L 1 KR 140/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 182 KR 859/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 140/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das für Pflegekinder gezahlte Erziehungsgeld gem. § 39 SGB VIII ist keine beitragspflichtige Einnahme gemäß § 240 SGB V.
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. März 2014 sowie der Bescheid der Beklagten vom 16. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. April 2013 abgeändert. Die Beklagten werden verpflichtet, die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für den 30. Juni 2009 auf 8,00 EUR und 1,05 EUR festzusetzen. Für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis zum 29. März 2010 werden die Beklagten verpflichtet, die monatlichen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 230,40 EUR und 31,42 EUR festzusetzen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat drei Viertel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Beitragsberechnung für den Zeitraum vom 30. Juni 2009 bis 30 Juni 2010.

Das Bezirksamt Mitte von Berlin hatte der Klägerin für die vertraglich vereinbarte Übernahme der Betreuung eines Pflegekindes durch Bescheide vom 16. Februar 2009 und 4. März 2010 Pflegegeld der Altersstufe 2, Erziehungsgeld, Beihilfepausschale abzüglich anteiligen Kindergeld in Höhe von 1.458.97 EUR ab dem 1. Februar 2009 und 1.453,97 EUR ab dem 1. Februar 2010 gewährt. Das Pflegegeld betrug jeweils 492,- EUR, das Erziehungsgeld 959,- EUR monatlich. Die Bundesagentur für Arbeit gewährte der Klägerin durch Bescheid vom 11. Juni 2009 für die Zeit vom 30. Juni 2009 bis 29. März 2010 einen Gründungszuschuss nach § 57 SGB III in Höhe von monatlich 1.491,30 EUR. Darin enthalten war eine Pauschale von 300,- EUR zur sozialen Sicherung.

Die Klägerin meldete sich durch Schreiben vom 25. Juni 2009 bei den Beklagten und gab an, ab dem 30. Juni 2009 nunmehr als Selbständige freiwillig versichert sein zu wollen. In den nächsten 12 Monaten werde sie neben dem Gründungszuschuss Einnahmen aus Personal- und Unternehmensberatung in voraussichtlicher Höhe von 500,- EUR monatlich haben. Einen Einkommenssteuerbescheid werde sie nach Erhalt vorlegen.

Durch Bescheid vom 20. Juli 2009 setzten die Beklagten die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 30. Juni 2009 auf der Grundlage von Einnahmen in Höhe von 1.393,48 EUR auf monatlich 226,44 EUR fest. Ab dem 30. März 2010 setzten die Beklagten durch Bescheid vom 17. Mai 2010 die Beiträge in Höhe von monatlich 311,39 EUR fest. Mit Wegfall des Gründungszuschusses gelte wieder die Mindestbemessungsgrundlage von 1.916,25 EUR. Beide Bescheide enthielten den Vorbehalt, dass die Beiträge anhand der geschätzten Einnahmen festgesetzt worden seien. Die endgültige Höhe werde aus dem ersten Einkommenssteuerbescheid zur selbständigen Tätigkeit ermittelt.

Im Februar 2011 wies die Klägerin die Beklagten darauf hin, dass sie keine Erwerbstätigkeit (mehr) ausübe. Das Jugendamt zahle ihr Erziehungsgeld für ihren Pflegesohn in Höhe von 959,- EUR monatlich. Im April 2011 legte die Klägerin ihren Einkommenssteuerbescheid für 2009 vom 11. April 2011 vor, wonach sie Einkünfte aus Gewerbetrieb in (negativer) Höhe von -1.277,- EUR sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 6.316,- EUR hatte.

Durch Bescheid vom 16. Juli 2012 setzten die Beklagten die Beiträge für die Zeit vom 30. Juni 2009 bis 30. Juni 2010 nunmehr endgültig fest. Aus dem Einkommenssteuerbescheid für 2009 und weiteren Einnahmen, u.a. dem vom Jugendamt gezahlten Pflegegeld, würden sich beitragspflichtige monatliche Einnahmen ergeben ab 30. Juni 2009 in Höhe von 2.259,75 EUR und ab 30. März 2010 in Höhe von 1.547,83 EUR. Die früheren Schätzungen blieben dahinter zurück, so dass ein zu tilgender Beitragsrückstand in Höhe von 1.496,09 EUR entstanden sei.

