L 16 RJ 32/97

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 26 RJ 646/94 -27
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 RJ 32/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Rente wegen Berufsunfähigkeit als Gebäudereiniger.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Februar 1997 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob dem Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung bzw. Übergangsgeld zusteht.

Der 1955 geborene Kläger war ab 1970 in der DDR im wesentlichen als Transportarbeiter und ab Januar 1981 - ohne spezielle Ausbildung - als Gebäudereiniger tätig. Am 27. Juli 1987 nahm er bei der Firma G. eine Tätigkeit als "Separatwachmann" auf. Ab dem 8. Januar 1988 war er arbeitsunfähig krank. Das Arbeitsverhältnis wurde zum 22. Januar 1988 gekündigt. Danach war der Kläger vom 3. August 1988 bis zum 19. April 1989 nochmals im Reinigungsgewerbe (A. Reinigungs-Service KG) beschäftigt. Anschließend war er arbeitsunfähig krank und bezog Krankengeld bis zur Aussteuerung. Das Arbeitsverhältnis wurde gekündigt.

Im Juli 1989 stellte der Kläger einen Rehabilitationsantrag. Nach Beiziehung von Befundberichten des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. B. und einem Entlassungsbericht des Krankenhauses Am Urban veranlasste die Beklagte ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. T. Dieser bestätigte die bereits zuvor bekannte Diagnose, dass der Kläger an Multipler Sklerose leide und empfahl ein Heilverfahren. Dazu kam es - trotz entsprechender Bewilligungsentscheidung der Beklagten - nicht, da der Kläger mit Rücksicht auf seine Familie Berlin nicht verlassen wollte. Die Beklagte bewilligte dem Kläger dann auf seinen Antrag vom 18. August 1989 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit bis zum 31. Juli 1992.

Im April 1992 stellte der Kläger einen Weitergewährungsantrag, dem er ein Attest von Dr. B. vom 6. Mai 1992 beifügte, wonach es zwischenzeitlich wiederholt zu Schüben und leichten sensiblen und motorischen Ausfällen bei guter Remission gekommen sei; zur Zeit sei der Befund weitgehend unauffällig. Ferner lag ein Computertomogramm, angefertigt von Dr. K. am 13. Januar 1992, vor, in dem ein Bandscheibenvorfall diagnostiziert wurde.

Die Beklagte veranlasste ein Gutachten durch den Neurologen und Psychiater Dr. C. Dr. C. bestätigte die Diagnose (Multiple Sklerose bzw. Encephalomyelitis disseminata). Er kam zu der Einschätzung, der Kläger könne leichte Arbeiten vollschichtig verrichten, wobei bestimmte weitere Einschränkungen zu beachten seien, insbesondere müsse es sich um eine stressarme Tätigkeit handeln. Als Gebäudereiniger könne der Kläger nicht mehr tätig sein. Dr. C. empfahl ein Heilverfahren.

Mit Bescheid vom 21. August 1992 lehnte die Beklagte den Weitergewährungsantrag des Kläger ab. Während des Widerspruchsverfahrens wurde eine medizinische Maßnahme zur Rehabilitation in der Brandenburg-Klinik/Bernau in der Zeit vom 15. September 1993 bis zum 13. Oktober 1993 durchgeführt. Die dort behandelnden Ärzte bezeichneten die Leiden des Klägers im Entlassungsbericht vom 13. Januar 1994 als

latente cerebelläre Ataxie,

latente amnestische Aphasie,

Encephalomyelitis disseminata.

Sie gelangten zu der Einschätzung, der Kläger könne - unter Beachtung bestimmter Einschränkungen - leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne besondere Anforderungen an Standfestigkeit und Bewegungskoordination ausüben. Zu der Rehabilitationsmaßnahme hatte die Beklagte Übergangsgeld nicht gewährt. Mit Bescheid vom 10. Mai 1994 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Beklagte schätze sein Leistungsvermögen zu günstig ein. Bei ihm liege eine Summierung von Leistungseinschränkungen vor.

