L 11 KR 4354/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 740/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4354/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16.09.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für Fahrten zu ambulanten Behandlungen.

Die am 06.07.1939 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Bei ihr wurde im September 2008 ein multiples Myelom (hochmaligne Erkrankung des Knochenmarks) diagnostiziert. Von Oktober 2009 bis September 2011 erfolgte, nach vorheriger Induktionstherapie mit folgender Melphalan-Hochdosistherapie und autologer Stammzellentransplantation, eine kontinuierliche Thalidomid-haltige Therapie, welche eine zwei- bis dreimonatige onkologische Vorstellung sowie zwei- bis vierwöchentliche Kontrollen des Blutbildes notwendig machte. Seit Dezember 2011 bestand ein Progress der Erkrankung, sodass zunächst vier- bis achtwöchige Kontrollen in der Ambulanz des Universitätsklinikums H. notwendig waren. Im März 2014 wurde eine Rezidivtherapie mit Revlimid/Dexamethason eingeleitet. Aufgrund von Verordnungen von Krankenbeförderungen durch den Internisten Dr. C. und unter Berücksichtigung einer sozialmedizinischen Fallberatung durch den MDK, Dr. K., vom 11.10.2013 übernahm die Beklagte die Fahrten zur ambulanten Behandlung in die Stadtklinik B.-B. und die Universitätsklinik H. zuletzt bis zum 31.10.2014.

Mit Schreiben vom 22.07.2014 teilte das Universitätsklinikum H. der Beklagten mit, dass unter der aktuell durchgeführten Systemtherapie regelmäßige ambulante onkologische Verlaufskontrollen zur frühzeitigen Erkennung eines erneuten Progresses oder etwaiger Toxizität des Systemtherapie notwendig sei, mindestens im dreimonatigen Intervall.

Dr. A. vom MDK teilte in einer sozialmedizinischen Fallberatung vom 05.08.2014 mit, dass aufgrund des Schreibens der Universitätsklinik vom 22.07.2014 kein Ausnahmefall nach den Krankentransport-Richtlinien (KtR) des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) mehr nachvollziehbar sei. Es sei nicht erkennbar, dass eine hochfrequente Behandlung erfolge. Onkologische Vorstellungen könnten wohnortnah erfolgen, ebenso Blutbildkontrollen.

Mit Bescheid vom 08.08.2014 lehnte die Beklagte einen Antrag der Klägerin auf Weiterbewilligung der Fahrtkosten ab 01.10.2014 ab. Nachfolgend ging der Beklagten eine Stellungnahme von Dr. C. vom 11.08.2014 zu, worin dieser ausführte, dass die Klägerin über das onkologische Zentrum an der Universitätsklinik H. regelmäßig betreut werde und an dieser Betreuung nichts zu kritisieren sei. Aus hausärztlicher Sicht habe sich die Betreuung so etabliert, dass die regelmäßigen Fahrten indiziert seien. Es habe sich ein entsprechend enges vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis entwickelt, welches nicht gestört werden sollte. Aus diesem Grund sei ein Wechsel des Mittelpunkts der Behandlungsstätte nach B.-B. nicht indiziert. Mit Schreiben vom 21.08.2014 erhob die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 08.08.2014.

Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Dr. R.-W. vom MDK am 30.09.2014 ein sozialmedizinisches Gutachten. Sie führte aus, dass auch unter Würdigung der fachärztlichen Bescheinigung keiner der in den Richtlinien genannten Ausnahmefälle gegeben sei. Offen sei jedoch die aktuell laufende Systemtherapie, weshalb diesbezüglich genaue Angaben zur Medikation und zu weiteren Therapien und Verlaufskontrollen angefordert werden sollten. Auf Vorschlag der Gutachterin bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 01.10.2014 die weitere Kostenübernahme bis 31.10.2014 und forderte eine eingehende Stellungnahme im Universitätsklinikum H. an. Dr. S. vom Universitätsklinikum teilte mit Schreiben vom 24.10.2014 der Beklagten mit, dass unter medikamentöser Therapie regelmäßige Verlaufskontrollen im dreimonatigen Intervall erfolgen sollten. In einem sozialmedizinischen Gutachten des MDK, Dr. P., vom 31.10.2014 führte dieser aus, dass keiner der in Richtlinien genannten Ausnahmefälle gegeben sei. Kontrolluntersuchungen in dreimonatigen Abständen würden nicht einem besonderen Behandlungschema entsprechen, wie zB einer regelmäßigen Chemotherapie. Im Übrigen wären die Kontrolluntersuchungen auch wohnortnah möglich. Unter Verweis auf die Ausführungen des MDK wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2015 zurück

