L 5 RS 530/12

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 13 RS 24/12
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RS 530/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Geltendmachung zusätzlicher Arbeitsentgelte in Form von Jahresendprämien

Die Höhe geltend gemachter Jahresendprämien hat der Kläger durch die Vorlage von Arbeitsbüchern, in denen jeweils unter einem bestimmten Datum der Erhalt von Jahresendprämien in bestimmter Höhe vermerkt ist, glaubhaft gemacht. Soweit eine Glaubhaftmachung nicht gelingt, macht das Gericht von seiner im Rahmen der Einzelfallwürdigung nach § 202 SGG in Verbindung mit § 287 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 1 ZPO gegebenen Möglichkeit der Schätzung Gebrauch.
I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 3. Juli 2012 abgeändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 30. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Dezember 2011 verurteilt, den Bescheid vom 18. Juli 2006 dahingehend abzuändern, dass weitere Arbeitsentgelte für die Jahre 1970 bis 1990 wegen zu berücksichtigender Jahresendprämien im Rahmen der festgestellten Zusatzversorgungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben wie folgt zu berücksichtigen sind: Für die Jahre 1970 143,89 Mark 1971 502,07 Mark 1972 535,69 Mark 1973 560,00 Mark 1974 560,00 Mark 1975 560,00 Mark 1976 560,00 Mark 1977 536,35 Mark 1978 630,00 Mark 1979 634,21 Mark 1980 900,00 Mark 1981 883,33 Mark 1982 866,67 Mark 1983 779,17 Mark 1984 779,17 Mark 1985 883,33 Mark 1986 890,83 Mark 1987 950,00 Mark 1988 908,33 Mark 1989 941,67 Mark 1990 933,33 Mark

II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 70 von Hundert.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Wege des Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) im Berufungsverfahren noch darüber, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, für den Kläger den Zeitraum vom 1. September 1969 bis 30. Juni 1990, der als Zeit der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) anerkannt ist, höhere Arbeitsentgelte in Form von Jahresendprämien festzustellen.

Der 1947 geborene Kläger ist seit dem 26. Juli 1969 berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen (vgl. Beurteilung Bl. 14 VA). Ab dem 1. September 1969 war er als Programmierer und später als Projektant im Volkseigenen Betrieb Gerätewerk K -M -S (nachfolgend: VEB) beschäftigt. Von September 1970 bis November 1975 absolvierte er ein Fernstudium an der Technischen Hochschule I und erwarb den akademischen Grad "Diplomingenieur" für Informationstechnik. Nachdem die Beklagte die Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs. 1 AAÜG zunächst abgelehnt hatte, stellte sie nach Abschluss eines Vergleichs im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Chemnitz (Az. S 23 R 593/05) mit Feststellungsbescheid vom 18. Juli 2006 (Bl. 80 VA) die Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz für den Zeitraum vom 1. September 1969 bis 30. Juni 1990 mit entsprechenden Arbeitsentgelten fest. Mit Überprüfungsantrag vom 16. September 2010 (Bl. 85 VA) begehrte der Kläger die Feststellung höherer Entgelte unter Einbeziehung von Prämien, Neuerervergütungen, Überstunden und sonstiger Überverdienste. Zum Nachweis legte er private Aufzeichnungen in Form von Arbeits- und Stundenbüchern zur Einsicht vor. Eine Recherche der Beklagten bei dem Archivunternehmen "Rhenus" blieb hingegen erfolglos (Bl. 106 VA). Mit Bescheid vom 30. August 2011 und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 28. Dezember 2011 lehnte die Beklagte die Feststellung höherer Entgelte ab. Die zusätzlichen Einkünfte könnten nicht als Arbeitsentgelte im Sinne von § 6 Abs. 1 AAÜG anerkannt werden, weil ihr Zufluss weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden sei.

Mit seiner am 5. Januar 2012 vor dem Sozialgericht Chemnitz erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er machte insgesamt 20.594,33 Mark zusätzliche Verdienste geltend (Bl. 15 ff. GA) und berief sich auf die chronologisch geführten Notizen. Weiter legte er Erklärungen der ehemaligen Kollegen H J und G V vor, in denen diese angaben, zusätzliche Zahlungen seien im Betrieb in bar gegen Unterschrift auf Kassenbelege geleistet worden. Weiter gaben sie an, der Kläger habe Arbeits- und Stundenbücher geführt, die der Zeuge J als ehemaliger Vorgesetzter ab und an – z.B. am 30. November 1971 und 23. Oktober 1972 – signiert habe (Bl. 13 f. GA). Mit Gerichtsbescheid vom 3. Juli 2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Zufluss sei durch die selbst gefertigten Listen und Aufzeichnungen sowie durch die Zeugenerklärungen weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Zudem sei zweifelhaft, ob für die Berücksichtigung von Jahresendprämien als Arbeitsentgelt überhaupt eine Rechtsgrundlage bestehe.

