L 37 SF 128/14 EK AL

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
37
1. Instanz
-
Aktenzeichen
S 52 AL 2594/08 geführten Verfahrens eine Entsch
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 37 SF 128/14 EK AL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Im Falle der Anberaumung eines Erörterungstermins bzw. eines Termins zur mündlichen Verhandlung sind nicht nur der Monat, in dem die Ladung erfolgt, sowie der Terminsmonat selbst als Monate der gerichtlichen Aktivität zu bewerten, sondern darüber hinaus ein weiterer dazwischen liegender Kalendermonat.

Im Falle der Erkrankung eines Richters ist es in aller Regel nicht als entschädigungsrelevante Verzögerung zu bewerten, wenn der geschäftsplanmäßige Vertreter eine anberaumte mündliche Verhandlung nicht durchführt, diese vielmehr aufgehoben wird.

Die auf das Auftreten einer Erkrankung eines Richters folgenden drei Kalendermonate sind von Betroffenen als Phasen der höheren Gewalt entschädigungslost hinzunehmen, wenn dem Verfahren in dieser Zeit kein Fortgang gewährt wird. Den Gerichten steht dieser Zeitraum zur Einleitung der notwendigen Schritte zur Verfügung.

Im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren steht den Landessozialgerichten eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von in der Regel sechs Monaten zu.

Da Anknüpfungspunkt der Verfahrensdauer nach § 198 Abs 6 Nr 1 GVG das gerichtliche Verfahren insgesamt ist, können im Berufungs- oder Beschwerdeverfahren nicht ausgeschöpfte Vorbereitungs- und Bedenkzeiten vollumpfänglich zur Kompensation im erstinstanzlichen Verfahren aufgetretener Verzögerungszeiten herangezogen werden. Gleiches gilt umgekehrt.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht Berlin zuletzt unter dem Aktenzeichen S 52 AL 2594/08 geführten Verfahrens eine Entschädigung in Höhe von 2.800,00 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 02. Juni 2014 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat 30 %, der Beklagte 70 % der Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt eine Entschädigung wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht Berlin zuletzt unter dem Az. S 52 AL 2549/08 geführten Verfahrens.

Am 30. April 2008 erhob die Klägerin vor dem Sozialgericht Berlin Klage gegen einen Bewilligungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit, mit dem ihr ab dem 01. Januar 2008 für 360 Tage Arbeitslosengeld auf der Grundlage eines fiktiven täglichen Bemessungsentgelts in Höhe von 57,98 EUR gewährt worden war. Die Auszahlung wurde wegen eines Ruhens des Anspruchs aufgrund des Eintritts einer Sperrzeit, einer Entlassungsentschädigung sowie Urlaubsabgeltung jedoch erst zum 07. April 2008 aufgenommen. Die Auszahlung erfolgte letztlich nur bis zum 30. April 2008, weil die Klägerin ab Mai 2008 eine von der damaligen Beklagten mit einem Gründungszuschuss geförderte selbständige Tätigkeit aufnahm. Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die Gewährung höheren Arbeitslosengeldes unter Ansatz eines täglichen Bemessungsentgelts in Höhe von 118,87 EUR, das sie aus dem im Zeitraum vom 27. Oktober 2004 bis zum 26. Oktober 2005 erzielten Beschäftigungsentgelt errechnete. Sie sah es als verfassungs- und europarechtswidrig an, dass sich der Lohnersatz durch das Arbeitslosengeld nicht anhand des vor der Unterbrechung ihres Berufslebens durch Mutterschaft und Kindererziehung erzielten Arbeitsentgelts, sondern nach dem aktuell voraussichtlich erzielbaren Lohn bemesse.

Zugleich beantragte sie mit Schriftsatz vom 30. April 2008, die Bundesagentur für Arbeit im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 86 b des Sozialgerichts-gesetzes (SGG) zu verpflichten, ihr einen Vorschuss auf das Arbeitslosengeld auf der Grundlage eines täglichen Bemessungsentgelts i.H.v. 118,87 EUR sowie einen Vorschuss auf einen Gründungszuschuss auf der Grundlage dieses Betrages zu zahlen.

Unter dem 05. Mai 2008 bestätigte das Sozialgericht den Eingang der zunächst unter dem Aktenzeichen S 56 AL 2549/08 registrierten Klage und forderte die damalige Beklagte zur Erwiderung innerhalb eines Monats auf. Diese ging am 19. Juni 2008 ein. Am selben Tage verfügte der Kammervorsitzende eine Weiterleitung an die Klägerin zur Stellungnahme und eine Wiedervorlagefrist von zwei Monaten. Hierzu notierte er sich "Urteilsgründe BSG?". Ob diese Verfügung ausgeführt wurde, ist nach Aktenlage nicht ersichtlich. Jedenfalls verfügte der Richter am 07. Juli 2008, die Sache zum einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu nehmen.

In diesem unter dem Aktenzeichen S 56 AL 2549/08 ER geführten Verfahren hatte die Beklagte, nachdem sie der Klägerin zwischenzeitlich Arbeitslosengeld nach ei-nem auf 82,83 EUR erhöhten Bemessungsentgelt (Bescheid vom 06. Juni 2008) ge-währt hatte, am 11. Juni 2009 eine abschließende Stellungnahme abgegeben. Der Kammervorsitzende hatte der Klägerin daraufhin unter Beifügung der Seite 2 des Terminberichts Nr. 25/08 des Bundessozialgerichts eine Rücknahme des Antrages nahegelegt. Nachdem die Klägerin dieser Empfehlung nicht gefolgt war, lehnte das Sozialgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2008 den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ab.

Mit am 07. August 2008 eingegangenem Schriftsatz meldete sich der Ehemann der Klägerin für beide Verfahren als Bevollmächtigter und legte am 22. August 2008 Beschwerde gegen den im Eilverfahren ergangenen Beschluss ein. Mit ihm am 25. Sep¬tember 2009 zugestelltem Beschluss vom 19. September 2008 wies das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg die Beschwerde zurück (L 14 B 298/08 AL ER). Am 17. Oktober 2008 lagen die Akten wieder beim Sozialgericht vor.

Mit Schreiben vom 13. /18. November 2008 fragte der Kammervorsitzende unter Fristsetzung von einem Monat bei der Klägerin an, ob die Klage im Hinblick auf den Beschluss des Landessozialgerichts zurückgenommen werde. Mit am 16. Dezem-ber 2008 eingegangenem Schriftsatz lehnte die Klägerin dies ab und beantragte stattdessen, die Sprungrevision zuzulassen, und regte an, einen nahen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen.

Ab dem 17. Dezember 2008 wurde der Rechtsstreit mehrmals verfristet (Verfügun-gen vom 17. Dezember 2008, 6. Oktober 2009, 15. Juli und 18. Oktober 2010, 21. Januar, 18. April, 25. Juli und 25. Oktober 2011 sowie 25. Januar 2012).

Mit am 20. Dezember 2011 eingegangenem Schriftsatz erhob die Klägerin Verzöge-rungsrüge unter Bezugnahme auf § 202 SGG i.V.m. § 198 Abs. 3 des Gerichtsver-fassungsgesetzes (GVG).

