Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 20 R 7207/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 R 824/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 11. September 2015 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das Sozialgericht zurückverwiesen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Auf Veranlassung der Agentur für Arbeit Berlin war die Klägerin im August 2012 durch die Fachärztin für innere Medizin Dr. P ärztlich untersucht und begutachtet worden. Im Gutachten war die Ärztin zu der Einschätzung gelangt, die Klägerin leide auf psychischem Gebiet unter einer posttraumatischen Belastungsstörung mit Depression und Ängsten und einer Somatisierungsstörung sowie im Übrigen unter einem rezidivierenden Lendenwirbelsäulenschmerzsyndrom bei Fehlhaltung, einer chronischen Anämie, Migräne, einer hochgradigen Sehminderung des rechten Auges mit fehlendem räumlichen Sehen. Außerdem bestehe der Verdacht auf eine Gonarthrose beidseitig bei Zustand nach Knieoperationen. Das Leistungsvermögen der Klägerin sei vollständig aufgehoben, wenn auch nicht auf Dauer, so doch aber voraussichtlich länger als sechs Monate. Im Dezember 2012 beantragte die Klägerin daraufhin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte veranlasste Untersuchungen der Klägerin durch die Fachärztin für innere Medizin Dr. E und die Fachärztin für Psychiatrie/Psychotherapie St. Beide Ärztinnen gelangten zu der Einschätzung, die Klägerin sei bei qualitativen Einschränkungen noch vollschichtig erwerbsfähig. Mit Bescheid vom 23. Juli 2013 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab und hielt daran auch mit Widerspruchsbescheid vom 6. November 2013 fest.
Mit der am 9. Dezember 2013 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt und sich hierzu im Wesentlichen auf das Ergebnis der Begutachtung im Auftrag der Agentur für Arbeit bezogen.
Das Sozialgericht hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt und mit Gerichtsbescheid vom 11. September 2015 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Klägerin sei weder vollständig noch teilweise erwerbsgemindert. Ihr Leistungsvermögen sei zwar in qualitativer, nicht jedoch in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt. Insbesondere habe die die Klägerin behandelnde Internistin in ihrem Befundbericht vom 30. Januar 2015 die Klägerin für fähig gehalten, körperlich leichte Arbeiten mindestens sechs Stunden zu verrichten. Aus dem Befundbericht des Facharztes für Psychiatrie B vom 19. März 2015 ergebe sich, dass die Klägerin bei ihm insgesamt nur sechs Mal, zuletzt zweimal 2013 und einmal 2014 in Behandlung gewesen sei, was gegen einen stark ausgeprägten Leidensdruck der Klägerin auf psychischem Fachgebiet spreche. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.
Mit der am 21. Oktober 2015 erhobenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 11. September 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 23. Juli 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2013 zu verpflichten, der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Inhalt des Verwaltungsvorgangs sowie der Streitakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 124 Abs. 2 SGG über die Klage ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die zulässige Berufung ist gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG im Sinne einer Zurückverweisung begründet, denn die Entscheidung des Sozialgerichts leidet an einem wesentlichen Mangel und aufgrund dieses Mangels ist eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme notwendig.
Das Sozialgericht hat verfahrensfehlerhaft durch den Kammervorsitzenden als Einzelrichter mittels Gerichtsbescheid ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGG) entschieden, obwohl die Voraussetzungen von § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht vorgelegen haben. Dadurch hat es die Klägerin entgegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz ihrem gesetzlichen Richter, nämlich der Kammer in voller Besetzung (§ 12 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 125 SGG), entzogen. Nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG ist der Erlass eines Gerichtsbescheides nur dann möglich, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Diese Voraussetzungen waren vorliegend nicht gegeben. Unabhängig davon, dass Gerichtsbescheide in medizinisch geprägten Fällen ohnehin nur äußerst zurückhaltend eingesetzt werden sollten, ist nicht davon auszugehen, dass der Sachverhalt geklärt ist. Ein Sachverhalt ist grundsätzlich nur dann als geklärt im Sinne des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG anzusehen, wenn ein verständiger Prozessbeteiligter in Kenntnis des gesamten Prozessstoffes keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des vom Gericht zugrunde gelegten entscheidungserheblichen Sachverhalts haben wird. Der Senat geht insoweit davon aus, dass unter Klärung des Sachverhalts im Sinne von § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG mehr zu verstehen ist, als die dem Gericht im sozialgerichtlichen Verfahren ohnehin gemäß §§ 103, 106 SGG obliegende Verpflichtung zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen. Dafür, dass die Voraussetzungen in § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG enger zu fassen sind, spricht der Umstand, dass der Gesetzgeber für den Gerichtsbescheid einen geklärten Sachverhalt als zusätzliche Voraussetzung ausdrücklich in den Wortlaut aufgenommen hat (vgl. Urteil des Senats vom 7. April 2011, L 13 SB 80/10, bei Juris).