Das Sozialgericht (SG) hat einen Befundbericht von Dr. B. vom 10. August 1994 eingeholt und ärztliche Unterlagen der Abteilung für Sozialwesen des Bezirksamts Mitte von Berlin beigezogen. Dabei handelt es sich um eine Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Kr. vom 18. Februar 1993 und um einen Untersuchungsbericht (gez. "W.") vom 27. November 1992. Das SG hat dann ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Prof. Dr. G. in Auftrag gegeben. Wegen des Ergebnisses wird auf das Gutachten vom 20. März 1995 (Untersuchung 14. Februar 1995) Bezug genommen.

Vom 19. Juni 1995 bis zum 11. Juli 1995 hielt der Kläger sich im Krankenhaus auf. Dabei wurde eine Verengung der rechten Beckenartherie operativ behandelt. Nach Beiziehung des entsprechenden Entlassungsberichtes des Klinikums der Freien Universität Berlin vom 11. Juli 1995 und auf Empfehlung von Prof. Dr. G. in seiner Rückäußerung vom 5. Februar 1996 hat das SG ein gefäßchirurgisches Gutachten veranlasst. Dieses Gutachten ist von Dr. F. am 8. September 1996 (Untersuchung 19. August 1996) erstellt worden. Wegen des Ergebnisses wird auf das Gutachten vom 8. September 1996 Bezug genommen. Nach Einholung eines weiteren Befundberichtes von Dr. B. vom 25. November 1996 hat das SG Berlin die Klage mit Urteil vom 18. Februar 1997 abgewiesen. Der Kläger sei nicht berufs- oder erwerbsunfähig, da die Beweisaufnahme ergeben habe, dass er leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch vollschichtig verrichten könne.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er legt Atteste von

Dr. B. vom 16. Juni 1997 und 8. September 1997 vor, auf die Bezug genommen wird. Er vertritt die Auffassung, im Hinblick auf die bei ihm vorliegenden Leistungseinschränkungen müsse eine Verweisungstätigkeit benannt werden, wobei seine mangelnde Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit zu berücksichtigen sei. Durch die Einnahme eines die Blutgerinnung fördernden Präparats (Macumar) bestehe für ihn ein erhöhtes Risiko, wenn er sich verletzten sollte. Dies schränke seine Einsatzfähigkeit ein.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Februar 1997 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21. August 1992 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 1994 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. August 1992 bis zum 13. Oktober 1993 Übergangsgeld und ab 14. Oktober 1993 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, ein Rentenanspruch des Klägers sei nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen nicht begründet.

Der Senat hat Befundberichte der Chirurgin Dr. W. vom 8. September 1997 und von Dr. B. ebenfalls vom 8. September 1997 sowie eine Arbeitgeberauskunft der Firma G. vom 2. März 1998 eingeholt. Ferner ist ein neurologisches Gutachten von Prof. Dr. M. eingeholt worden. Wegen des Ergebnisses wird auf das Gutachten vom 21. September 1998 (Untersuchung am 8. Juni 1998) Bezug genommen. Dem Gutachten liegt u.a. ein ebenfalls vom Gericht in Auftrag gegebenes radiologisch-fachärztliches Zusatzgutachten von Dr. K. vom 7. August 1998 zugrunde.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 10. April 2000 den Kläger zu seinem beruflichen Werdegang angehört; anschließend ist der Gebäudereinigungsmeister M. Kr. als Sachverständiger zu den Kenntnissen und Fertigkeiten des Klägers als Gebäudereiniger vernommen worden. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10. April 2000 Bezug genommen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG ).

Die Akten der Beklagten, die Sozialhilfeakten des Bezirksamtes Schöneberg (- 2. Bde. -) und die Schwerbehindertenakten des Klägers haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung von Rente wegen Erwerbs- oder auch nur wegen Berufsunfähigkeit, da er nicht erwerbsunfähig oder berufsunfähig ist.

Erwerbsunfähig sind nach § 44 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630,- DM übersteigt. Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI). Die Regelung des 2. Halbsatzes der Nr. 2 ist durch Gesetz vom 2. Mai 1996 (BGBl. I S. 659) eingefügt worden und beinhaltet nur eine Klarstellung der bisherigen Rechtslage.

