L 3 U 109/14

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 23 U 25/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 109/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Tatsachen, die den sachlichen Zusammenhang des unfallbringenden Weges mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit ergeben, sind anspruchsbegründend. Ihre Beweislosigkeit geht zu Lasten des Versicherten.

Der Unfallversicherungsträger trägt die Beweislast nur hinsichtlich anspruchsvernichtender oder -hindernder Tatsachen einer sog. Gegennorm, die einem an sich bereits entstandenen Anspruch entgegenstehen.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 5. Juni 2014 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Kläger am 1. Dezember 2011 einen Arbeitsunfall erlitten hat.

Der 1961 geborene Kläger war zu diesem Zeitpunkt bei der C. AG, C-Stadt, als Maschinenschlosser/Einzelgerätemonteur beschäftigt.

Am 1. Dezember 2011 erlitt der Kläger um 07:20 Uhr auf der F-Landstraße in B-Stadt, als er diese mit seinem Kraftroller befuhr und mit einem aus der untergeordneten L Straße nach links auf die F-Landstraße einbiegenden Pkw kollidierte einen Unfall. Ein bei dem Kläger um 07:47 Uhr durchgeführter Alcotest ergab einen Wert von 0,72 Promille, die Untersuchung einer um 08:30 Uhr bei dem Kläger genommenen Blutprobe ergab in der Rückrechnung eine Mindest-Blutalkoholkonzentration von 0,71 Promille (maximal 1,03) für den Unfallzeitpunkt.

Der Durchgangsarzt Dr. G., bei dem der Kläger um 08:11 Uhr eingetroffen war, diagnostizierte eine "Subcapitale Humerusfraktur li." Die Verletzung wurde im Rahmen eines stationären Aufenthaltes vom 6. auf den 7. Dezember 2011 im Klinikum B-Stadt operativ versorgt.

In der Unfallanzeige des Arbeitgebers des Klägers vom 22. Dezember 2011, die u. a. der Zeuge D. unterzeichnet hat, findet sich folgende Schilderung des Unfallhergangs: "Ich wollte an einer Demonstration der IG Metall, bezüglich der Insolvenz der C. AG, gegen die AB. in K-Stadt teilnehmen. Auf dem Weg zur Arbeitsstätte, wo die Demonstration begann, befuhr ich mit meinem Motorroller die F-Landstraße in Richtung C-Stadt. [ ...]." Für Rückfragen war Herr H. als Ansprechpartner des Arbeitgebers benannt.

In einem von der Beklagten übersandten Fragebogen gab der Kläger unter dem 29. Dezember 2011 zu seiner Arbeitszeit an: "Beginn: 5:00 Uhr Ende: 16:45 Uhr". Am Unfalltag sei er von seiner Wohnung in A-Stadt auf direktem und gewöhnlichem Weg zwischen seiner Wohnung und der Arbeitsstätte unterwegs gewesen. Er habe die Wohnung um ca. 07:05 Uhr verlassen. Der Arbeitsweg nehme 30 Minuten in Anspruch.

Mit Schreiben vom 17. Januar 2012 bat die Beklagte den Kläger unter Bezugnahme auf die Angaben seines Arbeitgebers um Stellungnahme, ob er tatsächlich an dieser Demonstration habe teilnehmen wollen. Dieses Schreiben blieb seitens des Klägers ohne Antwort.

Unter dem 13. Februar 2012 teilte der Arbeitgeber des Klägers mit, dass dessen Beschäftigungsverhältnis zum 31. Januar 2012 geendet habe und dieser von Kurzarbeit betroffen gewesen sei.