Im vorliegenden Fall schied danach mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter aus, zumal bereits nicht der allgemeinen Amtsermittlungspflicht hinreichend Rechnung getragen worden ist (siehe dazu nachfolgend). Der bestehende Besetzungsmangel ist auch als wesentlich anzusehen, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Kammer in ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre.
Das Sozialgericht hat verfahrensfehlerhaft gegen seine Aufklärungspflicht gemäß § 103 SGG verstoßen, wonach alle entscheidungserheblichen Tatsachen von Amts wegen zu ermitteln sind. Die Aufklärung eines medizinisch geprägten Sachverhalts durch ein Tatsachengericht unterliegt in allen Gerichtsinstanzen einheitlichen Qualitätsanforderungen. Im Hinblick auf die Amtsermittlung erstinstanzlicher Gerichte sind danach im Grundsatz die gleichen Anforderungen heranzuziehen, die auch das Bundessozialgericht an die Sachverhaltsaufklärung durch die Landessozialgerichte stellt. Dabei berechtigen ungeachtet etwaiger medizinischer Grundkenntnisse durch richterliche Tätigkeit in medizinischen Sparten diese jedenfalls im Regelfall nicht zu einer eigenständigen Beurteilung medizinischer Sachverhalte. Die Auswertung eingeholter Befundberichte der behandelnden Ärzte genügt im Regelfall nicht, um den Erfordernissen der Amtsermittlung gerecht zu werden. Es handelt sich hierbei nur um schriftliche Zeugenaussagen. Den behandelnden Ärzten fehlt überdies in aller Regel eine sozialmedizinische Schulung und Erfahrung. Außerdem sollte die richterliche Sachaufklärung nicht dazu führen, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient beeinträchtigt wird, solange geeignetere Methoden der Sachverhaltsaufklärung zur Verfügung stehen. Zur Aufklärung eines Sachverhalts in medizinischer Hinsicht bedarf es nach alledem regelmäßig der Einholung eines Sachverständigengutachtens, wobei sowohl im Hinblick auf das jeweilige medizinische Fachgebiet als auch im Hinblick auf die sozialmedizinischen Erfordernisse auf eine hinreichende Qualifikation und Erfahrung von Sachverständigen zu achten ist. Dies zugrunde gelegt, hätte sich das Sozialgericht zur weiteren medizinischen Ermittlung gedrängt gefühlt müssen im Hinblick darauf, dass die im Auftrag der Agentur für Arbeit eingeholte ärztliche Einschätzung als führendes Leiden bei der Klägerin eine psychische Störung in Gestalt einer posttraumatischen Belastungsstörung mit Depressionen und Somatisierungsstörung festgestellt hat. Insoweit fällt insbesondere ins Gewicht, dass die die Klägerin behandelnde Fachärztin für innere Medizin ungeachtet ihrer Einschätzung der Leistungsfähigkeit der Klägerin in ihrem Befundbericht vom 30. Januar 2015 ausgeführt hat, bei der Klägerin seien seit etwa einem Jahr Mattigkeit, Depressionen und depressive Verstimmungen festzustellen. Während die Anämie sich normalisiert habe, habe sich die Psyche der Klägerin verschlechtert, weshalb ihr anzuraten sei, sich in Psychotherapie zu begeben. Nachdem der die Klägerin behandelnde Facharzt für Psychiatrie und Neurologie in seinem Befundbericht vom 19. März 2015 angegeben hat, die Klägerin habe sich nur in seinen großen zeitlichen Abständen bei ihm in Behandlung befunden, weshalb er das Leistungsvermögen der Klägerin nicht hinreichend beurteilen könne, hätte sich das Sozialgericht veranlasst sehen müssen, jedenfalls das Leistungsvermögen der Klägerin im Hinblick auf naheliegende Einschränkungen aufgrund psychischer Störungen fachärztlich begutachten zu lassen.
