L 3 R 326/14

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 5 R 47/13
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 326/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 442/15 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Hinterbliebenenrente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) streitig. Der am ... 1943 geborene Kläger war mit der am ... 1939 geborenen und am ... 1977 verstorbenen V. M. H. (im Weiteren: Versicherte) seit dem 3. Juni 1967 verheiratet. Aus der Ehe gingen die gemeinsamen Kinder A. H., geboren am ... 1967, und An. H., geboren am ... 1970, hervor. Beide Kinder erhielten nach dem Tod der Versicherten Halbwaisenrenten (vgl. Hinterbliebenen-Rentenbescheid des FDGB-Kreisvorstandes L. über die Bewilligung von Halbwaisenrente an A. H. ab dem 1. September 1977; Bl. 7 der Verwaltungsakte). Der Kläger ist Altersrentner.

Er beantragte am 4. Juli 2012 bei der Beklagten die Bewilligung einer Witwerrente. Er teilte mit, für die Versicherte seien Sozialversicherungsausweise nicht mehr vorhanden. Auf den Formularen zur Bewilligung von Hinterbliebenenrente machte er die Angaben, die Versicherte sei von 1960 bis 1967 als Reinigungskraft versicherungspflichtig tätig gewesen. Ferner verneinte er auf dem Formular R500 unter Pkt. 11.10 die Frage, ob die Versicherte den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten habe.

Mit Bescheid vom 10. August 2012 stellte die Beklagte rentenrechtliche Zeiten aus der Versicherung der Versicherten nach § 149 Abs. 5 SGB VI fest. Mit Bescheid vom 17. August 2012 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Witwerrente nach § 303 SGB VI aus der Versicherung der verstorbenen Ehefrau ab, weil die erforderliche Wartezeit von fünf Jahren mit anrechenbaren Zeiten nicht erfüllt sei. Bis zum 30. August 1977 seien 24 Monate als Wartezeit (Pflichtbeitragszeiten für Kindererziehung vom 1. Oktober 1967 bis zum 31. August 1971) anrechenbar.

Hiergegen erhob der Kläger am 31. August 2012 Widerspruch und machte geltend, nicht alle Zeiten seien berücksichtigt worden. Die Versicherte habe für 17 Jahre Rentenbeiträge gezahlt. Mit Schreiben vom 5. September 2012 legte er eine eidesstattliche Erklärung der Halbschwester der Versicherten, E. W., vom 4. September 2012 vor. Diese bestätigte darin, dass die Versicherte vom 1. Januar 1960 bis zum 30. November 1967 als Reinigungskraft tätig gewesen sei und das monatliche Bruttoentgelt etwa bei 300,00 Mark/DDR gelegen habe. Vom 1. Dezember 1967 bis 1977 habe sie ihre beiden Kinder betreut, wobei sie ab 1970 Rentnerin gewesen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Nach den vorhandenen Unterlagen hätten für die Versicherte nur 24 Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten (Kindererziehungszeiten) berücksichtigt werden können. Weitere Unterlagen bezüglich einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung seien nicht vorhanden und hätten durch den Kläger auch nicht erbracht werden können. Die Voraussetzungen des § 245 Abs. 2 und 3 SGB VI lägen zudem nicht vor, sodass die allgemeine Wartezeit zudem nicht vorzeitig erfüllt sei. Auch der Umstand, dass die Kinder des Klägers eine Halbwaisenrente bezogen hätten, habe keinen Einfluss auf die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen des SGB VI, da die Zahlung aufgrund der Vorschriften der Sozialversicherung der ehemaligen DDR beruht habe. Vor dem 1. Januar 1992 habe der Kläger keine Hinterbliebenenrente bezogen. Selbst bei Annahme der Erfüllung der allgemeinen Wartezeit könne ein Hinterbliebenenrentenanspruch beim Kläger nicht entstehen, da die Vorschrift des § 303 SGB VI zu beachten sei. Danach bestehe, wenn eine Versicherte vor dem 1. Januar 1986 gestorben sei, Anspruch auf eine Witwerrente unter den sonstigen Voraussetzungen des geltenden Rechts nur, wenn die Verstorbene den Unterhalt ihrer Familie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tode überwiegend bestritten habe (§ 303 Satz 1 SGB VI). Habe der Witwer nach den im Beitrittsgebiet bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Rechtsvorschriften keinen Anspruch auf Witwerrente gehabt, könne auch nach den Vorschriften des SGB VI kein Anspruch entstehen, da die Frage des überwiegenden Unterhalts bereits nach den Vorschriften des Beitrittsgebietes geprüft worden sei. Des Weiteren habe der Kläger bereits im Antrag vom 4. Juli 2012 angegeben, dass die Versicherte nicht den überwiegenden Unterhalt erbracht habe.

Hiergegen hat sich der Kläger mit der beim Sozialgericht Magdeburg am 11. Januar 2013 erhobenen Klage gewandt und die Bewilligung von Witwerrente weiter geltend gemacht.

