Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 17 U 567/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 211/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 128/15 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 28.02.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) - bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (BK 2108).
Der im Juli 1963 geborene Kläger absolvierte vom August 1979 bis Juli 1982 eine Ausbildung zum Heizungs- und Lüftungsbauer und war anschließend in diesem Beruf bis Juni 1983 tätig und dann zunächst arbeitslos. Von Januar 1984 bis Dezember 1987 leistete er einen 4-jährigen Wehrdienst ab. Ab Januar 1988 arbeitete er bis zur Tätigkeitsaufgabe im Februar 2008 mit Unterbrechungen durch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit sowie einer Tätigkeit als Bürohilfe (Juni 2001 bis Dezember 2003) als Installateur. Die Installationen betrafen Neu-, Um-, Aus- und Anbaumaßnahmen.
Nach Eingang der BK-Anzeige von Dr. X vom 22.04.2008, der über einen Bandscheibenvorfall L5/S1 im Februar 2008 berichtete, leitete die Beklagte ein Feststellungsverfahren zur BK 2108 ein. Ihr Technischer Aufsichtsdienst (TAD) kam auf der Grundlage der Angaben des Klägers in den Stellungnahmen vom 24.09.2008 und 11.01.2010 zu dem Ergebnis, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit als Installateur einschließlich der Zeiten der Ausbildung eine Gesamtbelastungsdosis von 18,27 MNh aufgenommen hat und während seiner Ausbildung an 53 Arbeitstagen im Jahr sowie während seiner Tätigkeit als Geselle an 66 Tagen im Jahr Belastungsspitzen im Sinne des 3. Zusatzkriteriums der B2 ausgesetzt war. Die Beklagte zog ärztliche Behandlungsunterlagen bei, u. a. einen Versicherungsverlauf, einen Entlassungsbericht der Klinik Q vom 09.07.2008 sowie ein Vorerkrankungsverzeichnis. Im Rahmen der medizinischen Ermittlungen kam Dr. C in seinem Gutachten vom 27.12.2008 in Verbindung mit der ergänzenden Stellungnahme vom 28.07.2009 unter Auswertung der radiologischen Zusatzgutachten von Dr. S vom 25.11.2008 und Dr. I vom 02.06.2009 zu dem Ergebnis, beim Kläger bestehe ein Bandscheibenprolaps im Bereich L5/S1 sowie auch im Segment L4/L5. Relevante Veränderungen in den übrigen Segmenten oder eine Begleitspondylose sehe er nicht. Er erachte die Konstellation B2 für gegeben, da mehrere Bandscheiben betroffen seien und somit das erste Zusatzkriterium B2 vorliege. Die MdE sei mit 20 v. H. zu bewerten. Dieser Beurteilung konnte sich die Beklagte nicht anschließen und lehnte mit Bescheid vom 25.08.2009 die Anerkennung einer BK 2108 ab.
Hiergegen legte der Kläger am 03.09.2009 Widerspruch ein und verwies auf die Einschätzung von Dr. I und Dr. C. Die Beklagte holte daraufhin ein Gutachten nach Aktenlage bei Dr. H, einem der Autoren der Konsensempfehlungen, ein. Dr. H kam in seinem Gutachten 02.01.2010 sowie einer ergänzenden Stellungnahme vom 13.01.2010 zusammenfassend zu dem Ergebnis, die beim Kläger vorliegende bandscheibenbedingte Erkrankung sei der Konstellation B3 zuzuordnen, bei der nach Auffassung der Mehrheit der Mitglieder der Konsensusgruppe selbst bei einem Erreichen oder Überschreiten des Richtwertes von 25 MNh ein Zusammenhang beruflichen Einwirkungen nicht als wahrscheinlich anzusehen sei. Das Vorliegen eines der Zusatzkriterien der Konstellation B2 könne nicht angenommen werden; insbesondere stelle der - hier allein vorliegende - zweisegmentale Bandscheibenvorfall in den beiden unteren Segmenten nur die Grundkonstellation der B2-Konstellation dar und erfülle keinesfalls das Zusatzkriterium 1 im Sinne der zweiten Alternative der 1. Alt. (Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben). Black-disc-Veränderungen im Sinne des ersten Zusatzkriteriums seien ebenfalls nicht zu objektivieren. Die arbeitstechnischen Zusatzkriterien 2 (besonders intensive Belastung) und 3 (besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungspitzen) der B2 Konstellation seien ebenfalls nicht gegeben. Die Konstellation B1 liege ebenfalls nicht vor, da eine Begleitspondylose nicht zu erkennen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.07.2010 wies die Beklagte den Widerspruch daraufhin zurück. Hiergegen hat der Kläger am 22.07.2010 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben und geltend gemacht, seine LWS-Beschwerden seien auf die langjährige berufliche Tätigkeit zurückzuführen. Das Sozialgericht hat nach § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten des Orthopäden Dr. W eingeholt, der in seinem Gutachten vom 13.08.2011 das Vorliegen der B1 oder B2 Konstellation verneint hat. Insbesondere habe sich bei nur an 66 Tagen pro Jahr vorliegenden Belastungsspitzen kein vergleichbares Gefährdungspotential realisiert, wie dies im Bereich der Pflegeberufe, die Ausgangspunkt für die Entwicklung des 3. Zusatzkriteriums gewesen seien, angenommen werde. Die Konstellation B2 betreffe im Übrigen ein Krankheitsbild, das auch in der nicht wirbelsäulenbelastend arbeitenden Bevölkerung häufig auftrete; insoweit seien Zusatzkriterien gefordert worden, um eine genügende Trennschärfe gegenüber nicht wesentlich beruflich verursachten Schäden zu erhalten. Ungeachtet dieser Kausalitätsbetrachtungen liege die MdE bei 20 v. H.
