S 7 R 1053/12

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 R 1053/12
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 14. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. August 2012 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 10. April 2014 wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 3.885,58 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist die Abgabepflicht einer Musikkapelle nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) sowie der daraus resultierenden Festsetzung der Beitragsschuld für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.12.2009 in Höhe von 1.513,82 EUR.

Der Kläger ist ein gemeinnütziger Musikverein mit Sitz in O ... Der Verein ist in das Vereinsregister beim Amtsgericht Lindau eingetragen. Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnittes "steuerbegünstigter Zweck" der Abgabenordnung (AO). Nach der Vereinssatzung hat der Verein die Zielsetzung, das musikalische und kulturelle Leben im Bereich der Volks- und Blasmusik zu fördern und auszubauen, insbesondere durch die Pflege der Blasmusik sowie durch Heranbildung von bläserischem Nachwuchs. Auf der Internetseite (Verwaltungsakte II/S. 32) bietet der Kläger unter der Rubrik "Richtlinien zur Jugendausbildung" die Ausbildung interessierter Jugendlicher wie folgt an:

"Die Musikkapelle O. (MK) bietet interessierten Jugendlichen an, im Rahmen der jeweils gegebenen Möglichkeiten, eine fundierte Instrumentalausbildung auf einem für unser Blasorchester geeigneten Instrument zu erlangen. Die MK wird dabei vorrangig solche Instrumentalausbildungen fördern, welche dem Bedarf der MK entgegenkommen.

Die Ausbildung erfolgt i.d.R. einmal je Woche als Einzel-Unterrichtseinheiten á 30 Minuten. Es werden dazu von der MK entsprechend qualifizierte Lehrkräfte bzw. Ausbilder engagiert. Die Ausbildung ist auf eine Dauer von 3 bis 4 Jahren angelegt. Die Ausbildungsdauer wird von der MK mit dem Ausbilder individuell vereinbart.

Übungsinstrumente (falls gewünscht) und das Vereinsheim für den Unterricht werden von der MK zur Verfügung gestellt. Die Instrumente sind pfleglich zu behandeln. Falls das Übungsinstrument durch die MK bereitgestellt werden soll, ist hierfür eine entsprechende Mietgebühr zu entrichten.

Die MK sieht vor einmal jährlich ein Jugendvorspiel durchzuführen. Hierbei sollen die Auszubildenden entsprechend dem aktuellen Leistungsstand ihr Können dem Publikum und der MK präsentieren. Während der Instrumentalausbildung werden das Juniorabzeichen und die D1-Bläserprüfung des Allgäu-Schwäbischen-Musikbundes (ASM) abgelegt.

Hinsichtlich der Ausbildungskosten und der angestrebten Ausbildungsdauer werden die Schüler angehalten, durch regelmäßigen Besuch der Unterrichtseinheiten und häusliches Üben das Erreichen des Ausbildungszieles zu gewährleisten. Kann eine Unterrichtseinheit nicht besucht werden, so muss eine Benachrichtigung an den Ausbilder erfolgen.

Die Finanzierung der Unterrichtskosten erfolgt durch Ausbildungsgebühren der Schüler bzw. Eltern sowie einem Anteil durch die Vereinskasse der MK. Die Unterrichtsgebühren sind gemäß den aktuell gültigen Kostensätzen monatlich an die MK zu entrichten. Zusätzlich gewährt die Gemeinde O. im Rahmen der "Richtlinien über die Gewährung von Beihilfen für die musikalische Ausbildung von Kindern und Jugendlichen" einen Kostenzuschuss bei Vorliegen der entsprechenden Vor-aussetzungen. Die Kostenbeteiligung durch die MK erfolgt maximal während eines Ausbildungszeitraumes von vier Jahren.

Über einen Beitritt des Auszubildenden zur Musikkapelle entscheidet die Vorstandschaft der MK."

Die Beklagte leitete im Jahr 2010 eine Abgabenprüfung nach § 28p Abs. 1a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) für den Prüfzeitraum vom 01.01.2005 bis 31.12.2009 ein (Durchführung vom 09.08.2007 bis 31.01.2012).

