Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 79 KA 2607/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 23/16 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zum vorläufigen Rechtsschutz gegen die Festsetzung einer Beratung nach § 106 SGB V
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 16. Februar 2016 wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen. Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 16. Februar 2016 ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat es rechtsfehlerfrei abgelehnt, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 05. März 2015 anzuordnen, mit dem dieser eine Beratung nach § 106 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5a Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) festgesetzt hat.
1.) Der Antrag des Antragstellers ist in Bezug auf die begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig. Denn abweichend vom Regelfall des § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG hat die gegen den Bescheid vom 05. März 2015 erhobene Klage gemäß § 106 Abs. 5a Satz 11 SGBV keine aufschiebende Wirkung.
2.) Der zulässige Antrag ist aber unbegründet. Inhalt der Begründetheitsprüfung ist eine – auf den insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts – vorzunehmende Interessenabwägung, bei der unter Beachtung der vom Gesetzgeber getroffenen Grundentscheidung, den Eintritt der aufschiebenden Wirkung abweichend von dem in § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG geregelten Grundsatz nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG gerade auszuschließen, die jeweiligen Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen sind. Ergibt diese Abwägung, dass das private Interesse des jeweiligen Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs das öffentliche Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung seines Bescheides überwiegt, ist die aufschiebende Wirkung in aller Regel anzuordnen. Dies wiederum ist der Fall, wenn sich der angegriffene Bescheid als offensichtlich rechtswidrig erweist und dies mit einer subjektiven Rechtsverletzung des Belasteten einhergeht, weil an der sofortigen Vollziehung eines mit der Rechtsordnung nicht im Einklang stehenden Bescheides kein öffentliches Interesse besteht. Umgekehrt überwiegt das öffentliche Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung seines Bescheides das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs, wenn gegen die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides offensichtlich keine Bedenken bestehen. In diesem Fall ist die aufschiebende Wirkung in aller Regel nicht anzuordnen. Lässt sich die Frage nach der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides indes nicht hinreichend sicher beantworten, kommt es unter Berücksichtigung der oben dargestellten Grundentscheidung des Gesetzgebers für die Begründetheit des Antrags entscheidend auf die sonstigen Interessen der Beteiligten an. Grundsätzlich hat hierbei zu gelten, dass die an das private Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu stellenden Anforderungen im Sinne einer dynamischen Betrachtung um so höher sein müssen, je geringer die Erfolgsaussichten des von ihm in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs zu bewerten sind oder je geringer die Rechtsbeeinträchtigung durch den angefochtenen Bescheid ist. Die wechselseitig eintretenden Folgen, die jeweils entstünden, wenn sich die durch das Gericht getroffene Eilentscheidung im Hauptsacheverfahren als unzutreffend erweisen sollte, sind in die Betrachtung mit einzubeziehen (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 01. Juli 2015 – L 9 AS 1583/14 B ER –, juris).
3.) Das Sozialgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine abschließende Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache im Eilverfahren nicht möglich ist, und sich eine offensichtliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts derzeit nicht feststellen lässt. Insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG Bezug, denen er nach eigener Sachprüfung folgt. Ergänzend ist jedoch darauf hinzuweisen, dass den Antragsteller auch im Falle eines Ausschlusses der Zurechenbarkeit für die (anteilige) Überschreitung der Richtgröße 2009 im ersten Quartal 2009 in jedem Falle eine Verantwortlichkeit für die Zeit ab dem 01. April 2009 trifft, zu der er Mitglied der Berufsausübungsgemeinschaft geworden ist. Sollte sich hier eine ausreichende Überschreitung der Richtgröße ergeben, ist nicht erkennbar, warum die Festsetzung einer Beratung selbst dann rechtswidrig sein sollte, wenn ihn für die Zeit vor dem 01. April 2009 keine Verantwortung träfe.
4.) Vor allem jedoch lässt sich nicht feststellen, warum die Interessenabwägung in einem Fall wie dem vorliegenden - entgegen der gesetzlichen Wertung - zu Gunsten des Antragstellers ausfallen sollte, obwohl die ihm drohenden Rechtsfolgen keine ins Gewicht fallende Belastung beinhalten. Denn selbst wenn der Antragsgegner den angefochtenen Bescheid vor der rechtskräftigen Entscheidung über seine Klage durchsetzen sollte, drohte dem Antragsteller dann keine nachhaltige Beeinträchtigung seiner Rechte, weil er sich in diesem Fall von der Prüfungsstelle über die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebotes und der Qualität der Versorgung beraten lassen müsste; weitere unmittelbare Belastungen sind mit der Durchsetzung des angefochtenen Bescheides nicht verbunden. Selbst wenn man berücksichtigt, dass durch die Durchführung einer solchen Beratung eine Erledigung des Klageverfahrens eintreten könnte, hätte der Antragsteller mit der Fortsetzungsfeststellungsklage eine hinreichende Möglichkeit, die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides feststellen zu lassen und den ihm zustehenden Rechtsschutz zu erhalten. Diese Gesichtspunkte schließen die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hier aus: Besteht die Beeinträchtigung des Antragstellers im Wesentlichen nur darin, dass er die begehrte gerichtliche Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu einem späteren Zeitpunkt erhält, ohne dass sie dadurch für ihn grundsätzlich an Wert verliert, weil seine Rechte durch eine spätere gerichtliche Entscheidung ebenso gut gewahrt werden können, ist er auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen. Nur durch eine an diesen Grundsätzen orientierte Vorgehensweise wird dem vom Gesetzgeber in allen Prozessordnungen vorgesehenen Vorrang des nachgehenden vor dem vorläufigen Rechtsschutz Rechnung getragen (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. März 2010 – L 7 KA 5/10 KL ER –, juris).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), die Wertfestsetzung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 52 Abs. 2, 53 GKG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 16. Februar 2016 ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat es rechtsfehlerfrei abgelehnt, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 05. März 2015 anzuordnen, mit dem dieser eine Beratung nach § 106 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5a Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) festgesetzt hat.
