L 9 U 1774/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 2962/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 1774/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 10. April 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtlich Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Linsentrübung am linken Auge als Berufskrankheit nach Ziffer 2401 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

Der 1945 geborene Kläger war vom 08.04.2010 bis 30.04.2011 als Oberarzt im St. R.-Krankenhaus O., Abteilung für Allgemein- und Thoraxchirurgie, beschäftigt. Während dieser Tätigkeit operierte er im Sommer 2010 mit dem testweise eingeführten Laser "Eraser 3.0" der Firma Rolle + Rolle (im Folgenden: Rolle-Laser). Hierbei entstanden als Begleiterscheinung starke Lichterscheinungen.

Im Sommer 2010 bemerkte der Kläger eine Verschlechterung der Sehfähigkeit des linken Auges. Im Januar 2011 konsultierte er den ihm bekannten Oberarzt der Augenklinik der Universitätsklinik R. Dr. B., welcher eine Linsenrandtrübung am linken Auge diagnostizierte. Nachdem der Kläger im März 2011 bei einer längeren Nachtfahrt starke Einschränkungen der Sehfähigkeit des linken Auges bemerkte, stellte er sich am 14.03.2011 bei der Fachärztin für Augenheilkunde Dr. B. vor. Diese diagnostizierte eine provecte Katarakt links und führte am 22.03.2011 eine Kataraktoperation links durch.

Mit Schreiben vom 25.03.2011 zeigte der Kläger bei der Beklagten die Katarakt seines linken Auges als berufsbedingte Gesundheitsschädigung an und ergänzte dies in der Folge mit weiteren Stellungnahmen. Bei den im Sommer 2010 mit dem Rolle-Laser durchgeführten Operationen seien beim Durchtrennen von soliden Gewebebestandteilen regelmäßige, im Auftreten unkalkulierbare, heftige Lichtblitze entstanden, die eine enorme Lichtbelastung nicht definierter Wellenlängen als Streulicht für sein fixierendes Auge als Operateur dargestellt hätten. Infolge dessen habe sein linkes Auge eine sukzessiv einsetzende deutliche Verschlechterung der Sehleistung entwickelt. Er habe "10 plus" Operationen mit dem sog. Rolle-Lungenlaser durchgeführt. Diese hätten durchschnittlich 60 Minuten gedauert. In zeitlichem Zusammenhang hierzu habe er erstmals im Juli/August 2010 eine Visusverschlechterung am linken Auge festgestellt. Diese Veränderungen seien nach vergeblicher Korrektur durch kostenintensive Brillenregulierungen im Januar 2011 als akut einsetzende, in kurzem Zeitintervall fortschreitende, einseitige Linsentrübung erkannt und als korrekturwürdig eingestuft worden. Zwar seien die für die Laseranwendung vorgeschriebenen Sicherheitsvorkehrungen wie das Absaugen der gasförmigen sog. Schmauchrückstände sowie das Tragen spezieller Schutzbrillen aller im Raum anwesenden Personen sichergestellt gewesen, die Schutzbrillen seien aber an der Wellenlänge des Laserlichts ausgerichtet gewesen, nicht an dem Streulicht nicht definierter Wellenlängen. Vor Sommer 2010 hätte bei ihm lediglich eine altersbedingte, zwar korrigierte, aber nur geringfügige Nahsichtschwäche für beide Augen ohne Seitendifferenz bestanden, und beim Führen eines Pkw bzw. in Vortragsräumen habe er zur Unterstützung eine schwache Fernbrille getragen. Das Tragen von Brillen sei weder zwingend noch dauerhaft erforderlich gewesen, und Änderungen der Visusleistung seien seit 2003 nicht registriert worden.

Die Beklagte leitete ein Feststellungsverfahren bezüglich der Berufskrankheit nach Ziffer 2401 der Anlage 1 zur BKV (im Folgenden BK Nr. 2401) "Grauer Star durch Wärmestrahlung" ein.

Dr. W. teilte für den ehemaligen Arbeitgeber des Klägers mit, der Kläger sei im Stationsdienst und bei Operationen tätig gewesen. Umgang mit dem Rolle-Laser habe er nur intra-operativ gehabt, er habe bei drei Operationen mit dem Rolle-Laser gearbeitet.

