L 3 SB 4565/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 12 SB 4529/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 4565/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. September 2015 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Klageverfahren.

Außergerichtliche Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte im Wege einer Untätigkeitsklage zur Verbescheidung eines Antrags der Klägerin vom 20.02.2013 zu verpflichten ist.

In einem unter dem Aktenzeichen S 20 SB 5207/13 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) anhängig gewesenen Klageverfahren machte die Klägerin mit Schreiben vom 20.12.2013 unter anderem die Feststellung des Merkzeichens "Erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr" (G) geltend. Dieses Klageverfahren wurde von der sodann anwaltlich vertretenen Klägerin und dem Beklagten durch einen am 15.10.2014 geschlossenen Vergleich des Inhalts beendet, dass sich der Beklagte verpflichtete, den Grad der Behinderung (GdB) der Klägerin mit 50 seit 18.10.2012 festzustellen und der Rechtsstreit damit übereinstimmend für erledigt erklärt wurde. Ferner erklärte der Beklagte, das Schreiben der Klägerin vom 20.12.2013 als Antrag auf Feststellung des Merkzeichens G zu werten und unverzüglich hierüber zu entscheiden. In Ausführung des Vergleichs stellte der Beklagte mit Bescheid vom 03.11.2014 den GdB der Klägerin mit 50 seit 18.10.2012 fest und führte aus, über den Antrag vom 20.12.2013 erhalte sie einen gesonderten Bescheid. Auf Anfrage des Beklagten vom 04.11.2014 teilte die Klägerin unter dem 24.11.2014 Name und Anschrift des sie derzeit behandelnden Arztes mit und führte aus, weitere Unterlagen zu übersenden. An eine diesbezügliche Erledigung erinnerte der Beklagte mit Schreiben vom 13.01.2015 und 05.03.2015. Sodann gingen beim Beklagten am 09.04.2015 ein Arztbrief sowie eine ohrenärztliche Verordnung einer Hörhilfe ein. Daraufhin führte Dr. A. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 15.05.2015 unter anderem aus, der GdB betrage 50 und die Voraussetzungen für Merkzeichen lägen nicht vor. Aktenkundig ist ein unterschriebener Entwurf des direkt an die Klägerin adressierten Bescheides des Beklagten vom 28.05.2015, mit dem der auf Neufeststellung des GdB und Feststellung von Merkzeichen gerichtete Antrag vom 20.12.2013 abgelehnt wurde. Auf dem Entwurf dieses Bescheides ist der Hinweis angebracht, die Erstschrift des Bescheides sei am 29.05.2015 abgesandt worden.

Am 18.08.2015 hat die Klägerin eine Untätigkeitsklage zum SG erhoben. Sie hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, sie auf ihren Antrag vom 20.12.2013 unter Beachtung der Rechtsauffassung des SG zu bescheiden. Sie hat zur Begründung ausgeführt, eine Entscheidung über ihren am 20.12.2013 gestellten Antrag sei bis heute ohne zureichenden Grund nicht erfolgt. Inzwischen sei die Frist des § 88 Sozialgerichtsgesetz (SGG) längst verstrichen, so dass Klage geboten sei. Der Beklagte hat unter Vorlage seiner Verwaltungsakten entgegnet, über den Antrag vom 20.12.2013 sei bereits mit Bescheid vom 28.05.2015 entschieden worden, so dass sich damit die Untätigkeitsklage erledigt habe. Daraufhin hat die Klägerin um Vorlage eines Nachweises über den Erlass des Bescheides sowie über dessen Zugang gebeten. Sodann hat das SG der Klägerin am 18.09.2015 eine Kopie des aktenkundigen Entwurfs des Bescheides vom 28.05.2015 samt Absendevermerk übersandt. Eine Reaktion hierauf, insbesondere eine Umstellung der Untätigkeits- in eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist nicht erfolgt.

Mit Gerichtsbescheid vom 30.09.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Untätigkeitsklage sei bereits unzulässig. Sie sei vorliegend unstatthaft, da der Beklagte mit Bescheid vom 28.05.2015 den Antrag der Klägerin vom 20.12.2013 beschieden habe und damit eine Untätigkeit des Beklagten nicht vorliege.