Mit Bescheid vom 8. März 2012 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfalls vom 1. Dezember 2011 als Arbeitsunfalls ab. Nach den eigenen Angaben des Klägers habe sich der Unfall zwar auf dem gewöhnlichen Weg zur Arbeitsstätte ereignet. Der Kläger habe aber zum Unfallzeitpunkt zu einer Demonstration fahren wollen. Die Teilnahme an einer Demonstration sei grundsätzlich eigenwirtschaftlich, so dass die Handlungstendenz des Klägers nichts mit seiner Tätigkeit bei der C. AG zu tun gehabt habe. Somit habe sich der Kläger auf einem privaten Weg befunden und nicht unter Versicherungsschutz gestanden. Ein Arbeitsunfall liege daher nicht vor, Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung könnten nicht gewährt werden.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger unter dem 16. März 2012 Widerspruch ein und ließ durch seinen Prozessbevollmächtigten vortragen, er habe am Unfalltag seine Wohnung um ca. 07:00 Uhr morgens verlassen und sich auf direktem Wege zu seinem Arbeitsplatz begeben. Er habe beabsichtigt, dort seine Arbeitstätigkeit durchzuführen. Ob er später an der Demonstration teilnehmen werde, habe er zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend entschieden; jedenfalls hätte er aber 2 bis 3 Stunden gearbeitet, bevor er sich der Demonstration angeschlossen hätte.

Am 28. März 2012 führte ein Mitarbeiter der Beklagten (Herr J.) ein Telefonat mit Herrn H. von der C. AG über die Unfallanzeige vom 22. Dezember. In der diesbezüglichen Gesprächsnotiz heißt es: "Angesprochen auf die in der "Ich"-Form abgefasste Schilderung unter Ziffer 17 der Unfallanzeige vom 22.12.2011 gab Herr H. an, dass dies die wörtliche Wiedergabe der Angaben darstelle, die Herr A. gegenüber Herrn D. gemacht hat. [ ...] Herr H. geht davon aus, dass Herr A. am Unfalltag nicht die Arbeit aufnehmen wollte; an sich war er für die von 5.00 bis 14.00 Uhr dauernde Schicht eingeteilt. Auch wenn die Schichtarbeiter ein gewisses Zeitfenster (Gleitzeit) haben, so weist der Unfallzeitpunkt doch eher darauf hin, dass A. die Arbeit nicht aufnehmen wollte. [ ...]"

Auf eine weitere schriftliche Anfrage der Beklagten führte Herr D. in einem Schreiben vom 24. Mai 2012 aus:

"Der Startzeitpunkt der Demonstration war für 8.15 Uhr angesetzt. Dies war keine Veranstaltung der C. AG, sondern der IG Metall (Kopie des Aufrufs "metallnachrichten" Nov. 2011 anbei). Herr A. arbeitete in der Vormontage und hatte Gleitzeit mit einem Zeitrahmen von 5.30 bis 18.30 Uhr. Nach der Auswertung der tatsächlich gewählten Arbeitszeiten der Monate vor dem Dezember 2011 konnte durch die Personalabteilung ein Schwerpunkt zwischen 7.30 und 15.15 Uhr gemittelt werden. Dies wäre auch am Unfalltag mit großer Wahrscheinlichkeit so gewesen. Der Unfalltext in der Unfallanzeige wurde nach den Angaben von Herrn A. von Herrn D. aufgenommen und verfasst, der zu diesem Zeitpunkt hauptamtliche SiFa [Sicherheitsfachkraft; Anm. d. Verf.] bei der C. AG war. Die Unfallanzeige wurde vom Betriebsrat unterzeichnet; auch von dieser Seite bestanden keine Bedenken hinsichtlich der Glaubwürdigkeit. Herr D. kann Ihnen dies sicher bestätigen [ ...]. In den ersten Tagen nach der Verkündigung der Insolvenz am 25.11.2012 war in vielen Betriebsteilen infolge der persönlichen Betroffenheit kein geregelter Betriebsablauf aufrecht zu erhalten. Aus diesem Grund sind zahlreiche Teilnehmer zu dieser Großdemonstration vorher nicht im Betrieb erschienen. Fotos und Berichte sind im Internet leicht verfügbar. [ ...]."

Beigefügt war außerdem ein Flugblatt der IG Metall, in dem folgender Ablaufplan der Demonstration aufgeführt ist:

8:15 Uhr: Sammeln vor Werk x
8:30 Uhr: Eröffnung
8:45 Uhr: Demo-Zug
9:45 Uhr: Sammeln in K-Stadt/HBF
10:00 Uhr: Demo-Zug zur AB.
10:30 Uhr: Kundgebung vor AB.