Unter dem 23. Mai 2012 wurden die Beteiligten zur mündlichen Verhandlung auf den 19. Juni 2012 geladen. Am 12. Juni 2012 bat die Klägerin, die Anordnung ihres persönlichen Erscheinens zum Termin aufzuheben, hilfsweise den Termin zu vertagen, da sie am 19. Juni 2012 ein vielversprechendes Bewerbungsgespräch habe. Der Termin zur mündlichen Verhandlung wurde daraufhin am 13. Juni 2012 auf den 11. September 2012 verlegt. Dieser Termin wurde am 10. September 2012 wegen Erkrankung des Vorsitzenden aufgehoben. Am 20. November 2012 verfügte der Vertreter des Kammervorsitzenden den Rechtsstreit wieder in das so genannte E-Fach (Entscheidungs-Fach). Am 25. Februar 2013 erfolgte eine nochmalige Verfristung.

Nachdem der Rechtsstreit zwischenzeitlich in den Zuständigkeitsbereich der 52. Kammer übergegangen war und nunmehr unter dem Aktenzeichen S 52 AL 2549/08 geführt wurde, beraumte die neue Kammervorsitzende am 05. März 2013 einen Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 06. Juni 2013 an. Die Ladungen gingen eine Woche später ab. Zwischenzeitlich hatte die Klägerin mit am 10. März 2013 eingegangenem Schriftsatz erneut Verzögerungsrüge erhoben.

Am 06. Juni 2013 verhandelte das Sozialgericht die Sache und wies die Klage mit Urteil vom selben Tage ab. Am 12. Juni 2013 wurden dem Bevollmächtigten der Klä-gerin die schriftlichen Urteilsgründe zugestellt.

Am 07. Juli 2013 erhob die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde, die beim Landes-sozialgericht unter dem Aktenzeichen L 14 AL 144/13 NZB registriert wurde. Dieses bestätigte unter dem 09. Juli 2013 deren Eingang, erteilte dem Bevollmächtigten einen rechtlichen Hinweis, forderte die damalige Beklagte zur Erwiderung innerhalb eines Monats auf und setzte sich intern eine Wiedervorlagefrist von sechs Wochen. Die am 28. August 2013 eingehende Erwiderung der damaligen Beklagten wurde der Klägerin zwei Tage später zur Kenntnisnahme übersandt und der Rechtsstreit um zwei Monate verfristet. Mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 03. De¬zember 2013 zugestelltem Beschluss vom 29. November 2013 wies das Landessozialgericht die Beschwerde schließlich zurück.

Am 02. Juni 2014 hat die Klägerin - wiederum vertreten durch ihren Ehemann - eine Entschädigungsklage gegen das Land Berlin erhoben und die überlange Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens beklagt. Sie meint, bei einer Verfahrensdauer von mehr als fünf Jahren für einen einfach gelagerten Fall über einen Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld bei einem unstreitigen Sachverhalt liege offensichtlich eine überlange Verfahrensdauer vor. Eine aktive Verfahrensgestaltung sei bereits zwischen der Klageerhebung und dem 14. Dezember 2008 nicht zu erkennen. In den sich anschließenden gut dreieinhalb Jahren bis zum 23. Mai 2012 habe definitiv jegliche Aktivität gefehlt. Auch im Folgenden sei eine aktive Verfahrensgestaltung nur kurz in den Terminierungen zum 19. Juni 2012 und 11. September 2012 zu erkennen. Sodann habe das Verfahren ohne jegliche Aktivität wiederum bis zur erneuten Terminierung am 05. März 2013 sechs Monate lang geruht. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der anberaumte Termin am 19. Juni 2012 gegen ihren ausdrücklichen Wunsch verlegt worden sei; ihr Prozessbevollmächtigter hätte zur Verfügung gestanden. Die Anordnung ihres persönlichen Erscheinens sei weder erforderlich noch zweckdienlich gewesen, da es im Verfahren ausschließlich um die Klärung einfach gelagerter Rechtsfragen gegangen sei. Das Gericht habe somit mit der Vertagung des Termins selbst gegen das Gebot der Beschleunigung des zu diesem Zeitpunkt bereits erheblich verzögerten Verfahrens verstoßen. Gleiches gelte für die Terminierung erst zum 11. September 2012. Auch die Krankheit des Kammervorsitzenden ab dem 11. September 2012 entschuldige die Verzögerung nicht. Zum einen sei das Verfahren zu diesem Zeitpunkt bereits erheblich verzögert gewesen, zum anderen hätte das Gericht nunmehr eine besondere Beschleunigung des Verfahrens herbei-führen müssen. Zudem sei entsprechend dem Geschäftsverteilungsplan jede Rich-terstelle mit einer Vertretung besetzt. Der Termin hätte daher durch den geschäfts-planmäßigen Vertreter durchgeführt werden müssen. Zumindest hätte das Gericht spätestens zu dem Zeitpunkt, als bekannt geworden sei, dass die Erkrankung länger andauere, umgehend eine Vertretung benennen müssen. Spätestens am 24. Sep¬tember 2011 sei klar gewesen, dass für das bereits erheblich verzögerte Verfahren kurzfristig eine Lösung gefunden werden müsse. Soweit das sich anschließende Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren selbst nicht als verzögert zu bewerten sei, sei es umgekehrt jedoch auch nicht dazu angetan, die überlange Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens auch nur teilweise zu kompensieren.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, ihr eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Entschädigung, zumindest aber 4.900,00 Euro wegen überlanger Dauer des beim Sozialgericht Berlin zuletzt unter dem Aktenzeichen S 52 AL 2549/08 geführten Verfahrens nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins ab dem 02. Juni 2014 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er meint, dass das streitgegenständliche Ausgangsverfahren zwar lange, nicht je-doch zu lange gedauert habe. Es sei zu beachten, dass nach der von der Klägerin erbetenen Verlegung des zunächst anberaumten Termins eine erneute umgehende Terminierung zum 11. September 2012 erfolgt sei. Wegen einer Erkrankung des Vorsitzenden habe dieser Termin aufgehoben werden müssen. Da die Erkrankung länger gedauert habe, sei der Rechtsstreit nach einem Kammerwechsel am 05. März 2013 zum 06. Juni 2013 terminiert worden. Es sei zu berücksichtigen, dass jede erneute Terminierung schon wegen der Ladungsfristen und Zustellzeiten längere Zeiträume in Anspruch nehme. Zudem stelle die länger dauernde Erkrankung des Vorsitzenden keinen strukturellen Mangel dar, der geeignet sei, Entschädigungsansprüche nach § 198 GVG zu begründen. Bei einem nach Erkrankung des vormaligen Vorsitzenden erforderlich gewordenen Kammerwechsel sei eine erneute Terminierung innerhalb von weniger als sechs Monaten und ein Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens binnen weniger als neun Monaten nach der Erkrankung nicht unangemessen. Hierbei sei auch zu beachten, dass nicht auf jede Erkrankung sofort mit einem Präsidiumsbeschluss im Sinne einer Übertragung des Verfahrens an einen anderen Vorsitzenden reagiert werden könne, was schon die Beachtung des Gebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz – GG -) verbiete. Im Übrigen dürften Anordnungen des Präsidiums im Laufe des Geschäftsjahres nur geändert werden, wenn dies wegen Überlastung oder ungenügender Auslastung eines Richters oder Spruchkörpers oder infolge Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Richter nötig werde. Vor der Änderung sei den betroffenen Richtern Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben. Allein diese gesetzlichen Anforderungen an einen Kammerwechsel zeigten, dass im Ausgangsverfahren keine Verzögerung in dem Verfahrensstadium, welches sich an die Erkrankung des vormaligen Vorsitzenden anschloss, gesehen werden könne. Zudem sei nicht jede Abweichung vom Op-timum ausreichend für eine unangemessene Verfahrensdauer, sondern vielmehr die deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen erforderlich. Schließlich sei zu beachten, dass es in dem Ausgangsverfahren entgegen der Auffassung der Klägerin nicht um einfache Rechtsfragen gegangen sei. Die Klägerin habe vielmehr im Ausgangsverfahren selbst angeregt, die Sprungrevision zuzulassen. Auch das Urteil des Bundessozialgerichts, welches letztlich für die Begründung des klageabweisenden Urteils maßgeblich gewesen sei, sei erst im Laufe des Ausgangsverfahrens ergangen. Insofern sei im vorliegenden Fall eine Liegezeit von mehr als zwölf Monaten durchaus angemessen. Letztlich sei die Dauer des Ausgangsverfahrens durch die sehr kurze Dauer des sich anschließenden Beschwerdeverfahrens kompensiert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Akten des Ausgangsverfahrens verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet.

