Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 SB 269/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 1054/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. März 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Kosten und baren Auslagen der Klägerin für das von Dr. A. unter dem 19. Juli 2015 nach § 109 Sozialgerichtsgesetz erstattete Gutachten werden nicht auf die Staatskasse übernommen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des bei der Klägerin festzustellenden Grades der Behinderung (GdB) streitig.
Bei der im Jahr 1958 geborenen Klägerin stellte das Landratsamt B. (LRA) zuletzt mit Bescheid vom 15.6.2010 einen GdB von 30 seit dem 12.4.2010 fest. Es berücksichtigte hierbei, entsprechend einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 8.6.2010, als Funktionsbeeinträchtigungen "degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks" und ein "Fibromyalgiesyndrom, Kopfschmerzsyndrom, Depressive Verstimmung, funktionelle Kreislaufstörungen" jeweils mit einem Einzel-GdB von 20.
Nachdem ein erstmaliger Antrag auf Neufeststellung des GdB mit Bescheid vom 23.11.2012 abgelehnt worden war, beantragte die Klägerin am 3.5.2013 abermals, die bei ihr bestehenden Beeinträchtigungen mit einem höheren GdB festzustellen. Sie verwies hierzu u.a. auf eine bestehende Migräne und Schultergelenkseinschränkungen. Das LRA forderte Befundbeschreibungen der behandelnden Ärzte an und führte diese einer versorgungsärztlichen Überprüfung zu. Dr. C.-C. kam unter dem 26.9.2013 zu der Einschätzung, dass eine Verschlimmerung nicht belegt sei. Gestützt hierauf lehnte das LRA den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 7.10.2013 ab.
Den hiergegen unter Verweis auf eine chronische Migräne eingelegten Widerspruch wies der Beklagte nach abermaliger versorgungsärztlicher Überprüfung mit Widerspruchsbescheid vom 14.1.2014 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 21.1.2014 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Sie hat vorgebracht, ihre Wirbelsäule sei in zwei Abschnitten geschädigt, weswegen ein Einzel-GdB von wenigstens 30 anzusetzen sei. Isoliert hiervon sei die Schädigung des Schultergelenks mit einem GdB von mindestens 20 zu berücksichtigen. Schließlich sei das Fibromyalgiesyndrom, da sie parallel hierzu auch an einem Kopfschmerzsyndrom und einer depressiven Verstimmung leide, mit einem Einzel-GdB von wenigstens 40 einzustellen. Insg. seien die Beeinträchtigungen mit einem GdB von wenigstens 50 zu bewerten.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen einvernommen. Der Allgemeinmediziner Dr. D. hat unter dem 25.3.2014 mitgeteilt, er teile die Einschätzung des Beklagten betr. die GdB-Bewertung. Die Klägerin leide jedoch auch an einer schweren Somatisierungsstörung. Seitens der Gemeinschaftpraxis E. und F. und durch die Ärztin für Neurologie G.-G., die von der Klägerin als behandelnde Ärzte benannt wurden, wurde jeweils mitgeteilt, dass die Klägerin dort seit Oktober 2012 nicht mehr behandelt worden sei.
Das SG hat Dr. H., Facharzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 29.9.2014 hat Dr. H. ausgeführt, die Klägerin leide an chronischem Spannungskopfschmerz, einfacher Migräne, depressiver Verstimmung i.S. einer Dysthymia, Somatisierungstendenzen sowie Wirbelsäulen- und Schultergelenksbeschwerden ohne signifikante sensomotorische Ausfälle. Im Hinblick auf die orthopädischen Erkrankungen hätten sich bei seiner körperlichen Untersuchung keine funktionellen Einschränkungen gezeigt. Hinsichtlich der Schilderung der Auswirkung der Migräne weiche die Schilderung der Klägerin ihm gegenüber von früheren Schilderungen ab. Insg., so Dr. H., sei ein GdB von 30 angemessen.
Mit Urteil vom 11.3.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, die orthopädischen Beschwerden der Klägerin seien mit einem Einzel-GdB von 20 ausreichend gewürdigt. Sie befinde sich seit 2012 nicht mehr in orthopädischer Behandlung. Dr. H. habe die Beweglichkeit der Gelenke als frei beschrieben. Auch aus dem Entlassungsbericht der vom 20.8. - 24.9.2012 in der Reha-Klinik I. durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme seien keine erheblichen funktionellen Einschränkungen ersichtlich. Die bei der Klägerin bestehenden Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet, nach Dr. H. eine Dysthymia und Somatisierungstendenzen, rechtfertigten keine höhere GdB-Bewertung als mit einem Einzel-GdB von 20, da bei der Klägerin keine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vorliege. Dr. H. habe lediglich leichtgradige Befunde erhoben. Auch stehe die Klägerin nicht in fachärztlicher psychiatrischer Behandlung. Die Kopfschmerzen und die Migräne könnten gleichfalls nicht mit einem höheren Einzel-GdB als 20 bewertet werden. Zwar habe sie gegenüber dem Gutachter mitgeteilt, bis zu zweimal im Monat unter Migräne zu leiden, jedoch habe sie gegenüber der behandelnden Ärztin eine geringere Anfallsfrequenz (alle 2-3 Monate) angegeben. Auch werde aktuell keine medikamentöse oder fachärztliche Therapie durchgeführt, sodass der klägerseits angeführte Leidensdruck nicht belegt sei. Insg. sei ein GdB von 30 unverändert angemessen.
Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 18.3.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.3.2015 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bringt sie vor, das SG sei der Einschätzung von Dr. H. gefolgt, obschon sich dieser mit den aktenkundigen ärztlichen Unterlagen nicht auseinandergesetzt habe. Bereits im Rehabilitationsentlassungsbericht der Reha-Klinik I. sei von einer depressiven Störung mit Schlafstörungen, Antriebsstörungen und sozialem Rückzug die Rede. Die allgemeine Leistungsfähigkeit werde als deutlich eingeschränkt beschrieben. Auch der vom SG schriftlich einvernommene Dr. D. habe dies bestätigt. Dieser habe auch von sehr häufigen Migräneanfällen berichtet. In Zusammenschau sei bereits hiernach ein GdB von mehr als 30 festzustellen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. März 2015 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 7. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Januar 2014 zu verurteilen, die bei ihr bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von mehr als 30 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist zur Begründung seines Antrages auf die aus seiner Sicht zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat Dr. A., Internist und Arzt für klinische Geriatrie und für ärztliche Psychotherapie, zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 19.7.2015 hat Dr. A. die Einschätzung vertreten, der GdB der Klägerin sei mit 50 festzustellen. Führend sei die bestehende depressive Erkrankung, die mit Zwangsgedanken sowie einem ausgeprägtem sozialen Rückzug einhergehe und mit einem Einzel-GdB von 60 zu bewerten sei. Die Migräne-Erkrankung präsentiere sich mit einer Aura und werde von einem Kopfschmerz eines anderen Typus überlagert. Hierfür sei ein Einzel-GdB von 40 anzusetzen.
Der Beklagte ist der gutachterlichen Einschätzung unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. J. vom 3.12.2015 entgegen getreten.
Mit Schriftsatz vom 15.2.2016 hat die Klägerin, mit solchem vom 23.2.2016 der Beklagte, das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beim Beklagten für die Klägerin geführte Schwerbehindertenakte, die Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form - und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat nach dem erklärten Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, führt jedoch für diese nicht zum Erfolg.
Der Bescheid vom 7.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.1.2014, mit dem die Feststellung eines höheren GdB abgelehnt wurde, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. § 69 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung - vorliegend dem vom 15.6.2010 - vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Eine wesentliche Änderung ist im gegebenen Zusammenhang im Hinblick auf die Feststellung des GdB anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung oder Verschlechterung des Behinderungszustandes eine Herabsetzung oder Erhöhung des festgestellten (Gesamt-) GdB um wenigstens 10 ergibt (u.a. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 22.10.1986 - 9a RVs 55/85 - veröffentlicht in juris). Die Änderung der Bezeichnung der Funktionsbeeinträchtigungen oder das Hinzutreten weiterer Funktionsbeeinträchtigungen ohne Auswirkung auf den GdB stellen hingegen keine wesentliche Änderung in diesem Sinne dar (BSG, Urteil vom 24.6.1998 - B 9 SB 18/97 R - veröffentlicht in juris). Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, ist durch einen Vergleich der gegenwärtigen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung mit dem verbindlich festgestellten objektiven Behinderungszustand zum Zeitpunkt des Erlasses des zuletzt bindend gewordenen Bescheides zu ermitteln. Bei einer derartigen Neufeststellung handelt es sich nicht um eine reine Hochrechnung des im letzten maßgeblichen Bescheid festgestellten GdB, sondern um dessen Neuermittlung unter Berücksichtigung der gegenseitigen Beeinflussung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19.9.2000 - B 9 SB 3/00 R - veröffentlicht in juris).
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist hierbei nur dann zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Satz 6 SGB IX). Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der Fassung des am 15.1.2015 in Kraft getretenen Gesetzes zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG vom 7.1.2015 (BGBl. II S. 15) ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht, indes bestimmt § 159 Abs. 7 SGB IX in der ab dem 15.1.2015 geltenden Fassung, dass, soweit noch keine Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die ab dem 1.1.2009 an die Stelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG; die jeweilige Seitenangabe bezieht sich auf das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebene Printexemplar) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung [VersMedV]) heranzuziehen, die auf Grundlage von § 30 Abs. 16 BVG erlassen wurde.