Mit Urteil vom 28.02.2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das am 05.04.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.04.2013 Berufung eingelegt und die Auffassung vertreten, auch bei einem bisegmentalen Schadensbild sei das Zusatzkriterium B2 erfüllt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgericht Dortmund vom 28.02.2013 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides von 25.08.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2010 zu verurteilen, bei ihm eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Bei der hier vorliegenden Konstellation B3 sei eine Anerkennung der BK 2108 nicht möglich.
Der Senat hat auf Antrag des Klägers ein Gutachten nach § 109 SGG des Orthopäden Dr. T eingeholt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 15.05.2014 ausgeführt, auch er gehe von einer isolierten Betroffenheit der Segmente L4/L5 und L5/S1 aus, der LWS–Befund im Übrigen sei kernspintomograhisch völlig unauffällig und insbesondere bestehe auch keine Mitbeteiligung der Bandscheibe L3/L4. In Übereinstimmung mit Dr. H und Dr. W sei deshalb nicht von der Konstellation B2, sondern von der Konstellation B3 auszugehen, bei der es sich um einen Grenzfall handele. Er gehe nach Abwägung aller Umstände von einem Kausalzusammenhang mit den beruflichen Belastungen aus und befürworte eine MdE von 30 v. H. bei einem Aufgabezwang ab April 2008.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte verwiesen. Deren wesentlicher Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 25.08.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2010 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG beschwert, denn dieser Bescheid entspricht der Sach- und Rechtslage. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung der streitigen BK 2108.
Hinsichtlich der Voraussetzungen der Anerkennung einer BK gem. § 9 Abs. 1 SGB VII im allgemeinen nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG zunächst Bezug auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil.
Nach dem Tatbestand der BK 2108 muss der Versicherte aufgrund einer versicherten Tätigkeit langjährig schwere Lasten gehoben und getragen bzw. in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet haben. Durch die spezifischen, der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden besonderen Einwirkungen, deren Vorliegen nach dem so genannten Mainz-Dortmunder-Dosismodell - MDD (vgl. BSG, Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R) zu ermitteln ist, muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule entstanden sein und noch bestehen. Zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen muss ein sachlicher Zusammenhang und zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung muss ein (wesentlicher) Ursachenzusammenhang bestehen. Der Versicherte muss darüber hinaus gezwungen gewesen sein, alle gefährdenden Tätigkeiten aufzugeben. Als Folge dieses Zwangs muss die Aufgabe der gefährdeten Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, liegt eine BK 2108 nicht vor (BSG, Urteil vom 30.10.2007, a.a.O.; Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 14/08 R -). Hinsichtlich der Einwirkungen sieht das MDD als kritische Lebensdosis eine Belastung von 25. MNh für Männer vor, wobei dieser Wert kein absoluter Grenzwert, sondern nur einen Orientierungswert darstellt. Eine Belastung unterhalb dieses Grenzwertes schließt die Annahme einer rechtlich wesentlichen beruflichen (Mit-) Ursache nicht aus. Das BSG hat sich in den o. g. Urteilen im Hinblick auf die durch die "Deutsche Wirbelsäulenstudie" gewonnenen Erkenntnisse veranlasst gesehen, den Richtwert des MDD für die Gesamtbelastungsdosis zu halbieren und den Nachweis einer Mindestbelastungsdosis von 5500 Nh pro Tag als obsolet anzusehen. Der untere Grenzwert, bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigem Wissensstand ein Kausalzusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und bandscheibenbedingter Erkrankung der LWS ausgeschlossen ist und deshalb auf einzelfallbezogene medizinische Ermittlungen verzichtet werden kann, ist deshalb auf die Hälfte des im MDD vorgeschlagenen Orientierungswertes für die Gesamtbelastungsdosis von 25 MNh, also 12,5 MNh herabgesetzt worden.
Der Kläger war unstreitig im Laufe seines gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Berufslebens während der - unter Einbeziehung der Ausbildungszeiten - gut 20-jährigen Tätigkeit als Installateur (nicht zu berücksichtigen sind die Zeiten des Wehrdienstes und die Tätigkeit als Bürogehilfe) langjährig und regelmäßig Belastungen (Einwirkungen) im Sinne der BK 2108 ausgesetzt. Die Ermittlungen des TAD im Bericht vom 24.09.2008 haben ergeben, dass der Kläger Hebe- und Tragebelastungen ausgesetzt war, die bezogen auf die Tätigkeit als Installateur einer Gesamtbelastungsdosis von 18,27 MNh entsprechend, wobei zunächst 2,23 MNh auf die Ausbildungszeit entfielen. Bezogen auf den Zeiten als Geselle bis 2008 waren hier - neben der angesprochenen Wehrdienst- und Bürotätigkeit, auch die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit herauszunehmen, so dass sich hier ein Einwirkungszeitraum von 17,4 Jahren ergab (16,04 MNh). Die arbeitstechnischen Voraussetzungen sind damit erfüllt, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist.