Dr. B. teilte der Beklagten auf deren Anfrage telefonisch mit, dass er keine Unterlagen über den Kläger habe. Nach seiner Erinnerung habe er den Kläger ca. im Januar 2011 einmalig untersucht, mehr oder weniger privat unter Kollegen, und habe eine bereits fortgeschrittene Linsentrübung festgestellt. Er habe dem Kläger eine operative Behandlung angeboten, zu der dieser sich nicht habe entschließen können. Dr. B. teilte mit, den Kläger erstmals am 14.03.2011 untersucht zu haben. Sie habe eine provecte Katarakt links diagnostiziert, den Visus am linken Auge gab sie mit Fingerzählen an. Am 22.03.2011 habe sie eine Kataraktoperation durchgeführt.

Der Präventionsdienst der Beklagten (PD) gelangte in einer Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition vom 12.09.2012 zu dem Ergebnis, dass zwar bei Operationen mit dem Rolle-Laser die vom Kläger beschriebenen Leuchterscheinungen auftreten würden, diese auch zu Blendungen führen könnten, jedoch sei deren Wellenlängenbereich nicht geeignet, eine Linsenrandtrübung hervorzurufen. Den Ausführungen des Herstellers zufolge liege das Spektrum der blitzartigen Leuchterscheinungen im sichtbaren Bereich bei Wellenlängen zwischen 400 nm und 780 nm. Nach der Norm zur Lasersicherheit IEC 60825-1 stelle im Wellenlängenbereich von 400 nm bis 1400 nm die Verletzung der Netzhaut die größte Gefährdung dar. Für die Strahlung dieser Wellenlänge sei u.a. die Linse durchlässig. Die Wellenlänge des Lasers liege bei 1318 nm und sei damit auch nicht geeignet, zu Linsentrübungen zu führen. Die Problematik sei auch an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gemeldet worden. Dies habe jedoch weder zu einer Kundeninformation durch den Hersteller noch zu einer Information oder gar Festlegung von Maßnahmen durch das BfArM geführt. Wäre eine wie vom Kläger beschriebene Gefährdung vorhanden gewesen, wären solche Informationen oder Maßnahmen in der Zwischenzeit erfolgt. Man könne davon ausgehen, dass sich das BfArM der Argumentation des Herstellers angeschlossen habe.

Der Augenarzt Dr. W. gelangte in einer beratenden Stellungnahme vom 12.10.2012 zu dem Ergebnis, dass keine Erkrankung im Sinne der BK Nr. 2401 vorliege. Der Rolle-Laser werde auch andernorts vielfach verwendet und zwar problemlos. Bei der vom Kläger genannten Anwendung müssten beide Augen betroffen sein.

Der Gewerbemedizinaldirektor PD Dr. J. führte in einer Stellungnahme vom 22.11.2012 aus, eine BK Nr. 2401 sei nicht anzunehmen.

Mit Bescheid vom 03.12.2012 lehnte die Beklagte es ab, die Linsenrandtrübung des linken Auges beim Kläger als BK Nr. 2401 anzuerkennen. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Die Begründung der ablehnenden Entscheidung enthalte fehlerhafte Ausführungen zum Laserlicht, aber keine Ausführungen zu dem Streulicht, welches er allein für die aufgetretene Erkrankung verantwortlich mache. Er halte eine fachwissenschaftliche Begutachtung der durch den Rolle-Laser entstehenden Lichtphänomene und deren Auswirkungen auf menschliches Linsengewebe für erforderlich.