Der Zeuge D. teilte der Beklagten in einer E-Mail vom 17. Juni 2012 zu der Unfallanzeige mit, er habe den Unfall am 22. Dezember 2011 protokolliert, nachdem er den Kläger zu Hause angerufen habe. Über eine vorgesehene Arbeitsaufnahme habe sich der Kläger nicht geäußert; ihm gegenüber habe er lediglich geäußert, dass er an der Demonstration teilnehmen wollte.

Hierauf wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2013 zurück. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger sich zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls am 1. Dezember 2011 auf dem Weg zu Betrieb befunden habe, allerdings nicht, um dort seine berufliche Tätigkeit aufzunehmen, sondern um an der Demonstration teilzunehmen.

Hiergegen hat der Kläger am 4. Februar 2013 Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (Sozialgericht) erhoben.

Das Sozialgericht hat in einer mündlichen Verhandlung am 5. Juni 2014 den Kläger persönlich sowie die Zeugen D. und E. gehört. Auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 5. Juni 2014 wird Bezug genommen.

Mit Urteil vom 5. Juni 2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, vorliegend gehe die Unerweislichkeit des inneren Zusammenhang des Zurücklegens des Weges mit der Aufnahme der versicherten Tätigkeit zu Lasten des Klägers. Es stehe nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt den Weg zu seiner Arbeitsstätte zurücklegte, um dort seine Arbeit aufzunehmen. So seien bereits die Angaben des Klägers uneinheitlich und zum Teil widersprüchlich. Dies gelte für die Angaben zum Beginn der Arbeitszeit. Wenn der Kläger für die Schicht um 05:00 Uhr eingeteilt gewesen sei, habe er den Arbeitszeitbeginn nicht mehr einhalten können, wenn er sich erst um 07:05 Uhr auf den Weg mache. Es erscheine nicht glaubwürdig, wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung vortrage, dass er trotz der Festlegung des Schichtbeginns auf eine bestimmte Uhrzeit am Vortag den Zeitpunkt des Arbeitsbeginns dann beliebig nach hinten verschieben könne, sogar ohne den Arbeitsgeber vorher zu informieren. In der Widerspruchsbegründung habe der Kläger angegeben vorgehabt zu haben, "ca. 2 bis 3 Stunden" zu arbeiten, bevor er sich eventuell der Demonstration angeschlossen hätte. Zur Begründung der Klage habe er angegeben, "mindestens für eine Stunde" die Arbeit aufzunehmen. In der mündlichen Verhandlung habe er dann erklärt, dass er gar nicht vorgehabt habe, an der Demonstration teilzunehmen. Insgesamt seien damit drei verschiedene Versionen vorgetragen worden. Die Aussage des Zeugen E., dass er als Bezirksvorsitzender der Christlichen Gewerkschaft Metall den Kläger im Vorfeld nicht zur Teilnahme an der Demonstration habe motivieren können, sei zwar in sich schlüssig und der Zeuge auch glaubwürdig, jedoch sei dessen Aussage nicht in Übereinstimmung zu bringen mit den vorherigen schriftsätzlichen Äußerungen des Klägers bzw. dessen Prozessbevollmächtigtem, wonach der Kläger und der Zeuge gemeinsam verabredet hatten, wenn überhaupt, erst später zur Demonstration dazuzustoßen. Diese Unvereinbarkeit müsse der Kläger gegen sich gelten lassen. Im Rahmen der Gesamtwürdigung messe das Gericht den zeitlich früheren Angaben aufgrund des Gesichtspunktes, dass sie von irgendwelchen versicherungsrechtlichen Überlegungen noch unbeeinflusst gewesen seien, einen höheren Beweiswert als den späteren Aussagen zu. Dies sei die in der Unfallanzeige wiedergegebene, deren Inhalt der Zeuge D. in der mündlichen Verhandlung nochmals glaubwürdig bestätigt habe. Es seien weder Anhaltspunkt noch Beweggründe dafür erkennbar, dass der Zeuge in die Unfallanzeige Erklärungen des Klägers aufgenommen habe, die dieser nicht getätigt habe. Vielmehr sei auch an dieser Stelle ein widersprüchlicher Vortrag des Klägers festzustellen, wenn dieser in der mündlichen Verhandlung erstmals ausführe, sich an das Gespräch mit Herrn D. wegen der damaligen Einnahme starker Medikamente gar nicht erinnern zu können, zuvor schriftsätzlich aber lediglich den Inhalt des Telefongesprächs mit dem Zeugen D. anders dargestellt habe. Auch müsse der Kläger gegen sich gelten lassen, auf die frühzeitige Nachfrage der Beklagten im Schreiben vom 17. Januar 2012 die Möglichkeit nicht genutzt zu haben, den Angaben in der Unfallanzeige zu widersprechen. Zwar spreche der Zeitpunkt des Aufbruchs von er Wohnung mit einem zu erwartenden Eintreffen am Werk um 07:35 Uhr nicht zwingend für die Teilnahme des Klägers an der Demonstration, im Ergebnis stehe aber aufgrund der Sachverhaltsermittlungen und der Beweisaufnahme den uneinheitlichen und teilweise widersprüchlichen Aussagen des Klägers die glaubwürdige Aussage des Zeugen D. gegenüber, wonach der Kläger auf dem Weg zur Demonstration gewesen sei, als er verunglückte.