Der Verfahrensmangel macht auch eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme im Sinne von § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG erforderlich. Von einem solchen Aufwand ist auszugehen, wenn die Beweisaufnahme einen erheblichen Einsatz von personellen und sächlichen Mitteln erfordert. Dies ist hier offenkundig aufgrund der Notwendigkeit der Einholung eines oder gar mehrerer medizinischer Gutachten gegeben.
Im Rahmen des nach § 159 SGG auszuübenden Ermessens hat das Gericht das Interesse der Klägerin an einer möglichst zeitnahen Erledigung des Rechtsstreits gegenüber den Nachteilen durch den Verlust einer Tatsacheninstanz abgewogen und sich angesichts der erheblichen Mängel des sozialgerichtlichen Verfahrens für eine Zurückverweisung entschieden. Hierbei hat es berücksichtigt, dass der Rechtsstreit noch weit von einer Entscheidungsreife entfernt ist und weitere tatsächliche Ermittlungen erfordert, weshalb der Verlust einer Tatsacheninstanz besonders ins Gewicht fiel. Die Zurückverweisung stellt die dem gesetzlichen Modell entsprechenden zwei Tatsacheninstanzen wieder her. Des Weiteren ist die Sache erst relativ kurz in der Berufungsinstanz anhängig. Schließlich haben die Beteiligten auf die Mitteilung des Gerichts auf die beabsichtigte Zurückverweisung Einwände nicht erhoben.
Das Sozialgericht wird in seiner Entscheidung auch über die Kosten der Berufung zu befinden haben. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG sind nicht gegeben.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Auf Veranlassung der Agentur für Arbeit Berlin war die Klägerin im August 2012 durch die Fachärztin für innere Medizin Dr. P ärztlich untersucht und begutachtet worden. Im Gutachten war die Ärztin zu der Einschätzung gelangt, die Klägerin leide auf psychischem Gebiet unter einer posttraumatischen Belastungsstörung mit Depression und Ängsten und einer Somatisierungsstörung sowie im Übrigen unter einem rezidivierenden Lendenwirbelsäulenschmerzsyndrom bei Fehlhaltung, einer chronischen Anämie, Migräne, einer hochgradigen Sehminderung des rechten Auges mit fehlendem räumlichen Sehen. Außerdem bestehe der Verdacht auf eine Gonarthrose beidseitig bei Zustand nach Knieoperationen. Das Leistungsvermögen der Klägerin sei vollständig aufgehoben, wenn auch nicht auf Dauer, so doch aber voraussichtlich länger als sechs Monate. Im Dezember 2012 beantragte die Klägerin daraufhin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte veranlasste Untersuchungen der Klägerin durch die Fachärztin für innere Medizin Dr. E und die Fachärztin für Psychiatrie/Psychotherapie St. Beide Ärztinnen gelangten zu der Einschätzung, die Klägerin sei bei qualitativen Einschränkungen noch vollschichtig erwerbsfähig. Mit Bescheid vom 23. Juli 2013 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab und hielt daran auch mit Widerspruchsbescheid vom 6. November 2013 fest.
Mit der am 9. Dezember 2013 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt und sich hierzu im Wesentlichen auf das Ergebnis der Begutachtung im Auftrag der Agentur für Arbeit bezogen.