Die Klägerin erhob Widerspruch. Das Erziehungsgeld sei nicht einkommensrelevant. Der Steuerbescheid habe keinerlei neue Erkenntnisse erbracht, die eine Nachberechnung rechtfertigen würden. Das BSG habe am 29. März 2007 – (B 7b AS 12/06 R) entschieden, dass bei ALG II-Empfängern der im Pflegegeld enthaltene Erziehungsbeitrag kein zu berücksichtigendes Einkommen darstelle. Bei dem Erziehungsgeldanteil handele es sich um eine zweckgebundene Leistung. Der Gesetzgeber habe durch die verbesserten Leistungen breite Bevölkerungsschichten zur Aufnahme von fremden Kindern motivieren wollen und sie bewusst von Steuer- und Sozialversicherungspflicht ausgenommen. Das Erziehungsgeld habe sie über mehrere Jahre für die Finanzierung von therapeutischen Leistungen für das Kind verwandt. Seine Berücksichtigung für die Beitragsbemessung stelle eine ungerechtfertigte Benachteiligung der Pflegekinder von freiwilligen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung dar.

Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 10. April 2013 zurück. Bei der Berichtigung der Beitragsbemessung sei das für den Pflegesohn gezahlte Erziehungsgeld in Höhe von monatlich 959,- EUR zu Recht als beitragspflichtige Einnahme berücksichtigt worden. Grundlage der Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder seien nach § 240 Abs. 1 SGB V die vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen beschlossenen Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler. Danach würden alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung als beitragspflichtig angesehen. Das gelte nach der Rechtsprechung des BSG aber nicht für zweckbestimmte Sozialleistungen wie Kindergeld oder Beschädigtenrenten, die einen außergewöhnlichen Mehraufwand ausgleichen sollten. Dementsprechend seien die für Pflegekinder gezahlten Pauschbeträge, welche die materiellen Aufwendungen ausgleichen sollten, nicht als Einnahmen zu berücksichtigen. Beitragspflichtig sei aber der für die Kosten der Erziehung gezahlte Pauschbetrag (Hinweis auf Urt. des Sozialgerichts Dresden vom 6. April 2006 – S 18 KR 1304/04). Für hauptberuflich selbständige Erwerbstätige sehe der Gesetzgeber eine Einstufung unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze nur beim Nachweis geringerer Einnahmen vor. Diese einnahmeorientierte Einstufung könne nur ab dem auf die Vorlage der Nachweise folgenden Monat wirksam werden. Mindestens sei jedoch ein Betrag in Höhe von 75% der monatlichen Bezugsgröße zu berücksichtigen. Für freiwillige Mitglieder mit Anspruch auf Gründungs- oder Existenzgründungszuschuss nach §§ 57, 421l SGB III oder entsprechende Leistungen nach dem SGB II gelte stattdessen eine Mindestgrenze von 50% der monatlichen Bezugsgröße. Diese Regeln würden entsprechend auch für die Bemessung der Beiträge in der Pflegeversicherung gelten. Nach der Rechtsprechung des BSG könne der Nachweis über die Höhe des Einkommens nur durch Vorlage eines Einkommenssteuerbescheides geführt werden. Die Klägerin sei zunächst vorläufig unter dem Vorbehalt einer späteren Korrektur nach Vorlage des Einkommenssteuerbescheides eingestuft worden. Bei der Korrektur sei mit Recht das Erziehungsgeld in Höhe von monatlich 959,- EUR berücksichtigt worden. Das angeführte Urteil des BSG v. 29. März 2007 könne zu keinem anderen Ergebnis führen, da es zur Berechnung des Arbeitslosengeldes II ergangen sei.