Gegen dieses seinem Prozessbevollmächtigten am 25. Juni 2014 zugestellte Urteil hat dieser am 26. Juni 2014 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt. Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte müsse beweisen, dass der Kläger sich nicht zu Arbeit begeben wollte, sondern nur auf dem Weg zu einer Demonstration gewesen sei.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 5. Juni 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 8. März 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2013 zu verurteilen, das Ereignis vom 1. Dezember 2011 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für rechtmäßig.

Der Senat hat in einem Erörterungstermin am 2. März 2015 den Kläger persönlich gehört sowie den Zeugen K. vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung und Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 2. März 2015 in der Gerichtsakte verwiesen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 2. Februar 2016 hat der Senat den Kläger nochmals persönlich angehört und die Zeugen E. und D. vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses dieser Anhörung und Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 2. Februar 2016 in der Gerichtsakte verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das erstinstanzliche Urteil ist zu Recht ergangen, der angefochtene Bescheid der Beklagten ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Ereignisses vom 1. Dezember 2011 als Arbeits- bzw. Wegeunfall.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Zu der versicherten Tätigkeit zählt gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Die Formulierung "des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges" kennzeichnet den sachlichen Zusammenhang des unfallbringenden Weges mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit. Dieser besteht, wenn der Weg wesentlich zu dem Zweck zurückgelegt wird, den Ort der Tätigkeit oder nach deren Beendigung im typischen Falle die eigene Wohnung zu erreichen. Da der Gesetzgeber die Grundentscheidung "Versicherungsschutz auf dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit" in § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII getroffen hat, ist von der Rechtsprechung nur zu klären, ob der Versicherte, als er verunglückte, einen solchen versicherten Weg zurücklegte und infolgedessen einen Gesundheitsschaden erlitten hat. Maßgebend für die Beurteilung, ob eine konkrete Verrichtung noch der Fortbewegung auf das ursprüngliche Ziel – die Arbeitsstätte des Versicherten – dient, ist seine Handlungstendenz. Die darauf gerichtete Handlungstendenz muss durch objektive Umstände bestätigt werden. Dies zeigt sich im äußeren Verhalten des Versicherten, wie es objektiv beobachtbar ist und stellt darauf ab, ob das äußere Handeln mit der inneren Tendenz zur Arbeit zu gelangen übereinstimmt (BSGE 91, 293; BSG, Urteil vom 4. Juli 2013 – B 2 U 12/12 R in: Sozialgerichtsbarkeit (SGb) 2014, 392, 394). Die jüngere Rechtsprechung des BSG stellt dabei zur Bestimmung der Handlungstendenz auf den aktuell zurückgelegten unmittelbaren Weg zur Arbeit allein auf die letzte ausgeübte und nach außen erkennbare zum Unfall führende Handlung des Versicherten ab, ohne diese Verrichtung in eine weitergehende Handlungsabsicht einzubetten (Urteil des BSG vom 9. November 2010 B 2 U 14/10 R Rz 22 – juris; ebenso Spellbrink, Gemischte Tätigkeit und gemischte Motivationslage bei der Feststellung von Arbeitsunfällen, WzS 2011, 351, 352; Schur, Spellbrink, Unfallversicherungsschutz auf dem Weg von und nach der Arbeitsstelle, SGb 2014 589, 591, 592). Fehlt es an einer auf die Aufnahme der Arbeit gerichteten Handlungstendenz, scheidet nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ein Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 SGB VII selbst dann aus, wenn sich der Unfall auf derselben Strecke ereignet, die der Versicherte auf dem Weg zu und von dem Ort der Tätigkeit gewöhnlich benutzt (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2007 – B 2 U 29/06 R – juris).

