitsprinzip erlaube nämlich eine Feststellung von Arbeitseinkommen nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem die entsprechenden Einnahmen zuflossen und für das sozialrechtlich eine Berücksichtigung erfolgen solle. Da vor Ablauf des Kalenderjahres rechtlich nicht von einem "Einkommen Selbstständiger" gesprochen werden könne, ergebe sich sozialrechtlich notwendig eine zeitliche Verzögerung. Unschädlich sei, dass die Beklagte die Entscheidung auf § 45 SGB X gestützt habe. Eine Umdeutung in eine Aufhebung nach § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X sei möglich.

Gegen das am 01.12.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22.12.2014 Berufung eingelegt. Nach § 114 SGB IV sei bei Hinterbliebenenrenten Erwerbseinkommen und Erwerbsersatzeinkommen zu berücksichtigen. Bezüglich Erwerbsersatzeinkommens beziehe sich die Vorschrift auf § 18a SGB IV. Einen ähnlichen Verweis enthalte die Regelung allerdings im Hinblick auf Erwerbseinkommen nicht. Auch sei erheblich, dass ein Geldzufluss nicht stattgefunden habe. Unterstellt, es sei von einer vollen Parallelität zwischen Einkommenssteuerrecht und dem Begriff des Arbeitseinkommens oder des Erwerbseinkommens im Sinne des § 97 SGB VI auszugehen, sei Gegenstand eines "fiktiven Geldflusses" eine einmalige Handlung. Das Sozialgericht Niedersachsen - Bremen habe mit Urteil vom 29.04.2014 erkannt, dass eine einmalige Handlung auch nur im Zeitpunkt der Vornahme der Handlung zum Geldfluss mit der Folge führe, dass Rentenleistungen auch nur für eben diesen Monat gekürzt werden müssten. Umso mehr sei diese Entscheidung heranzuziehen, wenn nicht nur ein einzelner Akt gegeben sei, sondern darüber hinaus ein Geldzufluss faktisch nicht stattgefunden habe. Einkommen liege im Ergebnis nicht vor. Rein faktisch fehle die Grundlage einer Einkommensanrechnung. Der Gedanke der Parallelität zwischen der einkommenssteuerrechtlichen Betrachtungsweise und dem sozialversicherungsrechtlichen Begriff des Arbeitseinkommens beruhe darauf, dass der Sozialversicherungsträger nicht erneut das von Seiten der Finanzverwaltung bereits festgestellte Einkommen oder Erwerbseinkommen prüfen solle. Dieser Gesichtspunkt könne allerdings dann nicht gelten, wenn Gegenstand des steuerauslösenden Moments eine notarielle Schenkung sei. Hier könne der zuständige Sozialversicherungsträger problemlos das Nichtvorliegen eines Geldflusses feststellen. Zu Recht habe das Sozialgericht entschieden, dass § 45 SGB X nicht Grundlage einer Aufhebung der vormaligen Rentenbewilligung sein könne. Eine Umdeutung und die Anwendung des § 48 SGB X sei jedoch unzulässig. Die zuständige Behörde habe Ermessen auszuüben. Dieses sei nicht möglich, wenn gerichtlicherseits eine Umdeutung vorgenommen werde. Unabhängig davon lägen die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X nicht vor. Die Klägerin habe nach Erlass der ursprünglichen Rentenbewilligung kein Einkommen erzielt, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs führen könnte. Im Rahmen des § 48 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB X sei eine Vinkulierung an das Steuerrecht über § 15 SGB IV und § 18a SGB IV gesetzlich nicht vorgegeben. Die Beklagte hätte problemlos die Erkenntnis gewinnen können, dass Einkommen nach Erlass des Bewilligungsbescheides nicht erzielt worden sei, da eine notariell beurkundete Schenkung vorliege.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 22.10.2014 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 15.04.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2013 sowie die Bescheide vom 17.09.2013 und 21.01.2014 aufzuheben sowie den Bescheid vom 18.07.2014 abzuändern, soweit für die Zeit vom 01.01.2012 bis zum 31.03.2013 die Erstattung eines Betrages von ursprünglich 1998,03 Euro verlangt wird.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist weiterhin der Auffassung, dass die Schenkung, die steuerrechtliches Einkommen der Klägerin darstelle, zu Recht als Einkommen angerechnet worden sei. Das vorliegend streitige Einkommen sei im Einkommenssteuerbescheid als positives Einkommen gewertet worden. Der Gesetzgeber stelle allein auf die steuerrechtliche Behandlung und nicht auf den tatsächlichen Geldfluss ab. Hätte er eine andere "Behandlung" in Bezug auf den tatsächlichen "Geldfluss" gewollt, hätte er dieses entsprechend formuliert. Bei der Anwendung des § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X komme es weder auf Bösgläubigkeit noch sonstiges Verschulden der Klägerin an. Es handele sich um eine typische Leistungsüberzahlung, die eine Ermessensentscheidung grundsätzlich nicht vorsehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte der Beklagten (Az: 000) verwiesen. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die für die Klägerin als Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft in den Steuerbescheiden ausgewiesenen Beträge sind in die Berechnung des auf die Witwenrente anzurechnenden Einkommens einzubeziehen.

