L 9 U 844/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 2775/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 844/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 26. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1317 bzw. Nr. 1302 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) streitig.

Die 1974 geborene Klägerin war vom 28.10.1998 bis 07.04.2000 bei dem Textilunternehmen H. (H.) GmbH als Mitarbeiterin im Verkauf beschäftigt. In dieser Zeit hat sie nach ihren Angaben (Gutachten Dr. S., Bl. 100 der SG-Akten) sowohl im Lager als auch im Verkauf gearbeitet, vier bis fünf Monate vollschichtig und nach einer Zeit der Arbeitsunfähigkeit mit einer reduzierten Arbeitszeit auf vier bis fünf Stunden.

Mit Schreiben vom 27.08.2008 wandte sich die Klägerin an die Beklagte mit dem Begehren, eine Berufskrankheit festzustellen. Sie trug hierzu vor, dass es ihr während dieser Beschäftigungszeit gesundheitlich immer schlechter gegangen sei, sodass ihr Hausarzt eine geringere Arbeitszeit angeraten habe. Weil es ihr dennoch immer schlechter gegangen sei, habe sie am 07.04.2000 das Arbeitsverhältnis nach eineinhalbjähriger Beschäftigung aufgekündigt. Sie habe sich Dr. D. und Dr. S., I. F. anvertraut, die in zahlreichen Untersuchungen herausgefunden hätten, dass ihr Körper stark vergiftet sei. Berichte des Dr. D. vom 22.06.2008 und 15.08.2008 sowie Befunde der Medizinische Laboratorien Dr. S. und ein Bericht des Hausarztes Dr. D. vom 20.11.2000 für die Agentur für Arbeit waren diesem Schreiben beigefügt.

Mit Bescheid vom 28.10.2008 lehnte die Beklagte eine Entschädigung für geltend gemachte Schwindelerscheinungen und Allgemeinbeschwerden mit der Begründung ab, eine BK nach § 9 Abs. 1 oder nach § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) liege nicht vor. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 09.12.2008). Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Mannheim (SG) – S 2 U 155/09 – haben die Beteiligten einen Vergleich geschlossen, wonach sich die Beklagte bereit erklärte, zu prüfen, ob eine BK der Gruppe 13 vorliegt (vgl. Niederschrift vom 07.08.2009).

Mit Schreiben vom 23.08.2009 sowie im Fragebogen vom 29.08.2009 machte die Klägerin Angaben zu Art und Umfang ihrer Tätigkeiten bei H. sowie ihrer Beschwerden (Kribbeln in Händen und Füßen, extreme Kopfschmerzen, Schwindel und Ohnmachtsanfälle). Erstmals habe sie am 04.07.1999 den Notfalldienst aufsuchen müssen.

Der Beklagte zog ein Vorerkrankungsverzeichnis bei der A. bei und nahm Ermittlungen bei den von der Klägerin benannten Ärzten auf.

Der Orthopäde Dr. R. teilte auf Anfrage mit, die Klägerin einmalig am 13.10.1999 wegen seit ca. sechs Wochen bestehender Beschwerden thorakosternal untersucht zu haben.

Die Fachärzte für Allgemeinmedizin R. wiesen unter dem 03.09.2009 darauf hin, dass die Klägerin vom Vorgänger Dr. B. in Vertretung des Dr. D. am 10.12.2001 wegen Ohrenschmerzen und Abgeschlagenheit bei unauffälligem Befund der oberen Atemwege behandelt worden sei. Wegen interkurrenter Infekte seien seit 2001 vier Konsultationen durchgeführt worden.

Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. teilte mit, die Klägerin erstmals am 04.07.2003 wegen eines Restless-Legs-Syndroms behandelt zu haben. Eine zweite Vorstellung am 02.08.2005 habe wegen Drucks auf den Augen, Schwankschwindel und einer Angstsymptomatik stattgefunden. Des Weiteren habe sie sich seit 2005 immer wieder wegen Angstattacken und nachfolgender Therapie mit Paroxetin vorgestellt. Ein Elektroenzephalogramm (EEG) sei ebenso wie die visuell evozierten Potentiale und der neurologische Befund unauffällig gewesen.