Beim Kläger liegt nach übereinstimmender Auffassung der mit der Angelegenheit des Klägers befassten Ärzte eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vor und zwar in Form von Bandscheibenvorfällen L5/S1 und L4/L5, welche ein korrespondierendes klinisches Beschwerdebild mit Funktionseinschränkungen zeigen und den Kläger im Februar 2008 zur Aufgabe der Tätigkeit als Installateur gezwungen haben. Konkurrierende Ursachen sind nach Darlegung der Sachverständigen nicht erkennbar; die zeitliche Entwicklung der Erkrankung erscheint nach Einschätzung der Sachverständigen belastungskonform.
Das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung und die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne des modifizierten MDD kann jedoch allein die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines wesentlichen Kausalzusammenhangs der vorliegenden bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS mit beruflichen Einwirkungen nicht begründen, da in der medizinischen Wissenschaft anerkannt ist, dass Bandscheibenschäden insbesondere der unteren LWS in allen Altersgruppen, sozialen Schichten und Berufsgruppen vorkommen. Sie sind von multifaktorieller Ätiologie (vgl. Merkblatt zur BK 2108 (BArbBl 10/2006) - I. Gefahrenquellen -). Da diese Bandscheibenerkrankungen auch in Berufsgruppen vorkommen, die während ihres Arbeitslebens keiner schweren körperlichen Belastung ausgesetzt waren, hat die medizinische Wissenschaft im Hinblick auf die Schwierigkeiten bei der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs im Rahmen der BK 2108 daher weitere Kriterien erarbeitet, die zumindest in ihrer Gesamtschau für oder gegen eine berufliche Verursachung sprechen. Diese sind niedergelegt in den medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der LWS, die als so genannte Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung auf Anregung der vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe zusammengestellt wurden (vgl. Trauma und Berufskrankheit, Heft 3/2005, S. 211 ff.). Es ist davon auszugehen, dass diese nach wie vor den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft zur Verursachung von Erkrankungen der LWS durch körperliche berufliche Belastungen darstellen (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.2006 - B 2 U 13/05 R - SozR 4-2700 § 9 Nr. 9 sowie Urteil vom 27.10.2009 - B 2 U 16/08 R -). Zur Gewährleistung einer gleichen und gerechten Behandlung aller Versicherten im Geltungsbereich des SGB VII erscheint es daher sachgerecht und geboten, dass Gutachter, Sachverständige und Gerichte diese Konsensempfehlungen bei der Kausalitätsbeurteilung anwenden.
Danach ist beim Kläger eine Konstellation, bei der Mitglieder der Konsensusarbeitsgruppe einen Zusammenhang angenommen haben, nicht gegeben. Der Senat stützt seine Entscheidung auf das Gutachten von Dr. W und vor allem das im Verwaltungsverfahren eingeholte und im Wege des Urkundsbeweises zu verwertende Gutachten von Dr. H, der zu den führenden Mitgliedern der Konsensusarbeitsgruppe zählt und daher zu einer authentischen Interpretation der Konsensempfehlungen beitragen kann.
Da ein Bandscheibenvorfall im Segment L5/S1 und L4/L5 nachgewiesen ist und im Übrigen Hinweise auf eine Mitbetroffenheit der HWS nicht vorliegen, kommen nur die mit B bezeichneten Konstellationen (B1 bis B3) in Betracht. Die Voraussetzungen der Konstellationen B1 und B2, bei denen ein Zusammenhang als wahrscheinlich und die Anerkennung einer BK 2108 empfohlen wird, sind nicht erfüllt.
Die Annahme der Konstellation B1 scheitert daran, dass nach überzeugender Darlegung der Sachverständigen Dr. H, Dr. W sowie Dr. C und Dr. T keine Begleitspondylosen vorliegen.
Die Konstellation B2 verlangt neben der gesicherten bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS, der plausiblen zeitlichen Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung und dem Fehlen wesentlicher konkurrierender Ursachenfaktoren die Erfüllung zusätzlich mindestens eines der folgenden Zusatzkriterien:
- Höhenminderung und/oder Vorfall an mehreren Bandscheiben oder "black disc" im MRT an mindestens zwei angrenzenden Segmenten,
- besonders intensive Belastung (Anhaltspunkt: Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als zehn Jahren),
- besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen.
Die arbeitstechnischen Zusatzkriterien 2 oder 3, die ein besonderes Belastungsprofil beschreiben und für die Kausalitätsbewertung herangezogen werden, sind nicht erfüllt. Die Annahme, der Kläger könnte in den ersten zehn Jahren seiner beruflichen Tätigkeit bereits den Orientierungswert (also 12,5 MNh) erreicht haben (Zusatzkriterium 2), erscheint ausgeschlossen und wird von ihm auch nicht geltend gemacht. Von einer besonders hohen Belastung, die sich nach den Konsensempfehlungen in besonderen Belastungsspitzen (Zusatzkriterium 3) wie beispielsweise bei den von Dr. W angesprochenen Pflegeberufen zeigt, kann hier ebenfalls nicht ausgegangen werden, der Kläger war vielmehr bei seiner Tätigkeit als Installateur gleichbleibenden hohen Belastungen ausgesetzt und erreichte nach der Berechnung des TAD vom 11.01.2010 während seiner Ausbildungszeit nur an 53 Tagen im Jahr und während der 17,4 jährigen Belastungszeit als Geselle an 66 Tagen im Belastungsspitzen (Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosisrichtwertes; Männer ab 6 kN). Wie Dr. H und insbesondere auch Dr. W überzeugend dargelegt haben, ist daher die Gesamteinwirkung durch hohe Belastungsspitzen nicht ausreichend, um das dritte Zusatzkriterium zu erfüllen.