A. Die auf Gewährung einer Entschädigung gerichtete Klage ist zulässig.

I. Maßgebend für das vorliegende Klageverfahren sind die §§ 198 ff. GVG sowie die §§ 183, 197a und 202 SGG, jeweils in der Fassung des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (GRüGV) vom 24. November 2011 (BGBl. I, S. 2302) und des Gesetzes über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes vom 06. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2554). Bei dem geltend gemachten Anspruch auf Gewährung einer Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer handelt es sich nicht um einen Amtshaftungsanspruch im Sinne des Art. 34 GG. Es ist daher nicht der ordentliche Rechtsweg, sondern vorliegend der zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Denn die grundsätzlich in § 201 Abs. 1 Satz 1 vorgesehene Zuweisung der Entschädigungsklagen an das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde, wird für sozialgerichtliche Verfahren in § 202 Satz 2 SGG modifiziert. Nach dieser Regelung sind die Vorschriften des 17. Titels des GVG (§§ 198-201) mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das SGG tritt. Für die Entscheidung über die Klage ist daher das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zuständig.

II. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft. Nach § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. § 202 Satz 2 SGG sind die Vorschriften des SGG über das Ver-fahren vor den Sozialgerichten im ersten Rechtszug heranzuziehen. Gemäß § 54 Abs. 5 SGG kann mit der Klage die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Die Klägerin macht angesichts der Regelung des § 198 GVG nachvollziehbar geltend, auf die begehrte Entschädigungszahlung, die eine Leistung i.S.d. § 54 Abs. 5 SGG darstellt, einen Rechtsanspruch zu haben. Eine vorherige Verwaltungsentscheidung ist nach dem Gesetz nicht vorgesehen (vgl. § 198 Abs. 5 GVG). Vielmehr lässt die amtliche Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung (BT-Drs. 17/3802, S. 22 zu Abs. 5 Satz 1), nach der der Anspruch nach allgemeinen Grundsätzen auch vor einer Klageerhebung gegenüber dem jeweils haftenden Rechtsträger geltend gemacht und außergerichtlich befriedigt werden kann, erkennen, dass es sich hierbei um eine Möglichkeit, nicht jedoch eine Verpflichtung handelt.

III. Zweifel an der Wahrung der gemäß § 90 SGG für die Klage vorgeschriebenen Schriftform bestehen ebenso wenig wie an der Einhaltung der in § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG normierten Sechsmonatsfrist für eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer. Nach Zustellung des die Nichtzulassungsbeschwerde zurückweisenden Beschlusses am 03. Dezember 2013 wurde die Entschädigungsklage am 02. Juni 2014, mithin binnen sechs Monaten erhoben.

B. Auch ist die Zahlungsklage in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang be-gründet.

Die Klägerin begehrt eine Entschädigung für das beim Sozialgericht Berlin am 30. April 2008 eingeleitete und mit Zustellung der Urteilsgründe am 12. Juni 2013 erstinstanzlich beendete Verfahren. Mit Blick auf die Dauer dieses Verfahrens macht sie ausschließlich einen Nachteil geltend, der kein Vermögensnachteil ist, und begehrt eine Entschädigung in Höhe von mindestens 4.900,00 EUR. Eine Entschädigung steht ihr indes zur Überzeugung des Senats lediglich in Höhe von 2.800,00 EUR zu.

I. Zu Recht richtet sich die Klage gegen das hier passivlegitimierte Land Berlin. Denn nach § 200 Satz 1 GVG haftet für Nachteile, die aufgrund von Verzögerungen bei Gerichten eines Landes eingetreten sind, das Land. Da der geltend gemachte Entschädigungsanspruch lediglich die Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens be-trifft, erfolgt die Vertretung des Landes Berlin durch die Präsidentin des Sozialge-richts, obwohl das streitgegenständliche Ausgangsverfahren letztlich auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hin auch vom Landessozialgericht Berlin-Branden¬burg bearbeitet werden musste (§ 29 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Anordnung über die Vertretung des Landes Berlin im Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz vom 22. Oktober 2012, Amtsblatt Berlin 2012, 1979). Die Übertragung der Vertretung durch eine Verwaltungsanweisung ist nicht zu beanstanden (so Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 17.04.2013, X K 3/12, juris, Rn. 30 ff. für die vorher geltende Anordnung über die Vertretung des Landes Berlin im Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Justiz vom 20.09.2007, Amtsblatt Berlin 2007, 2641).

II. Allerdings steht der Klägerin nicht die von ihr geforderte Entschädigung in Höhe von mindestens 4.900,00 EUR, sondern lediglich eine solche in Höhe von 2.800,00 EUR zu.

Grundlage für den geltend gemachten Entschädigungsanspruch ist § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Danach wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Für einen Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist (§ 198 Abs. 2 S. 2 GVG). Eine Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur dann, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (§ 198 Abs. 3 Satz 1 GVG). Dies gilt nach Art. 23 Satz 2 bis 5 GRüGV für anhängige Verfahren, die bei Inkrafttreten des GRüGV schon verzögert sind, mit der Maßgabe, dass die Verzögerungsrüge unverzüglich nach Inkrafttreten des GRüGV erhoben werden muss. Nur in diesem Fall wahrt die Verzögerungsrüge einen Anspruch nach § 198 GVG auch für den vorausgehenden Zeitraum.

Die Klägerin hat am 20. Dezember 2011 – und damit unverzüglich (vgl. zur insoweit zu wahrenden Frist von drei Monaten ab Inkrafttreten des GRüGV am 03. Dezember 2011: Urteile des BFH vom 07.11.2013, X K 13/12, Rn. 31 ff. sowie vom 20.08.2014, X K 9/13, Rn. 23, des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 10.04.2014, III ZR 335/13, Rn. 23 ff. sowie des Bundessozialgerichts (BSG) vom 03.09.2014, B 10 ÜG 9/13 R, Rn. 23 und vom 05.05.2015, B 10 ÜG 8/14 R, Rn. 21, alle zitiert nach juris) - Verzö-gerungsrüge erhoben. Auch weist das streitgegenständliche Verfahren eine überlange Dauer auf, dies allerdings nicht in dem von der Klägerin beklagten Umfang.

Ob ein Verfahren als überlang anzusehen ist, richtet sich nicht nach starren Fristen. Vielmehr regelt § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausdrücklich, dass es auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritten ankommt.

