L 3 U 82/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 10 U 129/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 82/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt gegenüber der Beklagten die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall.

Der 1976 geborene Kläger durchlief von 1994 bis 1997 bei der U M S Heizungs- und Sanitärtechnik GbR (UMS), Bstraße B eine Lehre als Zentralheizungs- und Lüftungsbauer. Die Ausbildung fand laut Ausbildungsvertrag in der Betriebsstätte statt. Nach Ablegung der Gesellenprüfung am 15. Februar 1997 arbeitete der Kläger noch bis Ende Juli 1997 bei der UMS; das Arbeitsverhältnis endete durch eine betriebsbedingte Kündigung seiner Arbeitgeberin. Anschließend war er bis Oktober 1999 als selbständiger Versicherungsvermittler, bis 2000 als selbständiger Versicherungshauptvertreter tätig. Von 2001 bis 2003 arbeitete er als selbständiger Subunternehmer im Bereich Beratung und Montage von Sicherheitsfolien. Seit 2003 ist er selbständig tätig in den Bereichen Immobilienhandel, Folientechnik, Sanitärbereich und Verlagswesen. Ferner ist er ab März 2009 Hauptrepräsentant eines großen Versicherungsunternehmens und selbständig im Bereich Versicherung und Finanzdienstleistung tätig.

Bereits am 02. Februar 1994 erlitt der Kläger gegen 18.55 Uhr in B in der B Straße an der Einmündung Bstraße in B einen Motorradunfall, bei welchem er sich ein Polytrauma vor allem mit schweren Verletzungen am linken Unterschenkel und Sprunggelenk zuzog, an deren Folgen er noch heute leidet. Der Kläger wurde zunächst per Rettungswagen ins Krankenhaus B gebracht und dann ins Klinikum B verlegt, wo er operiert wurde. In einem unter dem 02. Februar 1994 ausgefüllten "Einlegeblatt für Unfallverletzte" blieben die Rubriken "Betriebsunfall" und "Wegeunfall" unmarkiert; ein Durchgangsarztbericht (DAB) wurde seinerzeit nicht gefertigt. In der Epikrise des Krankenhauses B vom 26. März 1994 heißt es zur Unfallanamnese: "Herr D zog sich o.g. Verletzung am 02.02.94 bei einem Motorradunfall zu." Der damals durch Rechtsanwalt B vertretene Kläger erstattete Strafanzeige und stellte Strafantrag; das anschließende Strafverfahren gegen den Unfallverursacher wurde später gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt. Rechtsanwalt B vertrat den Kläger auch gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung. In einem bei der damaligen Landesversicherungsanstalt (LVA) durchgeführten Rehabilitationsverfahren gab der Kläger mit von der Zeugin D vorgefertigtem Schreiben vom 07. Oktober 1997 an, dass der Unfall vom 02. Februar 1994 ein Privatunfall gewesen sei. Aufgrund der Vergleichserklärung vom 23. April 2001 wurde der Kläger, für welchen Rechtsanwalt J mit Schreiben vom 08. Januar 2001 gegenüber der Landesversicherungsanstalt um Auskunft zu den unfallbedingten Renteneinbußen bat, von der Haftpflichtversicherung mit 100.000,00 DM abgefunden.