Nach Anhörung des Klägers stellte die Beklagte mit Bescheid vom 14.02.2012 die Abgabepflicht des Klägers nach dem KSVG fest und setzte die zu entrichtende Künstlersozialabgabe für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.12.2009 auf 3.885,58 EUR fest. Zu Begründung führte sie im Wesentlichen aus, es bestehe Abgabepflicht nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 KSVG.

Gegen den Bescheid der Beklagten vom 14.02.2012 erhob der Kläger Widerspruch. Zur Begründung brachte er im Wesentlichen vor, ein gemeinnütziger Musikverein könne nicht mit einer Musikschule verglichen werden. In der betroffenen Region gäbe es keine Musikschule und der Verein verfolge völlig andere Zwecke als eine Musikschule. Der Verein organisiere keinen strukturierten und institutionalisierten Unterricht. Es gebe insbesondere keinen speziellen Lehrplan oder Vorgaben, in welchem Zeitraum der Unterricht erfolgen solle. Auch werbe der Verein nicht mit dem Begriff "Musikschule". Die Schüler, die Musikinstrumente erlernten, seien Vereinsmitglieder und bezeichneten sich als Blasmusiknachwuchs. Außerdem würden nur 20 bis 30 Schüler pro Jahr unterrichtet. Die Übungsleiter hätten außerdem nur eine niedrigere bzw. geringfügig übersteigende Übungsleiterpauschale als die vorgegebene Grenze von 1.200,00 EUR erhalten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.12.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, anlässlich der Prüfung der Künstlersozialabgabe nach § 28p Abs. 1a SGB IV habe sich ergeben, dass Abgabepflicht nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 KSVG bestehe. Bei dem Kläger handle es sich um einen Musikverein, in dem Jungausbilder Musikunterricht erteilen. Unterlagen über die Anzahl der Schüler und die Entgelthöhe für die Ausbilder hätten zum Zeitpunkt der Prüfung nicht vorgelegen. Der Kläger zähle als Musikverein zu den typischen Verwertern nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 KSVG. Auf der Grundlage eines Urteils des Bundessozialgerichts (BSG), wonach ein gemeinnütziger Musikverein wegen des Betriebs einer Musikschule für Instrumentalmusik auch dann der Pflicht zur Abführung der Künstlersozialabgabe unterliegen kann, wenn nur vereinsangehörige Kinder und Jugendliche unterrichtet werden, sei für die Prüfung von Musikvereinen zwischen Vertretern des Bundesversicherungsamtes, des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, der Künstlersozialkasse und der Deutschen Rentenversicherung Bund folgende Verfahrensabsprache getroffen worden:

"Es liegt keine Abgabepflicht nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 KSVG vor, wenn bis zu 20 Schüler unterrichtet werden.

Werden mehr als 20 aber weniger als 61 Schüler unterrichtet und kein Ausbilder erhält eine höhere Vergütung als 2.100 EUR p.a. (Übungsleiterpauschale nach § 3 Nr. 26 EStG) besteht weiterhin keine Abgabepflicht nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 KSVG.

Wenn jedoch höhere Vergütung oder mehr als 60 Schüler unterrichtet werden, hat die Prüfung der Abgabepflicht des Musikvereins unter Berücksichtigung des Gesamtbildes der Ausbildungseinrichtung und ihres möglichen Charakters als abgabepflichtige Musikschule (weitgehend verselbstständigte und damit institutionalisierte Form der Musikausbildung) nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 KSVG zu erfolgen."

Kriterien für die Prüfung des Gesamtbildes als Ausbildungseinrichtung seien:

- Verwendung des Begriffs "Musikschule" - Erteilung von strukturiertem Unterricht außerhalb der normalen Probenarbeit - Organisationsstruktur für den Bereich der musikalischen Ausbildung ist vorhanden - Ausbildung zum Berufsmusiker wird angeboten - Erhebung eines Ausbildungsbeitrages - Werbung für die Ausbildung wird betrieben

Bei der Anwendung der oben genannten Kriterien sei zu beachten, dass nicht alle Merkmale gleichzeitig erfüllt sein müssen, um zu einer Abgabepflicht zu gelangen.

