L 15 RF 6/16

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 RF 6/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
Leitsätze
1. Hat sich der Sachverständige ausschließlich zu einem Befangenheitsgesuch im Rahmen seiner Anhörung dazu geäußert, steht ihm eine Vergütung nach dem JVEG nicht zu. Der Ausschluss einer Vergütung kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn vom Sachverständigen eine Äußerung zum Befangenheitsantrag verlangt und auch nur eine solche gegeben und anschließend vom Gericht verwertet worden ist.
2. Wegen des Leitgedankens der durch das Gebot der Praktikabilität und Verwaltungsökonomie der Kostensachbearbeitung begründeten geringen Prüfpflichten der Kostenbeamten und Kostenrichter sind schematische Gesichtspunkte für die Abgrenzung einer - nach dem JVEG zu vergütenden - sachverständigen Äußerung von einer - nicht nach dem JVEG zu vergütenden - Stellungnahme des Sachverständigen im Rahmen der Anhörung zu einem gegen ihn gerichteten Befangenheitsgesuch zugrunde zu legen.
3. Kriterien im Einzelnen: Formulierung der gerichtlichen Anforderung der Stellungnahme, Verfügung des Hauptsacherichters nach Eingang der Stellungnahme zur Vergütung dem Grunde nach (Formblatt), Mitübersendung der Akten.
4. Ist es offensichtlich, dass sich der Sachverständige nicht nur als Sachverständiger, sondern auch zu einem gegen ihn gerichteten Befangenheitsantrag geäußert hat, ist nur der Anteil der Äußerungen nicht nach dem JVEG zu vergüten, der zweifelsfrei nicht den sachverständigen Äußerungen zuzuschreiben ist. Wegen der geringen Prüfpflichten der Kostenbeamten und Kostenrichter wird eine detaillierte und exakte Prüfung jedes einzelnen Satzes auf seinen Bezug nicht erwartet.
Die Vergütung für die Stellungnahme vom 29.01.2016 wird auf 369,21 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob dem Antragsteller für seine in Zusammenhang mit einem gegen ihn gerichteten Befangenheitsantrag angefertigte Stellungnahme vom 29.01.2016 eine Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) zusteht.

In dem am Bayer. Landessozialgericht (LSG) unter dem Aktenzeichen L 20 (später: 19) R 1019/14 geführten rentenrechtlichen Verfahren hatte der Antragsteller, der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie ist, im Auftrag des Gerichts am 30.11.2015 ein Gutachten erstellt.

Die Bevollmächtigte des dortigen Klägers nahm mit 6-seitigem Schreiben vom 17.12.2015 zu diesem Gutachten Stellung. Dabei lehnte sie auf Seite 1 dieses Schreibens zunächst den Antragsteller wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Sie begründete dies damit, dass der Antragsteller einer von zwei Partnern eines Gutachtensinstituts sei und der andere Partner bereits im erstinstanzlichen Verfahren ihres Mandanten tätig gewesen sei. Zudem hat sie die Befangenheit mit dem Inhalt des Gutachtens und einer aus ihrer Sicht fehlenden Sachlichkeit des Antragstellers begründet. Anschließend erhob sie ab Seite 3 Mitte auch inhaltliche Einwendungen gegen das Gutachten. Zudem legte sie ein ärztliches Attest und Unterlagen zu medizinischen Therapien vor.

Den Schriftsatz der Bevollmächtigten vom 17.12.2015 leitete der Hauptsachesenat, nunmehr unter dem Aktenzeichen des Verfahrens wegen des Befangenheitsantrags (L 19 SF 359/15 AB), mit Schreiben vom 26.01.2016 dem Antragsteller mit folgenden Worten zu:

"Sehr geehrter Herr Dr. A.,

in dem Rechtsstreit ...

erhalten Sie beiliegend eine Abschrift des Schriftsatzes vom 17.12.2015 samt Anlagen zur Kenntnis und Stellungnahme (3-fach).

Mit freundlichen Grüßen"

Die Akten des Hauptsacheverfahrens wurden dem Antragsteller nicht nochmals zur Verfügung gestellt.

Unter dem Datum des 29.01.2016 äußerte sich der Antragsteller auf sechseinhalb Seiten zu den von der Bevollmächtigten des Klägers erhobenen Einwänden gegen sein Gutachten, wobei er auf rund einer halben Seite explizit auf den Vorwurf der Befangenheit wegen des mit dem erstinstanzlichen Gutachters zusammen geführten Gutachtensinstituts einging.