Gegen den am 24. Juli 2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 6. August 2012 Berufung eingelegt. Er machte nunmehr insgesamt 33.035,33 Mark (21.654 Mark Jahresendprämien [9.994,00 Mark für die Jahre 1970 bis 1979 und 11.660,00 Mark für die Jahre 1980 bis 1990], 1.020 Mark Treuegeld für die Jahre 1973 bis 1990, 1.793,80 Mark Brigadezuschlag für die Jahre 1971 bis 1990, 7.731,28 Mark (3.751,50 Mark und 3.980 Mark) Vergütung aus Neuerervereinbarungen für die Jahre 1970 bis 1985 sowie 836,25 Mark weitere Zuschläge für die Jahre 1972 bis 1989) geltend. Sämtliche Zahlungen seien in dem seit Beginn seines Beschäftigungsverhältnisses geführten Studentenbuches im Einzelnen aufgeführt, weshalb der Zufluss glaubhaft gemacht worden sei. Sein ehemaliger Vorgesetzter, Herr J , und seine damalige Arbeitskollegin, Frau V , könnten die Richtigkeit der geführten Aufzeichnungen bestätigen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 3. Juli 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Dezember 2011 sowie unter Abänderung des Feststellungsbescheides vom 18. Juli 2006 zu verurteilen, Jahresendprämien für die Jahre 1970 bis 1990 als zusätzliche Entgelte im Rahmen der Zusatzversorgungszeiten festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid im Ergebnis für zutreffend. Bezug und die genaue Höhe der Prämien seien weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht.

Der Senat hat schriftliche Aussagen der Zeugen J und V eingeholt sowie der Kläger eine schriftliche Stellungnahme des Herrn Dr. K H (Direktor für Organisation und Datenverarbeitung) vorgelegt. In seinen Stellungnahmen vom 14. Oktober 2013 (Bl. 58 GA) und 31. Januar 2014 (Bl. 73 GA) gab der Zeuge J an, in seiner Zeit als Leiter der Programmierung ab Juli 1971 seien Jahresendprämien, die zwischen 101 und 105 von Hundert eines Monatsgehaltes betragen hätten, gezahlt worden. Bei der Auszahlung habe es keine Ausnahmen gegeben. Der Kläger sei einer der akribischsten Mitarbeiter gewesen und seine Arbeitsbücher hätten Daten erfasst, die er auch gern bei anderen Kollegen gesehen hätte und bei gelegentlichen Kontrollen durch sein Signum "J " abgezeichnet habe. Die Zeugin V gab in ihren Stellungnahmen vom 14. Oktober 2013 (Bl. 59 GA) und vom 6. Februar 2014 (Bl. 74 GA) an, sie habe sich mit dem Kläger einen Arbeitsraum geteilt. Er habe täglich ein Arbeitsbuch geführt, in dem er alle firmenbezogenen Daten registriert habe. Jahresendprämien seien jährlich in bar gegen Quittierung ausgezahlt worden. Die Höhe sei ihr nicht bekannt. Der Zeuge Dr. H gab in seiner Erklärung vom 2. Februar 2013 (Bl. 61 GA) an, er habe ab 1970 die Funktion des Direktors für Organisation und Datenverarbeitung übernommen und im Vorfeld des Antrages des Klägers dessen "persönliches Archiv" einsehen können. Ihm sei kein Jahr seiner Betriebszugehörigkeit ohne Zahlung einer Jahresendprämie bekannt. Schließlich hat der Kläger die Arbeits- und Stundenbücher im Original übersandt.

In der mündlichen Verhandlung am 16. Februar 2016 hat der Kläger sein Begehren nur hinsichtlich der Jahresendprämien aufrechterhalten und die Berufung im Übrigen zurückgenommen.

