S 34 SF 50/15

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
34
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 34 SF 50/15
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Bundesagentur für Arbeit ist in sozialgerichtlichen Streitsachen nicht zur Entrichtung der sog. Pauschgebühr verpflichtet, sofern sie als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende operative Aufgaben wahrgenommen hat, die ihr in dieser Eigenschaft rechtsgeschäftlich zurückübertragen wurden.
Tenor:

Die Feststellung der Streitsachengebühr vom 02.10.2014 in Höhe von 450,00 EUR wird aufgehoben.

Gründe:

I.

Die Erinnerungsführerin wendet sich gegen die Festsetzung einer Pauschgebühr nach § 184 Sozialgerichtsgesetz (SGG) für die Verfahren S 9 AL 186/12, S 9 AL 46/13 und S 9 AL 111/13.

In den Klageverfahren stritten die Beteiligten um die Erstattung der Aufwendungen im Widerspruchsverfahren. Die Kläger wandten sich mit Widerspruch gegen die Festsetzung von Mahngebühren und gegen die Ablehnung der Zuziehung eines Bevollmächtigten und der Erstattung der hierdurch entstandenen Aufwendungen. Nach Anerkennung der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren als notwendig und Erklärung der Erinnerungsführerin, die notwendigen außergerichtlichen Aufwendungen der Kläger für das Vorverfahren zu übernehmen, setzte diese die Kosten fest. Die Kammer hatte durch Gerichtsbescheid über die Höhe der zu erstattenden Aufwendungen im Widerspruchsverfahren zu entscheiden.

Nach Abschluss der Klageverfahren stellte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die von der Erinnerungsführerin zu entrichtende Streitsachengebühren am 02.10.2014 gegen Empfangsbekenntnis fest. Hiergegen wendet sich die am 17.10.2014 eingelegte Erinnerung. Die Erinnerungsführerin sei aufgrund der Regelung des § 44b Abs. 4 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) tätig geworden. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.

II.

Die Erinnerung gegen die Feststellung der Pauschgebühr nach § 189 Abs. 2 SGG ist zulässig und begründet.

Die Voraussetzungen für die Feststellung der Pauschgebühr sind vorliegend nicht gegeben.

Gemäß § 184 Abs. 1 Satz 1 SGG haben Kläger und Beklagte, die nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören, für jede Streitsache eine Gebühr zu entrichten (sog. Pauschgebühr). Die Erinnerungsführerin ist grundsätzlich keine nach § 183 SGG kostenprivilegierte Person. Gleichwohl ist sie vorliegend nicht zur Entrichtung der Pauschgebühr verpflichtet. Die Kostenfreiheit ergibt sich aus § 64 Abs. 3 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach sind im Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende von den Gerichtskosten befreit. Nach § 44b Abs. 1 SGB II bilden die Träger im Gebiet jedes kommunalen Trägers nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II zur einheitlichen Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine gemeinsame Einrichtung. Den Trägern obliegt die Verantwortung für die rechtmäßige und zweckmäßige Erbringung ihrer Leistungen (§ 44b Abs. 3 SGB II). Die Erinnerungsführerin ist gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB II einer der Leistungsträger nach diesem Buch. Allein daraus ergibt sich jedoch noch nicht, dass der Gesetzgeber auch im Rahmen des SGB X davon ausgeht, dass die Erinnerungsführerin zum Kreis der Privilegierten gehört (Sozialgericht [SG] Dessau-Roßlau, Beschluss vom 14.11.2013, S 11 SF 141/13 mit eingehender Begründung). Nach Auffassung des Gerichts ist danach zu differenzieren, in welcher Eigenschaft und Zuständigkeit sowie aufgrund welcher Aufgabe die Erinnerungsführerin tätig geworden ist.

Nach § 44b Abs. 1 Satz 2 1. HS SGB II nehmen die Jobcenter die Aufgaben der Träger nach dem SGB II wahr. Die Trägerschaft bleibt gemäß § 44b Abs. 1 Satz 2 2. HS SGB II unberührt. Auf der Grundlage des § 44b Abs. 4 SGB II kann die gemeinsame Einrichtung einzelne Aufgaben auch durch die Träger wahrnehmen lassen. Vorliegend hat die Erinnerungsführerin keine ihr nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) obliegende Aufgabe durchgeführt, sondern allein Aufgaben nach dem SGB II einschließlich hierzu bestehender Annexaufgaben wahr genommen. Sie hat im Rahmen der Vollstreckung von Forderungen der gemeinsamen Einrichtung Mahngebühren geltend gemacht, das hiergegen eröffnete Widerspruchsverfahren einschließlich des sich anschließenden Kostenerstattungsverfahrens bearbeitet. Gemäß § 40 Abs. 6 SGB II fällt die Vollstreckung von Ansprüchen in den Aufgabenbereich der in den gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Grundsicherungsträger. Mit der am 11.01.2012 zwischen der Erinnerungsführerin und der gemeinsamen Einrichtung, dem Jobcenter Landkreis W., geschlossenen Verwaltungsvereinbarung und der am 14.12.2011 mit dem Jobcenter D. geschlossenen Verwaltungsvereinbarung wurden jeweils gemäß § 3 operative Aufgaben entsprechend der Anlage 1 als Aufgaben von der Gemeinsamen Einrichtung auf die Erinnerungsführerin als Träger übertragen. Darunter befand sich auch das Inkasso. Zu unterscheiden sind hiervon die nach § 44b Abs. 5 SGB II möglichen Serviceangebote der Bundesagentur für Arbeit. Inwieweit hier eine echte Aufgabenübertragung, wie bei operativen Aufgaben oder eine reine Dienstleistung vorliegt mit der möglichen Folge, dass die Erinnerungsführerin keine Einzelaufgabe als Träger mehr wahrnimmt, kann offen bleiben. Denn im Unterschied zu operativen Aufgaben, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der gesetzlich zugewiesenen Aufgabe stehen, sind Dienstleistungsangebote nicht mit der originären Aufgabenwahrnehmung zu vergleichen.

Der Beschluss ist unanfechtbar, § 189 Abs. 2 Satz 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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