In Anlegung der dortigen Maßstäbe sind die bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 30 unverändert angemessen und ausreichend bewertet.
Die bei der Klägerin vorliegende depressive Erkrankung ist mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Nach Nr. 3.7 (S. 42) der VG sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem Einzel-GdB von 0 - 20, stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Schmerzstörungen) mit einem solchen von 30 - 40, schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheiten) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsstörungen mit einem solchen von 50 - 70 und solche mit schweren sozialen Anpassungsstörungen mit einem Einzel-GdB von 80 - 100 zu bewerten. Der Senat vermag, wie bereits das SG, bei der Klägerin keine stärker behindernde Störung des Funktionssystems Psyche zu erkennen. Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 31.7.2014 keine maßgeblichen psychopathologischen Befunde benannt. Er hat vielmehr davon berichtet, dass die affektive Resonanzfähigkeit der Klägerin, die Konzentrations- und die Auffassungsgabe und die Gedächtnisleistung nicht eingeschränkt sind, der Antrieb der Klägerin angemessen, ja sogar durchaus lebhaft war. Auch hat er keine sonstige psychische Dimension (formales Denken, Bewusstsein, Orientierung o.ä.) als beeinträchtigt beschrieben. Dr. H. hat vielmehr lediglich von einer leicht niedergeschlagenen, belasteten Grundstimmung berichtet. Diese Befunde spiegeln sich im vom Gutachter dargelegten Tagesablauf der Klägerin wieder, der zwar eindimensioniert, um die wahrgenommene Schmerzproblematik zirkuliert, jedoch strukturiert ist und bestehende familiäre Kontakte mit Kindern und Enkelkindern, die Haushaltsführung, Freizeitaktivitäten wie das Schwimmen und Heimaturlaube aufweist. Eine stärkere Beeinträchtigung vermag der Senat auch in Ansehung des Gutachtens von Dr. A., der einen Einzel-GdB von 60 für die depressive Erkrankung angenommen hat, nicht anzunehmen. Der Einschätzung von Dr. A. liegt vor dem Hintergrund der oben angeführten Bewertungskriterien zu Grunde, dass bei der Klägerin eine schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsstörung besteht. Hiervon ist der Senat jedoch nicht überzeugt. Mittelgradige soziale Anpassungsstörungen meinen u.a. eine psychisch bedingte Unfähigkeit, sich in angemessener Weise anderen zuzuwenden und das eigene Verhalten, soweit gerechtfertigt, den Bedürfnissen und Anforderungen anderer im Rahmen sozialer Kontakte anzupassen. Dies ist nicht schon bei einem nachvollziehbaren sozialen Rückzug bei stärkeren Schmerzen oder bei einer depressiven Verstimmung anzunehmen. Dr. A. führt zur Begründung seiner Einschätzung zuvorderst bei der Klägerin bestehende Zwangsgedanken, z.B. an eine mögliche Verarmung, an, die er daraus herleitet, dass sich die Klägerin Vorwürfe betreffend der Auswirkungen ihrer Erkrankung auf die familiäre Situation macht. Dass diese Situation jedoch tatsächlich zu einer maßgeblichen psychischen Beeinträchtigung führt, wird von Dr. A. nicht begründet. Vielmehr legt er ausschließlich die Angaben der Klägerin, dass sie ein schlechtes Gewissen gegenüber ihrer Familie habe, zu Grunde. Eine gravierende Einschränkung einer psychischen Dimension beschreibt er hingegen nicht. Mithin ist zur Überzeugung des Senats die depressive Erkrankung mit einem Einzel-GdB von 20 angemessen und ausreichend bewertet. Dies wird für den Senat auch dadurch bestätigt, dass sich die Klägerin weder in fachärztlicher psychiatrischer Behandlung noch in ambulanter Psychotherapie befindet.