Nach § 97 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB IV wird Einkommen (§§ 18a bis 18e Viertes Buch) von Berechtigten, das mit einer Witwenrente zusammentrifft, hierauf angerechnet. Nach Satz 2 dieser Vorschrift gilt dies nicht bei Witwenrenten, solange deren Rentenartfaktor mindestens 1,0 beträgt. Für den hier streitigen Zeitraum ab 01.01.2012 beträgt der Rentenartfaktor der Witwenrente der Klägerin 0,6, so dass die Anrechnungsregelung zur Anwendung kommt.

Die Klägerin unterfällt dem Anwendungsbereich des § 114 SGB IV. Hiernach sind, wenn der versicherte Ehegatte vor dem 1. Januar 2002 verstorben ist oder die Ehe vor diesem Tag geschlossen wurde und mindestens ein Ehegatte vor dem 2. Januar 1962 geboren ist, bei Renten wegen Todes als Einkommen zu berücksichtigen:

1. Erwerbseinkommen,

2. Leistungen, die auf Grund oder in entsprechender Anwendung öffentlich-rechtlicher Vorschriften erbracht werden, um Erwerbseinkommen zu ersetzen (Erwerbsersatzeinkommen), mit Ausnahme von Zusatzleistungen.

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Ehe wurde am 05.10.1962 geschlossen, beide Ehepartner sind vor dem 02.01.62 geboren (00.00.1938 und 00.00.1937).

Da für bestandsgeschützte Fälle das bis dahin geltende Recht insgesamt anwendbar bleiben sollte, hat infolgedessen der in § 114 Abs 1 Nr 1 SGB IV verwendete, dort nicht näher definierte Begriff "Erwerbseinkommen" den Inhalt, den er in der bis dahin (31.12.2001) geltenden wortgleichen Regelung in § 18a Abs 1 Nr 1 SGB IV aF hatte. Nach § 18a Abs 2 S 1 SGB IV in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung war Erwerbseinkommen iS des § 18a Abs 1 Nr 1 SGB IV aF definiert als: Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen und vergleichbares Einkommen (BSG Urteil vom 17.04.2012 - B 13 R 73/11 R m.w.N.)

Der Begriff des Arbeitseinkommens ist definiert sowohl in § 15 SGB VI als auch in § 18a Abs 2a SGB IV. Vorliegend braucht der Senat nicht zu entscheiden, welche dieser beiden Vorschriften Anwendung findet. Denn nach beiden Vorschriften ist der in den Steuerbescheiden ausgewiesene Betrag für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in die Berechnung des auf die Witwenrente anzurechnenden Betrages einzubeziehen.