Maßgebend bei der Beurteilung der Verfahrensdauer ist - so ausdrücklich die Be-gründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BT-Drucks. 17/3802, S. 18 f. zu § 198 Abs. 1) - unter dem Aspekt einer möglichen Mitverursachung zunächst die Frage, wie sich der Entschädigungskläger selbst im Ausgangsverfahren verhalten hat. Außerdem sind insbesondere zu berücksichtigen die Schwierigkeit, der Umfang und die Komplexität des Falles sowie die Bedeutung des Rechtsstreits, wobei nicht nur die Bedeutung für den auf Entschädigung klagenden Verfahrensbeteiligten aus der Sicht eines verständigen Betroffenen von Belang ist, sondern auch die Bedeutung für die Allgemeinheit. Diese Umstände sind darüber hinaus in einen allgemeinen Wertungsrahmen einzuordnen (vgl. dazu BSG, Urteile vom 21.02.2013, B 10 ÜG 1/12 und 2/12 KL, zitiert nach juris, jeweils Rn. 25 ff. und m.w.N.). Denn schon aus der Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs an den als Grundrecht nach Art. 19 Abs. 4 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie als Menschenrecht nach Art. 6 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) qualifizierten Anspruch auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit wird deutlich, dass es auf eine gewisse Schwere der Belastung ankommt. Ferner sind das Spannungsverhältnis zur Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 Abs. 1 GG) sowie das Ziel, inhaltlich richtige Entscheidungen zu erhalten, zu berücksichtigen. Schließlich muss ein Rechtsuchender damit rechnen, dass der zuständige Richter neben seinem Rechtsbehelf auch noch andere (ältere) Sachen zu behandeln hat, sodass ihm eine gewisse Wartezeit zuzumuten ist. Insgesamt reicht daher zur Annahme der Unangemessenheit der Verfahrensdauer nicht jede Abweichung vom Optimum aus, vielmehr muss eine deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen vorliegen (BSG, Urteil vom 03.09.2014, B 10 ÜG 12/13 R, juris, Rn. 33).

1. Ausgangspunkt der Angemessenheitsprüfung bildet die - in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierte - Gesamtdauer des Gerichtsverfahrens von seiner Einleitung bis zu seinem rechtskräftigen Abschluss, auch wenn ein Kläger oder eine Klägerin – wie hier – nur die Überlänge eines Verfahrensabschnitts zum Gegenstand seiner/ihrer Entschädigungsklage macht. Nicht von Bedeutung für das Entschädigungsverfahren ist hingegen die Dauer eines Widerspruchsverfahrens (BSG, Urteil vom 03.09.2014, B 10 ÜG 12/13 R, juris, Rn. 25, 27).

Das streitgegenständliche Verfahren wurde mit Erhebung der Klage am 30. April 2008 eingeleitet und war mit Zustellung der Urteilsgründe des Sozialgerichts am 12. Juni 2013 erstinstanzlich erledigt. Sodann schloss sich ein Nichtzulassungsbe-schwerdeverfahren an, das mit Zustellung des zurückweisenden Beschlusses am 03. Dezember 2013 seinen Abschluss fand. Das Verfahren hat sich mithin insgesamt über fünf Jahre und gut sieben Monate hingezogen.

2. Bei dem gegenständlichen Rechtsstreit handelte es sich um ein Verfahren von unterdurchschnittlicher Bedeutung, das von unterdurchschnittlicher Komplexität und allenfalls durchschnittlicher Schwierigkeit war.

a) Dem streitgegenständlichen Ausgangsverfahren ist eine nur unterdurchschnittliche Bedeutung beizumessen.

Für die Allgemeinheit kam ihm keinerlei Bedeutung zu. Im Gegenteil war die dem Verfahren zugrunde liegende Rechtsfrage, welches tägliche Bemessungsentgelt einem Anspruch auf Arbeitslosengeld zugrunde zu legen ist, wenn der Bemessungszeitraum infolge von Mutterschutz- und Erziehungszeiten keine 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält und sich die Bemessung des Arbeitslosengeldes sodann fiktiv nach Qualifikationsgruppen bestimmt, zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits beim Bundessozialgericht zur Entscheidung anhängig und einen Monat später entschieden.

Auch für die Klägerin selbst hatte das Verfahren nur unterdurchschnittliche Bedeu-tung. Maßgeblich ist insoweit zum einen die allgemeine Tragweite der Entscheidung für die materiellen und ideellen Interessen des Beteiligten. Zum anderen trägt zur Bedeutung der Sache im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG im Kontext des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz maßgeblich das Interesse des Betroffenen gerade an einer raschen Entscheidung bei. Wesentlich ist deshalb auch, ob und wie sich der Zeitablauf nachteilig auf die Verfahrensposition des Klägers bzw. der Klägerin und das geltend gemachte materielle Recht sowie möglicherweise auf seine / ihre weiteren geschützten Interessen auswirkt (BSG, Urteile vom 03.09.2014, B 10 ÜG 2/13, Rn. 29, B 10 ÜG 9/13 R, Rn. 31, B 10 ÜG 12/13 R, Rn. 35, B 10 ÜG 2/14 R, Rn. 38, jeweils zitiert nach juris). Für die Klägerin ging es im Ausgangsverfahren letztlich um die Bewilligung höheren Arbeitslosengeldes lediglich für die Zeit vom 07. bis zum 30. April 2008. Soweit sich der Differenzbetrag zwischen dem von der damaligen Beklagten angesetzten und dem nach Auffassung der Klägerin anzusetzenden täglichen Bemessungsentgelt zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch auf 60,89 EUR belief, hat die damalige Beklagte bereits mit Bescheid vom 06. Juni 2008, mithin einen guten Monat nach Klageerhebung, höhere Leistungen nunmehr unter Ansatz von täglich 82,83 EUR gewährt, sodass der Differenzbetrag nur noch 36,04 EUR betrug. Im Erfolgsfalle hätte die Klägerin damit letztlich - bezogen auf den Zeitraum vom 07. bis zum 30. April 2008 – einen um 293,04 EUR (vgl. zur Berechnung den Beschluss des Landessozialgerichts im Ausgangsverfahren vom 29. November 2013) höheren Leistungsanspruch gehabt. Dass es sich hierbei um einen für sie bedeutsamen Betrag handeln könnte, wird von ihr selbst nicht geltend gemacht und ist auch sonst nicht ersichtlich. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass es letztlich um eine reine Rechtsfrage ging, sodass sich der Zeitablauf nicht nachteilig auf die Verfah-rensposition der Klägerin und das geltend gemachte Recht ausgewirkt hat.

b) Umgekehrt ist mit Blick auf die für die Verfahrensdauer weiter bedeutsame Schwierigkeit und Komplexität des Verfahrens festzustellen, dass das Verfahren, nachdem das Bundessozialgericht über die wesentliche Frage mit Urteil vom 29. Mai 2008 (B 11a AL 23/07 R) entschieden hatte, jedenfalls einen Monat nach Klageerhebung keine besonderen Schwierigkeiten mehr aufgewiesen hat. Mangels erforderlicher Ermittlungen oder gar einer Beweisaufnahme war das Verfahren, dem ein überschaubarer Sachverhalt zugrunde lag, schließlich auch von nur unterdurchschnittlicher Komplexität.

3. Mit Blick auf den Verfahrensablauf ist festzustellen, dass weder die Klägerin noch die damalige Beklagte als Verfahrensbeteiligte vorwerfbar zu Verzögerungen des Verfahrens beigetragen haben.