Entgegen der Ansicht von Dr. C, auf den sich der Kläger vornehmlich stützt, kann auch nicht von der Konstellation B2 und dem 1. Zusatzkriterium 1. Alt. ausgegangen werden, wobei die 2. Alternative hier ersichtlich mangels black disc Veränderungen ausscheidet. Die erste Alternative des Zusatzkriteriums 1 erfordert, wie Dr. H, dem sich im Ergebnis auch Dr. W und Dr. T angeschlossen haben, ausführt, dass mehrere, d. h. mindestens drei Bandscheiben betroffen sind. Ein zweisegmentaler Bandscheibenschaden der unteren beiden LWS-Segmenten erfüllt nur die Grundvoraussetzung sämtlicher mit dem Buchstaben B beginnenden Konstellationen: "Lokalisation: die bandscheibenbedingte Erkrankung betrifft L 5/S1 und/oder L4/L5." Dem Senat erscheint diese Interpretation im Kontext der Konsensempfehlungen, wonach eine Betonung an den untersten drei Segmenten der LWS für einen Ursachenzusammenhang spricht, absolut plausibel. Auch wäre ansonsten schon bei einer Grundkonstellation B2 (L5/S1und L4/L5 in dieser Form immer das Zusatzkriterium 1 1. Alt. erfüllt und es hätte damit der ausdrücklichen Einbeziehung "mehrerer Bandscheiben" gar nicht bedurft.
Damit ist das Schadensbild B3 gegeben. Für diese Konstellation konnten die Autoren der Konsensempfehlungen wie Dr. H eingehend dargelegt hat, keine Einigung hinsichtlich der Frage des Kausalzusammenhangs erzielen, vielmehr hielt die Mehrheit der Mitglieder der Konsensarbeitsgruppe den Ursachenzusammenhang mit einer beruflichen Belastung gerade nicht für wahrscheinlich. Auf den im Anhang 1 und 2 der Konsensempfehlungen dargestellten Meinungstand nimmt der Senat ausdrücklich Bezug.
Gleichwohl geht der Senat bislang nicht davon aus, dass bei einer solchen Konstellation ein Zusammenhang der Erkrankung mit den beruflichen Einwirkungen stets zu verneinen ist (so aber z. B. LSG Darmstadt vom 27.03.2012 L 3 U 81/11). Vielmehr bedarf es in Nicht -Konsensfällen nach Ansicht des Senats einer individuellen Beurteilung und Würdigung des Einzelfalls (vgl. Urteile des erkennenden Senats vom 16.03.2010 - L 15 U 194/06; vom 09.11.2010 - L 15 U 170/08; vom 13.09.2011- L 15 U 132/07).
Vorliegend vermag der Senat aber weder aus der Lokalisation noch der Art des Befundes Besonderheiten zu erkennen, die im Einzelfall eine Würdigung zu Gunsten des Klägers erlauben. Eine außerordentliche Schwere oder Ausprägung der Bandscheibenvorfälle ist nicht ersichtlich. Biomechanische Besonderheiten der beruflichen Einwirkungen, welche das Fehlen von Spuren der beruflichen Belastung in den Segmenten der mittleren und oberen LWS plausibel machen könnten, sind, wie Dr. H dargelegt hat, bei der Konstellation B3 nicht gegeben. Auch Dr. T konstatiert insoweit, dass beim Kläger ein Verteilungsmuster vorliegt, das dem eines nicht exponierten Menschen mit einer isolierten Betroffenheit der Segmente L 4/L5 und L5/S1 entspricht. Die von Dr. T angesprochene späte Krankheitsmanifestation deckt sich mit dem ohnehin erforderlichen zeitlich konformen Verlauf, wonach eine plausible zeitliche Relation zur Entwicklung der Erkrankung als Grundvoraussetzung anzunehmen ist, was auch im Rahmen von B2 erforderlich gewesen wäre. Eine erheblich überschwellige Belastung kann bei der hier vorliegenden Gesamtbelastungsdosis von 18,2 MNh verteilt auf gut 20 Jahre nicht gesehen werden. Der Senat gewichtet hier auch den Umstand, dass bei der Erarbeitung der Konsensempfehlungen, wie Dr. H in seiner Stellungnahme vom 13.01.2010 erläutert hat, vorausgesetzt worden war, dass der Richtwert nach dem MDD (25 MNh) zumindest annähernd erfüllt ist, d. h. zu ca. 80% oder mehr. Bei Abwägung all dieser Umstände kann ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang der beruflichen Belastung mit den beim Kläger vorliegenden Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule nicht angenommen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) - bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (BK 2108).
