L 8 R 294/15 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 7 R 2116/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 294/15 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Beigeladenen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11.3.2015 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Streitig ist der sozialversicherungsrechtliche Status der Klägerin in ihrer Tätigkeit als Propagandistin/Verkaufsförderin für den Beigeladenen.

Das Streitverfahren einer weiteren Propagandistin/Verkaufsförderin, in dem der Beigeladene ebenfalls beigeladen worden ist, ist derzeit beim Senat unter dem Aktenzeichen L 8 R 815/14 anhängig.

Im Hinblick auf jenes Verfahren haben sich die Klägerin und die Beklagte mit einem Ruhen des Verfahrens bis zum Abschluss des beim Senat anhängigen Berufungsverfahrens einverstanden erklärt.

Mit Beschluss vom 11.3.2015 hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf das Ruhen des Verfahrens angeordnet. In der Rechtsmittelbelehrung ist darauf hingewiesen worden, dass die Beschwerde entweder beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) oder beim SG Aachen einzulegen ist.

Dem Beigeladenen ist dieser Beschluss am 19.3.2015 zugestellt worden. Mit dem am 24.3.2015 beim SG Düsseldorf eingegangenen und an dieses adressierten Schriftsatz vom 23.3.2015 hat der Beigeladene Gegenvorstellung, hilfsweise Beschwerde eingelegt. Die Gegenvorstellung des Beigeladenen hat das SG Düsseldorf mit Beschluss vom 8.5.2015 verworfen.

Mit am 9.7.2015 beim Senat eingegangenen Schriftsatz vom 8.7.2015 hat der Beigeladene Beschwerde gegen den Beschluss des SG Düsseldorf vom 11.3.2015 eingelegt, nachdem er vom Senat auf die Unzulässigkeit der bedingten Beschwerdeeinlegung mit Schriftsatz vom 23.3.2015 hingewiesen worden war. Zur Begründung trägt der Beigeladene vor, ihm als notwendig Beigeladenem stehe das Recht zu, Anträge zu stellen. Er habe jedoch dem Ruhen widersprochen und gebeten, dem Verfahren Fortgang zu geben. Im Übrigen dürfte im Hinblick auf die Tatsache, dass die Klägerin im Prüfzeitraum von 2006 bis 2009 nur ein einziges Mal und zwar im Februar 2009 einmalig für ihn tätig gewesen sei, die Angelegenheit unzweideutig als selbständige Tätigkeit der Klägerin zu beurteilen sein, und zwar unabhängig von dem Ausgang des Rechtsstreites vor dem LSG NRW. Dies gelte auch vor dem Hintergrund, dass die Klägerin eine Altersrente und Zusatzrente erhalte, dort kranken- und pflegeversichert sei und im Übrigen von einer Vielzahl von Auftraggebern beauftragt werde.

Der Beigeladene beantragt,

den Beschluss des SG Düsseldorf vom 11.3.2015 aufzuheben und dem Verfahren Fortgang zu geben.

Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass die Voraussetzungen des Ruhens des Verfahrens vorlägen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass ein Antrag oder eine Zustimmung des Beigeladenen für eine Anordnung des Ruhens nicht erforderlich sei.

II.

Die Beschwerde des Beigeladenen ist zulässig. Sie ist mit dem Schriftsatz vom 8.7.2015 unbedingt und zudem am 9.7.2015 fristgerecht eingelegt worden. Die Beschwerdefrist beträgt vorliegend gem. § 66 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Jahr und läuft bis zum 19.3.2016. Nach dieser Vorschrift ist die Einlegung des Rechtsmittels nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung zulässig, wenn die Rechtsmittelbelehrung unterblieben oder unrichtig erteilt ist. Die Rechtsmittelbelehrung des Beschlusses des SG Düsseldorf vom 11.3.2015 ist in diesem Sinne unrichtig, als in dieser ein örtlich unzuständiges SG, nämlich das SG Aachen statt des SG Düsseldorf, angegeben worden ist (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 66 Rn. 7 m.w.N.).

Die Beschwerde des Beigeladenen ist jedoch unbegründet. Das SG Düsseldorf hat mit rechtmäßigem Beschluss vom 11.3.2015 das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Nach § 202 SGG i.V.m. § 251 Zivilprozessordnung (ZPO) hat das Gericht das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Hauptbeteiligten dies beantragen und anzunehmen ist, dass die Anordnung aus wichtigen Gründen zweckmäßig ist. Die Voraussetzungen für die Anordnung des Ruhens des Verfahrens liegen vor.