Gilt § 18a Abs 2a Nr 1 SGB IV, ergibt sich dies bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes. Hiernach ist Arbeitseinkommen im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 die positive Summe der Gewinne oder Verluste aus der Arbeitseinkommensart Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft im Sinne der §§ 13, 13a und 14 des Einkommensteuergesetzes in Verbindung mit § 15 Absatz 2. Der Betrag, der im Einkommensteuerbescheid als Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft ausgewiesen ist, ist somit als Arbeitseinkommen anzurechnen.

Gleiches gilt, wenn § 15 SGB IV Anwendung findet. Nach § 15 Abs 1 SGB IV ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit. Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist. Auch in diesem Fall ist der Betrag, der im Einkommensteuerbescheid als Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft ausgewiesen ist, als Arbeitseinkommen anzurechnen.

Dabei kommt es auf die aktive Ausübung einer Tätigkeit nicht an. Entscheidend für die Anrechnung von Einkommen aus selbständiger Tätigkeit ist, dass eine eigene Selbständigkeit vorliegt. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 27.01.1999 - B 4 RA 17/98 R. Der 4. Senat hat sich in dieser Entscheidung lediglich vorbehalten, im Einzelfall unter Beachtung der wirtschaftlichen Zusammenhänge eine andere Bewertung vorzunehmen, wenn das Steuerrecht auch Ersatz- und Nachfolgeeinkünfte der Hinterbliebenen von Gesellschaftern weiterhin den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuordne, obwohl die selbständige Tätigkeit des Gesellschafters längst beendet worden sei und die Zahlungen der Gesellschaft an die Hinterbliebenen damit dem Charakter von Unterhaltszahlungen bzw. einer Zusatzversorgung aus einem privaten System gleichkämen. In diesem Falle könne nicht mehr von einer "selbständigen Tätigkeit" unter dem "Einsatz" eigener "Arbeitskraft" gesprochen werden (BSG Urteil vom 25.02.2004 - B 5 RJ 56/02). Ein der Entscheidung des 4. Senats vergleichbarer Sachverhalt ist vorliegend nicht gegeben. Das Bundessozialgericht hat in der von der Klägerin in Bezug genommenen Entscheidung Einkünfte aus "selbständiger Erwerbstätigkeit" aus der Anrechnung herausgenommen, weil es sich um Zahlungen handelte, die allein auf der früheren - und im Zeitpunkt des Eintritts des Leistungsfalls bereits beendeten - selbständigen Tätigkeit des verstorbenen Versicherten beruhten. Vorliegend beruhen die Einkünfte auf einer eigenen aktuellen selbständigen Tätigkeit der Klägerin. Sie ist nach dem Tod des Versicherten selbst Landwirtin geworden und hat die Betriebstätigkeit nicht aufgegeben, denn sie erzielt Einkünfte, die als "Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft" zu versteuern sind. Hätte sie die Betriebstätigkeit aufgegeben, wären ihre Einkünfte als solche aus Vermietung und Verpachtung zu versteuern (BSG Urteil vom 25.02.2004 - B 5 RJ 56/02 R; Urteil vom 07.10.2004 - B 13 RJ 13/04 R).

Die in dem Steuerbescheid ausgewiesenen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft sind auch nicht deshalb aus der Berechnung des auf die Witwenrente anrechenbaren Einkommens herauszunehmen, weil keine Zahlungen geflossen sind. Entscheidend ist allein die steuerliche Bewertung als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Dies ergibt sich schon aus der vom Gesetzgeber beabsichtigten und durch seine rechtlichen Regelungen geschaffenen Parallelität zum Einkommensteuerrecht. Zum 01.01.1995 wurde § 15 Abs 1 S 2 SGB IV geändert. Die bisherige Regelung, dass bei der Ermittlung des Gewinns steuerliche Vergünstigungen unberücksichtigt zu lassen und Veräußerungsgewinne abzuziehen sind, wurde dahingehend geändert, dass Einkommen als Arbeitseinkommen zu werten ist, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist. Damit entspricht das Arbeitseinkommen, dem steuerrechtlichen Gewinn. Dieser wird unverändert aus dem Steuerbescheid übernommen. Diese Regelung soll Fehler bei der Rechtsanwendung und eine lange Bearbeitungsdauer verhindern (BT-Drucks. 12/5700 S 92). Für die Bestimmung, welches Einkommen als Arbeitseinkommen zu werten ist, soll nunmehr allein das Einkommensteuerrecht maßgeblich sein, womit "eine volle Parallelität von Einkommensteuerrecht und Sozialversicherungsrecht sowohl bei der Zuordnung zum Arbeitseinkommen als auch bei der Höhe des Arbeitseinkommens erreicht wird" (BT-Drucks a.a.O).