Dem Gericht lagen die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die Arbeits- und Stundenbücher vor, worauf zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist (im aufrecht erhaltenden Umfang) begründet. Das Sozialgericht Chemnitz hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 3. Juli 2012 zu Unrecht abgewiesen, soweit der Kläger im tenorierten Umfang die Feststellung höherer Arbeitsentgelte unter Berücksichtigung gezahlter Jahresendprämien begehrt. Der Bescheid der Beklagten vom 30. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Dezember 2011 ist (insoweit) rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Die Beklagte hat den Überprüfungsantrag des Klägers nach § 44 SGB X zu Unrecht abgelehnt, weil die Voraussetzungen von § 44 Abs. 1 SGB X vorliegen. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Der Feststellungsbescheid der Beklagten vom 18. Juli 2006 ist dahingehend abzuändern, dass für die Jahre 1970 bis 1990 aufgrund zu berücksichtigender Jahresendprämien höhere Arbeitsentgelte festzustellen sind.

Gemäß § 8 Abs. 1 AAÜG hat die Beklagte als der unter anderem für das Zusatzversor-gungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volksei-genen und ihnen gleichgestellten Betrieben zuständige Versorgungsträger in einem dem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) ähnlichen und außerhalb des Rentenverfahrens durchzuführenden (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 18. Juli 1996 - 4 RA 7/95 - SozR 3-8570 § 8 Nr. 2) Verfahren durch jeweils einzelne Verwaltungsakte bestimmte Feststellungen zu treffen. Vorliegend hat die Beklagte mit Feststellungsbescheid vom 18. Juli 2006 die Zeit vom 1. September1969 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG (vgl. § 5 AAÜG) sowie die während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte festgestellt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Weitere Entgelte in Form von Jahresendprämien hat die Beklagte zu Unrecht nicht berücksichtigt.

Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl. § 5 AAÜG) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 SGB VI) das erzielte Arbeits-entgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist dabei dem Entgeltbegriff im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG der bundesdeutsche Begriff des Arbeitsentgelts im Sinne von § 14 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) zugrunde zu legen (BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 4/06 R –, SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 – juris Rn. 25 m.w.N.)

1. Arbeitsentgelt in diesem Sinne sind nach der Rechtsprechung des BSG auch die in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) an Arbeitnehmer rechtmäßig gezahlte Jahresendprämien, weil es sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die von dem Werktätigen im jeweiligen Planjahr erbrachte Arbeitsleistung handelte, wobei es nicht darauf ankommt, dass dieser Verdienst nach DDR-Recht nicht steuer- und sozialversicherungspflichtig gewesen ist (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 – juris Rn. 21 ff.). Denn der Gesetzestext des § 6 Abs. 1 S. 1 AAÜG besagt, dass den Pflichtbeitragszeiten im Sinne des § 5 AAÜG als Verdienst (§ 256a SGB VI) unter anderem das "erzielte Arbeitsentgelt" zugrunde zu legen ist. Aus dem Wort "erzielt" folgt nach den Ausführungen des BSG im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 S. 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt oder Einkommen handeln musste, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem "aufgrund" seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also tatsächlich gezahlt worden ist. In der DDR konnten die Werktätigen unter bestimmten Voraussetzungen Prämien als Bestandteil ihres Arbeitseinkommens bzw. -entgelts erhalten, die im Regelfall mit dem Betriebsergebnis verknüpft waren und eine leistungsstimulierende Wirkung ausüben sollten. Lohn und Prämien waren "Formen der Verteilung nach Arbeitsleistung" (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2007, a.a.O. Rn. 30 unter Verweis auf: Arbeitsrecht - Lehrbuch, herausgegeben von einem Autorenkollektiv, Staatsverlag der DDR, Berlin 1983, S. 193). Die Prämien wurden aus einem zu bildenden Betriebsprämienfonds finanziert, wobei die Voraussetzungen ihrer Gewährung in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart werden mussten. Über ihre Gewährung und Höhe entschied der Betriebsleiter mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung nach Beratung im Arbeitskollektiv. Diese allgemeinen Vorgaben galten für alle Prämienformen (§ 116 des Arbeitsgesetzbuches der DDR [AGB-DDR]) und damit auch für die Jahresendprämie (§ 118 Abs. 1 und 2 AGB-DDR). Sie diente als Anreiz zur Erfüllung und Übererfüllung der Planaufgaben, war bezogen auf das Planjahr und hatte den Charakter einer Erfüllungsprämie. Nach § 117 Abs. 1 AGB-DDR bestand ein "Anspruch" auf Jahresendprämie, wenn - die Zahlung einer Jahresendprämie für das Arbeitskollektiv, dem der Werktätige angehörte, im Betriebskollektivvertrag vereinbart war, - der Werktätige und sein Arbeitskollektiv die vorgesehenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatte und - der Werktätige während des gesamten Planjahres Angehöriger des Betriebs war (BSG, Urteil vom 23. August 2007, a.a.O. Rn. 31).