Die GdB-Bewertung für die bei der Klägerin bestehende Migräne-Erkrankung und die chronischen Spannungskopfschmerzen ist nach Nr. 2.3 (S. 35) der VG anhand der Häufigkeit und Dauer der Anfälle und der Ausprägung der Begleiterscheinungen zu beurteilen. Leichte Verlaufsformen mit einer Anfallsfrequenz von einmal monatlich sind mit einem Einzel-GdB von 0 - 10 zu bewerten, mittelgradige Verlaufsformen mit häufigeren Anfällen, die jeweils einen oder mehrere Tage anhalten, sind mit einem solchen von 20 - 40 und schwere Verlaufsformen, die durch lang andauernde Anfälle mit stark ausgeprägten Begleiterscheinungen und mit nur wenige Tage reichenden Anfallspausen geprägt sind, sind mit einem Einzel-GdB von 50 - 60 zu berücksichtigen. Der Senat legt seiner Bewertung die Einschätzung von Dr. H. zu Grunde, der das Kopfschmerzleiden als leicht- bis mittelschwer einstuft und hierbei die gegenüber der behandelnden Ärztin mitgeteilte Anfallsfrequenz (Anfälle alle 3 - 4 Monate) zu Grunde legt. Die Klägerin hat jedoch sowohl gegenüber Dr. H. als auch gegenüber Dr. A. häufigere Anfälle (2 - 4 pro Monat) mitgeteilt, sodass bei der Klägerin von einer mittelgradigen Verlaufsform auszugehen ist. Da indes weder Dr. H. noch Dr. A. davon berichtet haben, dass die Anfälle regelmäßig über mehrere Tage andauern - die mitgeteilte Dauer von 15 Tagen ist insofern als einmaliges Ereignis nicht geeignet, eine darauf fußende Einstufung der GdB-Bewertung der Gesundheitsstörung zu bedingen -, ist der GdB-Rahmen zur Überzeugung des Senats nicht auszuschöpfen. Ein Einzel-GdB von 20 ist in Ansehung der grenzwertig zu einer leichten Verlaufsform bestehenden Schwere der Erkrankung, einer zusammenfassenden Betrachtung der divergierenden Mitteilungen zur Anfallshäufigkeit sowie des Fehlens einer den geklagten Beeinträchtigungen entsprechenden adäquaten Therapie angemessen und ausreichend. Eine höhere Bewertung ist auch nicht dadurch bedingt, als Dr. A. in seinem Gutachten neben seiner (isolierten) Bewertung der Migräne mit einem Einzel-GdB von 40, und von 30 für einen chronischen Spannungskopfschmerz auch den Verdacht auf eine paroxysmale Hemikranie äußert und hierzu einen schlagartig auftretenden bohrenden Vernichtungskopfschmerz anführt, den er mit einem Einzel-GdB von 50 bemessen sehen will. Dies verkennt bereits, dass die GdB-Bewertung nicht anhand bestehender Erkrankungen, sondern nach den hierdurch bedingten funktionellen Einschränkungen erfolgt und diese zusammengefasst für das jeweilige Funktionssystem erfolgt (vgl. Teil A Nr. 2 Buchstabe e [S. 20] der VG). Die Beeinträchtigung durch die bestehenden Kopfschmerzen/Migräne ist daher nicht infolge des benannten "Vernichtungskopfschmerzes" zu erhöhen.
Die bestehenden Wirbelsäulen- und Schultergelenksbeschwerden können jeweils nicht mit einem höheren Einzel-GdB als 10 bewertet werden. Eine weitergehende Berücksichtigung erfordert das Bestehen von mehr als geringfügigen funktionellen Einschränkungen der Wirbelsäule bzw. des Schultergelenks. Da indes bei der körperlichen Untersuchung durch Dr. H. keine wesentlichen funktionellen Einschränkungen zu Tage getreten sind und auch in den sonstigen medizinischen Unterlagen nicht ersichtlich sind, Dr. H. signifikante sensomotorische Ausfälle verneint hat und keine Beweglichkeitseinschränkungen der oberen Extremitäten, sondern lediglich Muskelverspannungen im Schultergürtel angeführt hat, ist ein Einzel-GdB von jeweils 10 angemessen und ausreichend.
Eine Fibromyalgie-Erkrankung ist nach Nr. 18.4 (S. 104) der VG anhand des Einzelfalls entsprechend der bestehenden funktionellen Auswirkungen zu beurteilen. Da diese vorliegend kein mehr als geringfügiges Ausmaß erreichen, ist eine isolierte bzw. eine GdB-erhöhende Berücksichtigung der Erkrankung nicht möglich.
In Zusammenschau der bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen ist ein GdB von 30 angemessen und ausreichend. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX ist, bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft, der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Die bei der Klägerin vorliegende depressive Erkrankung und die Migräne überschneiden sich in ihren Auswirkungen, wie sich bereits daran zeigt, dass die psychische Situation maßgeblich durch die Verarbeitung der bestehenden Kopfschmerzen bestimmt wird und daher eine massive Überschneidung der Beeinträchtigungen besteht, die nur eine maßvolle Erhöhung des höchsten Einzel-GdB von 20 auf insg. 30 rechtfertigt.