Der PD wies in einer ergänzenden Stellungnahme vom 25.02.2013 darauf hin, dass bereits dargestellt worden sei, welche Wellenlängen sowohl die Leuchterscheinungen als auch die Laserstrahlung des Rolle-Lasers hätten und dass diese nicht geeignet seien, Schädigungen der Linse hervorzurufen. Hintergrund der Leuchterscheinungen sei die Entzündung des Rauches, der beim Bearbeiten des Gewebes mit einem Laser entstehe. Der Rauch sei deutlich sichtbar, was auf einen höheren Anteil von feinen Partikeln im Rauch schließen lasse. Das Aufblitzen sei das Zünden und Verbrennen der im Rauch vorhandenen feinen Partikel und brennbaren Gase. Der Durchmesser der beim Lasern von Gewebe freigesetzten Rauchpartikel sei mit unter 1 µm im Vergleich z.B. zu Bärlappsporen deutlich kleiner und ihre reaktive Oberfläche daher deutlich größer. Die erforderlichen Zünd- und Verbrennungstemperaturen seien denen der Bärlappsporen zumindest vergleichbar bzw. sogar eher niedriger. Weiter seien die für den Verbrennungsvorgang zur Verfügung stehenden Stoffmengen äußerst gering. Von diesen Mengen könne nur ein Bruchteil vom Laser gezündet werden, da der weit größere Teil sofort in den Raum entweiche oder von der Belüftungsanlage des OP erfasst werde. Nur ab und zu bilde sich ein Gemisch, welches sich blitzartig entzünden könne. Somit seien an jedem Zündvorgang nur wenige Milligramm Partikel beteiligt, die dadurch auch nur entsprechend wenig Energie freisetzen könnten. Die bei der Zündung als optische Strahlung freiwerdende Energie werde in jede Richtung abgestrahlt, es komme auch nur ein Bruchteil im Auge des Betrachters an.

Dr. W. gab in einer erneuten beratenden augenärztlichen Stellungnahme vom 21.03.2013 an, das lebenslange Wachstum einer Augenlinse laufe keineswegs an beiden Augen gleichmäßig ab. Im Übrigen hätten nach Auskunft des Berufsverbandes der Augenärzte im Alter zwischen 52 und 64 Jahren 50% der Bevölkerung einen Grauen Star, ohne Sehstörungen zu bemerken. Zwischen 65 und 75 Jahren seien es weit über 90%, wobei die Hälfte von ihnen Beeinträchtigungen ihres Sehvermögens wahrnehmen würden, wenn sie das 75. Lebensjahr erreicht hätten. Im Alter des Klägers sei also das Vorhandensein und Bemerken eines Grauen Stars durchaus typisch. Auch eine Trübung "vom Rand her" sei typisch für bestimmte Altersveränderungen der Augenlinse. Gerade Streulicht würde beide Augen treffen. Reflektorischer Lidschluss und Pupillenverengung spielten sich nicht in der vom Kläger vermuteten Geschwindigkeit ab. Ein Unfallzusammenhang bzw. eine Berufskrankheit lasse sich im Fall des Klägers nicht wahrscheinlich machen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.07.2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 26.08.2013 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Zur Begründung hat er darauf verwiesen, dass der Rolle-Laser unterschiedliche Einstellungen zulasse. Soweit die Beklagte sich darauf berufe, dass die Wellenlängen der blitzartigen Leuchterscheinungen nicht geeignet seien, Linsenschädigungen hervorzurufen, müsse dies durch entsprechende Messungen bei genau den von ihm geschilderten Arbeitsvorgängen unter identischen Bedingungen belegt werden. Auch die Darstellung, es bestünde ein Verbrennungsvorgang von sog. Rußpartikeln mit der Entwicklung von Streulicht sei nachweispflichtig. Die Lichtblitze seien damit nicht umfänglich erklärt. Die angeführten Berechnungen müssten anhand von Versuchsanordnungen nachgewiesen werden. Die Betroffenheit nur eines Auges spreche nicht gegen das Vorliegen der BK, sondern erkläre sich dadurch, dass beim operativen Arbeiten am Brustkorb eines seitliegenden Patienten das linke Auge Führungsauge sei, beim Tragen von Lupenbrillen dem rechten Auge ein Schutz insofern zukomme, als der Einfallswinkel des Lichtblitzes für das rechte Auge flacher sei als der, der den Lupenbrillenköcher des linken Auges treffe, so dass dort weniger Strahlungsenergie lande.