Hiergegen hat die Klägerin am 03.03.2015 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Der Verlobte der Klägerin, Herr G. S., bestellte sich unter Übersendung einer Vollmacht als Bevollmächtigter. Mit Urteil vom 16.09.2015 wies das SG die Klage ab und führte zur Begründung aus, dass die Voraussetzungen für die Übernahme von Transportkosten nach den Krankentransport-Richtlinien des GBA nicht vorliegen würden. Weder liegt bei einer Behandlungsfrequenz mit Abständen von ca drei Monaten eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum vor, noch sind nach dem Bescheid des Landratsamtes R. vom 21.08.2014 die Voraussetzung des Merkzeichens aG, BL oder H festgestellt. Eine Feststellung der Pflegestufe 2 oder 3 sei ebenfalls nicht erfolgt.

Gegen das der Klägerin am 24.09.2015 zugestellte Urteil hat diese am 16.10.2015 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.

Sie ist der Auffassung, dass erhebliche Mobilitätsbeeinträchtigungen vorliegen würden. Die Ausführungen von Dr. K. vom MDK im Oktober 2013 seien immer noch aktuell.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16.09.2015 aufzuheben, den Bescheid vom 08.08.2014 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 01.10.2014 und des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für Fahrten zu ambulanten Behandlungen im Universitätsklinikum H. ab dem 01.11.2014 zu erstatten bzw zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Berichterstatter hat die Beteiligten mit Schreiben vom 20.11.2015 darauf hingewiesen, dass der Senat nach § 153 Abs 4 SGG die Berufung auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückweisen kann, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind darauf aufmerksam gemacht worden, dass diese Verfahrensweise aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes beabsichtigt ist. Die Klägerin hat daraufhin ihr Vorbringen vertieft.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Senat weist die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gemäß § 153 Abs 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Bescheid vom 08.08.2014 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 01.10.2014 und des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2015 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Sie hat über den 31.10.2014 hinaus keinen Anspruch auf Kostenübernahme für die Fahrten zur ambulanten Behandlung im Universitätsklinikum H ...

Die Krankenkasse übernimmt gem § 60 Abs 1 Satz 3 SGB V Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung nur in besonderen Ausnahmefällen, die der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 12 SGB V festgelegt hat. Die Übernahme von Fahrkosten nach Satz 3 für Fahrten zur ambulanten Behandlung erfolgt nur nach vorheriger Genehmigung durch die Krankenkasse.

Eine Erstattung für Fahrtkosten für in der Vergangenheit liegende durchgeführte Fahrten kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil insoweit über den 31.10.2014 hinaus keine vertragsärztliche Verordnung vorliegt. Dies kann jedoch letztlich dahinstehen, weil auch im Übrigen die Voraussetzungen nach den Krankentransport-Richtlinien des GBA (KtR) nicht erfüllt sind.

Ausweislich des gesamten Schriftverkehrs der Klägerin im Verwaltungs- und Klageverfahren und der von ihr veranlassten Stellungnahme von Dr. C. vom 11.08.2014 begehrt die Klägerin ausschließlich Fahrtkosten zu den ambulanten Verlaufskontrollen im Universitätsklinikum H ... Der Senat hat deshalb den Berufungsantrag entsprechend gefasst.