Der Lungenfacharzt Dr. H. berichtete über eine Erstvorstellung am 10.08.1999 und eine Behandlung bis 28.09.1999 wegen des Verdachtes einer Pleuritis Sicca bei Ausschluss einer manifesten Einschränkung der Atemmechanik bzw. des Gasaustausches. Berufsbezogene Beschwerden seien nicht angegeben worden.

Dr. D. führte unter dem 17.09.2009 aus, die Klägerin erstmals 1999 wegen Missempfindungen, Schwindel und einem Kribbeln und der damaligen Diagnose "vegetatives Syndrom" behandelt zu haben. Einen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit habe er erst nach Bekanntwerden der Untersuchungsergebnisse des Dr. D. vermutet. Im vorgelegten Bericht der psychosomatischen Universitätsklinik H. vom 09.11.1999 über eine ambulante Untersuchung der Klägerin am 08.11.1999 wurde die Diagnose einer undifferenzierten Somatisierungsstörung gestellt. Ferner waren Laborbefunde aus August 2002, Mai 2003, April 2004, Januar 2007, März 2007 und Dezember 2008 beigefügt und die Befundberichte von Dr. S. vom 16.03.2006 (Diagnose: phobischer Schwankschwindel) und vom 14.06.2007 (Diagnosen: phobischer Schwankschwindel, Depression, Restless-Legs-Syndrom) an Dr. D.

Der Neurologe Dr. B. teilte unter dem 31.10.2009 mit, die Klägerin erstmals am 14.06.2004 untersucht zu haben. Neurologisch habe er in allen Qualitäten einen regelrechten Befund erhoben, aber Muskelverspannungen des M. trapezius bds. festgestellt. Es hätten Spannungskopfschmerzen mit Übergang zur Migräne ohne Aura bestanden. Ein EEG war ohne Befund. Er führte aus, dass die Beschwerden ubiquitär und nicht in einen Zusammenhang mit einer beruflichen Exposition gegenüber Schadstoffen zu bringen seien, zumal eine familiäre Kopfschmerzdisposition angegeben worden sei.

Dres. D. und D. haben mit Schreiben vom 01.11.2009 Befundberichte ihrer Behandlung vorgelegt und angegeben, dass die Klägerin sie erstmals am 21.02.2008 konsultiert habe. Am 10.04.2008 sei eine erhebliche Lösemittelbelastung festgestellt worden. Im beigefügten Bericht vom 06.02.2009 werden als "Arbeitsdiagnosen und laufende Diagnosen" eine MCS/CFS, eine toxische Enzephalopathie, ein dekompensiertes Immunsystem, ein Neurostress durch ex-tremen Mangel an Serotonin und DHEAS, eine toxische Dermopathie, ein chronischer Schwindel, ein Leaky-gut-Syndrom mit "Nahrungsmittelallergien", eine chemische Verletzung durch Amalgam und eine Medikamentenunverträglichkeit angegeben.

Dr. P. teilte unter dem 16.11.2009 mit, die Klägerin am 12.01.2000 wegen einer Tonsillitis mit Fieber und Schluckstörung behandelt zu haben. Wegen Kopfschmerzen und dem Verdacht auf Migräne habe sie die Klägerin am 04.06.2004 zu einem Neurologen überwiesen. Die Klägerin habe sich nicht mehr vorgestellt.