Das SG hat die Klage nach vorheriger Ankündigung mit Gerichtsbescheid vom 10.04.2015 abgewiesen. Eine BK Nr. 2401 liege nicht vor. Von dieser BK erfasst würde "Grauer Star durch Wärmestrahlung". Als Schadensquelle werde nach der wissenschaftlichen Literatur zum Unfallrecht Infrarotstrahlung angenommen, wobei der die Augenlinse schädigende Wellenlängenbereich zwischen 750 nm und 2400 nm liege. Wärmestrahlung umfasse dabei alle Strahlungsarten, die typischerweise von einem unter hohen Temperaturen glühenden Material ausgingen. Als Wärmestar würden dabei auch die durch Kurzwellenbestrahlung, Ultraschall, Mikro- und Radiowellen sowie Laserstrahlen erzeugten Linsentrübungen gelten. Vorausgesetzt werde aber allgemein eine Expositionsdauer von 10 bis über 20 Jahre. Diese Voraussetzungen könnten beim Kläger nicht wahrscheinlich gemacht werden. Eine haftungsbegründende Kausalität zwischen dem blitzartig auftretenden Streulicht und der Linsenrandtrübung des Klägers könne aufgrund zahlreicher Indizien nicht angenommen werden. Zum einen sei die kurze Einwirkzeit anzuführen. Der Kläger selbst habe von "10 plus" Operationen berichtet. Er sei frühestens ab April 2010 dem auftretenden Streulicht ausgesetzt, bereits im Januar 2011 sei eine fortgeschrittene Linsenrandtrübung bei ihm diagnostiziert worden. Eine mehrjährige Exposition habe damit nicht vorgelegen. Des Weiteren sei beim Kläger nur ein Auge betroffen. Wie Dr. W. jedoch zutreffend dargestellt habe, würde gerade das vom Kläger angenommene blitzartig auftretende Streulicht bei den Verbrennungsvorgängen von freigesetztem Material beide Augen betreffen. Lidschluss und Pupillenverengung erfolgten reflektorisch und würden sich nicht in der vom Kläger vermuteten Geschwindigkeit bzw. der von ihm angenommenen Beherrschbarkeit abspielen. Hinzu komme auch, dass das Streulicht nicht gezielt ins Auge des Operateurs geleitet werde, sondern sich nach allen Richtungen im Raum verteile, so dass nur ein Bruchteil ins Auge treffe, zumal der Kläger auch noch eine Laserschutz- und Operationsbrille getragen habe. Schließlich habe die einseitige Linsentrübung vom Rand her eingesetzt, was nach den überzeugenden Ausführungen des Dr. W. typisch für einen altersbedingten Grauen Star sei. Auch die - näher wiedergegebene - Stellungnahme des Präventionsdienstes vom 25.02.2013 wiederlege ausführlich und überzeugend einen Zusammenhang des blitzartigen Streulichts mit den beim Kläger stattgehabten Augenveränderungen. Außerdem sei zu beachten, dass im Alter des Klägers weit über 90 % der Bevölkerung einen Grauen Star habe, wobei die Hälfte Beeinträchtigungen des Sehvermögens wahrnehme, wie Dr. W. nachvollziehbar ausgeführt habe. Auch die Trübung vom Rand her sei typisch für Altersveränderungen der Augenlinse. Nicht außer Acht gelassen werden könne auch, dass der Rolle-Laser nunmehr seit langer Zeit angewendet werde, ohne dass es zu vergleichbaren Problemen gekommen wäre oder gar eine Herstellerinformation oder sonstige Schutzmaßnahmen hätten eingerichtet werden müssen. Vor diesem Hintergrund habe zu weiterer Beweiserhebung kein Anlass bestanden. Weder habe eine ausreichend lange Expositionsdauer bestanden noch könne bei dem vom Kläger angeschuldigten blitzartig auftretenden Streulicht eine entsprechende Verbrennungsenergie angenommen werden. Der Kläger befinde sich in einem Alter, in dem das Auftreten eines Grauen Stars ohnehin hochwahrscheinlich sei, darüber hinaus werde nur eine Schädigung an einem Auge geltend gemacht.