Dagegen richtet sich die am 13. Mai 2013 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangene Klage. Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 25. März 2014 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Maßgebend für die Beitragshöhe seien die für freiwillige Mitglieder geltenden Regelungen. Seit dem 1. Januar 2009 werde die Beitragsbemessung insoweit einheitlich durch den GKV-Spitzenverband geregelt. Dabei sei die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds sicherzustellen. Bei den an die Klägerin ab dem 1. Februar 2009 ausgezahlten Erziehungsbeiträgen in der Form von Erziehungsgeld handele es sich um eine Einnahme, die der Klägerin bei wirtschaftlicher Betrachtung zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes zur Verfügung stehe. Dazu verweist das Sozialgericht auf die Ausführungen in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Sozialgerichts vom 15. Dezember 2011 – L 5 KR 101/10, denen es sich im vollen Umfang anschließe. Es bleibe der Pflegeperson überlassen, wie sie mit Hilfe des Erziehungsgeldes die Pflege gestalte. Sie könne frei darüber verfügen, es sei ihre Entscheidung, ob sie den Erziehungsbeitrag ausschließlich als Ausgleich für die eigene Erziehungsleistung ansehe oder ihn für andere Zwecke verwende. Aus den fachlichen Empfehlungen und Richtlinien über die Gewährung von Pflegegeld für junge Menschen in Vollzeitpflege ergebe sich, dass unter besonderen Umständen bei erhöhtem pädagogischen Mehraufwand oder erhöhtem Betreuungsaufwand der Erziehungsbeitrag zeitlich begrenzt angehoben werden könne. Das belege, dass die Kosten für den Unterhalt des zu betreuenden Jugendlichen bereits durch das pauschale Pflegegeld abgegolten würden, wohingegen der Erziehungsbeitrag dem Ausgleich der Erziehungsleistung der Pflegeperson diene und damit deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit präge. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Einkommensanrechnung im Rahmen des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II) könne auf die Beitragsbemessung in der Kranken- und Pflegeversicherung nicht übertragen werden. Auch § 240 Abs. 4 Satz 5 SGB V enthalte keine Aussage dazu, welche Einnahmen der Tagespflegepersonen bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen seien.

Gegen das ihr am 8. April 2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 30. April 2014 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung der Klägerin. Sie verweist auf den Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. September 2009 – L 24 KR 173/09 B ER. Es handele sich um eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung für das gesamte Pflegekinderwesen. Die Klägerin werde als Mitglied des Arbeitskreises zur Förderung von Pflegekindern e.V. vertreten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. März 2014 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. April 2013 abzuändern, soweit dort Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auch von dem für das Pflegekind gezahlten Erziehungsgeld gefordert werden.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist zum Teil begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage ganz abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind teilweise rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Die Beklagten waren zwar berechtigt, die von der Klägerin zu zahlenden Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum vom 30. Juni 2009 bis 30. Juni 2010 neu festzusetzen. Dabei sind sie indessen für den Zeitraum bis zum 29. März 2010 von einem zu hohen Bemessungsentgelt ausgegangen. Insbesondere durfte das vom Jugendamt gezahlte Erziehungsgeld nicht als Einnahme der Klägerin berücksichtigt werden.

Die Befugnis zur Neuberechnung der Beiträge für den Zeitraum vom 30. Juni 2009 bis 30. Juni 2010 ergibt sich daraus, dass die Beklagten die Beiträge zunächst nur durch vorläufigen Bescheid geregelt haben. Diese Vorgehensweise ist bei Selbständigen zulässig, die wegen Neuaufnahme ihrer Erwerbstätigkeit noch keinen Steuerbescheid über die aus der selbständigen Tätigkeit bezogenen Einkünfte vorlegen können. Entsprechend dem Charakter einer vorläufigen Regelung sind Kranken- und Pflegekasse berechtigt, nach Vorlage des Steuerbescheides über die aus der selbständigen Erwerbstätigkeit bezogenen Einkünfte nunmehr endgültig die Beiträge entsprechend den gesetzlichen Regelungen festzusetzen (BSG v. 22. März 2006 – B 12 KR 14/05 R; v. 11. März 2009 – B 12 KR 20/07 R). Die Voraussetzungen für eine vorläufige Beitragsfestsetzung und entsprechend einer nachfolgenden Korrektur waren vorliegend gegeben, weil die Klägerin nach ihrem Vorbringen erstmals am 30. Juni 2009 eine selbständige Erwerbstätigkeit aufgenommen und hauptberuflich ausgeübt hat. Diese Tatsache wird auch dadurch belegt, dass die Bundesagentur für Arbeit der Klägerin beginnend am 30. Juni 2009 einen Gründungszuschuss nach § 57 SGB III gewährte. Der Senat geht davon aus, dass die selbständige Erwerbstätigkeit von der Klägerin jedenfalls bis zum 30. Juni 2010 ausgeübt wurde, da die Klägerin erstmals im Februar 2011 angegeben hat, dass sie keiner Erwerbstätigkeit (mehr) nachgehe. Als hauptberuflich selbständige Erwerbstätige konnte die Klägerin wegen § 5 Abs. 5 SGB V nur kraft Beitritt freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten zu 1) sein. Aus der freiwilligen Mitgliedschaft bei der Beklagten zu 1) ergab sich nach § 20 Abs. 3 SGB XI ihre Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung bei der Beklagten zu 2). Gemäß § 223 Abs. 2 Satz 1 SGB V werden die Beiträge zur Krankenversicherung und gemäß § 54 Abs. 2 SGB XI auch die Beiträge zur Pflegeversicherung nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Nach § 240 SGB V wird bei freiwilligen Mitgliedern die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dazu hat der Spitzenverband mit Wirkung ab dem 1. Januar 2009 einheitliche Grundsätze erlassen (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler), die eine wirksame und hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage für die Beitragsbemessung abgeben (BSG v. 19. Dezember 2012 – B 12 KR 20/11 R). Gemäß § 57 Abs. 4 Satz 1 SGB XI gelten diese Grundsätze auch für die Bemessung der Beiträge zur Pflegeversicherung.

Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist das an die Klägerin gezahlte Erziehungsgeld nicht als beitragspflichtige Einnahme zu berücksichtigen. Nach § 3 Abs. 1 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler sind alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung für die Beitragsbemessung heranzuziehen. Eine die beitragspflichtigen Einnahmen mindernde Berücksichtigung von Zwecksetzungen einzelner Einnahmen findet nicht statt. Danach kommt es für die Beitragspflicht nicht darauf an, ob die in Frage stehende Leistung mit Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen vergleichbar ist und auch nicht darauf, ob mit ihr weitere Zwecke verfolgt werden. Voraussetzung für die Beitragspflicht ist aber, dass die Mittel für die Bestreitung des Lebensunterhaltes zur Verfügung stehen. Dafür reicht nicht aus, dass eine Geldleistung tatsächlich auch zur Finanzierung des Lebensunterhaltes verwandt werden kann. Das ist nämlich bei allen Geldleistungen der Fall. Zu unterscheiden ist zwischen Leistungen, die zumindest auch dem allgemeinen Lebensbedarf zu dienen bestimmt sind und solchen, bei denen das nicht der Fall ist. Letztere sind für die Beitragsbemessung nicht heranzuziehen. Die Abgrenzung erfordert eine wertende Entscheidung über das Bestehen einer besonderen Zweckbestimmung von öffentlichen Leistungen. Dabei ist zu berücksichtigen, ob die in Frage stehende Leistung die allgemeine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Zahlungsempfängers günstig beeinflusst (vgl. zum Ganzen BSG v. 3. Juli 2013 – B 12 KR 27/12 R – juris Rn 17/18; LSG Baden-Württemberg v. 26. Januar 2016 – L 11 KR 888/15 – juris Rn 29 mit weit. Nachw.).