Mit der Stellungnahme vom 29.01.2016 legte der Antragsteller eine Rechnung über 369,21 EUR für die von ihm angefertigte Stellungnahme mit einem angegebenen Arbeitsaufwand von vier Stunden vor, wobei er die Honorargruppe M 2 der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG zu Grunde legte und Schreibgebühren, Umsatzsteuer und Porto ansetzte.

Am 07.12.2015 verfügte der Hauptsacherichter auf dem dafür vorgesehenen Formblatt, dass gegen eine Vergütung des Antragstellers für die Stellungnahme vom 29.01.2016 dem Grunde nach keine Bedenken bestünden.

Die Kostenbeamtin des LSG lehnte mit Schreiben vom 10.02.2016 eine Vergütung des Antragstellers für seine Stellungnahme vom 29.01.2016 ab, da diese im Rahmen des Ablehnungsgesuchs des Klägers gegen die Person des Antragstellers abgegeben worden sei. Die Stellungnahme sei damit nicht Teil einer geforderten Sachverständigenleistung, sondern lediglich eine "anlässlich der Gutachtertätigkeit" ausgeführte Maßnahme, für die das JVEG keine Vergütung vorsehe.

Dagegen hat sich der Antragsteller mit Schreiben vom 12.02.2016 gewandt und die gerichtliche Festsetzung der Vergütung beantragt. Er trägt vor, dass ihm bekannt sei, dass eine Entschädigung für eine Äußerung im Rahmen eines Ablehnungsgesuchs nicht erfolge. Das Schreiben der Bevollmächtigten des Klägers vom 17.12.2015 sei aber weit über einen Befangenheitsantrag hinausgegangen. Er habe daher zu zahlreichen fachlichen Bedenken gegen sein Gutachten Stellung nehmen müssen. Dies habe mit dem eigentlichen Befangenheitsantrag nicht mehr viel zu tun gehabt; es sei um die Auseinandersetzung mit den Vorgutachten und die Bewertung gegangen.

II.

Die Festsetzung der Vergütung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier der Berechtigte mit Schreiben vom 12.02.2016 die gerichtliche Festsetzung beantragt.

Die Vergütung für die ergänzende Stellungnahme vom 29.01.2016 ist antragsgemäß auf 369,21 EUR festzusetzen. Einer Vergütung steht vorliegend nicht entgegen, dass die Stellungnahme im Zusammenhang mit einem gegen den Antragsteller gerichteten Befangenheitsantrag angefertigt worden ist.

1. Prüfungsumfang im Verfahren der gerichtlichen Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG

Die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG stellt keine Überprüfung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Ermittlung der Entschädigung oder Vergütung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung. Bei der Festsetzung durch den Kostenbeamten handelt es sich um eine lediglich vorläufige Regelung, die durch den Antrag auf gerichtliche Festsetzung hinfällig wird (vgl. Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.1968, Az.: RiZ (R) 4/68). Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungsweg sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis gegenstandslos. Das Gericht hat daher eine vollumfassende Prüfung des Entschädigungs- oder Vergütungsanspruchs vorzunehmen, ohne auf Einwände gegen die im Verwaltungsweg erfolgte Festsetzung beschränkt zu sein. Die vom Gericht festgesetzte Entschädigung oder Vergütung kann daher auch niedriger ausfallen, als sie zuvor vom Kostenbeamten festgesetzt worden ist; das Verbot der reformatio in peius gilt nicht (h.M., vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12; Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 4, Rdnr. 12 - m.w.N.).

2. Ob der Vergütung

Der Vergütung steht nicht entgegen, dass die Stellungnahme im Zusammenhang mit einem gegen den Antragsteller gerichteten Befangenheitsantrag erstellt worden ist. Denn es handelt sich, allenfalls mit Ausnahme von rund einer halben Seite, nicht um eine Stellungnahme im Rahmen der Anhörung zu einem Befangenheitsantrag, sondern um eine Stellungnahme zu den inhaltlichen Einwendungen der Bevollmächtigten des Klägers gegen das Gutachten des Antragstellers und damit um eine nach dem JVEG zu vergütende Leistung.