Da der Kläger - wie noch darzulegen sein wird - über ein vollschichtiges Restleistungsvermögen für leichte Arbeiten verfügt, sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Denn er kann regelmäßig einer achtstündigen Erwerbstätigkeit nachgehen und damit auf dem Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland mehr als 630,- DM erzielen. Bezüglich der Beurteilung des Leistungsvermögens des Klägers folgt der Senat den vorliegenden Sachverständigengutachten, insbesondere den Ausführungen des Neurologen Prof. Dr. M ... Dessen Gutachten dokumentiert eine sorgfältige Meinungsbildung nach umfassender Befunderhebung und Untersuchung, und die Begründung der Ergebnisse ist schlüssig und nachvollziehbar aus den mitgeteilten Befunden hergeleitet.

Nach den Ausführungen von Prof. Dr. M. leidet der Kläger an einer schubförmig verlaufenden multiplen Sklerose. Diese Diagnose steht in Übereinstimmung mit allen sonstigen ärztlichen Feststellungen und dem vorangegangenen Gutachten von Prof. Dr. G ... Sie wurde zudem durch die von Prof. Dr. M. für notwendig erachtete Zusatzuntersuchung bestätigt (Interpretation der Magnetresonanztomographie durch Dr. K., Bl. 3 des Zusatzgutachtens). Dieses Leiden führt derzeit nicht zu gravierenden Leistungseinschränkungen. Im Rahmen der Untersuchung durch Prof. Dr. M. waren keine Paresen nachweisbar und keine Atrophien erkennbar. Beim Unterberger-Tretversuch und beim Strichgang fand sich jeweils leichtes ungerichtetes Schwanken, aber keine systematische Seitenabweichung oder Drehtendenz bzw. keine als ataktische Defizite zu wertenden Erscheinungen (Bl. 5/6 des Gutachtens). Sturzgefahr bzw. Fallneigung konnte der Gutachter nicht beobachten. Die Beeinträchtigungen werden insgesamt als mögliche, wenn auch minimale Defizite charakterisiert, die (bezüglich des Gangbildes) nur im Rahmen diffizilerer Gleichgewichtstests auftreten (Bl. 7 des Gutachtens) und (bezüglich des linken Armes) nur beinhalten, dass Bewegungen im schnellen Wechsel von Arm- und Handstellungen verlangsamt durchgeführt werden. Diese Verhältnisse bestehen, wie Prof. Dr. M. gestützt auf die Beschwerdeangaben des Klägers und die vorliegenden medizinischen Unterlagen ausführt, ohne wesentliche Änderung seit dem letzten Krankheitsschub im Jahre 1989, jedenfalls aber seit dem Wegfall der dem Kläger gewährten Zeitrente im Juli 1992 (vgl. Bl. 8/9 des Gutachtens sowie Antwort zur Frage 5). Nach Einschätzung von Prof. Dr. M. handelt es sich damit um einen "sehr gutartigen" Verlauf der Erkrankung, wobei Prof. Dr. M. gestützt auf wissenschaftliche Fachliteratur und die Analyse des Krankheitsverlaufs der Auffassung entgegentritt, eine Erwerbstätigkeit des Klägers habe (in der Vergangenheit) bzw. könne (in der Zukunft) den Krankheitsverlauf ungünstig beeinflussen.

Nach den weiteren Ausführungen von Prof. Dr. M. folgen aus den von ihm ausdrücklich als "geringfügig ausgeprägt" (Bl. 9 des Gutachtens) bezeichneten Behinderungen qualitative Einschränkungen des beruflichen Leistungsvermögens des Klägers. Prof. Dr. M. führt aus, der Kläger könne nur noch leichte Arbeiten, nicht an laufenden Maschinen und ohne besonderen Zeitdruck sowie ohne Nachtschichterfordernis verrichten. Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie Arbeiten mit besonderen Anforderungen an die Fingergeschicklichkeit seien nicht möglich. Bezüglich der bei der Arbeit möglichen Haltungsarten werden keine Einschränkungen gesehen ebenso wenig für Tätigkeiten, die Wechselschichtfähigkeit, Belastbarkeit der Arme, Beine und der Wirbelsäule voraussetzen oder einseitige körperliche Belastungen oder einen festgelegten Arbeitsrhythmus erfordern. Bezüglich der geistigen Anforderungen stellt Prof. Dr. M. ebenfalls keine Einschränkungen des beim Kläger gegebenen Leistungsvermögens fest.