Der im Juli 1963 geborene Kläger absolvierte vom August 1979 bis Juli 1982 eine Ausbildung zum Heizungs- und Lüftungsbauer und war anschließend in diesem Beruf bis Juni 1983 tätig und dann zunächst arbeitslos. Von Januar 1984 bis Dezember 1987 leistete er einen 4-jährigen Wehrdienst ab. Ab Januar 1988 arbeitete er bis zur Tätigkeitsaufgabe im Februar 2008 mit Unterbrechungen durch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit sowie einer Tätigkeit als Bürohilfe (Juni 2001 bis Dezember 2003) als Installateur. Die Installationen betrafen Neu-, Um-, Aus- und Anbaumaßnahmen.
Nach Eingang der BK-Anzeige von Dr. X vom 22.04.2008, der über einen Bandscheibenvorfall L5/S1 im Februar 2008 berichtete, leitete die Beklagte ein Feststellungsverfahren zur BK 2108 ein. Ihr Technischer Aufsichtsdienst (TAD) kam auf der Grundlage der Angaben des Klägers in den Stellungnahmen vom 24.09.2008 und 11.01.2010 zu dem Ergebnis, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit als Installateur einschließlich der Zeiten der Ausbildung eine Gesamtbelastungsdosis von 18,27 MNh aufgenommen hat und während seiner Ausbildung an 53 Arbeitstagen im Jahr sowie während seiner Tätigkeit als Geselle an 66 Tagen im Jahr Belastungsspitzen im Sinne des 3. Zusatzkriteriums der B2 ausgesetzt war. Die Beklagte zog ärztliche Behandlungsunterlagen bei, u. a. einen Versicherungsverlauf, einen Entlassungsbericht der Klinik Q vom 09.07.2008 sowie ein Vorerkrankungsverzeichnis. Im Rahmen der medizinischen Ermittlungen kam Dr. C in seinem Gutachten vom 27.12.2008 in Verbindung mit der ergänzenden Stellungnahme vom 28.07.2009 unter Auswertung der radiologischen Zusatzgutachten von Dr. S vom 25.11.2008 und Dr. I vom 02.06.2009 zu dem Ergebnis, beim Kläger bestehe ein Bandscheibenprolaps im Bereich L5/S1 sowie auch im Segment L4/L5. Relevante Veränderungen in den übrigen Segmenten oder eine Begleitspondylose sehe er nicht. Er erachte die Konstellation B2 für gegeben, da mehrere Bandscheiben betroffen seien und somit das erste Zusatzkriterium B2 vorliege. Die MdE sei mit 20 v. H. zu bewerten. Dieser Beurteilung konnte sich die Beklagte nicht anschließen und lehnte mit Bescheid vom 25.08.2009 die Anerkennung einer BK 2108 ab.
Hiergegen legte der Kläger am 03.09.2009 Widerspruch ein und verwies auf die Einschätzung von Dr. I und Dr. C. Die Beklagte holte daraufhin ein Gutachten nach Aktenlage bei Dr. H, einem der Autoren der Konsensempfehlungen, ein. Dr. H kam in seinem Gutachten 02.01.2010 sowie einer ergänzenden Stellungnahme vom 13.01.2010 zusammenfassend zu dem Ergebnis, die beim Kläger vorliegende bandscheibenbedingte Erkrankung sei der Konstellation B3 zuzuordnen, bei der nach Auffassung der Mehrheit der Mitglieder der Konsensusgruppe selbst bei einem Erreichen oder Überschreiten des Richtwertes von 25 MNh ein Zusammenhang beruflichen Einwirkungen nicht als wahrscheinlich anzusehen sei. Das Vorliegen eines der Zusatzkriterien der Konstellation B2 könne nicht angenommen werden; insbesondere stelle der - hier allein vorliegende - zweisegmentale Bandscheibenvorfall in den beiden unteren Segmenten nur die Grundkonstellation der B2-Konstellation dar und erfülle keinesfalls das Zusatzkriterium 1 im Sinne der zweiten Alternative der 1. Alt. (Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben). Black-disc-Veränderungen im Sinne des ersten Zusatzkriteriums seien ebenfalls nicht zu objektivieren. Die arbeitstechnischen Zusatzkriterien 2 (besonders intensive Belastung) und 3 (besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungspitzen) der B2 Konstellation seien ebenfalls nicht gegeben. Die Konstellation B1 liege ebenfalls nicht vor, da eine Begleitspondylose nicht zu erkennen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.07.2010 wies die Beklagte den Widerspruch daraufhin zurück. Hiergegen hat der Kläger am 22.07.2010 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben und geltend gemacht, seine LWS-Beschwerden seien auf die langjährige berufliche Tätigkeit zurückzuführen. Das Sozialgericht hat nach § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten des Orthopäden Dr. W eingeholt, der in seinem Gutachten vom 13.08.2011 das Vorliegen der B1 oder B2 Konstellation verneint hat. Insbesondere habe sich bei nur an 66 Tagen pro Jahr vorliegenden Belastungsspitzen kein vergleichbares Gefährdungspotential realisiert, wie dies im Bereich der Pflegeberufe, die Ausgangspunkt für die Entwicklung des 3. Zusatzkriteriums gewesen seien, angenommen werde. Die Konstellation B2 betreffe im Übrigen ein Krankheitsbild, das auch in der nicht wirbelsäulenbelastend arbeitenden Bevölkerung häufig auftrete; insoweit seien Zusatzkriterien gefordert worden, um eine genügende Trennschärfe gegenüber nicht wesentlich beruflich verursachten Schäden zu erhalten. Ungeachtet dieser Kausalitätsbetrachtungen liege die MdE bei 20 v. H.