Am 07.10.2007 wurde die Klägerin von Mitarbeitern des Präventionsdienstes der Beklagten aufgesucht und befragt. Im Anschluss daran wurde die ehemalige Betriebsstätte der Klägerin aufgesucht und Messungen der Raumluft in dieser Filiale veranlasst. Nach dem Bericht des Präventionsdienstes (Dr. B. – vgl. Bericht vom 27.10.2009 und vom 02.11.2009 sowie die Analyseergebnisse der Firma D.AG & Co, L. vom 30.10.2009) hatte die Analyse auf flüchtige organische Stoffe in der Raumluft keinerlei Hinweise auf das Vorkommen üblicher, technisch verwendeter organischer Stoffe ergeben. Weil in dem Unternehmen kein Umgang mit chemischen Arbeitsstoffen bestehe, seien auch keine gefährdenden Raumluftkonzentrationen zu erwarten gewesen. Er wies darauf hin, dass in der Filiale eine Klimaanlage installiert worden sei, die zu der Zeit der Beschäftigung der Klägerin noch nicht vorhanden war. Es sei jedoch höchst unwahrscheinlich, dass durch diese Klimaanlage möglicherweise gesundheitsschädigende Gefahrstoffkonzentrationen auf ein Maß unter der Nachweisgrenze empfindlicher Analyseverfahren abgesenkt worden seien. Dem widersprächen auch zahlreiche andere Messungen in Textil-Einzelhandelsunternehmen, in denen zwar in Spuren flüchtige organische Verbindungen nachweisbar seien, die Konzentration jedoch jeweils tausend- bis zehntausendfach unter den Arbeitsplatzgrenzwerten lägen. Insgesamt sei weder jetzt noch für die Beschäftigungszeit der Versicherten eine Gefährdung durch chemische Gefahrstoffe anzunehmen. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK Nr. 1317 und die BK Nr. 1302 hätten weder früher noch jetzt vorgelegen. Zu den von Dres. D. und D. vorgelegten Untersuchungsergebnissen führte Dr. B. aus, dass das Untersuchungsgut nicht genau bezeichnet sei und hinsichtlich einer beruflichen Belastung keinerlei Aussagekraft habe. Die Untersuchungsergebnisse ca. neun Jahre nach Beendigung des betreffenden Arbeitsverhältnisses seien völlig ungeeignet, hieraus irgendwelche Schlüsse auf frühere Arbeitsverhältnisse zu ziehen. Zudem seien die festgestellten chlororganischen und anderen Verbindungen zwar wegen ihrer technischen Anwendung sehr weit verbreitet, aber gerade in der Textilindustrie würden sie im Gegensatz zur Ansicht der Versicherten kaum eingesetzt. Textilveredelungsprozesse liefen meist in wässriger Lösung ab, sodass Spuren organischer Chemikalien, die in solchen Prozessen als Hilfsmittel verwendet werden könnten, allenfalls in geringsten, gesundheitlich nicht relevanten Konzentrationen in den Textilien und nicht in der Raumluft vorhanden sein könnten.

Die Klägerin legte den Bericht des Nervenarztes Dr. B., T., vom 15.01.2010 über Untersuchungen am 26.10.2009 und am 10.12.2009 und den Diagnosen "Polyneuropathie, klinische Überempfindlichkeit, nachgewiesene toxische Belastungen, Leistungsabfall, verminderte Belastbarkeit, offensichtlich vor allem durch eineinhalb Jahre Arbeit bei H." vor. In ihrer gewerbeärztlichen Feststellung vom 12.01.2010 führte Dr. E. aus, dass eine BK gemäß den Nrn. 1302 und 1317 der BKV nicht zur Anerkennung vorgeschlagen werde, weil ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Tätigkeit und der infrage stehenden Erkrankung nicht wahrscheinlich gemacht werden könne. Die Ermittlungen hätten bislang keine konkreten Hinweise dafür ergeben, dass die Klägerin in ihrer Tätigkeit als Textilverkäuferin einer spezifischen Gefährdung gegenüber Halogenkohlenwasserstoffen, organischen Lösungsmitteln und anderen chemischen Stoffen ausgesetzt gewesen sei, welche als Ursache für die von ihr geklagten Gesundheitsstörungen in Betracht kämen. Ergänzend führte sie aus (Schreiben vom 08.02.2010), dass auch das Erkrankungsbild einer Polyneuropathie nicht eindeutig nachgewiesen sei.

Mit Bescheid vom 04.03.2010 lehnte die Beklagte eine Entschädigung der Beschwerden in Form von Kopfschmerzen, Schwindel, Ohnmachtsanfällen, Kribbeln der Hände und Füße als BK ab. Zur Begründung führte sie aus, dass die eineinhalbjährige Tätigkeit bei der Firma H. nicht geeignet gewesen sei, eine BK nach Nr. 1302 bzw. Nr. 1317 zu verursachen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2010 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 30.07.2010 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben.

Das SG hat Beweis erhoben durch das Einholen sachverständiger Zeugenaussagen bei der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. S., dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. D. und dem Internisten und Nephrologen Dr. D. Wegen der gemachten Angaben wird auf Bl. 16/17, 18 ff. und 58 ff. der Akten des SG verwiesen. Ferner hat es Dr. S. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt.

In seinem fachinternistisch-arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachten vom 01.04.2011 hat Dr. S. eine geringe Adipositas und gering erhöhte Werte für HbA1c und Triglyceride festgestellt und ausgeführt, dass keine dieser Gesundheitsstörungen mit Wahrscheinlichkeit allein oder zumindest gleichwertig neben anderen Ursachen auf den von der Klägerin geltend gemachten Einwirkungen am Arbeitsplatz beruhe.