Mit Schreiben vom 16. März 2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Anerkennung des Unfalls vom 02. Februar 1994 als Arbeitsunfall. Er sei auf dem Weg zu seinem Arbeitgeber H M gewesen, als sich der Unfall ereignet habe. Auf Befragen der Beklagten gab der Kläger zur Begründung seines Antrags mit anwaltlichem Anschreiben vom 25. Juli 2011 an, Arbeitsbeginn sei am Unfalltag 19.00 Uhr gewesen. Aus Unkenntnis über die Zuständigkeit der Berufsgenossenschaft (BG) in diesem Fall stelle er nunmehr 17 Jahre nach dem angeschuldigten Ereignis den Antrag. Aus Angst vor Verlust des Ausbildungsplatzes sei 1994 keine zeitnahe Meldung des Unfalls durch ihn bzw. durch seine Eltern erfolgt. Der Kläger legte u.a. eine eidesstattliche Versicherung der früheren Ehefrau seines Ausbilders H M, der Zeugin L, vom 13. Juli 2011 vor, wonach er am Unfalltag zwischen 18.30 und 19.00 Uhr einen Termin mit ihrem Ehemann gehabt habe, um ausbildungsrelevante Fragen sowie die weitere Arbeitsplanung zu besprechen. In der Zeit nach dem Unfall sei es zu Unstimmigkeiten bzw. Streitigkeiten zwischen Herrn M und dem Kläger gekommen. Der Kläger legte ferner eine eidesstattliche Versicherung seiner Mutter, der Zeugin S D, vom 17. Juni 2011 vor, wonach er am Unfalltag einen Termin bei seinem Ausbilder Herrn H M habe wahrnehmen wollen. Ferner legte der Kläger eidesstattliche Versicherungen der Zeugen M und M M vom 17. Juni 2011 vor, wonach er nach der Besprechung mit seinem Arbeitgeber H M sie habe besuchen wollen.

Die Beklagte holte eine Auskunft des Chirurgen und Durchgangsarztes J vom 26. September 2011 ein, wonach der Kläger am 02. Februar 1994 einen Unfall erlitten habe, in dessen Folge er den Kläger ambulant nachbehandelt habe. Nach Durchsicht seiner Behandlungsunterlagen habe er keinen Hinweis darauf finden können, dass der Kläger einen betrieblichen Wegeunfall erlitten habe. In der Krankenhausepikrise sowie in allen ihm vorliegenden Schriftstücken von Versicherungsgesellschaften – soweit nach 17 Jahren noch vorhanden – werde von einem privaten Unfallgeschehen ausgegangen, so wie es vom Kläger auch angegeben worden sei. Da der Kläger keinen Arbeits- bzw. Wegeunfall angegeben habe, sei von ihm logischerweise auch kein DAB erstellt worden. Der Kläger habe sich bis April 2010 in seiner kontinuierlichen Weiterbehandlung befunden. Zu keinem Zeitpunkt habe er einen möglichen Wegeunfall zur Diskussion gebracht.

Mit Schreiben vom 05. Oktober 2011 gab der Kläger u.a. an, am Unfalltag habe er die Privatwohnung seines mittlerweile verstorbenen Ausbilders Herrn M aufsuchen wollen, wo sich auch ein Büro und Lagerräume der UMS befunden hätten. Er habe damals nicht hinterfragt, warum nicht ein Treffen an der eigentlichen Betriebsstätte geplant worden sei.

Die Beklagte holte eine Auskunft bei der Zeugin L vom 21. Oktober 2011 ein, wonach sie zum Unfallzeitpunkt nicht mehr mit H M verheiratet gewesen sei, aber mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt in der Sstraße in B gelebt habe. Die Familien M und D seien seit Anfang der 80er Jahre miteinander befreundet. Vom Unfall habe sie am Folgetag von der Zeugin D und ihrem Ehemann erfahren. Sie habe damals keine berufliche Stellung im Betrieb ihres Ehemanns und keinen direkten Einblick in die Geschäftsführung gehabt. Es sei ihr durch das andauernder Zusammenleben mit ihrem Ehemann nicht verborgen geblieben, dass es damals schon Zahlungsschwierigkeiten gegenüber der BG gegeben habe. Ihrer Meinung nach hätte der Wegeunfall damals bei der BG gemeldet werden müssen. Warum dies nicht geschehen sei, wisse sie nicht. Nur ihr Ehemann habe in der UMS die Befähigung gehabt, Lehrlinge auszubilden. Nur er sei damals für die Ausbildung des Klägers zuständig gewesen. Es sei des Weiteren nicht ungewöhnlich gewesen, dass es bei ihnen zu Hause zu geschäftlichen Absprachen und Treffen gekommen sei, weil Herr M tagsüber weiter entfernte Baustellen betreut habe. Sie könne sich genau erinnern, dass es zu Streitigkeiten zwischen ihrem Ehemann und dem Kläger sowie insbesondere der Zeugin D gekommen sei. Hierbei sei es zum Vorwurf gekommen, dass der Kläger doch zu Herrn M habe kommen sollen bzw. er ihn doch bestellt habe. Die Zeugin D habe von Herrn M auf die Frage, warum der Unfall nicht der BG gemeldet werde, keine Antwort erhalten.