Nach Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Möglichkeiten steht zur Überzeugung des Senats nicht fest, dass der Kläger zu dem Zeitpunkt, als sein Kraftroller auf der F Landstraße in B-Stadt mit dem nach links auf die F-Landstraße einbiegenden Pkw kollidierte, vorhatte, seinen Arbeitsplatz zu erreichen, um seiner Arbeit bei der Firma C. AG C-Stadt nachzugehen. Nur in einem solchen Fall, dem Vorliegen der entsprechenden Handlungstendenz im Zeitpunkt des Ereignisses wäre er indes versichert gewesen.

Hinsichtlich der Beweislosigkeit der anspruchsbegründenden Tatsache "versicherte Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang)" schließt sich der Senat der zutreffenden Würdigung der Angaben des Klägers und der Aussagen der Zeugen E. und D. durch das Sozialgericht an und nimmt auf dessen Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung zunächst Bezug (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Die weiteren Ermittlungen im Berufungsverfahren, die nochmalige Anhörung des Klägers, die nochmaligen Vernehmungen der Zeugen E. und D. sowie die Vernehmung des Zeugen K. haben zu keinem anderen Ergebnis geführt. So befand sich der Kläger zwar zum Zeitpunkt des Unfalls auf dem direkten und gewöhnlichen Weg zwischen seiner Wohnung in A-Stadt und seiner Arbeitsstätte in C-Stadt. Nach dem Inhalt der Unfallanzeige vom 22. Dezember 2011 ist es aber möglich, dass der Kläger seine Arbeitsstätte an dem betreffenden Tag nur erreichen wollte, um von dort an der für diesen Tag geplanten und für 8.15 Uhr angesetzten Demonstration der IG Metall teilzunehmen Dies wäre aber eine eigenwirtschaftliche Verrichtung, so dass auch der Weg zu diesem Zweck nicht versichert wäre. Für eine auf die Arbeitsaufnahme gerichtete Handlungstendenz des Klägers im Zeitpunkt des Unfalls sprechen wiederum die Angaben des Zeugen E., seinerzeit Bezirksvorsitzender der christlichen Gewerkschaft Metall (CGM), der im Senatstermin am 2. Februar 2016 in Übereinstimmung mit seinen Angaben vor dem Sozialgericht ausgesagt hat, der Kläger habe ihm ein bzw. zwei Tage vor der geplanten Demonstration am 1. Dezember 2011 auf Nachfrage mitgeteilt, er wolle an der Demonstration nicht teilnehmen. Dafür sprechen auch die weiteren Angaben des Zeugen, der Kläger habe auch früher – vor der betreffenden Veranstaltung – nicht an Demonstrationen teilgenommen. Nach den Ermittlungen des Senats ist auch das Vorbringen des Klägers im Widerspruchsverfahren nicht von vornherein abwegig, er habe die Fahrt am 1. Dezember 2011 auf jeden Fall angetreten, um zunächst seine Arbeit aufzunehmen und hätte erst später entscheiden wollen, ob er noch an der Demonstration teilnehmen würde. Nach Aussage des Zeugen K., seinerzeit Leiter der Vormontage, im Erörterungstermin am 2. März 2015 war es nämlich grundsätzlich durchaus möglich, auch nur für kürzere Zeitabschnitte die Arbeit sinnvoll aufzunehmen. Der Zeuge D., Fachkraft für Arbeitssicherheit, der die Unfallanzeige nach einem Telefonat mit dem Kläger am 22. Dezember 2011 aufgenommen hat, hat bei seiner Vernehmung vor dem Senat am 2. Februar 2016 angegeben, er wisse nicht mehr wie es zu dem Einleitungssatz in der Unfallanzeige gekommen sei, "Ich wollte an einer Demonstration der IG Metall, bezüglich der Insolvenz der C. AG, gegen die AB. in K-Stadt teilnehmen". Glaubhaft gibt der Zeuge aber zudem an, er werde angeleitet, Unfallanzeigen wertfrei und wahrheitsgemäß zu erstellen, und der Text den er in der Unfallanzeige aufgenommen habe, sei so aus dem Telefonat mit dem Kläger hervorgegangen, die Tatsache, dass der Kläger zur Demonstration wollte, sei ihm seinerzeit plausibel erschienen, an dem betreffenden Tag hätte es wegen der Situation der C. AG keinen geregelten Betriebsablauf gegeben. Diese Angaben sind schlüssig, stehen mit den Angaben des Zeugen bei seiner Vernehmung vor dem Sozialgericht in Einklang und geben dem Senat auch nach seinem persönlichen Eindruck keinen Anlass daran zu zweifeln, dass der Zeuge in der Unfallanzeige nicht das aufgenommen hat, was ihm der Kläger am Telefon auch gesagt hat. Die Angaben des Klägers selbst lassen im Hinblick auf seine Handlungstendenz zum Unfallzeitpunkt keine eindeutige Bewertung zu. Das Sozialgericht hat zu Recht auf die Widersprüchlichkeit im Verfahren hingewiesen. U. a. hat der Kläger im Widerspruchsverfahren noch vorgetragen, er habe sich die Teilnahme an der Demonstration offen halten wollen, während er bei seinen Anhörungen im Gerichtsverfahren angegeben hat, er habe zu der Demonstration am 1. Dezember 2011 nicht gewollt.