Das Sozialgericht hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt und mit Gerichtsbescheid vom 11. September 2015 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Klägerin sei weder vollständig noch teilweise erwerbsgemindert. Ihr Leistungsvermögen sei zwar in qualitativer, nicht jedoch in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt. Insbesondere habe die die Klägerin behandelnde Internistin in ihrem Befundbericht vom 30. Januar 2015 die Klägerin für fähig gehalten, körperlich leichte Arbeiten mindestens sechs Stunden zu verrichten. Aus dem Befundbericht des Facharztes für Psychiatrie B vom 19. März 2015 ergebe sich, dass die Klägerin bei ihm insgesamt nur sechs Mal, zuletzt zweimal 2013 und einmal 2014 in Behandlung gewesen sei, was gegen einen stark ausgeprägten Leidensdruck der Klägerin auf psychischem Fachgebiet spreche. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.
Mit der am 21. Oktober 2015 erhobenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 11. September 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 23. Juli 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2013 zu verpflichten, der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Inhalt des Verwaltungsvorgangs sowie der Streitakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 124 Abs. 2 SGG über die Klage ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die zulässige Berufung ist gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG im Sinne einer Zurückverweisung begründet, denn die Entscheidung des Sozialgerichts leidet an einem wesentlichen Mangel und aufgrund dieses Mangels ist eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme notwendig.
Das Sozialgericht hat verfahrensfehlerhaft durch den Kammervorsitzenden als Einzelrichter mittels Gerichtsbescheid ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGG) entschieden, obwohl die Voraussetzungen von § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht vorgelegen haben. Dadurch hat es die Klägerin entgegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz ihrem gesetzlichen Richter, nämlich der Kammer in voller Besetzung (§ 12 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 125 SGG), entzogen. Nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG ist der Erlass eines Gerichtsbescheides nur dann möglich, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Diese Voraussetzungen waren vorliegend nicht gegeben. Unabhängig davon, dass Gerichtsbescheide in medizinisch geprägten Fällen ohnehin nur äußerst zurückhaltend eingesetzt werden sollten, ist nicht davon auszugehen, dass der Sachverhalt geklärt ist. Ein Sachverhalt ist grundsätzlich nur dann als geklärt im Sinne des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG anzusehen, wenn ein verständiger Prozessbeteiligter in Kenntnis des gesamten Prozessstoffes keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des vom Gericht zugrunde gelegten entscheidungserheblichen Sachverhalts haben wird. Der Senat geht insoweit davon aus, dass unter Klärung des Sachverhalts im Sinne von § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG mehr zu verstehen ist, als die dem Gericht im sozialgerichtlichen Verfahren ohnehin gemäß §§ 103, 106 SGG obliegende Verpflichtung zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen. Dafür, dass die Voraussetzungen in § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG enger zu fassen sind, spricht der Umstand, dass der Gesetzgeber für den Gerichtsbescheid einen geklärten Sachverhalt als zusätzliche Voraussetzung ausdrücklich in den Wortlaut aufgenommen hat (vgl. Urteil des Senats vom 7. April 2011, L 13 SB 80/10, bei Juris).
Im vorliegenden Fall schied danach mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter aus, zumal bereits nicht der allgemeinen Amtsermittlungspflicht hinreichend Rechnung getragen worden ist (siehe dazu nachfolgend). Der bestehende Besetzungsmangel ist auch als wesentlich anzusehen, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Kammer in ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre.