Der Bescheid vom 7.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.1.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Kosten und baren Auslagen der Klägerin für das von Dr. A. unter dem 19.7.2015 nach § 109 SGG erstattete Gutachten werden nicht auf die Staatskasse übernommen, da es die Sachverhaltsaufklärung nicht wesentlich gefördert hat.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Kosten und baren Auslagen der Klägerin für das von Dr. A. unter dem 19. Juli 2015 nach § 109 Sozialgerichtsgesetz erstattete Gutachten werden nicht auf die Staatskasse übernommen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des bei der Klägerin festzustellenden Grades der Behinderung (GdB) streitig.
Bei der im Jahr 1958 geborenen Klägerin stellte das Landratsamt B. (LRA) zuletzt mit Bescheid vom 15.6.2010 einen GdB von 30 seit dem 12.4.2010 fest. Es berücksichtigte hierbei, entsprechend einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 8.6.2010, als Funktionsbeeinträchtigungen "degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks" und ein "Fibromyalgiesyndrom, Kopfschmerzsyndrom, Depressive Verstimmung, funktionelle Kreislaufstörungen" jeweils mit einem Einzel-GdB von 20.
Nachdem ein erstmaliger Antrag auf Neufeststellung des GdB mit Bescheid vom 23.11.2012 abgelehnt worden war, beantragte die Klägerin am 3.5.2013 abermals, die bei ihr bestehenden Beeinträchtigungen mit einem höheren GdB festzustellen. Sie verwies hierzu u.a. auf eine bestehende Migräne und Schultergelenkseinschränkungen. Das LRA forderte Befundbeschreibungen der behandelnden Ärzte an und führte diese einer versorgungsärztlichen Überprüfung zu. Dr. C.-C. kam unter dem 26.9.2013 zu der Einschätzung, dass eine Verschlimmerung nicht belegt sei. Gestützt hierauf lehnte das LRA den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 7.10.2013 ab.
Den hiergegen unter Verweis auf eine chronische Migräne eingelegten Widerspruch wies der Beklagte nach abermaliger versorgungsärztlicher Überprüfung mit Widerspruchsbescheid vom 14.1.2014 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 21.1.2014 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Sie hat vorgebracht, ihre Wirbelsäule sei in zwei Abschnitten geschädigt, weswegen ein Einzel-GdB von wenigstens 30 anzusetzen sei. Isoliert hiervon sei die Schädigung des Schultergelenks mit einem GdB von mindestens 20 zu berücksichtigen. Schließlich sei das Fibromyalgiesyndrom, da sie parallel hierzu auch an einem Kopfschmerzsyndrom und einer depressiven Verstimmung leide, mit einem Einzel-GdB von wenigstens 40 einzustellen. Insg. seien die Beeinträchtigungen mit einem GdB von wenigstens 50 zu bewerten.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen einvernommen. Der Allgemeinmediziner Dr. D. hat unter dem 25.3.2014 mitgeteilt, er teile die Einschätzung des Beklagten betr. die GdB-Bewertung. Die Klägerin leide jedoch auch an einer schweren Somatisierungsstörung. Seitens der Gemeinschaftpraxis E. und F. und durch die Ärztin für Neurologie G.-G., die von der Klägerin als behandelnde Ärzte benannt wurden, wurde jeweils mitgeteilt, dass die Klägerin dort seit Oktober 2012 nicht mehr behandelt worden sei.
Das SG hat Dr. H., Facharzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 29.9.2014 hat Dr. H. ausgeführt, die Klägerin leide an chronischem Spannungskopfschmerz, einfacher Migräne, depressiver Verstimmung i.S. einer Dysthymia, Somatisierungstendenzen sowie Wirbelsäulen- und Schultergelenksbeschwerden ohne signifikante sensomotorische Ausfälle. Im Hinblick auf die orthopädischen Erkrankungen hätten sich bei seiner körperlichen Untersuchung keine funktionellen Einschränkungen gezeigt. Hinsichtlich der Schilderung der Auswirkung der Migräne weiche die Schilderung der Klägerin ihm gegenüber von früheren Schilderungen ab. Insg., so Dr. H., sei ein GdB von 30 angemessen.
Mit Urteil vom 11.3.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, die orthopädischen Beschwerden der Klägerin seien mit einem Einzel-GdB von 20 ausreichend gewürdigt. Sie befinde sich seit 2012 nicht mehr in orthopädischer Behandlung. Dr. H. habe die Beweglichkeit der Gelenke als frei beschrieben. Auch aus dem Entlassungsbericht der vom 20.8. - 24.9.2012 in der Reha-Klinik I. durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme seien keine erheblichen funktionellen Einschränkungen ersichtlich. Die bei der Klägerin bestehenden Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet, nach Dr. H. eine Dysthymia und Somatisierungstendenzen, rechtfertigten keine höhere GdB-Bewertung als mit einem Einzel-GdB von 20, da bei der Klägerin keine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vorliege. Dr. H. habe lediglich leichtgradige Befunde erhoben. Auch stehe die Klägerin nicht in fachärztlicher psychiatrischer Behandlung. Die Kopfschmerzen und die Migräne könnten gleichfalls nicht mit einem höheren Einzel-GdB als 20 bewertet werden. Zwar habe sie gegenüber dem Gutachter mitgeteilt, bis zu zweimal im Monat unter Migräne zu leiden, jedoch habe sie gegenüber der behandelnden Ärztin eine geringere Anfallsfrequenz (alle 2-3 Monate) angegeben. Auch werde aktuell keine medikamentöse oder fachärztliche Therapie durchgeführt, sodass der klägerseits angeführte Leidensdruck nicht belegt sei. Insg. sei ein GdB von 30 unverändert angemessen.
Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 18.3.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.3.2015 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bringt sie vor, das SG sei der Einschätzung von Dr. H. gefolgt, obschon sich dieser mit den aktenkundigen ärztlichen Unterlagen nicht auseinandergesetzt habe. Bereits im Rehabilitationsentlassungsbericht der Reha-Klinik I. sei von einer depressiven Störung mit Schlafstörungen, Antriebsstörungen und sozialem Rückzug die Rede. Die allgemeine Leistungsfähigkeit werde als deutlich eingeschränkt beschrieben. Auch der vom SG schriftlich einvernommene Dr. D. habe dies bestätigt. Dieser habe auch von sehr häufigen Migräneanfällen berichtet. In Zusammenschau sei bereits hiernach ein GdB von mehr als 30 festzustellen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. März 2015 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 7. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Januar 2014 zu verurteilen, die bei ihr bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von mehr als 30 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist zur Begründung seines Antrages auf die aus seiner Sicht zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat Dr. A., Internist und Arzt für klinische Geriatrie und für ärztliche Psychotherapie, zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 19.7.2015 hat Dr. A. die Einschätzung vertreten, der GdB der Klägerin sei mit 50 festzustellen. Führend sei die bestehende depressive Erkrankung, die mit Zwangsgedanken sowie einem ausgeprägtem sozialen Rückzug einhergehe und mit einem Einzel-GdB von 60 zu bewerten sei. Die Migräne-Erkrankung präsentiere sich mit einer Aura und werde von einem Kopfschmerz eines anderen Typus überlagert. Hierfür sei ein Einzel-GdB von 40 anzusetzen.
Der Beklagte ist der gutachterlichen Einschätzung unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. J. vom 3.12.2015 entgegen getreten.
Mit Schriftsatz vom 15.2.2016 hat die Klägerin, mit solchem vom 23.2.2016 der Beklagte, das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beim Beklagten für die Klägerin geführte Schwerbehindertenakte, die Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form - und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat nach dem erklärten Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, führt jedoch für diese nicht zum Erfolg.
Der Bescheid vom 7.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.1.2014, mit dem die Feststellung eines höheren GdB abgelehnt wurde, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. § 69 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung - vorliegend dem vom 15.6.2010 - vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Eine wesentliche Änderung ist im gegebenen Zusammenhang im Hinblick auf die Feststellung des GdB anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung oder Verschlechterung des Behinderungszustandes eine Herabsetzung oder Erhöhung des festgestellten (Gesamt-) GdB um wenigstens 10 ergibt (u.a. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 22.10.1986 - 9a RVs 55/85 - veröffentlicht in juris). Die Änderung der Bezeichnung der Funktionsbeeinträchtigungen oder das Hinzutreten weiterer Funktionsbeeinträchtigungen ohne Auswirkung auf den GdB stellen hingegen keine wesentliche Änderung in diesem Sinne dar (BSG, Urteil vom 24.6.1998 - B 9 SB 18/97 R - veröffentlicht in juris). Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, ist durch einen Vergleich der gegenwärtigen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung mit dem verbindlich festgestellten objektiven Behinderungszustand zum Zeitpunkt des Erlasses des zuletzt bindend gewordenen Bescheides zu ermitteln. Bei einer derartigen Neufeststellung handelt es sich nicht um eine reine Hochrechnung des im letzten maßgeblichen Bescheid festgestellten GdB, sondern um dessen Neuermittlung unter Berücksichtigung der gegenseitigen Beeinflussung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19.9.2000 - B 9 SB 3/00 R - veröffentlicht in juris).
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist hierbei nur dann zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Satz 6 SGB IX). Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der Fassung des am 15.1.2015 in Kraft getretenen Gesetzes zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG vom 7.1.2015 (BGBl. II S. 15) ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht, indes bestimmt § 159 Abs. 7 SGB IX in der ab dem 15.1.2015 geltenden Fassung, dass, soweit noch keine Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die ab dem 1.1.2009 an die Stelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG; die jeweilige Seitenangabe bezieht sich auf das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebene Printexemplar) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung [VersMedV]) heranzuziehen, die auf Grundlage von § 30 Abs. 16 BVG erlassen wurde.