Zu der Frage einer Vergütung einer sachverständigen Stellungnahme, die anlässlich eines Befangenheitsantrags angefertigt worden ist, hat sich der Senat im Grundsatzbeschluss vom 14.03.2016, Az.: L 15 RF 2/16, wie folgt geäußert:

"2.1. Allgemeines

Eine Vergütung nach dem JVEG ist dann zu gewähren, wenn ein Antragsteller als Sachverständiger vom Gericht herangezogen wird (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 JVEG). Dies bedeutet, dass ein (auch) als Sachverständiger Tätiger jedenfalls dann eine Vergütung nach dem JVEG erhält, wenn er eine Leistung im Sinn des JVEG erbracht hat. Eine Leistung in diesem Sinn liegt vor, wenn der Sachverständige sich in seiner Eigenschaft als Sachverständiger im Rahmen eines gerichtlichen Auftrags geäußert hat. Hat sich der Sachverständige ausschließlich zu einem Befangenheitsgesuch im Rahmen seiner Anhörung dazu (vgl. zu dem Erfordernis einer Anhörung: Keller, in: Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 118, Rdnr. 12 m) geäußert, steht ihm eine Vergütung nach dem JVEG nicht zu.

Dies entspricht der überwiegenden Rechtsprechung, wie es beispielsweise das Oberlandesgericht Celle in seinem Beschluss vom 28.06.2012, Az.: 2 W 171/12, wie folgt erläutert hat:

"In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob ein Sachverständiger für eine Stellungnahme zum Ablehnungsantrag einer Partei eine Entschädigung erhält. Während die wohl herrschende Meinung dem Sachverständigen für seinen Aufwand einer solchen Stellungnahme grundsätzlich keine Vergütung zubilligt (OLG München, MDR 1994, 1050; OLG Düsseldorf MDR 1994, 1050; OLG Köln, VersR 1995, 1508; OLG Koblenz, MDR 2000, 416; KG MDR 2010, 719; Zöller-&8203;Greger, ZPO, 29. Aufl., Rdnrn. 12a zu § 406 und 1 zu § 413; Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl., Rdnr. 12 zu § JVEG; Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Auflage, Rdnr. 8.39 zu § 8), wird mit unterschiedlichen Begründungen und unter unterschiedlichen Voraussetzungen auch vertreten, dass dem Sachverständigen dafür eine Entschädigung zustehen kann (OLG Frankfurt, MDR 1993, 474; OLG Stuttgart MDR 2007, 1456; LSG Chemnitz, Beschluss vom 19. Dezember 2007 - L 2 U 77/06 -, juris; LSG Stuttgart, Beschluss vom 17. Februar 2004 - L 12 RA 1624/03 KO-&8203;A-, juris; Musielak-&8203;Huber, ZPO, 8. Aufl., Rdnr. 1 zu § 413). Der Senat erachtet die erstgenannte Auffassung für richtig ... Eine Vergütung für seine Leistung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 JVEG i.V.m. §§ 9 bis 11 JVEG kann der Sachverständige (entgegen der Auffassung des OLG Frankfurt a.a.O., das einen Vergütungsanspruch ohne weitere Voraussetzungen annimmt) nicht verlangen, weil seine Stellungnahme keine Leistung im Sinne des JVEG ist. Gemeint ist damit seine Leistung als Sachverständiger, mithin der besondere Sachverstand, auf dem die erbrachte Leistung gründet. Das zeigt sich bereits in der Struktur der Vorschrift des § 9 JVEG, der die Höhe der Vergütung von einer Zuordnung gerade dieser Leistung (nicht der grundsätzlichen Qualifikation des Sachverständigen) zu einer nach Sachgebieten zu bestimmenden Honorargruppe abhängig macht. Umgekehrt formuliert bedeutet das, dass eine Leistung im Sinne der Vorschrift nur das ist, was auf einem bestimmten Sachgebiet erbracht wird (so auch ausdrücklich der Wortlaut des § 9 Abs. 1 S. 3 JVEG: ... Die Stellungnahme zu einem Befangenheitsgesuch ist aber gerade keine auf irgendeinem Sachgebiet erbrachte Leistung, sie setzt nicht den für die Erstellung des Gutachtens gebotenen Sachverstand voraus."

Der Ausschluss einer Vergütung kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn vom Sachverständigen eine Äußerung zum Befangenheitsantrag verlangt und auch nur eine solche gegeben und anschließend vom Gericht verwertet worden ist. Es ist daher im Einzelfall zu prüfen, ob sich der Sachverständige zum Befangenheitsantrag oder zum inhaltlichen Vorbringen oder zu beiden Gesichtspunkten geäußert hat. Diese in der Rechtsprechung geforderte Differenzierung hat beispielsweise das LSG Berlin-Brandenburg im Beschluss vom 25.06.2015, Az.: L 2 SF 211/14 B E, näher erläutert.