Der Senat ist der Überzeugung, dass die der Klägerin vom Jugendamt gewährten Leistungen nicht zur Finanzierung ihres allgemeinen Lebensbedarfes bestimmt sind. Sie haben auch nicht den Nebenzweck, ihre allgemeine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verbessern. Rechtsgrundlage für die Leistungen ist § 39 SGB VIII iVm den dazu ergangenen Ausführungsvorschriften der Berliner Senatsverwaltung über Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) und teilstationärer Familienpflege (§ 32 Satz 2 SGB VIII) v. 21. Juni 2004. Aus diesen Vorschriften ergibt sich, dass die Leistungen die Kosten der Erziehung abdecken sollen. Nach der Konzeption des Gesetzes ist Leistungsberechtigter das Kind bzw. dessen Personensorgeberechtigter, nicht aber die Pflegeperson. Das spricht dagegen, dass diese Leistungen den Zweck haben, das Einkommen der Pflegeperson zu mehren (BSG v. 29. März 2007 – B 7b AS 12/06 R; LSG Berlin-Brandenburg v. 7. September 2007 – L 24 KR 173/09 B ER). Nach den Gesetzesmaterialien soll mit diesen Leistungen ein Anreiz gesetzt werden, um die Bereitschaft zur Betreuung zur Pflegekinder zu stärken (BR-Drucks 503/89, S. 73). Danach ist die Anreizfunktion der eigentliche Zweck der Leistung und nicht die Sicherung des Lebensunterhaltes. Ein dadurch bewirkter finanzieller Vorteil bei der Pflegeperson ist bloße Nebenfolge. Dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck würde es widersprechen, wenn der Anreiz gerade für freiwillig Versicherte dadurch gemindert wird, dass eine Berücksichtigung als Einnahme bei der Beitragsbemessung erfolgt. Im Übrigen ist das Erziehungsgeld auch im Rahmen des SGB II und des SGB XII von der Berücksichtigung als Einnahmen zum Lebensunterhalt ausgeschlossen (v. Koppenfels-Spiess in jurisPK SGB VIII, § 39 Rn 42, 43). Ersteres gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – nicht mehr als zwei Pflegekinder betreut werden. Deswegen spricht der Gedanke der Einheit der Rechtsordnung dafür, von einer Anrechnung auch im Rahmen der beitragspflichtigen Einnahmen abzusehen. Dazu verweist der Senat auf § 3 Abs. 1 Satz 3 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler, wonach eine Berücksichtigung als beitragspflichtige Einnahme zu unterbleiben hat, wenn eine Leistung wegen ihrer besonderen Zwecksetzung bei der Gewährung von sonstigen einkommensabhängigen Sozialleistungen nicht als Einkommen berücksichtigt wird. Da die Vorschrift der Klarstellung dient, ist unerheblich, dass sie erst seit der 5. Änderung der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler vom 27. November 2013 in den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler zu finden ist.

Die gegenteiligen Argumente des Sozialgerichts sowie des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts (Urt. v. 15. Dezember 2011 – L 5 KR 101/10) und des Hessischen Landessozialgerichts (Urt. v. 22. August 2013 – L 1 KR 390/12). überzeugen den Senat nicht. Zunächst geht es nicht an, die vorhandene Rechtsprechung des BSG zur Einordnung des Erziehungsgeldes als nicht der Lebensführung der Pflegeperson dienende Leistung mit dem Hinweis wegzuwischen, dass das BSG zur Frage des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II entschieden habe und nicht zur Bemessung von Beiträgen nach § 240 SGB V. Entscheidungserheblich ist in beiden Konstellationen dieselbe Sachfrage, ob die Leistungen nach § 39 SGB VIII dem Zweck dienen, die allgemeine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Pflegeperson günstig zu beeinflussen. Die Zweckbestimmung der Leistungen nach dem SGB VIII kann sich nicht danach unterscheiden, ob ihre Anrechnung auf den Bedarf nach dem SGB II oder die Höhe von Beiträgen zur Krankenversicherung in Frage steht. Auch das Argument, dass die tatsächlichen Aufwendungen für die Betreuung eines Pflegekindes bereits durch die Sachpauschale abgedeckt seien, so dass das zusätzlich gezahlte Erziehungsgeld der Pflegeperson zum Verbrauch zur Verfügung stehe, überzeugt nicht. Abgesehen davon, dass der Senat es für fraglich hält, ob die Sachpauschale ausreicht, um alle im Rahmen der Unterbringung, Betreuung und Erziehung eines Kindes anfallenden Aufwendungen zu decken, kommt es nicht auf die tatsächliche Verwendung des Geldes, sondern auf die von dem Gesetzgeber mit der Leistung verfolgte Zweckbestimmung an. Den Vorschriften ist aber – wie bereits erwähnt – gerade nicht zu entnehmen, dass Zweck der Zahlung des Erziehungsgeldes die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Pflegeperson ist. Auch in den Berliner Ausführungsvorschriften findet sich dafür nichts. Ob den Empfehlungen des Bayerischen Landkreistages und des Bayerischen Städtetages für die Vollzeitpflege nach dem SGB VIII und den Richtlinien des Kreises Rendsburg-Eckernförde über die Gewährung von Pflegegeld für junge Menschen in Vollzeitpflege nach gemäß §§ 27 und 41 SGB VIII in Verbindung mit § 33 SGB VIII insoweit - wie das Sozialgericht meint - etwas Anderes zu entnehmen ist, kann hier dahingestellt bleiben. Diese Vorschriften sind nämlich jedenfalls auf die an die Klägerin gewährten Leistungen nach dem SGB VIII nicht anwendbar.