Hiergegen hat die Klägerin am 30.10.2015 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) erhoben. Sie hat zur Begründung ausgeführt, sie habe keinen Bescheid über die Feststellung oder Ablehnung des Merkzeichens G erhalten. Der Beklagte habe nur einen Entwurf seines Ablehnungsbescheids vorgelegt. Ihre Untätigkeitsklage sei abgewiesen worden, obwohl bislang kein Nachweis eines Zugangs im Sinne des § 37 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bei ihr erfolgt sei. Folglich müsse sie davon ausgehen, dass es mangels Zugang gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X keinen rechtswirksamen Bescheid über das begehrte Merkzeichen gebe. Der Beklagte habe ihr gegenüber einen Bescheid zuzustellen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. September 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, sie auf ihren Antrag vom 20. Dezember 2013 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verbescheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er habe den Bescheid vom 28.05.2015 erlassen. Dieser Bescheid sei an die Klägerin adressiert und ausweislich des aktenkundigen Absendevermerks am 29.05.2015 zur Post gegeben worden. Nach der Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X könne er davon ausgehen, dass der Bescheid mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben gelte. Daher sei die Untätigkeitsklage bereits unzulässig. Da er eine abschließende Entscheidung getroffen und diese ordnungsgemäß versandt habe, fehle es bereits an der für die Zulässigkeit der Untätigkeitsklage erforderlichen Untätigkeit. Dies sei unabhängig von der Frage, ob eine Bekanntgabe der Verwaltungsentscheidung nach § 39 SGB X ordnungsgemäß erfolgt sei, da dies nicht die Untätigkeit sondern die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes und den damit verbundenen Lauf der Rechtsbehelfsfristen betreffe. Über die Unzulässigkeit hinaus wäre die Untätigkeitsklage auch unbegründet. Ihm sei der von der Klägerin angeführte fehlende Zugang des Bescheides in keinster Weise anzulasten. Eine Nachprüfungspflicht, ob der Bescheid auch tatsächlich zugegangen sei, bestehe für die Verwaltung nicht. Nicht verständlich sei in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin weiterhin davon ausgehe, eine Bekanntgabe des Bescheides sei bisher nicht erfolgt, obwohl sie gleichzeitig angebe, die Kopie eines Entwurfs des Ablehnungsbescheides im erstinstanzlichen Verfahren erhalten zu haben. Soweit nun weiterhin beantragt werde, ihn zur Verbescheidung des Antrags zu verurteilen, dürfte dieser Antrag unzulässig sein. Auch bestehe keine Verpflichtung, die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten. Im Übrigen wäre es angesichts der Gesamtumstände der Klägerin auch zuzumuten gewesen, bei ihm vor Erhebung der Untätigkeitsklage den Sachstand nachzufragen. Damit hätten die gesamten Verfahren vermieden werden können.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte, nach § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist in der Hauptsache unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Gerichtsbescheides des SG vom 30.09.2015, mit dem die auf die Verurteilung des Beklagten zur Verbescheidung ihres Antrages vom 20.12.2013 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts gerichtete Untätigkeitsklage im Sinne des § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG abgewiesen worden ist.

Zu Recht hat das SG die Untätigkeitsklage der Klägerin abgewiesen.

Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, ist nach § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG die Untätigkeitsklage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes zulässig. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, dass der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht nach § 88 Abs. 1 Satz 2 SGG das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann. Wird innerhalb dieser Frist dem Antrag stattgegeben, so ist nach § 88 Abs. 1 Satz 3 SGG die Hauptsache für erledigt zu erklären.

Die Untätigkeitsklage war zunächst zulässig.

Denn zwischen der am 15.10.2014 erfolgten Zusage des Beklagten, das Schreiben der Klägerin vom 20.12.2013 als Antrag auf Feststellung des Merkzeichens G zu behandeln und entsprechend zu verbescheiden, und der am 18.08.2015 erfolgten Erhebung der Untätigkeitsklage sind etwa zehn Monate und ist damit die sechsmonatige Sperrfrist abgelaufen, ohne dass in diesem Zeitraum der Antrag durch den Beklagten verbeschieden worden ist. Der Bescheid vom 28.05.2015 war im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht wirksam.