Die Beantwortung der Frage des Ob und gegebenenfalls auch des Umfangs der Vergütung hat sich daher im Wesentlichen daran zu orientieren, ob die Stellungnahme des Sachverständigen ausschließlich zum Befangenheitsgesuch angefordert worden und ergangen ist - dann kommt eine Vergütung nach dem JVEG nicht infrage, da sich der zuvor als Sachverständige Tätige lediglich in seiner Eigenschaft als wegen Besorgnis der Befangenheit Abgelehnter geäußert hat - oder ob sie (auch) in der Sache und damit vom Gutachter (auch) in der Eigenschaft als Sachverständiger abgegeben worden ist.

2.2. Kriterien für die Differenzierung, in welcher Eigenschaft die Äußerung erfolgt ist

Die Rechtsprechung des Kostensenats ist seit Jahren von dem Leitgedanken der durch das Gebot der Praktikabilität und Verwaltungsökonomie der Kostensachbearbeitung begründeten geringen Prüfpflichten der Kostenbeamten und Kostenrichter geprägt (vgl. z.B. Grundsatzbeschlüsse vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11, vom 22.06.2012, Az.: L 15 SF 136/11, vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, vom 08.04.2013, Az.: L 15 SF 305/10, vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B, vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13, vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12, vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E, vom 03.11.2014, Az.: L 15 SF 254/12, vom 04.11.2014, Az.: L 15 SF 198/14, vom 14.01.2015, Az.: L 15 SF 239/12 B, vom 10.03.2015, Az.: L 15 RF 5/15, vom 11.05.2015, Az.: L 15 RF 14/15, vom 08.06.2015, Az.: L 15 SF 255/14 E, und vom 08.03.2016, Az.: L 15 SF 209/15).

Dieser Leitgedanke ist auch bei der Festlegung von Kriterien dafür zu beachten, wie eine - nach dem JVEG zu vergütende - sachverständige Äußerung von einer - nicht nach dem JVEG zu vergütenden - Stellungnahme des Sachverständigen im Rahmen der Anhörung zu einem gegen ihn gerichteten Befangenheitsgesuch zu unterscheiden ist. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass, wie auch der hier vorliegende Fall zeigt, nicht selten zusammen mit einem Befangenheitsantrag auch inhaltliche Einwendungen gegen eine gutachterliche Äußerung vorgebracht werden, so dass nicht auf den ersten Blick eindeutig erkennbar ist, in welcher Eigenschaft sich der Sachverständige in der Folge geäußert hat.

Bei den im Folgenden dargestellten Kriterien für eine Unterscheidung hat der Senat im Übrigen in seine Überlegungen einbezogen, dass sich der Charakter der Äußerung des Sachverständigen im Regelfall aus der Anforderung des Hauptsacherichters ergibt und bei der Auslegung derartiger gerichtlicher Schreiben die gleichen Maßstäbe zu Grunde zu legen sind, wie sie auch für die Auslegung von Prozesserklärungen der Beteiligten gelten. Danach ist Maßstab der Auslegung der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 12.12.2013, Az.: B 4 AS 17/13). Dies bedeutet in einem Fall wie hier, dass der Charakter der gerichtlichen Anforderung der Stellungnahme des Sachverständigen im Zusammenhang mit einem Befangenheitsgesuch aus dem Empfängerhorizont des Gutachters zu beurteilen ist, wobei zu berücksichtigen ist, dass ein Sachverständiger typischerweise nur in dieser Eigenschaft für ein Gericht tätig wird und er daher bei gerichtlichen Anforderungen regelmäßig davon ausgehen darf, dass mit diesen eine Tätigkeit als Sachverständiger erbeten wird, sofern nicht aus dem gerichtlichen Schreiben bzw. den übersandten Unterlagen zweifelsfrei ersichtlich wird, dass er sich in anderer Eigenschaft äußern soll.