Die Beklagte zog die staatsanwaltlichen Ermittlungsakten einschließlich des gerichtlichen Hauptverhandlungsprotokolls vom 04. Juli 1995, in welchem eine Zeugenaussage des Klägers festgehalten wurde, und Versicherungsunterlagen der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners bei. Ferner holte sie von J S die Auskunft vom 15. Mai 2012 ein, wonach ein Lagerraum der UMS in der Sstraße bestanden habe, Herr M zwischen 1993 und 1996 Mitarbeiter bzw. Auszubildende zu sich nach Hause eingeladen habe, ihm bekannt sei, dass der Kläger einen Unfall gehabt habe, und er keinerlei Erkenntnisse darüber habe, ob es sich beim Unfall vom 02. Februar 1994 um einen Arbeits- bzw. Wegeunfall gehandelt habe.

Die Beklagte lehnte die Anerkennung des Ereignisses vom 02. Februar 1994 als Arbeitsunfall mit Bescheid vom 25. Juni 2012 ab. Nach dem Gesamtermittlungsergebnis sei nicht bewiesen, dass der Kläger im Zeitpunkt des Unfalls unter dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 2012 als unbegründet zurück.

Der Kläger hat sein Begehren mit der am 31. Oktober 2012 zum Sozialgericht Frankfurt (Oder) (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt, welche zunächst unter dem gerichtlichen Aktenzeichen S 10 U 82/13 geführt und mit Beschluss vom 03. Mai 2013 zum gerichtlichen Verfahren S 10 U 129/12 verbunden worden ist. Er hat behauptet, damals als Auszubildender offenbar nicht in der Lage gewesen zu sein, die Bedeutung des Wegeunfalls zu erkennen, weil das damalige dienstliche Gespräch in der Privatwohnung des Arbeitgebers M geführt worden sei. Bei der Verabredung mit Herrn M am 02. Februar 1994 hätten sie über seine Ausbildung – er habe sich damals im ersten Lehrjahr befunden – sprechen wollen. Herr M habe seine Ausbildungsnachweise unterschreiben sollen. Die Wochenberichte hätten während der Ausbildung jede Woche vom Ausbilder unterschrieben werden müssen. Er habe seine Berichte im Rucksack dabei gehabt. Was er zuvor am Tag gemacht habe, wisse er nicht mehr. Vielleicht sei er in der Berufsschule gewesen. Mit Herrn M habe er keinen privaten Kontakt gehabt; sein Vater sei mit Herrn M befreundet gewesen. Nach dem Gespräch mit Herrn M habe er sich mit den Zeugen M treffen wollen. Sie hätten an ihrem Schiffsmodell "Bismarck" weiterbasteln wollen. Ihm sei erst bewusst geworden, dass die BG in jedem Fall für den Unfall eintreten müsse, als er mit einer ehemaligen Mitarbeiterin einer BG bei einem Grillabend gesprochen habe. Dies müsse vor ungefähr fünf Jahren gewesen sein. Seine Mutter habe direkt nach dem Unfall einen Streit mit Herrn M über die Meldung seines Unfalls zur BG gehabt. Den Rechtsanwalt, der ihn damals vertreten habe, habe seine Mutter beauftragt. Er hat die Meinung vertreten, die Beweiswürdigung der Beklagten im angefochtenen Bescheid sei insgesamt fehlerhaft. Die Richtigkeit der klägerischen Darstellung folge insbesondere aus den Angaben der Zeugin L. Zudem müsse auch Herr U als weiterer Betriebsinhaber der UMS als Zeuge gehört werden.