Die Feststellung von Beträgen, die als Jahresendprämie gezahlt wurden, hing davon ab, dass der Empfänger die Voraussetzungen der §§ 117, 118 AGB-DDR erfüllt hatte. Hierfür und für den Zufluss trägt er die objektive Beweislast. Mithin wird deutlich, dass die Zahlung von Jahresendprämien von mehreren Voraussetzungen abhing. Der Kläger hat, um eine Feststellung zusätzlicher Entgelte beanspruchen zu können, nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, dass alle diese Voraussetzungen in jedem einzelnen Jahr erfüllt gewesen sind und zusätzlich, dass ihm ein bestimmter, berücksichtigungsfähiger Betrag auch zugeflossen, also tatsächlich gezahlt worden ist.

Nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht hierbei nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Dabei ist neben dem Vollbeweis, d.h. der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, auch die Möglichkeit der Glaubhaftmachung des Vorliegens weiterer Arbeitsentgelte aus Jahresendprämien gegeben. Dies kann aus der Vorschrift des § 6 Abs. 6 AAÜG abgeleitet werden, wonach, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht wird, der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt wird (st. Rspr. des 5. Senats des LSG Chemnitz, vgl. u.a. Urteile vom 21. Juli 2015 – L 5 RS 668/14 –, vom 12. Mai 2015 – L 5 RS 424/14 – und vom 28. April 2015 – L 5 RS 450/14 – sowie LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. Oktober 2014 – L 33 R 151/13 – juris Rn. 38).

Der Kläger hat den Zufluss von Jahresendprämien in den Jahren 1970 bis 1990 (für die Beschäftigungsjahre 1969 bis 1989) zwar nicht nachgewiesen, jedoch glaubhaft gemacht. Die Höhe der Jahresendprämien hat er ebenfalls nicht nachgewiesen, jedoch für die (Zufluss-)Jahre 1980 bis 1990 glaubhaft gemacht. Hinsichtlich der Höhe der in den Jahren 1970 bis 1979 zugeflossenen Jahresendprämien, die er weder nachweisen noch glaubhaft machen konnte, macht der Senat von der Möglichkeit der Schätzung Gebrauch.

a) Ihr Zufluss konnte nicht nachgewiesen, jedoch in den Jahren 1970 bis 1990 glaubhaft gemacht werden.

aa) Der Kläger verfügt nicht über die Quittungen, auf denen die Barauszahlung der jeweiligen Prämie – nach Angaben der Zeugen J und V gängige Praxis im VEB – bestätigt wurde. Auch blieb die Anfrage der Beklagten bei der Rhenus Office Systems GmbH laut deren Auskunft vom 23. August 2011 erfolglos, weil dort keine Nachweise über Prämienzahlungen vorhanden sind. Andere Nachweise in Form von Lohnunterlagen oder ähnlichen Materialien konnte der Kläger ebenfalls nicht vorlegen. Insbesondere sind die von ihm (im Original) vorgelegten Arbeitsbücher nicht geeignet, den Zufluss der behaupteten Jahresendprämien in den Jahren 1980 bis 1990 nachzuweisen. Hierbei handelt es sich um vom Kläger selbst angefertigte Aufzeichnungen, aus denen sich jedenfalls nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ergibt, dass ihm die Prämien tatsächlich zugeflossen sind. Auch wenn die Aufzeichnungen – trotz der zum Teil abweichenden Optik durch die Verwendung eines Kugelschreibers – aus den jeweiligen Zuflussjahren stammen sollten, geht hieraus nicht mit der erforderlichen – an Sicherheit grenzender – Wahrscheinlichkeit hervor, dass der Kläger die Prämien tatsächlich erhalten hat. Es könnte sich ebenso um die Aufzeichnungen von Erwartungen handeln. Hierfür könnten etwa die zum Teil vorgenommenen Berechnungen sprechen, die der Kläger im Zusammenhang mit den Jahresendprämien notiert hat. Für die (Zufluss-)Jahre 1970 bis 1979 konnten keinerlei Unterlagen vorgelegt werden, aus denen die Zahlung von Prämien hervorgeht.

bb) Jedoch konnte der Kläger den Zufluss der Prämien in den Jahren 1970 bis 1990 glaubhaft machen.

Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Tatsache dann als glaubhaft gemacht anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun überwiegender Wahrscheinlichkeit, das heißt der guten Möglichkeit, dass der Vorgang sich so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (BSG, Urteil vom 22. September 1977 – 10 RV 15/77 – BSGE 45, 9 ff – juris Rn. 32, Urteil vom 17. Dezember 1988 – 12 RK 42/80 – BSG SozR 5070 § 3 Nr. 1 – juris Rn. 26 und Beschluss vom 10. August 1989 - 4 BA 94/89 – juris Rn. 7). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Vielmehr genügt es, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber einer das Übergewicht zukommen. Wie bei den beiden anderen Beweismaßstäben – Vollbeweis und hinreichende Wahrscheinlichkeit – reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, die Beweisanforderungen zu erfüllen. Das Gericht ist aufgrund der Freiheit der richterlichen Beweiswürdigung nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG grundsätzlich darin frei, ob es die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 – B 9 V 23/01 B –, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, SozR 3-1500 § 160a Nr. 33, SozR 3-1500 § 170 Nr. 9 – juris Rn. 5).

Ausgehend von diesen Maßstäben hat der Kläger glaubhaft gemacht, dass die oben genannten Voraussetzungen für den Bezug der Jahresendprämien vorlagen und er sie jeweils erhalten hat.

(a) Ausweislich der Eintragungen in seinem Sozialversicherungsausweis (SV-Ausweis) war er während der gesamten Jahre 1970 bis 1989 im VEB Gerätewerk K -M -S (Kombinatsbetrieb des Kombinats VEB Meßgerätewerk Z ) bzw. im Betriebsteil Gerätewerk K -M -S des VEB Meßgerätewerk Z beschäftigt, was nach § 117 Abs. 1 Voraussetzung 3 AGB-DDR für den Anspruch auf Zahlung einer Jahresendprämie vorausgesetzt war. Dies gilt zwar nicht für das Jahr 1969, in dem der Kläger (am 1. September) seine Arbeit in dem Betrieb aufgenommen hat. Laut Eintragung im SV-Ausweis war er jedoch bis zum 31. August 1969 Student der Ingenieur-Schule für Maschinenbau und Elektrotechnik Zwickau und ab dem 1. September 1969 als Programm-Assistent im VEB Gerätewerk K -M -S beschäftigt. Damit erfüllt er die Voraussetzungen der in § 117 Abs. 2 Satz 1 Buchstabe d) Halbsatz 2 AGB-DDR geregelten Ausnahme für einen Anspruch auf anteilige Jahresendprämie, wonach er u.a. dann besteht, wenn eine Tätigkeit nach Abschluss des Studiums aufgenommen wurde.

(b) Glaubhaft gemacht ist auch, dass die Zahlung von Jahresendprämien für das Arbeitskollektiv, dem der Kläger angehörte, im Betriebskollektivvertrag vereinbart war sowie der Kläger und sein Arbeitskollektiv die vorgegebenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt haben, § 117 Abs. 1 Voraussetzungen 1 und 2 AGB-DDR.

Zum einen sprechen hierfür die in der DDR geltenden gesetzlichen Regelungen im AGB-DDR, das in den §§ 28 ff. einen eigenen Abschnitt für den Betriebskollektivvertrag enthielt. Nach § 28 Abs. 1 AGB-DDR war er zwischen dem Betriebsleiter und der Betriebsgewerkschaftsleitung abzuschließen, was mithin zwingend vorgesehen war. Nach Absatz 1 Satz 3 dieser Vorschrift sind darin u.a. die arbeitsrechtlichen Regelungen zu treffen, die "entsprechend den Rechtsvorschriften" in ihm zu vereinbaren sind, wozu nach § 118 Abs. 1 AGB-DDR auch die Voraussetzungen für die Gewährung und die Höhe der Jahresendprämien gehörten. Dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Jahresendprämien in den jeweiligen Betriebskollektivverträgen zwingend zu vereinbaren bzw. festzulegen waren, ergibt sich zudem aus den diese Festlegungen konkretisierenden Verordnungen. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe im Jahr 1972 - Prämienfond-VO 1972 – (GBl. DDR II S. 49), die durch die Zweite Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe vom 21. Mai 1973 (GBl. DDR I S. 293) geändert wurde, und § 8 Abs. 3 Satz 1 und 2 der Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe – Prämienfond-VO 1982 – (BGl. DDR I S. 595) ist die Verwendung des Prämienfonds in den Betriebskollektivverträgen zu vereinbaren. Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Spiegelstrich 2 Prämienfond-VO 1972 bzw. § 8 Abs. 3 Satz 3 Spiegelstrich 4 Prämienfond-VO 1982 ist dabei u.a. zu vereinbaren, unter welchen Voraussetzungen Jahresendprämien als Form der materiellen Interessiertheit der Werktätigen an guten Wirtschaftsergebnissen des Betriebes im gesamten Planjahr angewendet werden.