Diese Einschätzung, die mit der Feststellung einhergeht, bei Beachtung der Einschränkungen ständen einer vollschichtigen Tätigkeit gesundheitliche Gründe nicht entgegen, überzeugt aus den bereits genannten Gründen. Dabei ist noch hervorzuheben, dass Prof. Dr. M. ersichtlich sorgfältig vorgegangen ist, wie durch seine Initiative zur Durchführung der Zusatzuntersuchung deutlich wird sowie in der ausführlichen und überzeugenden Auseinandersetzung mit der Einschätzung des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. B. zu der Frage, ob und wie eine Erwerbstätigkeit die vorliegende Erkrankung beeinflusst. Es kommt hinzu, dass die von Prof. Dr. M. dargelegten Leistungseinschränkungen differenziert aus den festgestellten Befunden gefolgert werden, wobei die gesundheitlichen Defizite vollständig Berücksichtigung finden. So ergibt sich aus den Befunden zum Gangbild nachvollziehbar die Unzumutbarkeit der Arbeit auf Leitern und Gerüsten. Entsprechendes gilt für die festgestellte Bradydiadochokinese und die Einschränkung bezüglich solcher Arbeiten, die in besonderer Weise den Einsatz der Hände erfordern. Es verstärkt die Überzeugungskraft des Gutachtens von Prof. Dr. M., dass zu den Feststellungen von Prof. Dr. G., die ebenfalls auf einer vollständigen und fachgerechten Untersuchung beruhen, keine wesentlichen Abweichungen auftreten.

Das berufliche Leistungsvermögen des Klägers ist nicht durch die von Dr. F. in seinem Gutachten vom 8. September 1996 diagnostizierte Arteriosklerose weiter eingeschränkt. Bereits Dr. F. hatte festgestellt, dass der Kläger durch die operativ behandelte Verschlusskrankheit nicht wesentlich beeinträchtigt sei (Bl. 7 des Gutachtens Dr. F.). Dazu ist auch im Gutachten von Prof. Dr. M. festgehalten, dass die entsprechenden Beschwerden durch den operativen Eingriff beseitigt worden seien (Bl. 2 des Gutachtens). Besondere Einschränkungen durch die vorübergehende medikamentöse Therapie mit einem die Blutgerinnung hindernden Präparat (Macumar) nimmt keiner der Gutachter an.

Die festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen sind nicht so beschaffen, dass sie einem Arbeitseinsatz des Klägers auf dem weiten Feld des allgemeinen Arbeitsmarktes entgegenstünden. Eine derartige Fallgestaltung (sog. Katalogfälle), in der trotz vollschichtiger Leistungsfähigkeit im Einzelfall geprüft werden muss, ob Arbeitsplätze vorhanden sind (vgl. dazu BSG - Großer Senat - SozR 3-2600 § 44 Nr. 2), liegt nicht vor. Auch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (dazu BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 17), die zumindest die Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit notwendig machen würde, ist nicht gegeben. Dies könnte allenfalls erwogen werden, wenn bezüglich mehrerer Leistungsmerkmale Einschränkungen vorlägen, die zwar für sich genommen noch nicht die Feststellung rechtfertigten, das berufliche Leistungsvermögen sei aufgehoben, in der Gesamtschau aber geeignet sein könnten, eine solche Einschätzung zu begründen. Derartige Verhältnisse bestehen nicht. Wie dargelegt, liegen bei dem Kläger neben der Einschränkung auf leichte Arbeiten (nur) einige spezielle Einschränkungen vor, die ihn von einzelnen Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ausschließen, sich indes bezüglich der ganz überwiegenden Anzahl der Tätigkeitsfelder nicht auswirken, wie dies allenfalls bei weitgehenden Beschränkungen bezüglich der noch möglichen Haltungsarten und grenzwertig niedriger Belastbarkeit (5 bis 10 kg) zu erwägen wäre. Zudem sind im Bereich der geistigen Leistungsfähigkeit keinerlei Einschränkungen festgestellt worden.