Auf Nachfrage des Sozialgerichts hat der Kläger mit Schreiben vom 20. Januar 2014 ausdrücklich mitgeteilt, die Versicherte habe niemals den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten. Die Sozialversicherungsausweise und Arbeitsverträge sowie der Invalidenrentenbescheid der Versicherten seien durch den Umzug verloren gegangen.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 26. Juni 2014 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Witwerrente gemäß §§ 46, 242a SGB VI. Es könne zunächst dahinstehen, ob die allgemeine Wartezeit erfüllt sei - was vorliegend streitig sei -, denn der Anspruch auf Witwerrente scheitere an der Vorschrift des § 303 SGB VI. Es sei nicht nachgewiesen, dass die Versicherte den Unterhalt der Familie vor ihrem Tod überwiegend bestritten habe. Die Entscheidung könne nicht auf eine Glaubhaftmachung gestützt werden und damit ein mit § 128 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht im Einklang stehender Maßstab herangezogen werden. Da gesetzlich keine Beweiserleichterung vorgesehen sei, unterliege das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 303 Satz 1 SGB VI den Anforderungen an den Vollbeweis mit der Folge, dass ein Anspruchsteller für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsache die materielle Beweislast trage. Nach den Angaben des Klägers habe die Versicherte eine Rente bezogen. Der Kläger habe auf die konkrete Nachfrage unter Hinweis auf § 303 SGB VI und bei Kenntnis der Ausführungen hierzu im Widerspruchsbescheid der Beklagten angegeben, die Versicherte habe nicht überwiegend den Unterhalt der Familie bestritten. Im Übrigen sei der Kläger durch die Entscheidung nach § 149 Abs. 5 SGB VI zur Rentenangelegenheit der Versicherten vom 10. August 2012 nicht beschwert. Rechte könne er für sich hieraus nicht herleiten.

Gegen den ihm am 30. Juni 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 17. Juli 2014 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und sein Begehren auf Bewilligung von Witwerrente weiterverfolgt. Er hat vorgetragen, es sei davon auszugehen, dass die Versicherte im letzten Jahr vor dem Tod nicht nur eine Invalidenrente in Höhe von 230,00 Mark/DDR erhalten habe, sondern ebenso durch ihre Sachleistungen (Betreuung und Unterhaltung der Kinder) zum Gesamtunterhalt der Familie beigetragen habe. Ihr Anteil könne durchaus seinen hälftigen Anteil von 300,00 Mark/DDR an Arbeitsentgelt überstiegen haben. Eines Vollbeweises bedürfe es nicht. Er hat auf die Versicherung an Eides statt der Zeugin W. vom 4. August 2012 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 26. Juni 2014 und die Bescheide der Beklagten vom 10. August 2012 und 17. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 29. Juni 2012 Witwerrente zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihre Bescheide für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung durch die Berichterstatterin anstelle des Senats einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berichterstatterin konnte im Einverständnis der Beteiligten nach §§ 124 Abs. 2, 155 Abs. 3 und 4 SGG anstelle des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Ihm steht der geltend gemachte Anspruch auf Bewilligung einer Witwerrente nicht zu.

Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf kleine Witwerrente ohne Beschränkung auf 24 Kalendermonate, wenn der Ehegatte vor dem 1. Januar 2002 verstorben ist (§§ 46 Abs. 1, 242a Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Sie haben Anspruch auf große Witwerrente, wenn sie zudem das 45. Lebensjahr vollendet haben (§§ 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 242a Abs. 4 SGB VI). Gemäß § 303 Satz 1 SGB VI besteht, wenn eine Versicherte vor dem 1. Januar 1986 gestorben ist, Anspruch auf eine Witwerrente unter den sonstigen Voraussetzungen des geltenden Rechts nur, wenn die Verstorbene den Unterhalt ihrer Familie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod überwiegend bestritten hat. Zur Begründung wird nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in den Entscheidungsgründen des Gerichtsbescheides vom 30. Juni 2014 verwiesen, denen sich nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage angeschlossen wird.

Veranlassung zu weiteren Ermittlungen zu der Frage des überwiegenden Bestreitens des Familienunterhalts bestand nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteil vom 16. März 2006 - B 4 RA 15/05 R), der gefolgt wird, wäre zunächst zu prüfen, wie hoch nach den wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen der Ehegatten der gesamte Lebensbedarf der Familie (Familienunterhalt) im Sinne der §§ 1360, 1360a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) im letzten Jahr vor dem Tode der Versicherten gewesen ist. Begrenzt ist der Familienunterhalt durch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten. Dann wäre festzustellen, mit welchen Mitteln und von welcher Person der Bedarf gedeckt worden ist. Schließlich wäre dann durch eine Gegenüberstellung der von jedem Ehegatten wirklich aufgebrauchten Mittel der Anteil jedes Ehegatten festzustellen, der dann den Schluss auf das überwiegende Bestreiten des Familienunterhalts zulässt.

Bezüglich der Einkommens- und Vermögenssituation des Klägers und der Versicherten im letzten Jahr vor dem Tod der Versicherten am 30. August 1977 konnten keine (vollständigen) Unterlagen vorgelegt werden. Der Familienunterhalt lässt sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr feststellen. Wie bereits das Sozialgericht im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend ausgeführt hat, ist ein Vollbeweis nicht möglich. Die Unerweislichkeit der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 303 Satz 1 SGB VI wirkt sich jedoch zu Lasten des materiell beweisbelasteten Klägers aus.

Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit die im Ankreuzverfahren auf dem Fragebogen R500 Pkt. 3.2.2 gemachte Angabe des Klägers, nach dem Tod der Versicherten wieder geheiratet zu haben, zutreffend ist. Jedenfalls steht dem Kläger bereits aus den angeführten Gründen kein Anspruch auf Bewilligung von Witwerrente zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
Saved