In Anlegung der dortigen Maßstäbe sind die bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 30 unverändert angemessen und ausreichend bewertet.
Die bei der Klägerin vorliegende depressive Erkrankung ist mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Nach Nr. 3.7 (S. 42) der VG sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem Einzel-GdB von 0 - 20, stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Schmerzstörungen) mit einem solchen von 30 - 40, schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheiten) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsstörungen mit einem solchen von 50 - 70 und solche mit schweren sozialen Anpassungsstörungen mit einem Einzel-GdB von 80 - 100 zu bewerten. Der Senat vermag, wie bereits das SG, bei der Klägerin keine stärker behindernde Störung des Funktionssystems Psyche zu erkennen. Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 31.7.2014 keine maßgeblichen psychopathologischen Befunde benannt. Er hat vielmehr davon berichtet, dass die affektive Resonanzfähigkeit der Klägerin, die Konzentrations- und die Auffassungsgabe und die Gedächtnisleistung nicht eingeschränkt sind, der Antrieb der Klägerin angemessen, ja sogar durchaus lebhaft war. Auch hat er keine sonstige psychische Dimension (formales Denken, Bewusstsein, Orientierung o.ä.) als beeinträchtigt beschrieben. Dr. H. hat vielmehr lediglich von einer leicht niedergeschlagenen, belasteten Grundstimmung berichtet. Diese Befunde spiegeln sich im vom Gutachter dargelegten Tagesablauf der Klägerin wieder, der zwar eindimensioniert, um die wahrgenommene Schmerzproblematik zirkuliert, jedoch strukturiert ist und bestehende familiäre Kontakte mit Kindern und Enkelkindern, die Haushaltsführung, Freizeitaktivitäten wie das Schwimmen und Heimaturlaube aufweist. Eine stärkere Beeinträchtigung vermag der Senat auch in Ansehung des Gutachtens von Dr. A., der einen Einzel-GdB von 60 für die depressive Erkrankung angenommen hat, nicht anzunehmen. Der Einschätzung von Dr. A. liegt vor dem Hintergrund der oben angeführten Bewertungskriterien zu Grunde, dass bei der Klägerin eine schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsstörung besteht. Hiervon ist der Senat jedoch nicht überzeugt. Mittelgradige soziale Anpassungsstörungen meinen u.a. eine psychisch bedingte Unfähigkeit, sich in angemessener Weise anderen zuzuwenden und das eigene Verhalten, soweit gerechtfertigt, den Bedürfnissen und Anforderungen anderer im Rahmen sozialer Kontakte anzupassen. Dies ist nicht schon bei einem nachvollziehbaren sozialen Rückzug bei stärkeren Schmerzen oder bei einer depressiven Verstimmung anzunehmen. Dr. A. führt zur Begründung seiner Einschätzung zuvorderst bei der Klägerin bestehende Zwangsgedanken, z.B. an eine mögliche Verarmung, an, die er daraus herleitet, dass sich die Klägerin Vorwürfe betreffend der Auswirkungen ihrer Erkrankung auf die familiäre Situation macht. Dass diese Situation jedoch tatsächlich zu einer maßgeblichen psychischen Beeinträchtigung führt, wird von Dr. A. nicht begründet. Vielmehr legt er ausschließlich die Angaben der Klägerin, dass sie ein schlechtes Gewissen gegenüber ihrer Familie habe, zu Grunde. Eine gravierende Einschränkung einer psychischen Dimension beschreibt er hingegen nicht. Mithin ist zur Überzeugung des Senats die depressive Erkrankung mit einem Einzel-GdB von 20 angemessen und ausreichend bewertet. Dies wird für den Senat auch dadurch bestätigt, dass sich die Klägerin weder in fachärztlicher psychiatrischer Behandlung noch in ambulanter Psychotherapie befindet.