Aufgrund der schriftlichen Angaben der Zeugen J , V und Dr. H ist zudem glaubhaft gemacht, dass der Kläger und das Arbeitskollektiv, dem er angehörte, die vorgegebenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt haben (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 2 AGB-DDR). So gaben die Zeugen J und V mit Schreiben vom 29. bzw. 30. März 2012 übereinstimmend an, zusätzliche Zahlungen seien im Betrieb in bar gegen Unterschrift auf Kassenbelege geleistet worden. Auf Nachfrage des Gerichts erklärte der Zeuge J in seiner Stellungnahme vom 14. Oktober 2013 (Bl. 58 GA) detaillierter, in seiner Zeit als Leiter der Programmierung ab Juli 1971 seien ausnahmslos Jahresendprämien, die zwischen 101 und 105 von Hundert eines Monatsgehaltes betragen hätten, gezahlt worden. Die Zeugin V bekräftigte in ihrer Stellungnahme vom 14. Oktober 2013 (Bl. 59 GA) nochmals, Jahresendprämien seien jährlich in bar gegen Quittierung ausgezahlt worden, wobei ihr die Höhe nicht bekannt sei. Der Zeuge Dr. H , der ab 1970 die Funktion des Direktors für Organisation und Datenverarbeitung übernommen hatte, gab in seiner Erklärung vom 2. Februar 2013 (Bl. 61 GA) an, ihm sei kein Jahr seiner Betriebszugehörigkeit bekannt, in dem keine Jahresendprämie gezahlt worden sei. Für die Zahlung von Jahresendprämien in den Zuflussjahren 1980 bis 1990 sprechen zudem die Aufzeichnungen des Klägers in seinen Arbeitsbüchern. Die Blätter 420, 422, 425, 427, 429, 432, 434, 436, 437, 439 und 440 eines der vorgelegten Bücher enthalten Eintragungen zu Jahresendprämien für die Zuflussjahre 1980 bis 1990. Zwar sind diese – wie dargelegt – nicht ausreichend, entsprechende Zahlungen nachzuweisen. Zur Glaubhaftmachung können persönliche Aufzeichnungen des Klägers jedoch grundsätzlich – neben anderen Indizien – herangezogen werden. Hierzu gab die Zeugin V an, sie habe sich mit dem Kläger einen Arbeitsraum geteilt, weshalb sie aus eigener Erinnerung heraus bestätigen könne, dass er täglich ein Arbeitsbuch geführt und in diesem "alle firmenbezogenen Daten" registriert habe. Auch der Zeuge J gab an, der Kläger sei einer der akribischsten Mitarbeiter gewesen und seine Arbeitsbücher hätten umfangreiche Daten erfasst, die er manchmal mit seinem Kürzel "J " abgezeichnet habe.

b) Die konkrete Höhe der Jahresendprämien konnte der Kläger – da bereits der Nachweis ihres Zuflusses nicht gelang (vgl. hierzu die Ausführungen unter 1. a) aa)) – nicht nachweisen. Die konkrete Höhe der an ihn ausbezahlten Beträge konnte er jedoch für die Zuflussjahre 1980 bis 1990 glaubhaft machen. Soweit er die Höhe für die Jahre 1970 bis 1979 nicht glaubhaft machen konnte, macht das Gericht von seiner Möglichkeit der Schätzung Gebrauch.