Auch als Ergebnis der Beweisaufnahme des Senats lässt sich die entscheidungserhebliche Tatsache, dass die Handlungstendenz des Klägers im Zeitpunkt des Unfalls auf seine Arbeit in der Firma gerichtet und damit auf eine versicherte Tätigkeit gerichtet war, weder bejahen noch verneinen. Möglich ist ebenso, dass der Kläger an der Demonstration teilnehmen und damit einer eigenwirtschaftlichen privaten Tätigkeit nachgehen wollte, die an seiner Arbeitsstätte beginnen sollte.

Die Beweislosigkeit anspruchsbegründender Tatsachen geht nach den allgemeinen Regeln objektiver Beweislast zu Lasten des Anspruchsstellers, also des Versicherten. Die für den Anspruch auf Feststellung eines Arbeitsunfalls nach § 8 Abs. 1 bzw. Abs. 2 SGB VII notwendige Voraussetzung der versicherten Tätigkeit bzw. des sachlichen Zusammenhangs der konkreten Verrichtung im Unfallzeitpunkt mit der versicherten Tätigkeit gehört zu den anspruchsbegründenden Tatsachen. Der Unfallversicherungsträger trägt – entgegen der Auffassung des Klägers – die Beweislast nur hinsichtlich anspruchsvernichtender oder –hindernder Tatsachen einer sog. Gegennorm, die einem an sich bereits entstandenen Anspruch, also einem voll erfüllten Tatbestand, entgegenstehen (vgl. dazu Ricke in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht Band 2, SGB VII, § 8 Rdnrn. 263 ff). Der Kläger hat daher die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen, so dass der von ihm geltend gemachte Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses vom 1. Dezember 2011 als Arbeitsunfall abzulehnen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 nicht vorgelegen haben.
Rechtskraft
Aus
Saved