Manche Musikvereine übernehmen selbst die Ausbildung des musikalischen Nachwuchses. Geschehe dies, indem Instrumentalunterricht in Gruppen- oder Einzelunterricht regelmäßig angeboten werde, so könne dies mit der Tätigkeit einer Musikschule verglichen werden, die als Ausbildungseinrichtung für künstlerische Tätigkeit zur Künstlersozialabgabe verpflichtet ist; jedoch nur, wenn der Musikunterricht entsprechend strukturiert und organisiert sei. Erfahrungsgemäß komme dies lediglich bei größeren Vereinen in Betracht. Eine gelegentliche Förderung einzelner Musikanten oder die Möglichkeit musikalischer Fortbildung im Einzelfall über einen kürzeren Zeitraum reiche nicht aus.

Unter Zugrundelegung dieser Kriterien bestehe eine Abgabepflicht nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 KSVG. Der Instrumentenunterricht erfolge dem Grunde nach in gleichem Maße wie an einer Musikschule. Es handle sich bei dem Musikverein des Klägers um eine Ausbildungseinrichtung. Im Internetauftritt des Musikvereins des Klägers werde für die Musikausbildung geworben. Es werde eine strukturierte und organisierte Musikausbildung betrieben. Der Unterricht erfolge durch qualifizierte Lehrkräfte bzw. Ausbilder. Die Ausbildung sei auf eine Dauer von 3 bis 4 Jahren ausgerichtet und es erfolge Einzelunterricht. Ein eigens gebildetes Ausbilderteam übernehme die gesamte Organisation der Jugendausbildung. Jedem Interessenten werde die Möglichkeit geboten, vergleichbar wie in einer Musikschule, Musikinstrumente zu erlernen. Die Finanzierung der Ausbildung erfolge durch den Schüler bzw. dessen Erziehungsberechtigten sowie einen Anteil durch die Vereinskasse. In öffentlichen Musikschulen müssten die Schüler ebenfalls eine Ausbildungsvergütung bezahlen. Die Unterrichtsgebühr sei an den aktuell gültigen Kostensätzen gemessen. Als einziges Kriterium bei der Prüfung des Gesamtbildes als Ausbildungseinrichtung, die nicht erfüllt seien, sei vorliegend, dass der Begriff "Musikschule" nicht verwendet und keine Ausbildung zum Berufsmusiker angeboten werde. Die Mehrzahl der Kriterien sei jedoch erfüllt. Es werde aber im Internetauftritt des Musikvereins des Klägers für die Musikausbildung geworben.

Nach den eingereichten Unterlagen seien in den Jahren 2000 bis 2009 jährlich mehr als 20 Schüler unterrichtet worden. Außerdem sei in jedem Jahr mindestens einem Ausbilder eine Vergütung von mehr als 2.100,00 EUR ausbezahlt worden. Da für das Jahr 2010 keine Nachweise für die Bemessungsgrundlage vorgelegen hätten, sei eine Vorauszahlung für das abgeschlossene Jahr 2010 bis Februar 2011 festgestellt worden.

Gemäß § 27 Abs. 2 KSVG habe ein abgabepflichtiges Unternehmen für das laufende Kalenderjahr eine Vorauszahlung zu leisten. Diese entfalle, wenn der im Voraus zu zahlende Betrag 40,00 EUR nicht übersteige. Die monatliche Vorauszahlung betrage für den Kläger ab März 2010 47,65 EUR. Die Grenze von 40,00 EUR sei somit überschritten. Eine Vorauszahlung sei daher zu leisten.