Bezüglich dieses Begehrens fehlt es jedoch schon an der Notwendigkeit der Beförderung. Gem § 3 KtR ist Voraussetzung für die Verordnung von Beförderungsleistungen, dass die Fahrt im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse zwingend medizinisch notwendig ist. Notwendig im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse sind in der Regel nur die Fahrten auf dem direkten Weg zwischen dem jeweiligen Aufenthaltsort des Versicherten und der nächst erreichbaren geeigneten Behandlungsmöglichkeit. Für den Senat steht ausweislich den Stellungnahmen des MDK und unter Berücksichtigung der Stellungnahme von Dr. C. vom 11.08.2014 aber fest, dass eine Verlaufskontrolle mit Blutuntersuchung auch wohnortnah möglich wäre. Wie Dr. S. vom Universitätsklinikum H. in seiner Stellungnahme vom 24.10.2014 ausgeführt hat, findet dort auch ausschließlich eine Verlaufskontrolle im dreimonatigen Intervall statt. Alleine ein bestehendes enges vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis rechtfertigt nicht die Annahme der Notwendigkeit einer Beförderung.

Im Übrigen liegt bei der Klägerin zumindest über den 31.10.2014 hinaus kein Fall von § 7 KtR (Krankenfahrten) und auch kein Ausnahmefall von § 8 KtR (Ausnahmefälle für Krankenfahrten zur ambulanten Behandlung) vor. Bei der Klägerin wird eine Rezidivtherapie bei multiplem Myelom durchgeführt, welche Verlaufskontrollen ausschließlich im dreimonatigen Intervall bedarf. Das ergibt sich ohne Zweifel aus den Stellungnahmen des Universitätsklinikums H. sowie aus dem tatsächlichen Umstand, dass Termine auch nur in diesem Intervall vereinbart wurden (siehe Arztbrief des Universitätsklinikums vom 30.04.2015). Das SG hat zu Recht ausgeführt, dass bei einem dreimonatigen Behandlungsintervall nicht von hoher Behandlungsfrequenz iSd § 8 Abs 2 KtR ausgegangen werden kann. Eine Behandlung vergleichbar mit Dialysebehandlung, onkologischer Strahlentherapie oder onkologischer Chemotherapie liegt bei der Klägerin seit Beginn der Rezidivtherapie im März 2014 nicht vor.

Auch die Voraussetzungen von § 8 Abs. 3 KtR sind über den 31.10.2014 hinaus nicht nachgewiesen. Nach Satz 1 dieser Vorschrift kann die Fahrt zur ambulanten Behandlung für Versicherte verordnet und genehmigt werden, die einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen "aG", "Bl" oder "H" oder einen Einstufungsbescheid gemäß SGB XI in die Pflegestufe 2 oder 3 bei der Verordnung vorlegen. Die Krankenkassen genehmigen auf ärztliche Verordnung Fahrten zur ambulanten Behandlung von Versicherten, die keinen Nachweis nach Satz 1 besitzen, wenn diese von einer der Kriterien von Satz 1 vergleichbaren Beeinträchtigung der Mobilität betroffen sind und einer ambulanten Behandlung über einen längeren Zeitraum bedürfen. Laut dem vorliegenden Bescheid des Landratsamts R. vom 21.08.2014 beträgt der Grad der Behinderung 80 seit 17.03.2014. Zudem sind die Merkzeichen G und B festgestellt. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen aG, Bl und H wurden nicht festgestellt. Ein Einstufungsbescheid gemäß SGB XI in die Pflegestufe 2 oder 3 liegt nicht vor.

Eine mit den Kriterien von § 8 Abs 3 Satz 1 KtR vergleichbaren Beeinträchtigung der Mobilität ist zumindest über den 31.10.2014 hinaus nicht nachgewiesen. Soweit Dr. K. vom MDK bei der sozialmedizinischen Fallberatung am 11.10.2013 noch von ausgeprägter Mobilitätseinschränkung infolge fortgeschrittener maligner Grunderkrankung mit knöcherner Beteiligungen analog aG ausgegangen ist, lässt sich diese Feststellung nach zwischenzeitlich eingeleiteter Rezidivtherapie mit partieller Remission (siehe Arztbrief des Universitätsklinikums H. vom 30.04.2015) nicht mehr halten. Eine stark eingeschränkte Mobilität wird in keinem Befundbericht beschrieben.

Im Übrigen sieht der Senat von einer weiteren eingehenden Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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