Das SG hat die Zeugen L, M und M M uneidlich vernommen und die Klage mit Urteil vom 10. April 2014 abgewiesen. Es hat zur Begründung u.a. ausgeführt: Es habe nicht bewiesen werden können, dass der Kläger am 02. Februar 1994 den Verkehrsunfall beim Zurücklegen eines mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Wegs zum Ort der Tätigkeit erlitten habe. Die Beweislosigkeit gehe zu seinen Lasten. Gegen einen Versicherungsfall spreche vor allem der Akteninhalt. Der Kläger könne nicht nachvollziehbar erklären, warum die Unfallmeldung bei der Beklagten erst 17 Jahre nach dem Unfall erfolgt sei. Gegen ein Verschweigen aus Angst vor dem Verlust des Ausbildungsplatzes spreche, dass der Kläger die Ausbildung und die Tätigkeit bei Herrn M drei Jahre nach dem Ereignis beendet habe und aufgrund der verletzungsbedingten Funktionseinschränkungen gezwungen gewesen sei, einen anderen Beruf auszuüben. Unerklärlich vor diesem Hintergrund sei, warum er den Antrag bei der Beklagten nicht unmittelbar nach Ausbildungsende gestellt habe, zumal er im Zusammenhang mit seinen Ansprüchen wegen der Unfallfolgen anwaltlich beraten gewesen sei. Im Gegenteil habe der Kläger gegenüber der LVA ausdrücklich angegeben, dass der Unfall ein Privatunfall gewesen sei. Aus den ärztlichen Behandlungsunterlagen ergebe sich ebenfalls kein Hinweis auf einen Arbeitsunfall. Nicht überzeugend sei die Erklärung des Klägers, er habe erst vor etwa fünf Jahren bei einem Grillabend von einer ehemaligen BG-Mitarbeiterin von der Möglichkeit gehört, dass im Zusammenhang mit dem Unfall im Jahre 1994 Ansprüche gegen die BG bestehen könnten, wo doch der Kläger langjährig in der Versicherungsbranche gearbeitet habe und auch als Selbständiger Grundzüge des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung gekannt haben müsse. Letztlich sei der Zweck des Besuchs des Klägers bei Herrn M offen. Herr M selbst könne nach seinem Tod nicht mehr als Zeuge gehört werden. Da die Familien M und D nach Aussage der Zeugin L und Angaben des Klägers seit Anfang der 1980er Jahre privat befreundet gewesen seien, käme sowohl ein privater als auch ein beruflicher Zweck für den geplanten Besuch in Betracht. Für einen privaten Zweck sprächen Ort – Weg zur Privatwohnung Herrn M - und Uhrzeit – 18.55 Uhr - des Unfalls. Zudem suggerierten die im Schreiben des Klägers vom 25. Juli 2011 gegenüber der Beklagten gemachten Angaben, Arbeitsbeginn sei um 19.00 Uhr gewesen, er habe beim Arbeitgeber tatsächlich arbeiten sollen, wohingegen der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung erklärt habe, er habe gewollt, dass Herr M an dem Abend seine Ausbildungsnachweise unterschreibe. Nicht nachvollziehbar sei zudem, warum der Kläger ausgerechnet am Unfallabend die Ausbildungsnachweise habe unterschreiben lassen müssen. Angesichts des etwa 20 Jahre zurückliegenden Sachverhalts sei es schlüssig, wenn der Kläger seinen Angaben zufolge nicht mehr wisse, was er am 02. Februar 1994 vor dem Unfall gemacht habe. Nicht erklärlich sei hingegen, warum er sich heute daran erinnern wolle, er habe damals Ausbildungsnachweise für die Berufsschule im Rucksack gehabt, ohne dies zuvor bei der Beklagten angegeben zu haben. Die schriftlichen Erklärungen der Zeugen M und D sowie des Klägers seien in diesem Punkt auffällig unbestimmt. Die Aussagen der Zeugen L und M seien nicht belastbar. Keiner von ihnen kenne den Inhalt der Verabredung des Klägers mit Herrn M aus eigener Wahrnehmung. Alle drei Aussagen ließen quantitatives Detailreichtum und wirkliche innere Anteilnahme vermissen. Gerade aufgrund der freundschaftlichen Verbundenheit der drei Zeugen mit der Familie des Klägers sei nicht auszuschließen, dass ihre Bekundungen 20 Jahre nach dem Unfall auf Informationen beruhten, die sie erst im Nachhinein vom Kläger bzw. aus dessen Sphäre erhalten hätten. Ihre Aussagen hätten sich nicht wirklich von ihren bereits schriftlich gefertigten Erklärungen im Verwaltungsverfahren abgehoben und keine Hinweise auf echtes eigenes Erleben enthalten. Von einer Vernehmung der Mutter des Klägers sei abgesehen worden, weil diese lediglich als vierte Zeugin vom Hörensagen in Betracht gekommen wäre.