Das Sozialgericht hat verfahrensfehlerhaft gegen seine Aufklärungspflicht gemäß § 103 SGG verstoßen, wonach alle entscheidungserheblichen Tatsachen von Amts wegen zu ermitteln sind. Die Aufklärung eines medizinisch geprägten Sachverhalts durch ein Tatsachengericht unterliegt in allen Gerichtsinstanzen einheitlichen Qualitätsanforderungen. Im Hinblick auf die Amtsermittlung erstinstanzlicher Gerichte sind danach im Grundsatz die gleichen Anforderungen heranzuziehen, die auch das Bundessozialgericht an die Sachverhaltsaufklärung durch die Landessozialgerichte stellt. Dabei berechtigen ungeachtet etwaiger medizinischer Grundkenntnisse durch richterliche Tätigkeit in medizinischen Sparten diese jedenfalls im Regelfall nicht zu einer eigenständigen Beurteilung medizinischer Sachverhalte. Die Auswertung eingeholter Befundberichte der behandelnden Ärzte genügt im Regelfall nicht, um den Erfordernissen der Amtsermittlung gerecht zu werden. Es handelt sich hierbei nur um schriftliche Zeugenaussagen. Den behandelnden Ärzten fehlt überdies in aller Regel eine sozialmedizinische Schulung und Erfahrung. Außerdem sollte die richterliche Sachaufklärung nicht dazu führen, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient beeinträchtigt wird, solange geeignetere Methoden der Sachverhaltsaufklärung zur Verfügung stehen. Zur Aufklärung eines Sachverhalts in medizinischer Hinsicht bedarf es nach alledem regelmäßig der Einholung eines Sachverständigengutachtens, wobei sowohl im Hinblick auf das jeweilige medizinische Fachgebiet als auch im Hinblick auf die sozialmedizinischen Erfordernisse auf eine hinreichende Qualifikation und Erfahrung von Sachverständigen zu achten ist. Dies zugrunde gelegt, hätte sich das Sozialgericht zur weiteren medizinischen Ermittlung gedrängt gefühlt müssen im Hinblick darauf, dass die im Auftrag der Agentur für Arbeit eingeholte ärztliche Einschätzung als führendes Leiden bei der Klägerin eine psychische Störung in Gestalt einer posttraumatischen Belastungsstörung mit Depressionen und Somatisierungsstörung festgestellt hat. Insoweit fällt insbesondere ins Gewicht, dass die die Klägerin behandelnde Fachärztin für innere Medizin ungeachtet ihrer Einschätzung der Leistungsfähigkeit der Klägerin in ihrem Befundbericht vom 30. Januar 2015 ausgeführt hat, bei der Klägerin seien seit etwa einem Jahr Mattigkeit, Depressionen und depressive Verstimmungen festzustellen. Während die Anämie sich normalisiert habe, habe sich die Psyche der Klägerin verschlechtert, weshalb ihr anzuraten sei, sich in Psychotherapie zu begeben. Nachdem der die Klägerin behandelnde Facharzt für Psychiatrie und Neurologie in seinem Befundbericht vom 19. März 2015 angegeben hat, die Klägerin habe sich nur in seinen großen zeitlichen Abständen bei ihm in Behandlung befunden, weshalb er das Leistungsvermögen der Klägerin nicht hinreichend beurteilen könne, hätte sich das Sozialgericht veranlasst sehen müssen, jedenfalls das Leistungsvermögen der Klägerin im Hinblick auf naheliegende Einschränkungen aufgrund psychischer Störungen fachärztlich begutachten zu lassen.
Der Verfahrensmangel macht auch eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme im Sinne von § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG erforderlich. Von einem solchen Aufwand ist auszugehen, wenn die Beweisaufnahme einen erheblichen Einsatz von personellen und sächlichen Mitteln erfordert. Dies ist hier offenkundig aufgrund der Notwendigkeit der Einholung eines oder gar mehrerer medizinischer Gutachten gegeben.
Im Rahmen des nach § 159 SGG auszuübenden Ermessens hat das Gericht das Interesse der Klägerin an einer möglichst zeitnahen Erledigung des Rechtsstreits gegenüber den Nachteilen durch den Verlust einer Tatsacheninstanz abgewogen und sich angesichts der erheblichen Mängel des sozialgerichtlichen Verfahrens für eine Zurückverweisung entschieden. Hierbei hat es berücksichtigt, dass der Rechtsstreit noch weit von einer Entscheidungsreife entfernt ist und weitere tatsächliche Ermittlungen erfordert, weshalb der Verlust einer Tatsacheninstanz besonders ins Gewicht fiel. Die Zurückverweisung stellt die dem gesetzlichen Modell entsprechenden zwei Tatsacheninstanzen wieder her. Des Weiteren ist die Sache erst relativ kurz in der Berufungsinstanz anhängig. Schließlich haben die Beteiligten auf die Mitteilung des Gerichts auf die beabsichtigte Zurückverweisung Einwände nicht erhoben.
Das Sozialgericht wird in seiner Entscheidung auch über die Kosten der Berufung zu befinden haben. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG sind nicht gegeben.
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