Soweit es - auch wenn dies in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG als Kriterium zur Bestim-mung der Angemessenheit nicht ausdrücklich erwähnt wird - für eine Verletzung des Art. 6 EMRK durch den Beklagten wesentlich darauf ankommt, ob ihm zurechenbare Verhaltensweisen des Gerichts zur Überlänge des Verfahrens geführt haben, sind allein Verzögerungen maßgeblich, also sachlich nicht gerechtfertigte Zeiten des Verfahrens, insbesondere aufgrund von Untätigkeit des Gerichts (BSG, Urteil vom 03.09.2014, B 10 ÜG 12/13 R, juris, Rn. 41). Vor diesem Hintergrund sind die während des Verfahrens aufgetretenen aktiven und inaktiven Zeiten der Bearbeitung konkret zu ermitteln. Kleinste relevante Zeiteinheit ist im Geltungsbereich des GRüGV dabei stets der Monat (BSG, Urteile vom 03.09.2014, B 10 ÜG 12/13 R, Rn. 29, B 10 ÜG 9/13 R, Rn. 25, B 10 ÜG 2/13, Rn. 24, jeweils zitiert nach juris) im Sinne des Kalendermonats (BSG, Urteil vom 12.02.2015, B 10 ÜG 11/13 R, 2. Leitsatz und Rn. 34).

Zu beachten ist dabei, dass dann keine inaktive Zeit der Verfahrensführung vorliegt, wenn ein Kläger während Phasen (vermeintlicher) Inaktivität des Gerichts selbst durch das Einreichen von Schriftsätzen eine Bearbeitung des Vorganges durch das Gericht bewirkt. Denn eingereichte Schriftsätze, die einen gewissen Umfang haben und sich inhaltlich mit Fragen des Verfahrens befassen, bewirken generell eine Überlegungs- und Bearbeitungszeit beim Gericht, die mit einem Monat zu Buche schlägt (BSG, Urteil vom 03.09.2014, B 10 ÜG 12/13 R, juris, Rn. 57).

Weiter ist insoweit zu berücksichtigen, dass generell auch ein Zuwarten auf Ergeb-nisse oder Ermittlungen in einem parallelen Verfahren als Zeiten der aktiven Bearbeitung anzusehen seien können, wenn nämlich zu erwarten ist, dass in einem solchen Verfahren Erkenntnisse gewonnen werden, die auch für das Ausgangsverfahren von Relevanz sind, oder wenn die Beteiligten diesem Vorgehen ausdrücklich zustimmen (BSG, Urteil vom 03.09.2014, B 10 ÜG 12/13 R, juris, Rn. 47).

Schließlich ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass das Entschädigungsverfahren keine weitere Instanz eröffnet, um das Handeln des Ausgangsgerichts einer rechtlichen Vollkontrolle zu unterziehen. Bei der Beurteilung der Prozessleitung des Ausgangsgerichts hat das Entschädigungsgericht vielmehr die materiell-rechtlichen Annahmen, die das Ausgangsgericht seiner Verfahrensleitung und –gestaltung zugrunde legt, nicht infrage zu stellen, soweit sie nicht geradezu willkürlich erscheinen. Zudem räumt die Prozessordnung dem Ausgangsgericht ein weites Ermessen bei seiner Entscheidung darüber ein, wie es das Verfahren gestaltet und leitet. Die richtige Ausübung dieses Ermessens ist vom Entschädigungsgericht allein unter dem Ge-sichtspunkt zu prüfen, ob das Ausgangsgericht bei seiner Prozessleitung Bedeutung und Tragweite des Menschenrechts aus Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. des Grundrechts aus Art. 19 Abs. 4 GG in der konkreten prozessualen Situation hinreichend beachtet und fehlerfrei gegen das Ziel einer möglichst richtigen Entscheidung abgewogen hat (BSG, Urteile vom 03.09.2014, B 10 ÜG 2/13 R, Rn. 36, B 10 ÜG 9/13 R, Rn. 39, B 10 ÜG 12/13 R, Rn. 43, B 10 ÜG 2/14 R, Rn. 42, jeweils zitiert nach juris). Denn ungeachtet richterlicher Unabhängigkeit besteht eine richterliche Grundpflicht zur stringenten und beschleunigten Verfahrensgestaltung (BSG, Urteil vom 03.09.2014, B 10 ÜG 12/13 R, juris, Rn. 49). Dies bedeutet, dass die Gerichte bei ihrer Verfahrensleitung stets die Gesamtdauer des Verfahrens im Blick behalten müssen. Mit zunehmender Dauer des Verfahrens verdichtet sich die aus dem Justizgewährleistungsanspruch resultierende Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens und dessen Beendigung zu bemühen. Jedenfalls für Verfahren von hinreichender Bedeutung verbietet sich ab einem gewissen Zeitpunkt (weitere) Untätigkeit oder eine zögerliche Verfahrensleitung. Richterliche Verhaltensweisen, die zu Beginn eines Verfahrens grundrechtlich gesehen noch unbedenklich, wenn auch möglicherweise verfahrensökonomisch nicht optimal erscheinen mögen, können bei zunehmender Verfahrensdauer in Konflikt mit dem Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener Zeit geraten. Das gilt etwa für die Setzung großzügiger Fristen zur Stellungnahme, den mehrfachen Austausch von Schriftsätzen ohne richtung-weisende Einflussnahme des Gerichts und ohnehin für so genannte Schiebeverfü-gungen (BSG, Urteile vom 03.09.2014, B 10 ÜG 2/13 R, Rn. 37, B 10 ÜG 9/13 R, Rn. 40, B 10 ÜG 12/13 R, Rn. 44, zitiert jeweils nach juris).

Gemessen daran gilt hier mit Blick auf das streitgegenständliche Ausgangsverfahren Folgendes:

Anders als die Klägerin meint ist es nicht bereits ab Klageeingang am 30. April 2008 zu einer Phase der gerichtlichen Inaktivität gekommen. Im Gegenteil hat das Sozial-gericht den Eingang der Klage wenige Tage später – unter dem 05. Mai 2008 - be-stätigt und die damalige Beklagte zur Stellungnahme innerhalb eines Monats aufgefordert. Nach deren Eingang Mitte Juni verfügte der Kammervorsitzende eine Weiterleitung des Schriftsatzes an die Klägerin zur Rückäußerung innerhalb eines Monats. Ob diese Verfügung ausgeführt wurde, ist letztlich bedeutungslos. Denn wäre dies der Fall, wäre der Juli 2008 bereits deshalb als Aktivitätsmonat anzusehen, weil der Ablauf der eingeräumten Stellungnahmefrist abgewartet werden musste. Wäre die Verfügung nicht ausgeführt worden, wäre der Juli letztlich – ebenso wie im Folgenden die Monate August und Oktober 2008 – im Hinblick auf das Abwarten des Ausgangs des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens als Zeit der gerichtlichen Aktivität zu bewerten. Denn auch wenn sich die Streitgegenstände im Hauptsache- sowie im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht absolut deckten, war insbesondere vor dem Hintergrund der Ende Mai 2008 ergangenen Entscheidung des Bundessozialgerichts durchaus zu erwarten, dass mit dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren letztlich auch die Hauptsache ihren endgültigen Abschluss finden würde.

Auch der Monat November 2008 ist nicht als Phase der Inaktivität anzusehen. Denn nachdem das Sozialgericht die Akten vom Landessozialgericht zurückerhalten hatte, hat es im November 2008 bei der Klägerin angefragt, ob die Sache vor dem Hintergrund des Ausgangs des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens überhaupt fortgesetzt werden soll. Die ihr gesetzte Stellungnahmefrist von einem Monat reichte bis in den Dezember hinein, sodass auch dieser Monat, in dessen Mitte letztlich die Stellungnahme dann auch einging, noch als aktive Phase anzusehen ist.