Der Beitragsbemessung zu unterwerfen war indessen der an die Klägerin vom 30. Juni 2009 bis 30. Juni 2010 gewährte Gründungszuschuss. Das ergibt sich aus § 240 Abs. 2 Satz 3 SGB V, wo ebenfalls bestimmt ist, dass der zur sozialen Sicherung vorgesehen Teil des Gründungszuschusses in Höhe von 300,- EUR nicht berücksichtigt werden darf. Für die Zeit vom 30. Juni 2009 bis 30. Juni 2010 war daher aus dem Gründungszuschuss eine monatliche Einnahme in Höhe von 1.191,30 EUR für die Beitragsbemessung zu berücksichtigen, die mit den negativen Einnahmen der Klägerin aus selbständiger Erwerbstätigkeit entsprechend ihrem Steuerbescheid für 2009 in Höhe von -1.277,- EUR entsprechend – 106,42 EUR monatlich zu verrechnen sind. Zu berücksichtigen sind weiter ihre Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 6.316,- EUR. Das entspricht nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler monatlichen Einnahmen in Höhe von 526,34 EUR. Insgesamt waren daher ab dem 30. Juni 2009 beitragspflichtig monatliche Einnahmen in Höhe von 1.611,22 EUR. Die auf dem Steuerbescheid für 2009 beruhende Höhe der Einnahmen ist nach § 240 Abs. 4 Satz 6 SGB V grundsätzlich auch für das Jahr 2010 noch maßgebend, da die Klägerin bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens keinen neueren Steuerbescheid vorgelegt hat. Allerdings ist mit dem 29. März 2010 ihr Anspruch auf Gründungszuschuss weggefallen, so dass seitdem lediglich 419,92 EUR monatlicher Einnahmen beitragspflichtig waren. Maßgeblich war dann nach § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V allerdings die Mindestbeitragsbemessungsgrundlage in Höhe von einem Vierzigstel der monatlichen Bezugsgröße je Kalendertag. Im Jahre 2010 war die monatliche Bezugsgröße auf 2.555.- EUR festgesetzt. Daraus ergibt sich eine Mindestbeitragsbemessungsgrundlage von 63,875 EUR täglich und 1.916,25 EUR monatlich. Die weitere Absenkung der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage auf ein Sechzigstel der monatlichen Bezugsgröße nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler kam nicht in Betracht, weil die Klägerin steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen hatte (§ 7 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 Beitragsverfahrensgrundätze Selbstzahler). Demnach war als Beitragsbemessungsgrundlage heranzuziehen für die Zeit vom 30. Juni 2009 bis 29. März 2010 ein monatliches Einkommen von 1.611,25 EUR und vom 30. März 2010 bis 30. Juni 2010 ein monatliches Einkommen von 1.916,25 EUR. Der (ermäßigte) Beitragssatz zur Krankenversicherung betrug am 30. Juni 2009 noch 14,9 %, seitdem durchgehend 14,3 %. Der Beitragssatz zur Pflegeversicherung war während des gesamten Zeitraums 1,95 %. Demnach ergab sich für den 30. Juni 2009 ein Beitrag von 8,00 EUR zur Krankenversicherung und von 1,05 EUR zur Pflegeversicherung. Ab dem 1. Juli 2009 war ein monatlicher Beitrag zur Krankenversicherung von 230,40 EUR und zur Pflegeversicherung von 31,42 EUR zu zahlen. Seit dem 30. März 2010 waren dann bis zum 30. Juni 2010 monatliche Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 274,02 und zur Pflegeversicherung in Höhe von 37,37 EUR geschuldet. Die Beklagten haben die Beiträge daher erst seit dem 30. März 2010 zutreffend und vorher überhöht festgesetzt.

Nach alledem musste die Berufung teilweise Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.

Der Senat hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 160 Abs. 2 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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