Mit Urteil vom 28.02.2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das am 05.04.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.04.2013 Berufung eingelegt und die Auffassung vertreten, auch bei einem bisegmentalen Schadensbild sei das Zusatzkriterium B2 erfüllt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgericht Dortmund vom 28.02.2013 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides von 25.08.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2010 zu verurteilen, bei ihm eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Bei der hier vorliegenden Konstellation B3 sei eine Anerkennung der BK 2108 nicht möglich.
Der Senat hat auf Antrag des Klägers ein Gutachten nach § 109 SGG des Orthopäden Dr. T eingeholt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 15.05.2014 ausgeführt, auch er gehe von einer isolierten Betroffenheit der Segmente L4/L5 und L5/S1 aus, der LWS–Befund im Übrigen sei kernspintomograhisch völlig unauffällig und insbesondere bestehe auch keine Mitbeteiligung der Bandscheibe L3/L4. In Übereinstimmung mit Dr. H und Dr. W sei deshalb nicht von der Konstellation B2, sondern von der Konstellation B3 auszugehen, bei der es sich um einen Grenzfall handele. Er gehe nach Abwägung aller Umstände von einem Kausalzusammenhang mit den beruflichen Belastungen aus und befürworte eine MdE von 30 v. H. bei einem Aufgabezwang ab April 2008.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte verwiesen. Deren wesentlicher Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 25.08.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2010 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG beschwert, denn dieser Bescheid entspricht der Sach- und Rechtslage. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung der streitigen BK 2108.
Hinsichtlich der Voraussetzungen der Anerkennung einer BK gem. § 9 Abs. 1 SGB VII im allgemeinen nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG zunächst Bezug auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil.
Nach dem Tatbestand der BK 2108 muss der Versicherte aufgrund einer versicherten Tätigkeit langjährig schwere Lasten gehoben und getragen bzw. in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet haben. Durch die spezifischen, der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden besonderen Einwirkungen, deren Vorliegen nach dem so genannten Mainz-Dortmunder-Dosismodell - MDD (vgl. BSG, Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R) zu ermitteln ist, muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule entstanden sein und noch bestehen. Zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen muss ein sachlicher Zusammenhang und zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung muss ein (wesentlicher) Ursachenzusammenhang bestehen. Der Versicherte muss darüber hinaus gezwungen gewesen sein, alle gefährdenden Tätigkeiten aufzugeben. Als Folge dieses Zwangs muss die Aufgabe der gefährdeten Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, liegt eine BK 2108 nicht vor (BSG, Urteil vom 30.10.2007, a.a.O.; Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 14/08 R -). Hinsichtlich der Einwirkungen sieht das MDD als kritische Lebensdosis eine Belastung von 25. MNh für Männer vor, wobei dieser Wert kein absoluter Grenzwert, sondern nur einen Orientierungswert darstellt. Eine Belastung unterhalb dieses Grenzwertes schließt die Annahme einer rechtlich wesentlichen beruflichen (Mit-) Ursache nicht aus. Das BSG hat sich in den o. g. Urteilen im Hinblick auf die durch die "Deutsche Wirbelsäulenstudie" gewonnenen Erkenntnisse veranlasst gesehen, den Richtwert des MDD für die Gesamtbelastungsdosis zu halbieren und den Nachweis einer Mindestbelastungsdosis von 5500 Nh pro Tag als obsolet anzusehen. Der untere Grenzwert, bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigem Wissensstand ein Kausalzusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und bandscheibenbedingter Erkrankung der LWS ausgeschlossen ist und deshalb auf einzelfallbezogene medizinische Ermittlungen verzichtet werden kann, ist deshalb auf die Hälfte des im MDD vorgeschlagenen Orientierungswertes für die Gesamtbelastungsdosis von 25 MNh, also 12,5 MNh herabgesetzt worden.
Der Kläger war unstreitig im Laufe seines gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Berufslebens während der - unter Einbeziehung der Ausbildungszeiten - gut 20-jährigen Tätigkeit als Installateur (nicht zu berücksichtigen sind die Zeiten des Wehrdienstes und die Tätigkeit als Bürogehilfe) langjährig und regelmäßig Belastungen (Einwirkungen) im Sinne der BK 2108 ausgesetzt. Die Ermittlungen des TAD im Bericht vom 24.09.2008 haben ergeben, dass der Kläger Hebe- und Tragebelastungen ausgesetzt war, die bezogen auf die Tätigkeit als Installateur einer Gesamtbelastungsdosis von 18,27 MNh entsprechend, wobei zunächst 2,23 MNh auf die Ausbildungszeit entfielen. Bezogen auf den Zeiten als Geselle bis 2008 waren hier - neben der angesprochenen Wehrdienst- und Bürotätigkeit, auch die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit herauszunehmen, so dass sich hier ein Einwirkungszeitraum von 17,4 Jahren ergab (16,04 MNh). Die arbeitstechnischen Voraussetzungen sind damit erfüllt, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist.