Dies ergibt sich aus § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wonach ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist, erst in dem Zeitpunkt wirksam wird, indem er ihm bekannt gegeben wird. Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Für das Verständnis des Begriffs der Bekanntgabe ist auf die zivilrechtlichen Vorschriften über den Zugang empfangsbedürftiger Willenserklärungen zurückzugreifen, soweit nicht die verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften Abweichungen vorsehen. § 130 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), auf den demnach für die Definition des Zugangs zurückzugreifen ist, bestimmt, dass eine unter Abwesenden abgegebene Willenserklärung erst mit deren Zugang wirksam wird. Eine verkörperte Willenserklärung, wie vorliegend in Form eines Bescheides, geht dann zu, wenn sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser bei Zugrundelegung normaler Verhältnisse die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hat. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn sie so in den Briefkasten des Empfängers eingelegt wird, dass spätestens bei der nächsten Leerung mit deren Kenntnisnahme gerechnet werden kann (Engelmann in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage, § 37 Rn. 4). Die Darlegungs- und Beweislast für den tatsächlichen Zugang einer Willenserklärung obliegt dabei demjenigen, der sich auf deren Inhalt beruft und daraus Rechte herleiten will. Der Erklärende kann sich für den Zugang in der Regel auch nicht auf einen Anscheinsbeweis berufen. Denn es kommt regelmäßig vor, dass die aufgegebene Sendung nicht ankommt und verloren geht (Bundesarbeitsgericht [BAG], Urteil vom 14.07.1960 - 2 AZR 173/59 - juris Rn. 17). Allein der Nachweis der Absendung reicht hierfür nicht aus (Oberlandesgericht [OLG] München, Urteil vom 11.08.2003 - 29 W 1912/03 - juris Rn. 20). Aktenkundig ist vorliegend lediglich der Entwurf des direkt an die Klägerin adressierten Bescheides des Beklagten vom 28.05.2015 und der diesbezügliche Absendevermerk vom 29.05.2015. Den Zugang desselben hat die Klägerin in ihrer Klageschrift bestritten. Der Beklagte kann sich mithin nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Klägerin den mit einfachem Brief versandten Bescheid erhalten hat.

Zu einem anderen Ergebnis trägt auch nicht die in § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X normierte Zugangsfiktion bei. Danach gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Dies gilt nach § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Im Übrigen hat die Behörde im Zweifel den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Zweifel liegen bereits dann vor, wenn - wie vorliegend durch die Klägerin - der Zugang überhaupt bestritten wird. Der betroffenen Person dürfte regelmäßig eine Substantiierung überhaupt nicht möglich sein, sie ist daher auch nicht erforderlich (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 26.07.2007 - B 13 R 4/06 R - juris Rn. 22; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.03.2008 - L 8 AS 5579/07 - juris Rn. 22). In einem solchen Fall werden daher bereits durch bloßes Bestreiten Zweifel am Zugang ausgelöst. Da die Klägerin den Zugang des Bescheides bestritten hat, oblag es hier dem Beklagten, den Zugang nachzuweisen. Ein solcher Nachweis ist aber nicht erfolgt.

Da mithin innerhalb der Sperrfrist des § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG und bis zur Erhebung der Untätigkeitsklage eine Bescheidung nicht erfolgt und ein hinreichender Grund hierfür vom Beklagten nicht dargetan worden ist, ist die Untätigkeitsklage zunächst zulässig gewesen.

Die Untätigkeitsklage ist jedoch unzulässig geworden. Denn eine Bekanntgabe des Bescheides ist nach der Überzeugung des Senats sodann dadurch erfolgt, dass der Beklagte unter Vorlage seiner den Entwurf des Bescheides vom 28.05.2015 enthaltenden Verwaltungsakten ausgeführt hat, über den Antrag vom 20.12.2013 sei mit diesem Bescheid bereits entschieden worden, und daraufhin das SG der Klägerin am 18.09.2015 eine Kopie des aktenkundigen Entwurfs dieses Bescheides samt Absendevermerk übersandt hat.