Der Kläger ist auch nicht berufsunfähig. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte von körperlich, geistig oder seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Ausgangspunkt der Prüfung der Berufsunfähigkeit ist der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 107, 169). In der Regel ist dies die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist (ständige Rechtsprechung vgl. z.B. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 164).

Danach ist der bisherige Beruf des Klägers der eines ungelernten Gebäudereinigers, da er diesen Beruf zuletzt versicherungspflichtig ausgeübt hat und mehrjährig, nur durch Krankheit und eine kurze Tätigkeit als Wachmann unterbrochen, in diesem Bereich tätig war. Diesen Beruf kann der Kläger nicht mehr ausüben, da davon auszugehen ist, dass auf typischen Arbeitsplätzen in diesem Bereich auch Arbeit auf Leitern auszuüben ist. Dennoch ist er nicht berufsunfähig. Dies wäre vielmehr erst dann der Fall, wenn es keine Tätigkeit gäbe, die ihm sozial zumutbar ist und die er sowohl gesundheitlich als auch fachlich zu bewältigen vermag.

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufes. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, gebildet worden. Dementsprechend werden diese Gruppen durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hochqualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstige Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (ständige Rechtsprechung vgl. z.B. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 138, 140; BSG, Urteil vom 4. November 1998 - B 13 RJ 13/98 R = NZS 1999 S. 302 bis 304). Die Wertigkeit des bisherigen Berufes bestimmt dabei die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit in der Weise, dass ein Versicherter im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf nur auf die nächst niedrigere Stufe verwiesen werden darf (ständige Rechtsprechung vgl. z.B. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nrn. 3 und 5).

In diesem sog. Mehr-Stufen-Schema ist der bisherige Beruf des Klägers der Gruppe der ungelernten Tätigkeiten, allenfalls den Anlerntätigkeiten des unteren Bereiches zuzuordnen.

Der Beruf des Gebäudereinigers ist ein anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von 30 Monaten (Verordnung Berufsausbildung zum Gebäudereiniger vom 3. Oktober 1977, BGBl. I S. 1480). Über einen Berufsabschluss als Gebäudereiniger und die - jedenfalls bei ausbildungsentsprechender Beschäftigung - damit einhergehende Facharbeiterqualifikation im Sinne des Mehr-Stufen-Schemas verfügt der Kläger nicht. Er hat keine längere systematische Ausbildung durchlaufen und keinen Berufsabschluss abgelegt. Er ist auch einem "gelernten" Gebäudereiniger nicht gleichzustellen. Eine Gleichstellung erfolgt, wenn sich der Versicherte die für die praktische Berufsausübung notwendigen Kenntnisse anderweitig, insbesondere im Rahmen langjähriger entsprechender Berufstätigkeit, angeeignet hat, damit unter Facharbeitern auf dem Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig ist und sich vollwertig behaupten kann. Die Kenntnisse und Fertigkeiten des Versicherten müssen insoweit "in voller Breite" denen eines förmlich ausgebildeten Versicherten entsprechen (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 116, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 15).

Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Der Senat folgt insoweit der Einschätzung des als berufskundlicher Sachverständiger gehörten Gebäudereinigermeisters M. Kr., an dessen Sachkunde und an dessen Kenntnissen über die Arbeitsmarktverhältnisse im Gebäudereinigerhandwerk keine Zweifel bestehen. Herr Krüger hat in Kenntnis der Angaben des Klägers zu seinen Vortätigkeiten erklärt, dass für den Kläger die Facharbeiterlohngruppe nach Maßgabe der einschlägigen Tarifverträge (Rahmentarifvertrag vom 14. April 1989 für die gewerblichen Arbeitnehmer im Gebäudereiniger-Handwerk Berlin zwischen der Gebäudereiniger-Innung Berlin und der Industriegewerkschaft Bau-Steine-Erden, Landesverband Berlin; Lohntarifvertrag vom 21. März 1988 für das Gebäudereiniger-Handwerk Berlin zwischen denselben Vertragspartnern - im Folgenden: LTV -) nicht in Betracht kommt.