Beim Kläger liegt nach übereinstimmender Auffassung der mit der Angelegenheit des Klägers befassten Ärzte eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vor und zwar in Form von Bandscheibenvorfällen L5/S1 und L4/L5, welche ein korrespondierendes klinisches Beschwerdebild mit Funktionseinschränkungen zeigen und den Kläger im Februar 2008 zur Aufgabe der Tätigkeit als Installateur gezwungen haben. Konkurrierende Ursachen sind nach Darlegung der Sachverständigen nicht erkennbar; die zeitliche Entwicklung der Erkrankung erscheint nach Einschätzung der Sachverständigen belastungskonform.
Das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung und die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne des modifizierten MDD kann jedoch allein die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines wesentlichen Kausalzusammenhangs der vorliegenden bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS mit beruflichen Einwirkungen nicht begründen, da in der medizinischen Wissenschaft anerkannt ist, dass Bandscheibenschäden insbesondere der unteren LWS in allen Altersgruppen, sozialen Schichten und Berufsgruppen vorkommen. Sie sind von multifaktorieller Ätiologie (vgl. Merkblatt zur BK 2108 (BArbBl 10/2006) - I. Gefahrenquellen -). Da diese Bandscheibenerkrankungen auch in Berufsgruppen vorkommen, die während ihres Arbeitslebens keiner schweren körperlichen Belastung ausgesetzt waren, hat die medizinische Wissenschaft im Hinblick auf die Schwierigkeiten bei der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs im Rahmen der BK 2108 daher weitere Kriterien erarbeitet, die zumindest in ihrer Gesamtschau für oder gegen eine berufliche Verursachung sprechen. Diese sind niedergelegt in den medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der LWS, die als so genannte Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung auf Anregung der vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe zusammengestellt wurden (vgl. Trauma und Berufskrankheit, Heft 3/2005, S. 211 ff.). Es ist davon auszugehen, dass diese nach wie vor den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft zur Verursachung von Erkrankungen der LWS durch körperliche berufliche Belastungen darstellen (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.2006 - B 2 U 13/05 R - SozR 4-2700 § 9 Nr. 9 sowie Urteil vom 27.10.2009 - B 2 U 16/08 R -). Zur Gewährleistung einer gleichen und gerechten Behandlung aller Versicherten im Geltungsbereich des SGB VII erscheint es daher sachgerecht und geboten, dass Gutachter, Sachverständige und Gerichte diese Konsensempfehlungen bei der Kausalitätsbeurteilung anwenden.
Danach ist beim Kläger eine Konstellation, bei der Mitglieder der Konsensusarbeitsgruppe einen Zusammenhang angenommen haben, nicht gegeben. Der Senat stützt seine Entscheidung auf das Gutachten von Dr. W und vor allem das im Verwaltungsverfahren eingeholte und im Wege des Urkundsbeweises zu verwertende Gutachten von Dr. H, der zu den führenden Mitgliedern der Konsensusarbeitsgruppe zählt und daher zu einer authentischen Interpretation der Konsensempfehlungen beitragen kann.
Da ein Bandscheibenvorfall im Segment L5/S1 und L4/L5 nachgewiesen ist und im Übrigen Hinweise auf eine Mitbetroffenheit der HWS nicht vorliegen, kommen nur die mit B bezeichneten Konstellationen (B1 bis B3) in Betracht. Die Voraussetzungen der Konstellationen B1 und B2, bei denen ein Zusammenhang als wahrscheinlich und die Anerkennung einer BK 2108 empfohlen wird, sind nicht erfüllt.
Die Annahme der Konstellation B1 scheitert daran, dass nach überzeugender Darlegung der Sachverständigen Dr. H, Dr. W sowie Dr. C und Dr. T keine Begleitspondylosen vorliegen.
Die Konstellation B2 verlangt neben der gesicherten bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS, der plausiblen zeitlichen Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung und dem Fehlen wesentlicher konkurrierender Ursachenfaktoren die Erfüllung zusätzlich mindestens eines der folgenden Zusatzkriterien:
- Höhenminderung und/oder Vorfall an mehreren Bandscheiben oder "black disc" im MRT an mindestens zwei angrenzenden Segmenten,
- besonders intensive Belastung (Anhaltspunkt: Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als zehn Jahren),
- besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen.
Die arbeitstechnischen Zusatzkriterien 2 oder 3, die ein besonderes Belastungsprofil beschreiben und für die Kausalitätsbewertung herangezogen werden, sind nicht erfüllt. Die Annahme, der Kläger könnte in den ersten zehn Jahren seiner beruflichen Tätigkeit bereits den Orientierungswert (also 12,5 MNh) erreicht haben (Zusatzkriterium 2), erscheint ausgeschlossen und wird von ihm auch nicht geltend gemacht. Von einer besonders hohen Belastung, die sich nach den Konsensempfehlungen in besonderen Belastungsspitzen (Zusatzkriterium 3) wie beispielsweise bei den von Dr. W angesprochenen Pflegeberufen zeigt, kann hier ebenfalls nicht ausgegangen werden, der Kläger war vielmehr bei seiner Tätigkeit als Installateur gleichbleibenden hohen Belastungen ausgesetzt und erreichte nach der Berechnung des TAD vom 11.01.2010 während seiner Ausbildungszeit nur an 53 Tagen im Jahr und während der 17,4 jährigen Belastungszeit als Geselle an 66 Tagen im Belastungsspitzen (Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosisrichtwertes; Männer ab 6 kN). Wie Dr. H und insbesondere auch Dr. W überzeugend dargelegt haben, ist daher die Gesamteinwirkung durch hohe Belastungsspitzen nicht ausreichend, um das dritte Zusatzkriterium zu erfüllen.