Hiergegen richtet sich die am 06.05.2015 eingelegte Berufung des Klägers. Zur Begründung hat er sein vorheriges Vorbringen wiederholt und vertieft: Eine andere Ursache für seine Augenerkrankung als das Arbeiten mit dem Rolle-Laser scheide für ihn aus. Vor 2010 sei letztmals im Jahr 1995 eine Korrektur seiner Sehhilfen erforderlich gewesen. Augenprobleme habe er abgesehen von Beschwerden im Rahmen einer starken Pollinose und dem Eindruck, das jahrzehntelange Tragen einer Lupenbrille zusammen mit einer Kopflampenbeleuchtung könnte zu einer Beeinträchtigung der Sehschärfe führen, vor 2010 nicht gehabt. Sein rechtes Auge sei weiterhin unter Versorgung mit einer neu angepassten Gleitsichtbrille unverändert optimal, auch der Zustand nach der Operation am linken Auge. Überdies sei zu berücksichtigen, dass der Rolle-Laser verschiedene Energieeinstellungen zulasse. Hierzu müsse die Dokumentation des Krankenhauses eingesehen werden. Nur so könnte bewiesen werden, welche Wellenlängen und damit welche Energiemengen beim Auftreten der Lichtblitzphänomene in der realen Situation der operierten Patienten zur Anwendung gekommen seien. Auf die Vermerke der Beklagten zu telefonischen Angaben des Dr. B. könne sich das Gericht nicht stützen. Offenbar habe sich dieser nicht näher erinnern können. Die Stellungnahmen des Dr. W. seien unzutreffend, oberflächlich und stimmten nicht mit der Chronologie der Ereignisse überein. Die Stellungnahmen des PD seien ebenfalls unzutreffend und widersprüchlich. Er rege die Begutachtung des Vorgangs durch einen auf die Lichtpathologie des Auges spezialisierten Augenarzt an. Zudem sei eine faktische Überprüfung der offenbar gerätespezifischen Lichtphänomene des spezifischen, verwendeten Lasergeräts und dieses unter den Originalbedingungen der Situation im R.-Krankenhaus O. 2010 erforderlich. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 13-27 der Berufungsakte Bezug genommen. Hierzu hat der Kläger auch eine DVD über eine Operation mit einem Lungen-Laser der Firma M. vorgelegt, bei der keine Blitzlichteffekte zu sehen seien.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 10. April 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 3. Dezember 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2013 zu verurteilen, bei ihm eine Linsentrübung am linken Auge als Berufskrankheit nach Nr. 2401 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Ausführungen des SG.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und insgesamt zulässig. Sie ist aber unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, der Bescheid vom 03.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.07.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Anerkennung einer Linsentrübung am linken Auge als BK Nr. 2401.

Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB II ist die Bundesregierung ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höheren, Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind, wobei sie auch bestimmen kann, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung der das Wiederaufleben der Krankheiten ursächlich waren oder sein können. Von dieser Ermächtigung hat der Verordnungsgeber mit Erlass der Anlage 1 zur BKV, die eine Liste der Berufskrankheiten enthält, Gebrauch gemacht.

Bei der vorliegend streitigen BK Nr. 2401 handelt es sich um "Grauen Star durch Wärmestrahlung". Für das Vorliegen des Tatbestandes der BK ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (BSG, Urteil vom 31.05.2005 – B 2 U 12/04 R - SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m.w.N.).

Zwar übte der Kläger während seiner Beschäftigung im R.-Krankenhaus O. eine versicherte Tätigkeit aus. Auch erkrankte er an grauem Star im Bereich des linken Auges, was aus den insoweit übereinstimmenden Angaben des Klägers sowie des Dr. B. und der Dr. B. gegenüber der Beklagten folgt.

Allerdings liegt zur Überzeugung des Senats bereits keine schädigende Einwirkung i.S.d. BK Nr. 2401 durch die versicherte Tätigkeit vor und ist die aufgetretene Linsentrübung am linken Auge des Klägers nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf "Wärmestrahlung" i.S.d. BK Nr. 2401 zurückzuführen.

1. Zum einen war der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit im Sommer 2010 zwar blitzartigen Leuchterscheinungen ausgesetzt, diese waren aber bereits aufgrund ihrer Wellenlänge im sichtbaren Bereich von 400 nm bis 780 nm und im Hinblick auf die jeweilige Energiemenge nicht geeignet, Schädigungen an der Augenlinse zu verursachen. Insoweit stützt sich der Senat ebenso wie das SG auf die überzeugenden Ausführungen des Präventionsdienstes der Beklagten vom 12.09.2012 und vom 25.02.2013. Daran, dass die Lichterscheinungen den vom Hersteller angegebenen Wellenlängen zuzuordnen sind, hat der Senat keine Zweifel und schließt sich auch insoweit der Einschätzung des PD an. Dies gilt auch für die Ausführungen des PD dazu, dass Licht in diesem Bereich nicht geeignet ist, Veränderungen der Augenlinse zu verursachen. Dies steht auch in Übereinstimmung mit dem - allgemein zugänglichen - Inhalt des Leitfadens "Sichtbare und infrarote Strahlung" des Fachverbandes für Strahlenschutz e.V. vom 15.12.2011 (abrufbar auf der Homepage des Fachverbandes für Strahlenschutz e.V. unter www.fs-ev.org/arbeitskreise/nichtionisierende-strahlung unter Downloads). Darin wird unter "4.1.2 Wirkung sichtbarer Strahlung auf das Auge" ebenfalls ausgeführt, dass sichtbare Strahlung auf das Auge zu thermischen Schäden an der Netzhaut führt, nicht aber an der Linse.