Für die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes ist erforderlich, dass die erlassende Behörde willentlich dem Adressaten Kenntnis vom Inhalt des Verwaltungsaktes verschafft. Zwar reicht die zufällige Kenntnis des Beteiligten vom Inhalt des Verwaltungsaktes nicht, so dass die Kenntnisnahme beispielsweise durch eine spätere Akteneinsicht im Gerichtsverfahren nicht die Voraussetzungen der Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes erfüllt (BSG, Urteil vom 14.04.2011 - B 8 SO 12/09 R - juris Rn. 12; Sächsisches LSG, Urteil vom 03.07.2008 - L 3 AS 152/08 - juris Rn. 20; BVerwG, Urteil vom 23.07.1965 - VII C 175.64 - juris Rn. 6; Engelmann in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage, § 37 Rn. 3a). Vorliegend ergibt sich aber aus dem Inhalt der Klageerwiderung des Beklagten im Zusammenhang mit der Vorlage der diesen Bescheid enthaltenden Verwaltungsakten, dass ein Bekanntgabewille des Beklagten zu diesem Zeitpunkt vorgelegen hat. Der Beklagte hat zwar in seiner Klageerwiderung darauf hingewiesen, dass er mit diesem Bescheid bereits entschieden habe, ist also notwendigerweise von dessen bereits erfolgter Bekanntgabe ausgegangen. Allerdings hat der Beklagte darin auch ausgeführt, dass sich hierdurch die Untätigkeitsklage erledigt habe. Diese Erklärung ist dahingehend auszulegen, dass der Beklagte jedenfalls mit der nun erfolgten Vorlage des in den Verwaltungsakten abgehefteten und im Übrigen unterschriebenen (siehe auch LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.02.2012 - L 19 AS 2270/11 B - juris Rn. 16, in einem einen nicht unterschriebenen Bescheid betreffenden Fall) Bescheides von einer durch Weiterleitung des SG erfolgenden Bekanntgabe desselben ausgegangen ist. Den Zugang dieses Bescheides hat die Klägerin im weiteren Verlauf des Verfahrens nicht bestritten. Unschädlich ist dabei, dass diese Bekanntgabe gegenüber der Prozessbevollmächtigten der Klägerin erfolgt ist. Denn ist ein Bevollmächtigter bestellt, so muss sich die Behörde nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB X an ihn wenden beziehungsweise kann die Bekanntgabe nach § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB X ihm gegenüber vorgenommen werden.

Daher hat sich die Untätigkeitsklage mit Erlass des Bescheides erledigt (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 88 Rn. 12, 12a). Die dennoch von der Klägerin aufrecht erhaltene Untätigkeitsklage ist mithin unzulässig geworden, weil das Rechtsschutzbedürfnis wegen der Änderung der Sachlage während des gerichtlichen Verfahrens entfallen ist (BSG, Urteil vom 08.12.1993 - 14a RKa 1/93 - juris). Denn Gegenstand einer Untätigkeitsklage nach § 88 SGG ist grundsätzlich nur die Verbescheidung und nicht die Prüfung der materiellen Voraussetzungen eines Anspruchs oder die Bewilligung einer Leistung (BSG, Beschluss vom 16.10.2014 - B 13 R 282/14 B - juris Rn. 15; zum Ganzen LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.05.2015 - L 19 AS 778/15 NZB - juris Rn. 19 und 20).

Mithin hat das SG die Untätigkeitsklage im Ergebnis zu Recht für unzulässig erachtet.

Nach alledem ist die gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 30.09.2015 erhobene Berufung in der Hauptsache unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Für einen Anspruch auf Übernahme der außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Klageverfahren spricht, dass ihre Untätigkeitsklage deutlich nach Ablauf der Sperrfrist des § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG erhoben und die Klägerin bis dahin nicht verbeschieden worden ist. Allerdings hat es die Klägerin und ihre Prozessbevollmächtigte unterlassen, Erlass und Zugang des erwarteten Bescheides wenigstens telefonisch nachzuprüfen. Hierzu findet sich eine gesetzlich normierte Verpflichtung zwar nicht. Angesichts des langen Zeitablaufs zwischen der am 15.10.2014 erfolgten Zusage, das Schreiben der Klägerin vom 20.12.2013 als Antrag auf Feststellung des Merkzeichens G zu behandeln und entsprechend zu verbescheiden und Erhebung der Untätigkeitsklage von etwa 10 Monaten liegt indes eine Sachstandsanfrage vor Erhebung einer kostenbelastenden Untätigkeitsklage auf der Hand. Bei der vorliegenden Fallkonstellation wäre daher in Anwendung des allgemeinen Rechtsgedankens zur Schadensminderung, wie er etwa in der Regelung des § 254 BGB Niederschlag gefunden hat, eine solche Sachstandsanfrage geboten gewesen. Bei Abwägung aller Einzelheiten entspricht es daher der Billigkeit, dass der Beklagte der Klägerin die Hälfte ihrer außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens zu erstatten hat (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.03.2006 - L 30 B 168/04 AL - juris Rn. 11, 12; siehe zum Ganzen Roller in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage, § 13, Rn. 9). Dafür, den Beklagten auch zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu verpflichten, bestand kein Anlass, da die Berufung in der Hauptsache keinen Erfolg gehabt hat.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorlie-gen.
Rechtskraft
Aus
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