Entgegen der Ansicht von Dr. C, auf den sich der Kläger vornehmlich stützt, kann auch nicht von der Konstellation B2 und dem 1. Zusatzkriterium 1. Alt. ausgegangen werden, wobei die 2. Alternative hier ersichtlich mangels black disc Veränderungen ausscheidet. Die erste Alternative des Zusatzkriteriums 1 erfordert, wie Dr. H, dem sich im Ergebnis auch Dr. W und Dr. T angeschlossen haben, ausführt, dass mehrere, d. h. mindestens drei Bandscheiben betroffen sind. Ein zweisegmentaler Bandscheibenschaden der unteren beiden LWS-Segmenten erfüllt nur die Grundvoraussetzung sämtlicher mit dem Buchstaben B beginnenden Konstellationen: "Lokalisation: die bandscheibenbedingte Erkrankung betrifft L 5/S1 und/oder L4/L5." Dem Senat erscheint diese Interpretation im Kontext der Konsensempfehlungen, wonach eine Betonung an den untersten drei Segmenten der LWS für einen Ursachenzusammenhang spricht, absolut plausibel. Auch wäre ansonsten schon bei einer Grundkonstellation B2 (L5/S1und L4/L5 in dieser Form immer das Zusatzkriterium 1 1. Alt. erfüllt und es hätte damit der ausdrücklichen Einbeziehung "mehrerer Bandscheiben" gar nicht bedurft.
Damit ist das Schadensbild B3 gegeben. Für diese Konstellation konnten die Autoren der Konsensempfehlungen wie Dr. H eingehend dargelegt hat, keine Einigung hinsichtlich der Frage des Kausalzusammenhangs erzielen, vielmehr hielt die Mehrheit der Mitglieder der Konsensarbeitsgruppe den Ursachenzusammenhang mit einer beruflichen Belastung gerade nicht für wahrscheinlich. Auf den im Anhang 1 und 2 der Konsensempfehlungen dargestellten Meinungstand nimmt der Senat ausdrücklich Bezug.
Gleichwohl geht der Senat bislang nicht davon aus, dass bei einer solchen Konstellation ein Zusammenhang der Erkrankung mit den beruflichen Einwirkungen stets zu verneinen ist (so aber z. B. LSG Darmstadt vom 27.03.2012 L 3 U 81/11). Vielmehr bedarf es in Nicht -Konsensfällen nach Ansicht des Senats einer individuellen Beurteilung und Würdigung des Einzelfalls (vgl. Urteile des erkennenden Senats vom 16.03.2010 - L 15 U 194/06; vom 09.11.2010 - L 15 U 170/08; vom 13.09.2011- L 15 U 132/07).
Vorliegend vermag der Senat aber weder aus der Lokalisation noch der Art des Befundes Besonderheiten zu erkennen, die im Einzelfall eine Würdigung zu Gunsten des Klägers erlauben. Eine außerordentliche Schwere oder Ausprägung der Bandscheibenvorfälle ist nicht ersichtlich. Biomechanische Besonderheiten der beruflichen Einwirkungen, welche das Fehlen von Spuren der beruflichen Belastung in den Segmenten der mittleren und oberen LWS plausibel machen könnten, sind, wie Dr. H dargelegt hat, bei der Konstellation B3 nicht gegeben. Auch Dr. T konstatiert insoweit, dass beim Kläger ein Verteilungsmuster vorliegt, das dem eines nicht exponierten Menschen mit einer isolierten Betroffenheit der Segmente L 4/L5 und L5/S1 entspricht. Die von Dr. T angesprochene späte Krankheitsmanifestation deckt sich mit dem ohnehin erforderlichen zeitlich konformen Verlauf, wonach eine plausible zeitliche Relation zur Entwicklung der Erkrankung als Grundvoraussetzung anzunehmen ist, was auch im Rahmen von B2 erforderlich gewesen wäre. Eine erheblich überschwellige Belastung kann bei der hier vorliegenden Gesamtbelastungsdosis von 18,2 MNh verteilt auf gut 20 Jahre nicht gesehen werden. Der Senat gewichtet hier auch den Umstand, dass bei der Erarbeitung der Konsensempfehlungen, wie Dr. H in seiner Stellungnahme vom 13.01.2010 erläutert hat, vorausgesetzt worden war, dass der Richtwert nach dem MDD (25 MNh) zumindest annähernd erfüllt ist, d. h. zu ca. 80% oder mehr. Bei Abwägung all dieser Umstände kann ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang der beruflichen Belastung mit den beim Kläger vorliegenden Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule nicht angenommen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
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