1.) Der Antrag des Antragstellers ist in Bezug auf die begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig. Denn abweichend vom Regelfall des § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG hat die gegen den Bescheid vom 05. März 2015 erhobene Klage gemäß § 106 Abs. 5a Satz 11 SGBV keine aufschiebende Wirkung.
2.) Der zulässige Antrag ist aber unbegründet. Inhalt der Begründetheitsprüfung ist eine – auf den insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts – vorzunehmende Interessenabwägung, bei der unter Beachtung der vom Gesetzgeber getroffenen Grundentscheidung, den Eintritt der aufschiebenden Wirkung abweichend von dem in § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG geregelten Grundsatz nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG gerade auszuschließen, die jeweiligen Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen sind. Ergibt diese Abwägung, dass das private Interesse des jeweiligen Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs das öffentliche Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung seines Bescheides überwiegt, ist die aufschiebende Wirkung in aller Regel anzuordnen. Dies wiederum ist der Fall, wenn sich der angegriffene Bescheid als offensichtlich rechtswidrig erweist und dies mit einer subjektiven Rechtsverletzung des Belasteten einhergeht, weil an der sofortigen Vollziehung eines mit der Rechtsordnung nicht im Einklang stehenden Bescheides kein öffentliches Interesse besteht. Umgekehrt überwiegt das öffentliche Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung seines Bescheides das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs, wenn gegen die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides offensichtlich keine Bedenken bestehen. In diesem Fall ist die aufschiebende Wirkung in aller Regel nicht anzuordnen. Lässt sich die Frage nach der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides indes nicht hinreichend sicher beantworten, kommt es unter Berücksichtigung der oben dargestellten Grundentscheidung des Gesetzgebers für die Begründetheit des Antrags entscheidend auf die sonstigen Interessen der Beteiligten an. Grundsätzlich hat hierbei zu gelten, dass die an das private Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu stellenden Anforderungen im Sinne einer dynamischen Betrachtung um so höher sein müssen, je geringer die Erfolgsaussichten des von ihm in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs zu bewerten sind oder je geringer die Rechtsbeeinträchtigung durch den angefochtenen Bescheid ist. Die wechselseitig eintretenden Folgen, die jeweils entstünden, wenn sich die durch das Gericht getroffene Eilentscheidung im Hauptsacheverfahren als unzutreffend erweisen sollte, sind in die Betrachtung mit einzubeziehen (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 01. Juli 2015 – L 9 AS 1583/14 B ER –, juris).
3.) Das Sozialgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine abschließende Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache im Eilverfahren nicht möglich ist, und sich eine offensichtliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts derzeit nicht feststellen lässt. Insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG Bezug, denen er nach eigener Sachprüfung folgt. Ergänzend ist jedoch darauf hinzuweisen, dass den Antragsteller auch im Falle eines Ausschlusses der Zurechenbarkeit für die (anteilige) Überschreitung der Richtgröße 2009 im ersten Quartal 2009 in jedem Falle eine Verantwortlichkeit für die Zeit ab dem 01. April 2009 trifft, zu der er Mitglied der Berufsausübungsgemeinschaft geworden ist. Sollte sich hier eine ausreichende Überschreitung der Richtgröße ergeben, ist nicht erkennbar, warum die Festsetzung einer Beratung selbst dann rechtswidrig sein sollte, wenn ihn für die Zeit vor dem 01. April 2009 keine Verantwortung träfe.
4.) Vor allem jedoch lässt sich nicht feststellen, warum die Interessenabwägung in einem Fall wie dem vorliegenden - entgegen der gesetzlichen Wertung - zu Gunsten des Antragstellers ausfallen sollte, obwohl die ihm drohenden Rechtsfolgen keine ins Gewicht fallende Belastung beinhalten. Denn selbst wenn der Antragsgegner den angefochtenen Bescheid vor der rechtskräftigen Entscheidung über seine Klage durchsetzen sollte, drohte dem Antragsteller dann keine nachhaltige Beeinträchtigung seiner Rechte, weil er sich in diesem Fall von der Prüfungsstelle über die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebotes und der Qualität der Versorgung beraten lassen müsste; weitere unmittelbare Belastungen sind mit der Durchsetzung des angefochtenen Bescheides nicht verbunden. Selbst wenn man berücksichtigt, dass durch die Durchführung einer solchen Beratung eine Erledigung des Klageverfahrens eintreten könnte, hätte der Antragsteller mit der Fortsetzungsfeststellungsklage eine hinreichende Möglichkeit, die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides feststellen zu lassen und den ihm zustehenden Rechtsschutz zu erhalten. Diese Gesichtspunkte schließen die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hier aus: Besteht die Beeinträchtigung des Antragstellers im Wesentlichen nur darin, dass er die begehrte gerichtliche Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu einem späteren Zeitpunkt erhält, ohne dass sie dadurch für ihn grundsätzlich an Wert verliert, weil seine Rechte durch eine spätere gerichtliche Entscheidung ebenso gut gewahrt werden können, ist er auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen. Nur durch eine an diesen Grundsätzen orientierte Vorgehensweise wird dem vom Gesetzgeber in allen Prozessordnungen vorgesehenen Vorrang des nachgehenden vor dem vorläufigen Rechtsschutz Rechnung getragen (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. März 2010 – L 7 KA 5/10 KL ER –, juris).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), die Wertfestsetzung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 52 Abs. 2, 53 GKG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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