Der steuerrechtliche Gewinn, der sich aus der Übertragung des Grundstücks ergibt, ist nicht als Einmalzahlung nur in einem bestimmten Monat zu berücksichtigen. Nach § 18b Abs 2 S 1 SGB IV gilt bei Erwerbseinkommen und Erwerbsersatzkommen nach § 18a Abs 3 S 1 Nr 1 als monatliches Einkommen im Sinne von Abs 1 S 1 das im letzten Kalenderjahr aus diesen Einkommensarten erzielte Einkommen, geteilt durch die Zahl der Kalendermonate, in denen es erzielt wurde. Die Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens bestimmt sich somit nach dem Jahreseinkommen, das im Kalenderjahr zuvor erzielt worden ist. Gründe, hiervon abzuweichen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist der vorliegende Sachverhalt nicht mit dem in der von der Klägerin in Bezug genommenen Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 29.04.2014 - L 2/12 R 113/12) vergleichbar. In dem dortigen Streitverfahren war die Berücksichtigung von Einkommen streitig, das im Zusammenhang mit der Aufgabe des Betriebes erzielt worden war. Einkommen aus einer beendeten Betriebstätigkeit sollte sich nicht mehr auf Anspruch auf einer "vorgezogenen" Altersrente nach der Beendigung der Betriebstätigkeit auswirken. Dieses Ziel wird bei Hinterbliebenenrente dadurch erreicht, dass Einkommensminderungen nach § 18d Abs 2 SGB IV vom Zeitpunkt ihres Eintritts an berücksichtigt werden können, wenn das laufende Einkommen im Durchschnitt voraussichtlich um wenigstens zehn vom Hundert geringer ist als das zu berücksichtigende Einkommen.

Die Voraussetzungen für eine teilweise Aufhebung des Rentenbewilligungsbescheides nach § 48 Abs 1 S 1 und S 2 Nr 3 SGB X sind erfüllt. Hiernach ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde.

Vorliegend hat die Klägerin nach Erlass des Rentenbewilligungsbescheides vom 11.11.2011, der ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist, Einkommen erzielt, das zum teilweisen Wegfall des Anspruchs auf Witwenrente führte. Die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für das Jahr 2011, die nach § 18b Abs 2 SGB IV für die Höhe des anrechenbaren Einkommens für die Zahlung der Witwenrente ab Januar 2012 maßgeblich sind, konnten erst nach Ablauf des Wirtschaftsjahres (30.06.2012) festgestellt werden.

Liegt einer der Tatbestände des § 48 Nr 1 S 2 Nr 1 bis 4 SGB X vor, soll der Verwaltungsakt mit Wirkung ab Eintritt der wesentlichen Änderung aufgehoben werden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bedeutet "soll" in § 48 Abs 1 S 2 SGB X, dass der Leistungsträger in der Regel verpflichtet ist, den Verwaltungsakt rückwirkend aufzuheben, er jedoch in atypischen Fällen hiervon absehen darf. Die Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt, ist nicht Teil der Ermessensausübung; die Feststellung des Vorliegens bzw Nichtvorliegens eines atypischen Falles als Voraussetzung der jeweiligen Rechtsfolge ist mithin gerichtlich voll überprüfbar (BSG, Urteil vom 11.02.1988 - 7 RAr 55/86, in SozR 1300 § 48 Nr 44, m.w.N.). Der atypische Fall berechtigt die Behörde, von der rückwirkenden Aufhebung des rechtswidrig gewordenen Verwaltungsaktes im Wege des Ermessens abzusehen.