Die GdB-Bewertung für die bei der Klägerin bestehende Migräne-Erkrankung und die chronischen Spannungskopfschmerzen ist nach Nr. 2.3 (S. 35) der VG anhand der Häufigkeit und Dauer der Anfälle und der Ausprägung der Begleiterscheinungen zu beurteilen. Leichte Verlaufsformen mit einer Anfallsfrequenz von einmal monatlich sind mit einem Einzel-GdB von 0 - 10 zu bewerten, mittelgradige Verlaufsformen mit häufigeren Anfällen, die jeweils einen oder mehrere Tage anhalten, sind mit einem solchen von 20 - 40 und schwere Verlaufsformen, die durch lang andauernde Anfälle mit stark ausgeprägten Begleiterscheinungen und mit nur wenige Tage reichenden Anfallspausen geprägt sind, sind mit einem Einzel-GdB von 50 - 60 zu berücksichtigen. Der Senat legt seiner Bewertung die Einschätzung von Dr. H. zu Grunde, der das Kopfschmerzleiden als leicht- bis mittelschwer einstuft und hierbei die gegenüber der behandelnden Ärztin mitgeteilte Anfallsfrequenz (Anfälle alle 3 - 4 Monate) zu Grunde legt. Die Klägerin hat jedoch sowohl gegenüber Dr. H. als auch gegenüber Dr. A. häufigere Anfälle (2 - 4 pro Monat) mitgeteilt, sodass bei der Klägerin von einer mittelgradigen Verlaufsform auszugehen ist. Da indes weder Dr. H. noch Dr. A. davon berichtet haben, dass die Anfälle regelmäßig über mehrere Tage andauern - die mitgeteilte Dauer von 15 Tagen ist insofern als einmaliges Ereignis nicht geeignet, eine darauf fußende Einstufung der GdB-Bewertung der Gesundheitsstörung zu bedingen -, ist der GdB-Rahmen zur Überzeugung des Senats nicht auszuschöpfen. Ein Einzel-GdB von 20 ist in Ansehung der grenzwertig zu einer leichten Verlaufsform bestehenden Schwere der Erkrankung, einer zusammenfassenden Betrachtung der divergierenden Mitteilungen zur Anfallshäufigkeit sowie des Fehlens einer den geklagten Beeinträchtigungen entsprechenden adäquaten Therapie angemessen und ausreichend. Eine höhere Bewertung ist auch nicht dadurch bedingt, als Dr. A. in seinem Gutachten neben seiner (isolierten) Bewertung der Migräne mit einem Einzel-GdB von 40, und von 30 für einen chronischen Spannungskopfschmerz auch den Verdacht auf eine paroxysmale Hemikranie äußert und hierzu einen schlagartig auftretenden bohrenden Vernichtungskopfschmerz anführt, den er mit einem Einzel-GdB von 50 bemessen sehen will. Dies verkennt bereits, dass die GdB-Bewertung nicht anhand bestehender Erkrankungen, sondern nach den hierdurch bedingten funktionellen Einschränkungen erfolgt und diese zusammengefasst für das jeweilige Funktionssystem erfolgt (vgl. Teil A Nr. 2 Buchstabe e [S. 20] der VG). Die Beeinträchtigung durch die bestehenden Kopfschmerzen/Migräne ist daher nicht infolge des benannten "Vernichtungskopfschmerzes" zu erhöhen.
Die bestehenden Wirbelsäulen- und Schultergelenksbeschwerden können jeweils nicht mit einem höheren Einzel-GdB als 10 bewertet werden. Eine weitergehende Berücksichtigung erfordert das Bestehen von mehr als geringfügigen funktionellen Einschränkungen der Wirbelsäule bzw. des Schultergelenks. Da indes bei der körperlichen Untersuchung durch Dr. H. keine wesentlichen funktionellen Einschränkungen zu Tage getreten sind und auch in den sonstigen medizinischen Unterlagen nicht ersichtlich sind, Dr. H. signifikante sensomotorische Ausfälle verneint hat und keine Beweglichkeitseinschränkungen der oberen Extremitäten, sondern lediglich Muskelverspannungen im Schultergürtel angeführt hat, ist ein Einzel-GdB von jeweils 10 angemessen und ausreichend.
Eine Fibromyalgie-Erkrankung ist nach Nr. 18.4 (S. 104) der VG anhand des Einzelfalls entsprechend der bestehenden funktionellen Auswirkungen zu beurteilen. Da diese vorliegend kein mehr als geringfügiges Ausmaß erreichen, ist eine isolierte bzw. eine GdB-erhöhende Berücksichtigung der Erkrankung nicht möglich.
In Zusammenschau der bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen ist ein GdB von 30 angemessen und ausreichend. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX ist, bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft, der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Die bei der Klägerin vorliegende depressive Erkrankung und die Migräne überschneiden sich in ihren Auswirkungen, wie sich bereits daran zeigt, dass die psychische Situation maßgeblich durch die Verarbeitung der bestehenden Kopfschmerzen bestimmt wird und daher eine massive Überschneidung der Beeinträchtigungen besteht, die nur eine maßvolle Erhöhung des höchsten Einzel-GdB von 20 auf insg. 30 rechtfertigt.
Der Bescheid vom 7.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.1.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Kosten und baren Auslagen der Klägerin für das von Dr. A. unter dem 19.7.2015 nach § 109 SGG erstattete Gutachten werden nicht auf die Staatskasse übernommen, da es die Sachverhaltsaufklärung nicht wesentlich gefördert hat.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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