Der Kläger hat gegen das ihm am 25. April 2014 zugestellte Urteil am 19. Mai 2014 Berufung eingelegt und zur Untermauerung seines Vorbringens eine schriftliche Erklärung der Zeugin D vom 10. November 2014 vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 10. April 2014 und den Bescheid der Beklagten vom 25. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass das Ereignis vom 02. Februar 1994 ein entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall ist,

hilfsweise,

die Zeugin L ergänzend zu vernehmen zum Zeitpunkt der Geburtstagsfeier und zu Streitgesprächen der Zeugin D mit Herrn M oder zu sonstigen Streitgesprächen und der jeweiligen Anwesenheit oder Nichtanwesenheit des Klägers bei diesen Streitgesprächen,

ferner die Zeugen M und M M nochmals ergänzend zu vernehmen, insbesondere zum Auffinden bzw. zum Erfahren des Unfalls des Klägers am Unfalltag und zu den Umständen und dem Anlass der Fahrt des Klägers zu seinem Ausbilder am 02. Februar 1994,

ferner Herrn Rechtsanwalt B über die Mandatsgespräche, insbesondere im Hinblick auf Hinweise zu einem Wegeunfall durch die Zeugin D, zu vernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 18. Februar 2016 durch die uneidliche Vernehmung der Zeugin D Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme einschließlich derjenigen im ausgangsgerichtlichen Verfahren wird auf die Sitzungsniederschriften vom 10. April 2014 und 18. Februar 2016 verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht. Er hat keinen Anspruch auf Anerkennung des angeschuldigten Unfallereignisses als Arbeitsunfall.

Nach § 8 Abs. 1 S. 1 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle der Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Nach § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Der Gesetzgeber bringt mit der Formulierung "infolge" in § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII das Erfordernis eines Zusammenhangs zum Ausdruck. Es muss eine kausale Verknüpfung des Unfalls mit der betrieblichen Sphäre bestehen, mithin eine rechtliche Zurechnung für besonders bezeichnete Risiken der Arbeitswelt beziehungsweise gleichgestellter Tätigkeiten, für deren Entschädigung die gesetzliche Unfallversicherung als spezieller Zweig der Sozialversicherung einzustehen hat, und zwar nicht nur im Sinne einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, sondern auch im Sinne der Zurechnung des eingetretenen Erfolges zum Schutzbereich der unfallversicherungsrechtlichen Norm als eines rechtlich wesentlichen Kausalzusammenhangs (Zurechnungslehre der wesentlichen Bedingung, ständige Rechtsprechung, etwa Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 13 ff.). Die Frage nach diesem Zurechnungszusammenhang stellt sich auf drei Ebenen, nämlich als Unfallkausalität zwischen ausgeübter Tätigkeit und Unfallereignis, als haftungsbegründende Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden und als haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheitserstschaden und längerandauernden Unfallfolgen (BSG, a.a.O., Rn. 10; Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, 1.4, S. 21 f.). Die vorgenannten Merkmale der versicherten Tätigkeit, des Unfallereignisses, des Gesundheitserstschadens und der Unfallfolgen müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (etwa BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R –, zitiert nach juris Rn. 15). Der innere beziehungsweise sachliche Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis erforderlich; bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden können. Innerhalb dieser Wertung stehen Überlegungen nach dem Zweck des Handels mit im Vordergrund. Maßgeblich ist die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (etwa BSG, Urteil vom 07. September 2004 – B 2 U 35/03 R –, zitiert nach Juris Rn. 14).