Ein atypischer Fall liegt vor, wenn der Einzelfall auf Grund seiner besonderen Umstände von dem Regelfall der Tatbestände nach Abs. 1 S 2, die die Aufhebung des Verwaltungsaktes für die Vergangenheit gerade rechtfertigen, signifikant abweicht. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob der Leistungsempfänger durch die Rückzahlungspflicht nach § 50 Abs 1 SGB X in besondere Bedrängnis gerät. Ebenso kann mitwirkendes Fehlverhalten des Leistungsträgers die Atypik eines Einzelfalls ergeben. Ein atypischer Fall ist jedoch nicht allein auf Grund der mit der rückwirkenden Aufhebung verbundenen Rückzahlungspflicht gegeben; die mit der Erstattung verbundene Härte mutet das Gesetz jedem Betroffenen zu; dies gilt bei grober Pflichtwidrigkeit auch angesichts schlechter Einkommens- und Vermögenslage und allenfalls dann nicht, wenn das Einkommen durch die Aufhebung im Nachhinein unter den Grundsicherungssatz sinken würde. (Steinwedel in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 87. EL September 2015, § 48 SGB X, Rdn 37).

Ein atypischer Fall ist hier nicht gegeben. Die Klägerin ist durch die Rückforderung nicht stärker belastet als der im Normalfall Betroffene. Der Klägerin steht zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts nicht nur die Witwenrente zur Verfügung, sondern auch eine eigenen Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und eine Leistung aus der Landwirtschaftlichen Alterskasse. Es ist nicht erkennbar, dass die Klägerin durch die Rückforderung der überzahlten Rentenleistung in besondere Bedrängnis gerät.

Hinsichtlich der Höhe der Rückforderung verweist der Senat auf die zutreffende und von der Klägerin auch nicht beanstandeten Berechnung der Beklagten, zuletzt in dem Bescheid vom 18.07.2014.

Im Übrigen ist anzumerken, dass allein schon die tatsächlich erzielten Pachteinnahmen den bisherigen Anrechnungsbetrag für das Jahr 2012, der sich aus der Berücksichtigung der Altersrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der Landwirtschaftlichen Alterskasse ergibt, um 39,27 EUR monatlich erhöht. Die Pachteinnahmen betrugen den Angaben der Klägerin folgend im Jahr 2011 1.957,00 EUR. Der sich hieraus ergebende Monatsbetrag in Höhe von 163,08 EUR ist nach § 18b Abs 5 Nr 2 SGB IV um 39,8 vom Hundert auf 98,17 EUR zu kürzen. Hiervon sind nach § 97 Abs 2 S 3 SGB VI 40 vom Hundert anzurechnen (= 39,27 EUR).

Auch wenn die Beklagte den Bescheid vom 11.01.2011 ab dem 01.01.2012 nicht nach § 48 SGB X aufgehoben, sondern nach § 45 SGB X zurückgenommen hat, ist der Bescheid vom 13.04.2013 nicht rechtswidrig, denn dieser kann nach § 43 SGB X in einen Bescheid nach § 48 SGB X umgedeutet werden. Nach § 43 Abs 1 SGB X kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenen Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Unabhängig davon, ob § 43 SGB X auch im Gerichtsverfahren unmittelbar Anwendung finden kann, ist das Gericht jedenfalls gehalten, entsprechend § 43 SGB X zu prüfen, ob ein angefochtener Verwaltungsakt unter Heranziehung einer anderen Rechtsgrundlage erlassen werden kann (vgl. BSG Urteil vom 09.09.1998 - B 13 RJ 41/97 R).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt: Die §§ 45, 48 SGB X sind auf dasselbe Ziel, nämlich die (ggf. teilweise) Beseitigung eines Verwaltungsaktes gerichtet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten erfüllen für die Zeit ab dem 01.01.2012 auch alle Voraussetzungen, die für den Erlass eines Bescheides nach § 48 SGB X vorliegen müssten.

Die überzahlten Beträge sind nach § 50 Abs 1 SGB X zu erstatten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs 2 Nrn 1 oder 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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