Anderes hat hingegen für die Zeit ab Januar 2009 bis einschließlich April 2012 zu gelten. In diesen 40 Kalendermonaten ist nicht ersichtlich, dass dem Verfahren in irgendeiner Weise Fortgang gegeben worden wäre.

Soweit die Klägerin meint, dass es im Folgenden auch nur zu jeweils kurzfristiger gerichtlicher Aktivität gekommen sei, folgt der Senat ihr hingegen nicht.

Im Mai 2012 wurde der Rechtsstreit für Juni 2012 geladen. Im Mai ist es damit zwei-felsohne zu einer verfahrensfördernden gerichtlichen Handlung gekommen. Gleiches gilt auch für Juni 2012, in dem die Sache umgeladen wurde. Soweit die Klägerin meint, die Monate ab Juni 2012 seien dem Beklagten schon deshalb als Verzögerungsmonate anzulasten, weil die Terminsaufhebung im Juni 2012 nicht erforderlich gewesen sei, teilt der Senat diese Einschätzung nicht. Die Klägerin hatte zwar wegen eigener Verhinderung primär nicht um Terminsverlegung, sondern um Entbindung vom angeordneten persönlichen Erscheinen ersucht. Zur Überzeugung des Senats hat das Entschädigungsgericht jedoch die Entscheidung des für die Bearbeitung des Ausgangsverfahrens zuständigen Richters, das persönliche Erscheinen eines Beteiligten anzuordnen und nachfolgend den Termin zur mündlichen Verhandlung im Falle der Verhinderung dieses Verfahrensbeteiligten aufzuheben, in aller Regel nicht in Frage zu stellen. Wenn ein Richter oder eine Richterin es bevorzugt, die Klägerin oder den Kläger persönlich zur mündlichen Verhandlung zu laden, unterfällt dies seiner von der richterlichen Unabhängigkeit geschützten Gestaltungsfreiheit. Anderes hat vorliegend auch nicht mit Blick auf die zum fraglichen Zeitpunkt bereits eingetre-tene Verfahrensdauer von gut vier Jahren zu gelten. Aus einer ex-post-Sicht mag sich mit Blick auf die weiteren Geschehnisse die Terminsverlegung als ungünstig erwiesen haben. Diese Sicht ist jedoch nicht maßgeblich. Der Richter hat die Sache vielmehr nach Eingang des Entbindungsgesuchs sofort auf einen etwa drei Monate später liegenden Verhandlungstermin umgeladen. Es ist nicht ersichtlich, dass er dabei – insbesondere auch unter Beachtung der Bedeutung des Verfahrens - die Bedeutung und Tragweite des Rechts auf ein zügiges Verfahren missachtet haben könnte. Dass er die Sache im September letztlich aufgrund seiner dann aufgetrete-nen Erkrankung nicht zum Abschluss bringen würde, konnte er aus seiner damaligen – und insoweit allein entscheidenden – ex-ante-Betrachtung nicht wissen.

Soweit es in den Monaten Juli und August 2012 in Erwartung des für September 2012 anberaumten Termins nicht zu weiteren gerichtlichen Aktivitäten gekommen ist, rechtfertigt dies nicht die Annahme, beide Monate seien als Verzögerungsmonate zu bewerten. Wohl aber sieht der Senat einen der beiden Monate als entschädigungsrelevant an. Hintergrund hierfür ist die Überlegung, dass ein Richter letztlich die Wahl hat, einen Rechtsstreit zu verfristen bzw. in das so genannte Entscheidungs-Fach zu verfügen und dann recht kurzfristig zu terminieren oder die Termine weiträumig anzuberaumen. Es führte hingegen zu Wertungswidersprüchen, wenn in ersterem Fall durch Verfristungen oder Liegezeiten im Entscheidungsfach bedingte Phasen der Inaktivität auch als solche zu bewerten wären, während im zweiten Fall die Monate zwischen Ladung und Sitzung regelmäßig als Phasen der gerichtlichen Aktivität angesehen würden, zumal dies letztlich Raum böte, die zur Verfügung stehenden Vorbereitungs- und Bedenkzeiten durch eine weiträumige Terminierung zu erweitern. In diesem Spannungsfeld geht der Senat davon aus, dass neben dem Monat, in dem die Ladung erfolgt, nicht nur der Monat, in dem die Verhandlung stattfinden soll, als Aktivitätsmonat zu bewerten ist, sondern dazwischen noch ein weiterer. Nicht hingegen hält er es für erforderlich, dass die mündliche Verhandlung – zur Vermeidung von Inaktivitätszeiten – stets spätestens im Monat nach der Ladung zu erfolgen hat. Insbesondere ist dies nicht aus § 110 Abs. 1 Satz 1 SGG zu folgern, nach dem der Vorsitzende den Beteiligten Ort und Zeit der mündlichen Verhandlung "in der Regel zwei Wochen vorher" mitteilt. Schon unter Berücksichtigung der Postlaufzeiten und der Zeit, die für den Rücklauf der Ladungsnachweise erforderlich ist, ist diese Frist zu erweitern. Darüber hinaus aber liegt es im Interesse sämtlicher Verfahrensbeteiligter, wenn die Frist zwischen Ladung und Termin großzügiger bemessen ist. Denn nicht nur ermöglicht dies den Verfahrensbeteiligten eine bessere Planung und Vorbereitung. Auch besteht bei einer weiträumigeren Terminierung eher die Chance, im Falle einer erforderlich werdenden Aufhebung einer Sache eine andere – noch unter Einhaltung der Ladungsfrist - nachzuladen, was angesichts knapper Ressourcen stets wünschenswert ist. Abgesehen davon, kann bei der in der Sozialgerichtsbarkeit üblichen Zuständigkeit eines Spruchkörpers für in der Regel mehrere Sachgebiete, die teilweise die Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter aus verschiedenen Kreisen erfordert, letztlich gerade im Falle einer Umladung keinesfalls davon ausgegangen werden, dass bereits im Folgemonat eine mündliche Verhandlung in der fraglichen Rechtssparte stattfinden wird.