aa) Die Höhe der Prämien ist für die Zuflussjahre 1980 bis 1990 nach den o.a. Grundsätzen durch die Eintragungen in seinem Arbeitsbuch glaubhaft gemacht. Dort ist im Abschnitt für das jeweilige Jahr hinter dem Kürzel "J " ein bestimmter Betrag aufgeführt, was zumindest die gute Möglichkeit beinhaltet, dass der Kläger damit die in diesem Jahr erhaltene Prämie vermerkt hat. Auch die hierzu oftmals vermerkten Prozentzahlen, die zwischen 80,5 und 98,6 von Hundert schwanken und damit einem knappen Durchschnittsmonatsgehalt entsprechen, sprechen für die Annahme, dass es sich um geleistete Jahresendprämien handelt, weil dies der Höhe nach auch in etwa den Angaben des Zeugen J entspricht. Da die Eintragung in dem Zuflussjahr 1986 geringfügig von der Angabe des Klägers abweicht (1069 statt 1070 Mark), ist der eingetragene Betrag zugrunde zu legen. Danach sind die vom Kläger glaubhaft gemachten Prämienzahlungen für das Jahr ihres Zuflusses zugrunde zu legen und hiervon jeweils ein Abzug von einem Sechstel vorzunehmen, § 6 Abs. 6 AAÜG. Jahresendprämien sind somit wie folgt zu berücksichtigen.

Anspruchsjahr glaubhaft gemachte JEP in Mark davon 5/6 in Mark Zuflussjahr 1979 1080 900 1980 1980 1060 883,33 1981 1981 1040 866,67 1982 1982 935 779,17 1983 1983 935 779,17 1984 1984 1060 883,33 1985 1985 1069 890,83 1986 1986 1140 950 1987 1987 1090 908,33 1988 1988 1130 941,67 1989 1989 1120 933,33 1990

bb) Für die (Zufluss-)Jahre 1970 bis 1979 ist eine Glaubhaftmachung indes nicht gelungen. Weder den Erklärungen der Zeugen noch denen des Klägers selbst konnte die Höhe der Jahresendprämien entnommen werden. Die Zeugin V und Dr. H konnten hierzu keinerlei Angaben machen und der Zeuge J gab an, die Höhe habe zwischen 101 und 105 von Hundert eines Monatsgehalts betragen. Bereits daraus wird ersichtlich, dass die Höhe jährlich differierte, weshalb diese Angaben nicht zugrunde gelegt werden können. Auch besitzt der Kläger keinerlei Aufzeichnungen zur Höhe dieser Jahresendprämien. Seine Angaben hierzu beruhen allenfalls auf seiner nicht belastbaren Erinnerung, wonach die Höhe der Jahresendprämien in den (Zufluss-)Jahren 1970 bis 1976 jeweils 105 von Hudnert, im Jahr 1977 104 von Hundert, im Jahr 1978 102 von Hundert, im Jahr 1978 101 von Hundert und im Jahr 1979 101 von Hundert des monatlichen Bruttodurchschnittsverdienstes betragen haben soll. Dies ist bereits deshalb nicht als wahrscheinlich im Sinne "einer guten Möglichkeit" anzusehen, weil die von ihm durch eigene Aufzeichnungen für die Jahre 1980 bis 1990 glaubhaft gemachten Höhen hiervon wesentlich (nach unten) abweichen. Danach betrug die Höhe der Jahresendprämien jeweils lediglich zwischen 80 und 100 von Hundert des monatlichen Bruttodurchschnittsverdienstes.

Hinsichtlich dieser Jahre macht das Gericht jedoch von seiner im Rahmen der Einzelfallwürdigung nach § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 287 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) gegebenen Möglichkeit der Schätzung Gebrauch (vgl. hierzu beispielhaft die Senatsurteile vom 4. Februar 2014 – L 5 RS 462/13 – und vom 12. Mai 2015 – L RS 382/14). Gemäß § 287 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 ZPO entscheidet das Gericht, wenn streitig ist, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse beläuft, unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Diese Vorschrift ist nach Absatz 2 bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Zum einen handelt es sich bei dem Streit über die Feststellung (weiterer) Arbeitsentgelte zumindest mittelbar um eine vermögensrechtliche Streitigkeit. Zwar ist der prozessuale Anspruch unmittelbar nicht auf Geld, sondern auf die Feststellung erzielter Arbeitsentgelte gerichtet. Eine vermögensrechtliche Streitigkeit liegt jedoch auch dann vor, wenn der prozessuale Anspruch auf einem vermögensrechtlichen Rechtsverhältnis beruht, das auf Gewinn oder Erhaltung von Geld oder geldwerten Gegenständen gerichtet ist (vgl. Reichold in Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 33. Auflage 2012, Einleitung IV Nr. 1). Dies ist der Fall, weil die von der Beklagten festzustellenden Entgelte Grundlage für die Höhe des Anspruchs auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und mithin einer Geldforderung sind, vgl. § 8 Abs. 1 AAÜG. Zum anderen wäre die vollständige Aufklärung der für die Berechnung der konkret zugeflossenen Jahresendprämien maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden, die zur Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