Mit seiner zum Sozialgericht Augsburg erhobenen Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, er betreibe keine Musikschule im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 KSVG. Zwar kümmere sich sein Verein um die Ausbildung der jungen Musikanten. Diese sei aber nicht vergleichbar mit der bei einer Musikschule. Die Nachwuchsmusiker würden nicht über eine Ausbildungseinrichtung des Vereins unterrichtet. Vielmehr beschränke sich die Tätigkeit des Vereins darauf, organisatorisch und unterstützend tätig zu sein. Ausbilder und Nachwuchsmusiker organisierten ihren Unterricht hinsichtlich der Zeit selbst. Die Ausbilder seien nicht weisungsabhängig dem Verein unterstellt. Sie wählten Inhalte und Literatur des Unterrichts selbst und eigenständig aus. Im Gegensatz zu einer Musikschule erziele der Musikverein keinen Gewinn durch diese organisatorische Tätigkeit; im Gegenteil, die Ausbildung der Schüler werde durch den Verein regelmäßig erheblich bezuschusst. Im Musikverein würden zudem ausschließlich Instrumente unterrichtet, die für die eigene Kapelle benötigt würden. Das Spielen in der Kapelle sei Bedingung für die Ausbildung an einem Instrument. Am Ort des Musikvereins gebe es keine Musikschule, die die Ausbildung der Kinder übernehmen würde. Zudem seien die Ausbildungsziele einer Musikschule ganz andere, als diejenige eines Vereins, der das gemeinsame Musizieren und nicht die Ausbildung als Solist fördere. Angesichts der Zahl der ausgebildeten Schüler sei erkennbar, dass diese jeweils geringfügig über 20 Schülern liege. Es gebe keinen nachvollziehbaren Grund, weshalb Vereine, die nicht mehr als 20 Schüler unterrichteten, grundsätzlich von der Abgabepflicht befreit seien, während Vereine, die 21 oder 23 Schüler ausbildeten, einer Prüfung unterzogen würden. Abgesehen davon seien jedenfalls die Beiträge für die Jahre 2005 und 2006 verjährt.

Mit Bescheid vom 10.04.2014 half die Beklagte dem Klagebegehren insoweit ab, als sie die Nachforderung von 3.885,58 EUR auf 1.513,82 EUR ermäßigte, nachdem der Kläger entsprechende Nachweise im Klageverfahren beigebracht hatte. Zur Begründung führte sie aus, der Steuerfreibetrag nach § 3 Nr. 26 EStG sei ab 01.01.2005 in Höhe von 1.848,00 EUR und ab 01.01.2007 in Höhe von 2.100,00 EUR von den an die Ausbilder gezahlten Beträgen abzusetzen.

Der Kläger beantragt

die Aufhebung des Bescheides vom 14.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 27.08.2012 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 10.04.2014.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verweist auf die Ausführungen im Verwaltungsverfahren. Ergänzend bringt sie vor, der Kläger könne sich auf Vertrauensschutz nicht berufen. Durch das Urteil des BSG aus dem Jahr 2008 (Urteil vom 30.11.2008, B 3 KS 5/07 R) seien Kriterien für die Abgabepflicht von Musikvereinen aufgestellt worden. Zur Klarstellung der Abgabepflicht als Ausbildungseinrichtung seien im Jahr 2006 die so genannten "Berliner Kriterien" von der Künstlersozialkasse angewandt worden. Der Kläger sei sowohl nach den so genannten "Berliner Kriterien" als auch nach der im Jahr 2010 getroffenen Verfahrensabsprache zwischen Vertretern des Bundesversicherungsamtes, des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, der Künstlersozialkasse und der Deutschen Rentenversicherung Bund abgabepflichtig.

Zur Ergänzung des Tatbestandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht zum örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht Augsburg erhobene Klage ist zulässig, jedoch nach Erlass des Teilabhilfebescheides vom 10.04.2014 nicht begründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2012 ist nach Erlass des Teilabhilfebescheides vom 10.04.2014, mit dem die Beklagte die Beitragsforderung auf 1.513,82 EUR reduziert hat und der gemäß § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden ist, nicht zu beanstanden. Der Kläger unterliegt als Unternehmer der Pflicht zur Abführung der Künstlersozialabgabe, weil er eine Ausbildungseinrichtung für künstlerische Tätigkeiten im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 KSVG betreibt.

Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 KSVG in der hier anwendbaren Fassung, ist ein Unternehmer zur Künstlersozialabgabe verpflichtet, der Aus- und Fortbildungseinrichtungen für künstlerische oder publizistische Tätigkeiten betreibt.

Der Kläger betreibt ein Unternehmen im Sinne des § 24 KSVG. Der Unternehmensbegriff ist nicht auf Einrichtungen beschränkt, die erwerbswirtschaftlich oder mit Gewinnerzielungsabsicht am Markt agieren. Auch gemeinnützige, eingetragene Vereine können "Unternehmen" im Sinne des § 24 KSVG sein. Das hat das BSG bereits mehrfach entschieden (vgl. nur BSG, Urteil vom 20.11.2008, B 3 KS 5/07 R m.w.N.). Es gilt im KSVG ein sozialversicherungsrechtlicher Unternehmerbegriff, für den es ausreicht, dass öffentlich-rechtliche oder private Institutionen ganz oder teilweise durch Zuschüsse aus öffentlichen Haushalten, durch Mitgliedsbeiträge, Spenden oder sonstige Zuwendungen finanziert werden. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich (BSG, a.a.O.). Danach erfüllt der Kläger die Voraussetzungen für den Betrieb eines Unternehmens im Sinne des § 24 KSVG.

Der Kläger betreibt eine Musikschule im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 KSVG. Zwar trägt der Kläger in seinem Vereinsnamen nicht den Begriff "Musikschule". Gleichwohl betreibt er eine Ausbildungseinrichtung für künstlerische Tätigkeiten.

Das Gericht orientiert sich im Wesentlichen an den vom BSG im Urteil vom 20.11.2008 (B 3 KS 5/07 R) entwickelten Kriterien, die auch die Beklagte den angefochtenen Bescheiden zugrunde gelegt hat. Es handelt sich um folgende Kriterien:

"(1) Instrumentalmusikalischer Unterricht fällt auch dann unter den Begriff der "Lehre von Musik" iS des § 2 Satz 1 KSVG, wenn Kinder und Jugendliche unterrichtet werden, um in einem Laienorchester mitzuwirken. Eine Ausbildung zum Berufsmusiker ist nicht erforderlich (BSG SozR 3-5425 § 2 Nr. 1, 2 und 10; BSG SozR 3-5425 § 1 Nr. 4).

(2) Jedes Kind ab sechs Jahren und jeder Jugendliche, der später in einem der vom Kläger betriebenen Orchester mitwirken möchte, hat ohne Weiteres die Möglichkeit zum Vereinsbeitritt.

(3) Es wird ein strukturierter Unterricht erteilt (Jahrgangsklassen; Klassen-,

Gruppen- und Einzelunterricht), der außerhalb der normalen Probenarbeit der Orchester stattfindet.

(4) Es werden ständig ca 150 Schüler ausgebildet.

(5) Der Begriff "Musikschule" wird auf dem Briefpapier und im Internetauftritt verwendet.

(6) Von den Nachwuchsmusikern wird ein Ausbildungsbeitrag erhoben."

Unstreitig wurden in dem hier relevanten Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.12.2009 mehr als 20 Schüler jährlich instrumental musikalisch ausgebildet. Instrumental musikalischer Unterricht fällt nach ständiger Rechtsprechung des BSG, der sich die Kammer anschließt, auch dann unter den Begriff der "Lehre von Musik" im Sinne des § 2 Satz 1 KSVG, wenn Kinder und Jugendliche, wie vorliegend, unterrichtet werden, um in einem Laienorchester, hier der Musikkapelle, mitzuwirken. Eine Ausbildung zum Berufsmusiker ist nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 20.11.2008, B 3 KS 5/07 R m.w.N.).

Unstreitig ist weiterhin, dass in jedem Jahr mindestens ein Ausbilder eine Vergütung von mehr als 2.100,00 EUR vom Kläger ausbezahlt bekommen hat.