Überdies war der Kläger diesen Leuchterscheinungen nur in einem sehr geringen Umfang ausgesetzt. Selbst wenn mit dem blitzartig aufgetretenen Streulicht auch Strahlung in anderen Wellenbereichen (Ultraviolette Strahlung (UV-Strahlung) und/oder Infrarot-Strahlung (IR-Strahlung)) verbunden gewesen wäre, lägen daher die Voraussetzungen für die Anerkennung der BK nicht vor. Bezüglich der Voraussetzungen, welche die äußere Einwirkung erfüllen muss, damit eine Anerkennung als BK in Frage kommt, ist zu beachten, dass die Einwirkung nicht nur der Art nach, sondern auch nach ihrer Dauer und Intensität zur Verursachung der Krankheit geeignet gewesen sein muss. Soweit der Verordnungstext hierzu keine konkreten Festlegungen beinhaltet, muss auf die verfügbaren medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse zurückgegriffen werden, wobei eine Erkenntnisquelle die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebenen Merkblätter für die ärztliche Untersuchung darstellen, die aber regelmäßig darauf zu überprüfen sind, ob die diesbezüglichen Angaben den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zutreffend wiedergeben (Brandenburg in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 9 SGB VII Rn. 84 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 27.06.2006 - B 2 U 20/04 R - Juris).

Zur BK Nr. 2401 enthält der Verordnungstext den Begriff "Wärmestrahlung". Vom Schutzzweck der Norm her ausgelegt dient der Begriff dazu, den beruflich bedingten vom sog. altersbedingt auftretenden grauen Star abzugrenzen. Zugleich sollte damit die Anerkennung des grauen Stars als BK nicht nur bei Arbeitnehmern, die in zuvor festgelegten Unternehmen Strahlungsenergie ausgesetzt waren, die typischerweise bei Schmelzvorgängen entstehen, sondern auch bei den Arbeitnehmern, die einer Schädigung durch vergleichbare Einwirkungen im übrigen Bereich des Arbeitsmarkts ausgesetzt waren, erreicht werden (BSG, Urteil vom 23.09.1997 - 2 RU 10/96 - Juris.).

Vergleichbaren Einwirkungen in diesem Sinne war der Kläger nicht ausgesetzt. In dem Merkblatt zur BK 2401 wird die Expositionsdauer des Infrarot-, Feuer-, Glasmacher- und Schmelzerstars mit 10 bis über 20 Jahren Arbeit (bei durchschnittlicher täglicher Expositionszeit für Glasmacher und Lokomotivheizer von 245 bis 102 Minuten) in einem gefährdenden Bereich angegeben. Dies schließt die Möglichkeit einer kürzeren Expositionsdauer nicht aus (vgl. BKV M 2401 Rn. 4). Im jüngeren Lebensalter wurde bereits nach ein- bis zweijähriger Tätigkeit der Glasmacherstar beobachtet (Sperl, ASU 2002, 350f). Hiervon ist der Kläger allerdings weit entfernt. Nach Auskunft des R.-Krankenhauses führte der Kläger im Sommer 2010 lediglich drei Operationen mit dem Rolle-Laser durch, nach den eigenen Angaben des Klägers führte er mehr als 10 Operationen mit einer durchschnittlichen Dauer von etwa 60 Minuten. Dies ergibt in der Summe eine Arbeitszeit mit dem Rolle-Laser von maximal 1000 Minuten. Hierbei ist auch zu beachten, dass die Leuchterscheinungen nicht durchgängig auftraten, sondern immer wieder blitzartig. Die zeitliche Dauer der Exposition entspricht damit bei weitem nicht den Anforderungen der BK Nr. 2401. Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse dazu, dass bereits eine lediglich auf wenige Arbeitstage begrenze Exposition gegenüber Wärmestrahlung von maximal 60 Minuten ausreichend wäre, um einen grauen Star auszulösen, liegen nicht vor. Vielmehr ist sowohl in Bezug auf UV-Strahlung als auch in Bezug auf IR-Strahlung weiterhin eine langjährige Einwirkung erforderlich, damit eine Katarakt entstehen kann (Fachverband für Strahlenschutz e.V., Leitfaden "Ultraviolettstrahlung künstlicher Lichtquellen", Stand 18.03.2013, Kapitel 4.2. "Zielorgan Auge" und Leitfaden "Sichtbare und infrarote Strahlung", Stand 15.12.2011 Kapitel 4.2.2 "IR-Einstrahlung auf das Auge", jeweils abrufbar auf der Homepage des Fachverbandes für Strahlenschutz e.V. unter www.fs-ev.org/arbeitskreise/nichtionisierende-strahlung unter Downloads). Überdies beginnt die Trübung der Linse bei langfristiger IR-Einwirkung am hinteren Pol der Augenlinse und breitet sich von dort zu den Seiten hin aus (Merkblatt zur BK Nr. 2401; Leitfaden "Sichtbare und infrarote Strahlung a.a.O. Ziffer 4.2.2.2). Bei dem Kläger wurde hingegen eine am Linsenrand beginnende Trübung festgestellt, wie der Kläger selbst über die Konsultation des Dr. B. im Januar 2011 angegeben hat.