Als jährlicher Basiswert der Prämienhöhe ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte der jeweils im Planungsjahr erzielte durchschnittliche Bruttomonatslohn zu Grunde zu legen, wie er sich aus dem Feststellungsbescheid der Beklagten vom 18. Juli 2006 ergibt. Diese Anknüpfung ist vor allem deshalb gerechtfertigt, weil auch die staatlichen Prämienverordnungen, die die in den Betriebskollektivverträgen festzulegenden Voraussetzungen für die Zahlung von Jahresendprämien konkretisierten, für die Höhe der Jahresendprämien an den durchschnittlichen Monatsverdienst anknüpften. So betrug die Jahresendprämie nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und 3 Prämienfond-VO 1972 mindestens ein Drittel und maximal das Zweifache des monatlichen Durchschnittsverdienstes des Werktätigen. Von diesem Wert ist ein Abschlag von 30 von Hundert vorzunehmen, weil die Höhe der jeweils an den Werktätigen ausgezahlten Jahresendprämie von einer Vielzahl verschiedener Faktoren abhing, die im konkreten Einzelfall nicht mehr nachvollziehbar sind. So erhielt der Werktätige nach § 117 Abs. 3 AGB-DDR bei einer im Planjahr vorliegenden vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit die Jahresendprämie (nur) entsprechend seiner in diesem Jahr erbrachten Gesamtleistung. Auch konnte die Jahresendprämie nach § 117 Abs. 4 AGB-DDR bei "schwerwiegender Verletzung der sozialistischen Arbeitsdisziplin oder der staatsbürgerlichen Pflichten" gemindert werden oder entfallen. Gemäß § 118 Abs. 2 Satz 1 AGB-DDR wurde die Jahresendprämie für den einzelnen Werktätigen vom Betriebsleiter nach Beratung im Arbeitskollektiv festgelegt und bedurfte der Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung. Aufgrund dieser gesetzlich vorgesehenen individuellen Festlegung ist nicht davon auszugehen, dass die Jahresendprämie stets 100 von Hundert oder mehr eines durchschnittlichen Bruttomonatsverdienstes entsprach. Von dem danach geschätzten Betrag ist ein weiterer Abschlag in Höhe eines Sechstel sachlich gerechtfertigt, weil der Kläger bereits den Zufluss der Jahresendprämie lediglich glaubhaft machen konnte. Dies folgt aus dem Rechtsgedanken des § 6 Abs. 6 AAÜG, wonach der glaubhaft gemachte Teil eines Verdienstes nur in dieser Höhe berücksichtigt wird. Dies muss erst recht gelten, wenn lediglich der Zufluss des Verdienstes glaubhaft gemacht wurde.

Hieraus ergeben sich folgende zu berücksichtigende Jahresendprämien:

Anspruchsjahr Jahresarbeits-verdienst in Mark Monatsdurch-schnittsverdienst 70vH 5/6 Zuflussjahr 1969 2960 246,67 172,67 143,89 1970 1970 10328,3 860,69 602,48 502,07 1971 1971 11020 918,33 642,83 535,69 1972 1972 11520 960,00 672,00 560,00 1973 1973 11520 960,00 672,00 560,00 1974 1974 11520 960,00 672,00 560,00 1975 1975 11520 960,00 672,00 560,00 1976 1976 11033,5 919,46 643,62 536,35 1977 1977 12960 1080,00 756,00 630,00 1978 1978 13046,7 1087,23 761,06 634,21 1979

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Da der Kläger die Berufung teilweise erst in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat, hat die Beklagte seine notwendigen außergerichtlichen Kosten lediglich in Höhe von 70 von Hundert zu tragen.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Jacobi Dr. Schnell Dr. Lau
Rechtskraft
Aus
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