Überdies ergeben der berufliche Werdegang des Klägers und die im Rahmen seiner und der Anhörung des Sachverständigen gewonnenen Erkenntnisse sowie die Regelungen des LTV keine hinreichenden Anhaltspunkte, den bisherigen Beruf des Klägers als dem oberen Bereich der Anlerntätigkeiten zugehörig bzw. als diesem Bereich gleichgestellt anzusehen, was zur Folge hätte, dass der Kläger nicht auf einfachste Tätigkeiten des Arbeitsmarktes verwiesen werden könnte und ihm eine gesundheitlich zumutbare Verweisungstätigkeit bezeichnet werden müsste, die diesem Bereich nicht zuzuordnen ist (zum Ganzen BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Dem Anlernbereich sind Ausbildungsberufe mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren zuzuordnen, wobei Ausbildungsberufe mit einer Ausbildung von mehr als zwölf Monaten Dauer zum "oberen Bereich" rechnen. Auch insoweit kommt grundsätzlich eine Gleichstellung ungelernter Arbeitnehmer in Betracht (vgl. BSG a.a.O. ).

Der Kläger ist unter Würdigung der gesamten Umstände, die seine Ausbildung und die bisherige Berufstätigkeit betreffen, nicht dem oberen Anlernbereich zuzuordnen. Auch eine Ausbildung, die den insoweit erforderlichen Umfang gehabt hätte, hat der Kläger nicht durchlaufen. Ferner zeigen die dem LTV entsprechende Einstufung der von ihm ausgeübten Tätigkeiten und die Einordnung seiner Tätigkeiten in die Tarifstruktur unter Beachtung der Gesamtheit der dort genannten Tätigkeitsfelder, dass der bisherige Beruf des Klägers nicht dem oberen Anlernbereich zugerechnet werden kann. Der Kläger hat nach seinen Angaben zuletzt und auch zuvor überwiegend im Bereich der Gebäude-Innen-Reinigung/Unterhaltsreinigung (Tätigkeitsbereich [2] LTV) gearbeitet. Dieses Tätigkeitsfeld ist im Tarifvertrag selbstständig erfasst und bleibt bezüglich der Entlohnung, die entscheidendes Indiz für die betriebliche Wertigkeit derartiger Tätigkeiten ist, entscheidend hinter den anderen Tätigkeitsfeldern (Tätigkeitsbereich [1] Glasreinigung und Gebäudeaußenreinigung; Tätigkeitsbereich [3] Bauschlussreinigung) zurück. Die Beschäftigung des Klägers in der Gebäudeinnenreinigung/Unterhaltsreinigung ohne Vorarbeiterfunktion wird nach dem bei Beschäftigungsende geltenden LTV mit 10,95 DM (Ecklohn B) vergütet. Der Lohnabstand zur Helfertätigkeit im Tätigkeitsbereich (1) - bezüglich derer eine Zuordnung zum oberen Anlernbereich erwogen werden könnte - ist damit annähernd ebenso groß wie im Rahmen des Tätigkeitsbereich (1) der Abstand zwischen Helfer- und Facharbeitertätigkeit. Es ist zudem auch nicht ersichtlich oder in der Anhörung des Klägers deutlich geworden, dass der Kläger über ausreichende Kenntnisse und Berufspraxis für einen Einsatz in den ausweislich der tariflichen Entlohnung höherwertigen Tätigkeitsbereichen (1) und (3) verfügte.

Der Kläger hat für die Zeit vom 1. Oktober 1992 bis zum 13. Oktober 1993 auch keinen Anspruch auf vorgezogenes Übergangsgeld. Dieser Anspruch tritt gemäß §§ 116 Abs. 1 Satz 2, 25 Abs. 2, 24 Abs. 4 SGB VI an die Stelle des Rentenanspruchs wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit, sofern - wie im vorliegenden Fall - nach Antragstellung eine Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt wird. Voraussetzung des Anspruchs ist aber, dass ohne die Rehabilitationsmaßnahme ein Rentenanspruch bestehen würde. Daran fehlt es, da der Kläger - wie ausgeführt - nicht erwerbs- oder berufsunfähig ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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