Hiervon ausgehend lässt sich eine versicherte Tätigkeit nicht im nach § 128 Abs. 1 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gebotenen Maße vollbeweislich zur Überzeugung des Senats annehmen. Geschützt war im Falle des Klägers gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII zunächst nur dessen Tätigkeit als Lernender während der beruflichen Aus-/ Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen, ohne dass sich das angeschuldigte Ereignis bei Verrichtung seiner Ausbildung in einer Betriebsstätte, Berufsschule oder auf einer Baustelle ereignete. Soweit § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII den Versicherungsschutz auch auf das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit erstreckt, worunter auch ein Besuch des Klägers bei seinem Ausbilder Herrn M zwecks Regelung von Ausbildungsangelegenheiten am 02. Februar 1994 fallen mag, fehlt es am zu fordernden Vollbeweis der tatsächlichen Voraussetzungen eines solchen Versicherungstatbestands. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird zunächst abgesehen, weil die Berufung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils als unbegründet zurückzuweisen ist, § 153 Abs. 2 SGG.

Der Beweis für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen des Versicherungstatbestands konnte auch nicht durch Vernehmung der Zeugin D im Berufungsverfahren erbracht werden. Soweit diese bestätigt, dass der Kläger Herrn M zum Zweck habe aufsuchen wollen, Ausbildungsnachweise unterschreiben zu lassen, kann sie dies – wie auch die Zeugin L – nicht aus eigener Wahrnehmung, sondern nur vom Hörensagen wissen. Sie räumt selbst ein, dies vom Kläger erfahren zu haben. Abgesehen davon bestehen seitens des Senats durchgreifende Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin D. Allein schon aufgrund ihrer persönlichen Verbundenheit mit dem Kläger als ihrem Sohn und der in der mündlichen Verhandlung offensichtlich gewordenen, andauernden Anteilnahme bzgl. der schweren Unfallfolgen ist eine objektive, interesseneutrale Zeugenaussage nicht zu erwarten gewesen. Zudem wird anhand ihrer Bekundungen auch ihre persönliche Verstrickung in den vorliegenden Fall deutlich. Ihren Angaben zufolge – dies mag ohne weiteres als richtig unterstellt werden – hatte sie mit Herrn M einen lang andauernden Streit über die von ihm nicht durchgeführte Meldung des Unfalls als Arbeitsunfall. Insoweit decken sich ihre Angaben im Wesentlichen mit denjenigen der Zeugin L. Der Streit eskalierte nach Angaben der Zeugin D sogar derart, dass es während einer Geburtstagsfeier der Zeugin L zu einer Szene kam. Die Verstrickung der Zeugin D wird noch deutlicher, indem sie einräumt, dass das an die LVA gerichtete Schreiben, wonach es sich beim Unfall um einen Privatunfall gehandelt habe, sogar von ihr gestammt habe. Hieran wird deutlich, dass sie zu verfahrensangepassten Angaben greift und insofern auch keinerlei Unrechtsbewusstsein hat, wenn es um die Durchsetzung der materiellen Interessen ihres Sohnes geht.