Die Hauptbeteiligten haben die Anordnung des Ruhens des Verfahrens beantragt. Entgegen der Auffassung des Beigeladenen ist selbst dann sein Antrag nicht erforderlich, wenn er notwendig nach § 75 Abs. 2 SGG beigeladen wurde (vgl. LSG Berlin, Beschluss vom 1.3.2004, L 7 B 300/02 KA, juris; Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 14.12.2001, L 6 KA 87/01, juris; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, Vor 114 Rn. 4; Leopold in: Roos/Wahrendorf, SGG Vor § 114 Rn. 56). Dies gilt auch vor dem Hintergrund des § 198 Abs. 6 Nr. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), nach dem jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens die Verzögerungsrüge erheben kann. Erfasst ist jede Person, die nach Maßgabe der jeweiligen Prozessordnung kraft eigenen Rechts gestaltend auf den Prozessgegenstand einwirken kann (BT-Drucks. 17/3802 S. 22) und deren Position deshalb durch die Untätigkeit des Gerichts beeinträchtigt wird (vgl. Kissel/Mayer, GVG 7. Auflage 2013, § 198 Rn. 10). Dies ist auch der Beigeladene, der gem. § 69 SGG Beteiligter des Verfahrens ist. Das Recht der Verzögerungsrüge erweitert jedoch nicht im Verhältnis zu den Hauptbeteiligten seine prozessualen Befugnisse im sozialgerichtlichen Verfahren, sondern stellt einen Rechtsbehelf dar, der zur unverzögerten Durchsetzung der ihm durch das Prozessrecht eingeräumten Rechte verhilft (vgl. BT-Drucks. 17/8302 S. 16, 21, 34 u. 40). Damit führt diese nicht zu einem Antragsrecht in Bezug auf eine Ruhensanordnung. Dem Interesse des Beigeladenen an der Wahrung seiner prozessualen Rechte - auch unter dem Gesichtspunkt der Gewährung effektiven Rechtsschutzes - wird dadurch Rechnung getragen, dass er sich gegen die Anordnung des Ruhens mit der Beschwerde richten und die Rechtmäßigkeit der Ruhensanordnung durch das Beschwerdegericht überprüfen lassen kann.

Die Anordnung des Ruhens ist auch aus einem wichtigen Grund zweckmäßig. Die Versicherungspflicht der Klägerin in ihrer Tätigkeit als Propagandistin/Verkaufsförderin für den Beigeladenen hängt entscheidend von dem Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ab. Es begegnet vorliegend keinen Bedenken, dass der Ausgang des beim Senat anhängigen Verfahrens L 8 R 815/14 abgewartet werden soll. Denn in jenem Verfahren hat sich der Senat mit einer im Wesentlichen gleichgelagerten Sach- und Rechtslage zu befassen - wovon auch der Beigeladene im Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 18.2.2015 ausgeht -, sodass sich aus dem Ausgang jenes Verfahrens wichtige Erkenntnisse für die Beurteilung vorliegenden Verfahrens erzielen lassen (vgl. Leopold in: Roos/Wahrendorf, SGG, Vor § 114 Rn. 61). In jenem Verfahren treten zudem die Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen auf. Damit ist sichergestellt, dass die in dem vorliegenden Verfahren von diesen Prozessbevollmächtigten herausgearbeiteten Argumente auch in dem Parallelverfahren thematisiert werden.

Soweit der Beigeladene darauf hinweist, dass vorliegend offensichtlich schon deshalb von Versicherungsfreiheit auszugehen sei, weil die Klägerin nur einmal im Jahr 2009 für ihn tätig gewesen sei, eine Altersrente sowie eine Zusatzrente erhalte, aufgrund dessen kranken- und pflegeversichert sei und von einer Vielzahl von Auftraggebern beauftragt werde, rechtfertigt diese keine abweichende Beurteilung.

Es trifft zwar zu, dass in dem Fall, dass die Klägerin eine Vollrente wegen Alters erhält bzw. das Lebensjahr für den Anspruch auf Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) vollendet hat, Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht (vgl. §§ 5 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI, 28 Abs. 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III]). In der Kranken- und Pflegeversicherung führt die Eigenschaft als Rentnerin jedoch nicht zur Versicherungsfreiheit. Ob insoweit ein Versicherungsfreiheitstatbestand (§ 5 Abs. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, § 8 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IV]) gegeben ist, bedarf weiterer Ermittlungen und ist nicht bereits jetzt offensichtlich. Unerheblich ist, dass die Klägerin möglicherweise für eine Vielzahl von Auftraggebern tätig geworden ist. Nach verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen können durchaus mehrere Beschäftigungen nebeneinander ausgeübt werden (vgl. z.B. §§ 8 Abs. 2, 22 Abs. 2 SGB IV). Selbst wenn die Klägerin nur an einem Tag - wie vom Beigeladenen behauptet - für ihn tätig geworden sein sollte, würde dies entgegen seiner Auffassung eine abhängige Beschäftigung nicht ausschließen. Nach der gesetzgeberischen Wertung kann sogar eine nur an einem Tag verrichtete Tätigkeit eine abhängige Beschäftigung sein (vgl. z.B. §§ 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV, 27 Abs. 3 Nr. 1 SGB III). Dies gilt damit auch für die Tätigkeit der Klägerin für den Beigeladenen, die sie nach ihrer Rechnung Nr. 1 vom 9. bis 21.2.2009 an 10 Einsatztagen ausübte.

Die Kostenentscheidung ist im Hauptsacheverfahren zu treffen. Das Beschwerdeverfahren gegen einen Ruhensbeschluss des Sozialgerichts nach § 202 SGG i.V.m. § 251 ZPO ist kein selbständiger Verfahrensabschnitt, sondern nur Zwischenstreit in einem noch anhängigen Rechtsstreit und enthält deshalb keine Kostengrundentscheidung (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 21.6.2012, L 6 AS 940/12 B, und vom 20.6.2007, L 19 B 12/07 AL; jeweils juris).

Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde zum BSG angefochten werden (§ 177 Sozialgerichtsgesetz).
Rechtskraft
Aus
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