2. Zum anderen kommt eine Linsentrübung aus anderer Ursache beim Kläger jedenfalls mit gewisser Wahrscheinlichkeit in Betracht. Beweisanzeichen für eine berufsbedingte Schädigung ist das Auftreten des Stars bereits in verhältnismäßig frühem Lebensalter (vgl BSG, Urteil vom 23.09.1997 - 2 RU 10/96 - Juris; m.w.N.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.12.2011 - L 6 VS 5431/08 - Juris). Bei dem am 01.01.1945 geborenen Kläger wurde aber erstmals im Januar 2011 und damit im Alter von 66 Jahren eine Linsentrübung festgestellt, sodass senile Veränderungen der Linse im Sinne eines Altersstars durchaus in Betracht kommen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass in Deutschland von den 52- bis 64-Jährigen bereits jeder zweite unter Grauem Star leidet, meist ohne von der Erkrankung zu wissen. Von den 65- bis 75-Jährigen ist nahezu jeder betroffen, wobei nur jeder zweite die schleichende Sehstörung bemerkt (Homepage des Berufsverbands der Augenärzte "Gute Sicht im Alter"). Damit ist aber die Verursachung der beim Kläger aufgetretenen Linsentrübung durch berufliche Einwirkungen nicht hinreichend wahrscheinlich. Überdies kann nicht ausgeschlossen werden, dass bereits vor dem ersten Bemerken von Sichtbeeinträchtigungen im Sommer 2010 Trübungen der Linse am linken Auge aufgetreten sind. Denn der Kläger gibt an, dass er bereits vor 2010 teilweise einer Brille sowohl für die Ferne als auch für die Nähe bedurfte, insoweit aber seit Jahrzehnten nicht durch einen Augenarzt, sondern lediglich durch einen Optikermeister betreut wurde, wo letztmals vor 2010 im Jahr 2003 (so im Verwaltungsverfahren vorgetragen) bzw. im Jahr 1995 (so mit der Berufung vorgetragen) eine Korrektur vorgenommen worden sei.

3. Zwar trifft es zu, dass Dr. W. und Dr. J. in ihren Stellungnahmen sowie die Beklagte in den angegriffenen Bescheiden z.T. im Widerspruch zur Aktenlage ausgeführt haben, es sei bereits vor 2010 eine Linsentrübung diagnostiziert worden. Hieraus kann der Kläger aber ebenso wenig einen Erfolg seiner Berufung ableiten wie aus dem Umstand, dass teilweise eine Vermischung der Begrifflichkeiten bzw. der Sachverhalte hinsichtlich Laserstrahlung und Leuchterscheinungen bzw. IR- und UV-Strahlung, erfolgt ist. Denn maßgeblich ist der tatsächliche Sachverhalt, wie oben dargestellt, und dieser lässt keine andere rechtliche Würdigung zu.

Im Hinblick auf die obenstehenden Ausführungen unter Ziffern 1 und 2 sieht der Senat in Übereinstimmung mit dem SG trotz der Anregungen des Klägers keinen Anlass für weitere Ermittlungen.

Mithin ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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