Entgegen der bei der Klägerin anklingenden Rechtsauffassung sind auch weder der September 2012 noch die Zeit von Oktober bis einschließlich Dezember 2012 als Monate der Inaktivität anzusehen. Im September 2012 ist der Rechtsstreit tatsächlich nicht gefördert, im Gegenteil der anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben worden. Dies ist jedoch nicht auf Inaktivität oder eine unzureichende Ausstattung der Justiz im Allgemeinen, sondern auf die unvorhergesehene Erkrankung des damaligen Kammervorsitzenden zurückzuführen (vgl. in diesem Zusammenhang BGH, Beschluss vom 17.03.2005, 3 StR 39/05, juris, Rn. 17). Soweit die Klägerin meint, die Sitzung hätte in dieser Situation zur Vermeidung von Phasen der gerichtlichen Inaktivität vom geschäftsplanmäßigen Vertreter wahrgenommen werden müssen, folgt der Senat ihr nicht. Er hält es vielmehr in der vom Amtsermittlungsgrundsatz geprägten Sozialgerichtsbarkeit, in der die Durchführung einer mündlichen Verhandlung eine intensive, nicht selten durch das Studium umfangreicher Akten geprägte und daher sehr zeitaufwändige Vorbereitung erfordert, in der Regel weder für möglich noch auch nur für geboten, dass der reguläre Vertreter im Falle der plötzlichen Erkrankung des Kammervorsitzenden kurzfristig eine mündliche Verhandlung für diesen wahrnimmt. Wie bereits oben ausführlich dargelegt, kommt es nicht allein auf einen zügigen Verfahrensabschluss an, sondern ist gleichermaßen das Ziel zu berücksichtigen, einen Rechtsstreit einer möglichst richtigen Entscheidung zuzuführen. Selbst ein - nicht mit einem eigenen Dezernat belasteter - Vertreter dürfte jedoch kaum in der Lage sein, ohne jede frühere Kenntnis der Akten von heute auf morgen, was im streitgegenständlichen Verfahren offenbar erforderlich gewesen wäre, einen vollständigen Sitzungstermin sachgerecht vorzubereiten. Abgesehen davon erforderte das Vorhalten von Vertretern, die in Krankheitsfällen jederzeit einspringen könnten, eine Personalausstattung, die mit den Grundsätzen sparsamer Haushaltsführung auch nicht ansatzweise in Einklang zu bringen wäre. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass eine Terminsverlegung in der Sozialgerichtsbarkeit – anders als möglicherweise in Haftsachen vor den Strafgerichten – in der Regel keine dramatischen Folgen hat. Ob im Einzelfall einmal anderes zu gelten hat, kann hier dahinstehen. Jedenfalls erforderte der dem streitgegenständlichen Ausgangsverfahren zugrunde liegende Sachverhalt offensichtlich kein entsprechendes Vorgehen.

Weiter ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass – wie bereits oben ausgeführt – kein Kläger einen Anspruch auf einen optimalen Verfahrensverlauf hat. Wohl aber erfordert die Erkrankung eines Richters eine Abwägung, welche Schritte einzuleiten sind, was zunächst einmal eine Kenntnis der Verwaltung davon erfordert, ob es sich voraussichtlich um eine nur kurzzeitige oder eine längerfristige Erkrankung handeln wird. Denn nur in letzterem Falle ist die Einleitung weiterer Schritte – z.B. die Bestellung eines besonderen Vertreters oder eine Umverteilung – erforderlich. Dies macht jedoch nach einer der Verwaltung zuzubilligenden Vorbereitungsphase die Einschaltung des Präsidiums erforderlich, was wiederum Zeit in Anspruch nimmt. Der Senat geht insoweit davon aus, dass die erforderlichen Schritte binnen drei Kalendermonaten nach Auftreten der Erkrankung eines Richters einzuleiten sein müssten, und sieht dementsprechend die drei auf das Auftreten der Erkrankung folgenden Kalendermonate nicht als Phase der gerichtlichen Inaktivität, sondern als von Klägern regelmäßig als "höhere Gewalt" entschädigungslos hinzunehmende Zeiten an. Vor diesem Hintergrund sind damit lediglich der Januar und Februar 2013 als Phasen der gerichtlichen Inaktivität zu bewerten.

Im März 2013 wurde die Sache dann für Juni 2013 geladen und in diesem Monat auch zum Abschluss gebracht. In dieser Phase ist wiederum – den obigen Ausfüh-rungen folgend – von einem Verzögerungsmonat auszugehen, da zwischen dem Ladungs- und dem Terminsmonat nicht nur ein, sondern zwei volle Kalendermonate liegen.

Nach alledem ist es im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens zu 44 Kalendermonaten gekommen, in denen von gerichtlicher Inaktivität auszugehen ist. Dies heißt jedoch nicht, dass in vorstehendem Umfang tatsächlich eine entschädigungsrelevante Verzögerung anzunehmen ist. Denn die Bestimmung der maximal zulässigen, noch angemessenen Verfahrenslaufzeit kann jeweils nur aufgrund einer abschließenden Gesamtbetrachtung und -würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls insbesondere mit Blick auf die in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien erfolgen. Dabei führt die Feststellung längerer Zeiten fehlender Verfahrensförderung durch das Gericht noch nicht zwangsläufig zu einer unangemessenen Verfahrensdauer. Denn es ist zu beachten, dass einem Rechtschutzsuchenden - je nach Bedeutung und Zeitabhängigkeit des Rechtsschutzziels sowie abhängig von der Schwierigkeit des Rechtsstreits und von seinem eigenen Verhalten - gewisse Wartezeiten zuzumuten sind, da grundsätzlich jedem Gericht eine ausreichende Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen muss (BSG, Urteil vom 03.09.2014, B 10 ÜG 12/13 R, juris, Rn. 52). Allerdings muss die persönliche und sachliche Ausstattung der Sozialgerichte einerseits so beschaffen sowie die gerichtsinterne Organisation der Geschäfte (Geschäftsverteilung, Gestaltung von Dezernatswechseln etc.) ande-rerseits so geregelt sein, dass ein Richter oder Spruchkörper die inhaltliche Bearbei-tung und Auseinandersetzung mit der Sache wegen anderweitig anhängiger ggf. älterer oder vorrangiger Verfahren im Regelfall nicht länger als zwölf Monate zurückzustellen braucht. Die systematische Verfehlung dieses Ziels ist der Hauptgrund dafür, dass die für die Ausstattung der Gerichte zuständigen Gebietskörperschaften Bund und Land mit den Kosten der Entschädigungszahlungen belastet werden, wenn Gerichtsverfahren eine angemessene Dauer überschreiten (BSG, Urteil vom 03.09.2014, B 10 ÜG 12/13 R, Rn. 53, B 10 ÜG 2/14 R, Rn. 46, jeweils zitiert nach juris). Vor diesem Hintergrund sind - vorbehaltlich besonderer Gesichtspunkte des Einzelfalls - Vorbereitungs- und Bedenkzeiten im Umfang von bis zu zwölf Monaten je Instanz regelmäßig als angemessen anzusehen, selbst wenn sie nicht durch konkrete Verfahrensförderungsschritte als begründet und gerechtfertigt angesehen werden können, und können in mehrere, insgesamt zwölf Monate nicht übersteigende Abschnitte unterteilt sein. Angemessen bleibt die Gesamtverfahrensdauer regelmä-ßig zudem dann, wenn sie zwölf Monate überschreitet, aber insoweit auf vertretbarer aktiver Verfahrensgestaltung des Gerichts beruht oder durch Verhalten des Klägers oder Dritter verursacht wird, die das Gericht nicht zu vertreten hat (BSG, Urteil vom 03.09.2014, B 10 ÜG 12/13 R, Rn. 33, 54 f., B 10 ÜG 2/14 R, Rn. 47 f., jeweils zitiert nach juris). Die genannten Orientierungswerte gelten allerdings nur, wenn sich nicht aus dem Vortrag des Klägers oder aus den Akten besondere Umstände ergeben, die vor allem mit Blick auf die Kriterien des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG im Einzelfall zu einer anderen Bewertung führen (BSG, Urteil vom 03.09.2014, B 10 ÜG 12/13 R, juris, Rn. 56).

Derartige Kriterien vermag der Senat mit Blick auf das erstinstanzliche Verfahren schon unter Berücksichtigung des Streitgegenstandes, der eine bevorzugte Erledi-gung nicht geboten erscheinen ließ, nicht zu erkennen. Angesichts der nur geringen Komplexität und Schwierigkeit sieht der Senat umgekehrt allerdings auch keine Gründe, die es nunmehr rechtfertigen würden, zum Nachteil der Klägerin von einer längeren Bearbeitungs- und Bedenkzeit auszugehen. Vor diesem Hintergrund wäre mit Blick auf das erstinstanzliche Verfahren unter Berücksichtigung der im Umfang von 44 Kalendermonaten festgestellten Zeiten der Inaktivität angesichts der dem Gericht im Umfang von zwölf Monaten zustehenden Vorbereitungs- und Bedenkzeit bei isolierter Betrachtung von einer entschädigungsrelevanten Verzögerung von 32 Kalendermonaten auszugehen.

Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass Zeiten fehlender Verfahrensförderung durch das Gericht in bestimmten Verfahrensabschnitten in davor oder danach lie-genden Verfahrensabschnitten ausgeglichen werden können (BSG, Urteile vom 03.09.2014, B 10 ÜG 2/13, Rn. 43, B 10 ÜG 9/13 R, Rn. 43, B 10 ÜG 12/13 R, Rn. 51, B 10 ÜG 2/14 R, Rn. 44, zitiert jeweils nach juris). Da Anknüpfungspunkt für die Angemessenheitsprüfung das Verfahren von seiner Einleitung bis zu seinem rechtskräftigen Abschluss insgesamt ist, bedeutet dies zur Überzeugung des Senats, dass insoweit auch eine instanzübergreifende Betrachtung zu erfolgen hat, zumal insbesondere in ermittlungsintensiveren Verfahren die Gründlichkeit der Bearbeitung in der ersten Instanz erhebliche Auswirkungen auf die Dauer des zweitinstanzlichen Verfahrens zumindest haben kann. Dies heißt, dass in einem erstinstanzlichen Verfahren aufgetretene Verzögerungen noch durch die zügige Bearbeitung im Berufungs- bzw. Beschwerdeverfahren zu kompensieren sind und umgekehrt im Falle einer sehr zügigen Bearbeitung einer Sache vor dem Sozialgericht das zweitinstanzliche Verfahren entsprechend länger dauern kann. Dabei können die dem jeweiligen Gericht für seinen Verfahrensabschnitt zur Verfügung stehenden Vorbereitungs- und Bedenkzeiten zur Überzeugung des Senats vollumfänglich auf das Verfahren der jeweils anderen Instanz übertragen werden, soweit sie nicht "aufgebraucht" sind. Anlass, hier eine nur gleichsam anteilige Übertragung vorzunehmen, sieht der Senat bereits vor dem Hintergrund, dass Anknüpfungspunkt für die Verfahrensdauer das Verfahren insgesamt ist, nicht. Es wäre aus seiner Sicht auch nicht nachvollziehbar, warum ein Kläger, der ein Verfahren durch zwei Instanzen betreibt, in deren Verlauf es beispielsweise zu insgesamt 32 Inaktivitätsmonaten kommt, entschädigungsrechtlich in Abhängigkeit davon anders stehen sollte, in welchem Verfahrensstadium diese Verzögerungszeiten aufgetreten sind und auf welchen Verfahrensabschnitt er letzt-lich seinen Entschädigungsanspruch begrenzt.

Allerdings ist vorliegend zu beachten, dass sich im streitgegenständlichen Aus-gangsverfahren dem Klageverfahren keine Berufung, sondern eine Nichtzulassungsbeschwerde anschloss. Für ein derartiges Beschwerdeverfahren hält der Senat eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit nicht von in der Regel zwölf, sondern nur von sechs Monaten für angemessen. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass die Entscheidung über eine Nichtzulassungsbeschwerde keine erneute Vollprüfung erforderlich macht, sodass die Vorbereitungs- und Bedenkzeit deutlich kürzer zu bemessen ist als im Berufungsverfahren. Umgekehrt aber zeigt bereits die gesetzliche Systematik, nach der in sozialgerichtlichen Verfahren gemäß § 143 SGG regelmäßig die Berufung statthaft ist und Kläger nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen, nämlich solchen geringerer Bedeutung (§ 144 SGG), auf das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde verwiesen werden können, dass derartige Beschwerden anders als z.B. Beschwerden in einstweiligen Rechtsschutzverfahren oder auch – angesichts der damit zumeist verbundenen Blockierung des Klageverfahrens – in Prozesskostenhilfeverfahren keine bevorzugte Erledigung erfordern.

In dem dem hiesigen Entschädigungsverfahren zugrundeliegenden Rechtsstreit ist es im Beschwerdeverfahren im September und Oktober 2013 – mithin in zwei Mona-ten – zu Zeiten gerichtlicher Inaktivität gekommen. Die dem Gericht darüber hinaus zustehenden vier Monate sind mithin geeignet, die Überlänge des erstinstanzlichen Verfahrens in besagtem Umfang zu kompensieren.

Nach alledem berechnet sich eine Verzögerung von 28 Monaten. Gründe, hiervon zu Gunsten oder zu Lasten eines der Beteiligten abzuweichen, sieht der Senat nicht.

4. Durch die überlange Verfahrensdauer hat die Klägerin einen Nachteil nicht vermögenswerter Art erlitten. Dies folgt bereits aus § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG, wo-nach ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, vermutet wird, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Umstände, die diese gesetzliche Vermutung zu widerlegen geeignet erscheinen lassen, sind nicht erkennbar und auch von dem Beklagten nicht vorgebracht worden.

5. Eine Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Absatz 4 GVG, ins-besondere durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, ist zur Überzeugung des Senats nicht ausreichend (§ 198 Abs. 2 Satz 2 GVG). Unter Würdigung der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 und Art. 41 EMRK, nach der eine derartige Kompensation eines Nichtvermögensschadens nur ausnahmsweise in Betracht kommt, besteht vorliegend kein Anlass, von der gesetzlich als Normalfall vorgesehenen Zahlung einer Entschädigung abzusehen. Entsprechende Gründe hat auch der Beklagte nicht geltend gemacht.

6. Ausgehend von der im Umfang von 28 Monaten überlangen Dauer des erstinstanzlichen Klageverfahrens und dem in § 198 Abs. 2 S. 3 GVG vorgegebenen Richtwert von 1.200,00 EUR für jedes Jahr der Verzögerung beläuft sich die der Klägerin zustehende angemessene Entschädigung auf 2.800,00 EUR. Gründe, die den Ansatz des gesetzlich vorgesehenen Pauschalbetrages unbillig und daher eine abweichende Festsetzung notwendig erscheinen lassen könnten, sind nicht ersichtlich und von den Beteiligten auch nicht geltend gemacht.

III. Da der Entschädigungsanspruch nach § 198 GVG außerhalb des Systems der sozialrechtlichen Ansprüche steht, für die Prozesszinsen nach Maßgabe des § 44 SGB I grundsätzlich nicht beansprucht werden kann (vgl. BSG, Urteile vom 03.09.2014, B 10 ÜG 9/13 R, Rn. 52, B 10 ÜG 12/13 R, Rn. 61 und B 10 ÜG 2/14 R, Rn. 54, alle zitiert nach juris), war der Beklagte weiter gemäß §§ 288 Abs. 1, 291 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog zur Zahlung von Prozesszinsen in Höhe von 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem Zeitpunkt der Rechtshängig-keit, d.h. nach § 94 SGG ab Klageerhebung am 02. Juni 2014 zu verurteilen.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

V. Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils nach § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 1 Zivilprozessordnung war im Hinblick auf die Rege-lungen der §§ 202, 198 Abs. 1 SGG nicht auszusprechen.

VI. Die Revision war nach §§ 160 Abs. 2, 202 Satz 2 SGG, 201 Abs. 2 Satz 3 GVG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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