In Ergänzung zu den Gründen des angefochtenen Urteils ist ferner darauf hinzuweisen, dass der Kläger auch, als er im gegen den Unfallgegner geführten Strafverfahren als Zeuge vernommen wurde, keinerlei Angaben machte, die den Rückschluss auf einen versicherten Wegeunfall zuließen. Das gerichtliche Hauptverhandlungsprotokoll vom 04. Juli 1995, in welchem eine Zeugenaussage des Klägers festgehalten wurde, enthält hierzu nichts. Bezeichnenderweise finden sich auch in der Korrespondenz zwischen dem später im Haftpflichtverfahren eingeschalteten Rechtsanwalt J, welcher mit Schreiben vom 08. Januar 2001 gegenüber der Landesversicherungsanstalt um Auskunft zu den unfallbedingten Renteneinbußen bat, und dem Rentenversicherungsträger keinerlei Hinweise auf das Vorliegen eines Wegeunfalls. Der daraufhin mit der Allianz Versicherungs-AG geschlossene, vom Kläger persönlich am 23. April 2001 unterzeichnete Vergleich über eine Abfindungssumme enthält ebenfalls keine Angaben über zu erwartende Zahlungen wegen Personenschaden durch eine Berufsgenossenschaft, d. h. auch hier wurden trotz entsprechender Nachfragen keine Angaben zu einem (durch die BG) zu entschädigendem Ereignis gemacht.

Nach alldem hat sich der Senat nicht mehr zu weiteren Ermittlungen etwa in der von der Klägerseite beantragten Art gedrängt gesehen. Es ist schon fraglich, welchen Aufschluss sich die Klägerseite von einer erneuten Vernehmung der Zeugin L bzw. der Klärung der Frage verspricht, wann die Geburtstagsfeier stattfand, bei welcher es zwischen der Zeugin D mit Herrn M wegen der Meldung des Unfalls zum Streit gekommen sein soll, oder welche sonstigen Streitgespräche in der jeweiligen Anwesenheit oder Nichtanwesenheit des Klägers stattfanden. Jedenfalls die Zeugin Dhat nun einmal, und insofern hat der Senat keinen Anlass, an der Richtigkeit ihrer Aussage zu zweifeln, bekundet, dass der Kläger die mit Herrn Mgeführte Auseinandersetzung beizeiten mitbekommen haben muss. Es ist ferner nicht ersichtlich, welcher Erkenntnisgewinn im Hinblick auf die klägerische Behauptung mit einer erneuten Vernehmung der Zeugen M und M M insbesondere zum Auffinden bzw. zum Erfahren des Unfalls des Klägers am Unfalltag und zu den Umständen und dem Anlass der Fahrt des Klägers zu seinem Ausbilder am 02. Februar 1994 verbunden sein soll. Erklärungen der von der Klägerseite benannten Zeugen Mund L waren bereits im Verwaltungsverfahren beigebracht worden. Zudem sind sie vom SG ausführlich vernommen worden. Dass die Zeugen grundlegend Neues zur Klärung des Falls Beitragendes bekunden könnten, wird weder vom Kläger vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich. Die vorgenannten Zeugen können aus eigener Wahrnehmung nun einmal nicht bekunden, dass der Kläger zwecks Erledigung von Ausbildungsangelegenheiten die unfallbringende Motorradfahrt angetreten hatte. Vor diesem Hintergrund ist eine erneute Vernehmung von vornherein nicht dazu angetan, den Beweiswert ihrer Angaben vom Hörensagen zu steigern. Dabei hegt der Senat weder durchgreifende Zweifel an deren Glaubwürdigkeit noch an der Glaubhaftigkeit ihrer bisherigen Aussagen, welche allerdings für die Überzeugung von der Richtigkeit der klägerischen Behauptung im Kontext des klägerischen Vorbringens schlichtweg zu unergiebig sind. Auch hat sich der Senat nicht zu einer Vernehmung des von der Klägerseite als Zeuge benannten Rechtsanwalts B gedrängt gesehen. Dieser hätte ebenfalls lediglich als Zeuge vom Hörensagen vernommen werden können, wobei nach der – auch insofern nicht in Zweifel zu ziehenden - Aussage der Zeugin D davon auszugehen ist, dass Rechtsanwalt B ohnehin vor allem mir ihr und nicht mit dem Kläger kommuniziert hatte, sein Wissen vom Unfallgeschehen also erst recht nur auf Hörensagen beruhen konnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Mangels Revisionszulassungsgrunds gemäß § 160 Abs. 2 SGG ist die Revision nicht zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
Saved