Schließlich ist nicht in Abrede zu stellen, dass es sich um eine strukturierte Unterrichtserteilung handelt, die außerhalb der normalen Probenarbeit der Musikkapelle stattfindet und für die von den Nachwuchsmusikern bzw. dessen Erziehungsberechtigten ein Ausbildungsbeitrag erhoben wird, wie auf seiner Internetseite unter Richtlinien zur Jugendausbildung näher angegeben. Auch bestreitet der Kläger nicht, dass er auf seiner Internetseite für die instrumentalmusikalische Ausbildung von Nachwuchsmusikern wirbt bzw. in den hier maßgeblichen Zeitraum geworben hat.

In der Gesamtschau handelt es sich daher, vergleichbar in dem vom BSG (Urteil vom 20.11.2008, B 3 KS 5/07 R) entschiedenen Fall, um eine weitgehend verselbstständigte und damit um eine "institutionalisierte" Form der Musikausbildung. Die Nachwuchsausbildung stellt auch hier nicht nur einen bloßen Annex zur Probenarbeit dar. Vielmehr besteht eine faktische Konkurrenz zu öffentlichen und privaten Musikschulen. Dass am Sitz des Klägers und in der Umgebung keine "Musikschule" von Dritten betrieben wird, wie der Kläger vorbringt, vermag hieran nichts zu ändern.

Auch hält die Kammer eine zahlenmäßige Festlegung der Mindestzahl von Schülern, wie sie in der Vereinbarung zwischen Vertretern des Bundesversicherungsamtes, des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, der Künstlersozialkasse und der Deutschen Rentenversicherung Bund festgelegt wurde, entgegen der Auffassung des Klägers, nicht für willkürlich. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass die Entscheidung des BSG vom 20.11.2008 (B 3 KS 5/07 R) auf die die Beklagte die angefochtenen Bescheide im Wesentlichen stützt, einen Musikverein betraf, der ständig ca. 150 junge Musiker an Instrumenten ausbildete und damit deutlich mehr als der Kläger. Andererseits hat das BSG aber gerade keine Mindestzahl von Kindern bzw. Jugendlichen, die ausgebildet werden, genannt. Nach Auffassung der Kammer kann es daher keinen Unterschied machen, ob die Erteilung von Unterricht an über 20 oder 150 Schüler zu beurteilen ist.

Gegen die Höhe der Abgabeschuld bestehen nach der Reduzierung mit Bescheid vom 10.04.2014 aufgrund der im Klageverfahren vorgelegten Nachweise keine Bedenken.

Schließlich kann sich der Kläger auf Vertrauensschutz nicht berufen. Säumniszuschläge (§ 30 Satz 1 KSVG i.V.m. § 24 SGB IV) hat die Beklagte nicht erhoben.

Ergänzend verweist das Gericht auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten im angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 27.08.2012 und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ab.

Ohne Erfolg beruft sich der Kläger schließlich auf die Verjährung der Beitragsforderung für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.12.2006. Nach § 31 KSVG gilt für die Verjährung der Ansprüche auf Künstlersozialabgabe § 25 SGB IV entsprechend. Nach § 25 Abs. 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, nachdem sie fällig geworden sind. Wie sich aus § 27 Abs. 1 Satz 1 KSVG ergibt, werden Ansprüche auf Künstlersozialabgabe am 31. März des Folgejahres für das vorausgegangene Kalenderjahr, in dem sie entstanden sind, fällig. Dementsprechend begann die Verjährung für die Beiträge für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.12.2005 erst am 01.01.2007, die für die Zeit vom 01.01.2006 bis 31.12.2006 am 01.01.2008. Durch die Prüfung der Beklagten nach § 28p Abs. 1a SGB IV vom 09.08.2010 bis 31.01.2012 war die Verjährung nach § 25 Abs. 2 Satz 2 SGB IV gehemmt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1 i.V.m. dem § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1, Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
Rechtskraft
Aus
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