Bei der Unterscheidung zwischen einer Stellungnahme in der Eigenschaft als Sachverständiger und einer solchen im Rahmen einer Anhörung zu einem Befangenheitsantrag erscheinen dem Senat insbesondere folgende Gesichtspunkte als hilfreich für eine Differenzierung im Sinn einer verwaltungspraktikablen Lösung:

* Wird in dem Anforderungsschreiben des Gerichts an den Sachverständigen nicht darauf hingewiesen, dass zu einem Befangenheitsantrag Stellung zu nehmen ist, und enthält das zur Stellungnahme übersandte Schreiben mehr als nur einen Befangenheitsantrag und die Begründung dafür, so ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Äußerung des Sachverständigen auch in der Eigenschaft als Sachverständiger erfolgt, es sein denn die Stellungnahme hat offenkundig nur den Befangenheitsantrag zum Gegenstand. * Verfügt der Hauptsacherichter nach Eingang der Äußerung des Sachverständigen auf dem dafür vorgesehenen Formblatt, dass keine Einwände gegen eine Vergütung dem Grunde nach bestehen, ist dies ein Beleg dafür, dass sich der Sachverständige als Gutachter geäußert hat. * Werden die gesamten Akten des Gerichts mitübersandt, darf der Sachverständige regelmäßig davon ausgehen, dass von ihm auch eine sachverständige Äußerung erwartet wird.

Sollte eine der drei vorgenannten Konstellationen erfüllt sein, kann der Kostenbeamte bzw. der Kostenrichter davon ausgehen, dass die Äußerung des Sachverständigen auch in dieser Eigenschaft erfolgt ist und daher eine Vergütung nach dem JVEG zu erfolgen hat. Anders ist dies nur dann zu bewerten, wenn es offenkundig auf der Hand liegt, dass sich der Sachverständige ausschließlich zum Befangenheitsgesuch geäußert hat.

Ist es offensichtlich, dass sich der Sachverständige nicht nur als Sachverständiger, sondern auch zu einem gegen ihn gerichteten Befangenheitsantrag geäußert hat, ist nur der Anteil der Äußerungen nicht nach dem JVEG zu vergüten, der zweifelsfrei nicht den sachverständigen Äußerungen zuzuschreiben ist. Auch hier ist zu beachten, dass die Prüfpflichten der Kostenbeamten und Kostenrichter nur gering sind; eine detaillierte und exakte Prüfung jedes einzelnen Satzes auf seinen Bezug wird nicht erwartet (vgl. auch die ähnlichen - schematischen - Vorgaben für die Ermittlung dessen, was dem Kernbereich der Beurteilung eines Gutachtens zuzurechnen ist: Beschlüsse des Senats vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13, und vom 10.03.2015, Az.: L 15 RF 5/15).

Nur dann, wenn sich der Sachverständige offenkundig nur zu einem gegen ihn gerichteten Befangenheitsantrag geäußert hat, scheidet eine Vergütung nach dem JVEG vollständig aus.

Eine Versagung der Vergütung allein deshalb, weil die Stellungnahme des Sachverständigen im Zusammenhang mit einem gegen ihn gestellten Befangenheitsantrag erfolgt ist und ohne dass es auf die näheren Umstände der gerichtlichen Anforderung und der Äußerung des Sachverständigen ankäme - dies entspricht dem Beschluss des Senats vom 09.02.2009, Az.: L 18 SB 112/00.Ko, da sich der Sachverständige in dem damaligen Verfahren auch umfassend in der Sache, d.h. nicht nur zum Befangenheitsantrag geäußert hatte -, hält der Senat nicht länger für angemessen."

Bei Zugrundelegung dieser Vorgaben ist die Stellungnahme vom 29.01.2016 nach dem JVEG zu vergüten. Dies ergibt sich aus folgenden Gesichtspunkten:

* Im Anschreiben des Hauptsachesenats vom 26.01.2016, mit dem dem Antragsteller der Schriftsatz der Bevollmächtigten des Klägers vom 17.12.2015, der auch den Befangenheitsantrag enthielt, zugeleitet worden ist, ist eine Stellungnahme zum Befangenheitsantrag nicht explizit angefordert worden. Aus der Sicht des Antragstellers ist daher (jedenfalls auch) eine Äußerung zum sachlichen Vorbringen gegen sein Gutachten erwartet worden (vgl. so auch Beschluss des Senats vom 14.03.2016, Az.: L 15 RF 2/16). * Der Hauptsacherichter hat nach Eingang der Stellungnahme des Antragstellers vom 29.01.2016 auf dem gerichtlichen Formblatt verfügt, dass dem Grunde nach keine Bedenken gegen eine Vergütung des Antragstellers für seine Stellungnahme vom 29.01.2016 bestehen (vgl. so auch Beschluss des Senats vom 14.03.2016, Az.: L 15 RF 2/16). * Ohne Bedeutung ist es, dass dem Sachverständigen die Hauptsacheakten nicht nochmals übersandt worden sind (vgl. so auch Beschluss des Senats vom 14.03.2016, Az.: L 15 RF 2/16). Gerade dann, wenn - wie hier - eine ergänzende Stellungnahme zeitnah nach dem Gutachten angefordert wird, wird der Sachverständige in vielen Fällen die Akten für seine Stellungnahme nicht nochmals benötigen, was im Übrigen auch durch die nur eingeschränkte Vergütung eines erneuten Aktenstudiums bei einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme berücksichtigt wird (vgl. Bayer. LSG, Beschlüsse vom 20.03.1997, Az.: L 10 V 122/92.Ko, vom 12.08.1998, Az.: L 18 V 112/92.Ko, und vom 26.05.2009, Az.: L 16 R 413/03). Ebenso irrelevant ist, dass das Anschreiben des Hauptsachesenats vom 26.01.2016 unter dem Aktenzeichen des Verfahrens wegen des Befangenheitsantrags ("L 19 SF 359/15 AB") ergangen ist. Denn allein aufgrund dieses Aktenzeichens kann aus der objektivierten Sicht des Empfängers, des im Verfahren beauftragten Gutachters, nicht darauf geschlossen werden, dass von ihm eine Stellungnahme ausschließlich zum Befangenheitsantrag erwartet würde. Denn aus dem Aktenzeichen ist, sofern die Abweichung vom Aktenzeichen des Hauptsacheverfahrens dem Sachverständigen überhaupt auffällt, für einen Außenstehenden nicht zwingend ersichtlich, dass es sich um ein Verfahren wegen eines Befangenheitsantrags handelt (vgl. so auch Beschluss des Senats vom 14.03.2016, Az.: L 15 RF 2/16).

3. Höhe der Vergütung

Die Vergütung ist antragsgemäß auf 369,21 EUR festzusetzen.

Angesichts der gebotenen geringen Prüfpflicht der Kostenbeamten und Kostenrichter (vgl. z.B. Grundsatzbeschlüsse vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11, vom 22.06.2012, Az.: L 15 SF 136/11, vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, vom 08.04.2013, Az.: L 15 SF 305/10, vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B, vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13, vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12, vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E, vom 03.11.2014, Az.: L 15 SF 254/12, vom 04.11.2014, Az.: L 15 SF 198/14, vom 14.01.2015, Az.: L 15 SF 239/12 B, vom 10.03.2015, Az.: L 15 RF 5/15, vom 11.05.2015, Az.: L 15 RF 14/15, vom 08.06.2015, Az.: L 15 SF 255/14 E, vom 08.03.2016, Az.: L 15 SF 209/15, und vom 14.03.2016, Az.: L 15 RF 2/16) kann allenfalls die erste Hälfte der Seite 2 der Stellungnahme vom 29.01.2016 als offensichtlich erkennbare Äußerung des Antragstellers zum Befangenheitsgesuch angesehen werden.

Für die verbleibenden knapp sechs Seiten der sachverständigen Stellungnahme hält der vom Antragsteller dem Vergütungsantrag zugrunde gelegte Zeitaufwand von vier Stunden einer Nachprüfung unter Beachtung der vom Senat entwickelten Grundsätze (vgl. insbesondere Beschlüsse vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, und vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11) ohne den geringsten Zweifel stand. Für ein Gutachten wegen einer Rente wegen Erwerbsminderung wie hier ist die Honorargruppe M 2 zu Grunde zu legen (ständige Rspr., vgl. z.B. Beschlüsse des Senats vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11, vom 10.03.2015, Az.: L 15 RF 5/15, vom 01.07.2015, Az.: L 15 SF 180/13, und vom 14.03.2016, Az.: L 15 RF 2/16; LSG Thüringen, Beschluss vom 02.06.2014, Az.: L 6 SF 1726/13 E; Reyels, in: jurisPR-SozR 18/2010, Anm. 6).

Es errechnet sich damit samt Schreibgebühren (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 JVEG), wobei sich hier für die halbe Seite der Äußerung zum Befangenheitsantrag keine Reduzierung der angesetzten Schreibgebühren ergibt, Umsatzsteuer (§ 12 Absatz 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG) und Porto (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG) ein Betrag von insgesamt 369,21 EUR.

Das Bayer. LSG hat über den Antrag auf gerichtliche Kostenfestsetzung gemäß § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt.

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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