Mit Urteil vom 26.01.2012 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass es für eine durch die Tätigkeit hervorgerufene Enzephalopathie an greifbaren Anhaltspunkten fehle. So habe nicht nur der Neurologe und Psychiater Dr. B. am 14.06.2004 einen neurologisch in allen Qualitäten regelrechten Befund erhoben, sondern es seien auch die am 02.08.2005 von der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. erhobenen neurologischen Befunde durchweg regelrecht gewesen. Damit sei eine Enzephalopathie selbst fünf Jahre nach Beendigung der Tätigkeit bei H. auszuschließen, zumindest aber nicht erweislich, sodass nichts für einen Ursachenzusammenhang mit der genannten Tätigkeit spreche. Gleiches gelte für die von der Klägerin geltend gemachte Polyneuropathie. Denn auch insoweit fehle es an ärztlich belegten und damit objektivierbaren Brückensymptomen aus der Zeit nach Beendigung der Tätigkeit im April 2000. Ausweislich der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage des behandelnden Allgemeinmediziners Dr. D. vom 07.12.2010 habe die Klägerin nämlich nach 2000 und bis April 2003 im Rahmen von insgesamt 40 hausärztlichen Konsultationen zunächst nicht mehr über Missempfindungen und Kribbelparästhesien an Armen und Beinen berichtet; auch im Übrigen seien entsprechende Klagen der Klägerin nicht dokumentiert. Selbst wenn es sich bei den bis Juli 2000 berichteten Missempfindungen bzw. Kribbelparästhesien um Zeichen einer Polyneuropathie gehandelt haben sollte und nunmehr eine solche Erkrankung vorliege (was nicht nachgewiesen sei), wäre in Ermangelung einer belegten durchgängigen Beschwerdesymptomatik nach Beendigung der Exposition ein ursächlicher Zusammenhang nicht wahrscheinlich. Auch eine BK Nr. 1302 liege nicht vor. Denn schon eine Exposition gegenüber Halogenkohlenwasserstoffen sei nicht erweislich. Die im Rahmen der Arbeitsplatzuntersuchung im Oktober/November 2009 durchgeführte Raumluftmessung habe eine entsprechende Belastung nicht ergeben. Dies stimme nach den plausiblen Ausführungen des Präventionsdienstes der Beklagten damit überein, dass Spuren organischer Chemikalien, die in Textilveredelungsprozessen als Hilfsmittel verwendet werden können, allenfalls in geringsten, gesundheitlich nicht relevanten Konzentrationen in den Textilien und nicht in der Raumluft vorhanden sein können und daher bei zahlreichen anderen Messungen in Textil-Einzelhandelsunternehmen zwar in Spuren flüchtiger organischer Verbindungen nachweisbar seien, die Konzentration jedoch jeweils tausend- bis zehntausendfach unter den Arbeitsplatzgrenzwerten liege. In Ermangelung einer durch die Raumluftmessung belegten Belastung sei nicht erweislich, dass die im sog. Eluat der sog. therapeutischen Apherese vom 17.12.2008 gefundenen Stoffe Aceton, Methylethylketon, Dichlormethan, Chloroform, Tetrachlorethen, Toluol, Xylol, Ethylbenzol und Benzol aus einer Intoxikation der Klägerin im Rahmen ihrer im April 2000 – also mehr als acht Jahre vor Durchführung der so genannten therapeutischen Apherese – beendeten Tätigkeit bei H. stammten. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der Ausführungen von Dr. D., wonach die besagten Stoffe kein Bestandteil der natürlichen Umgebung des Menschen seien. Denn Dr. D. habe gleichfalls dargelegt, dass der Mensch täglich einer Vielzahl von Chemikalien ausgesetzt sei, die er über die Atmung, die Haut, die Nahrung und Medikamente aufnehme. Damit erscheine unabhängig von der Frage, welche Rückschlüsse im Rahmen der Analyse von sog. Eluat ermittelte Werte auf die tatsächliche Belastung des menschlichen Körpers zuließen, eine Aufnahme der angeführten Stoffe nach April 2000, beispielsweise auch über von der Klägerin getragene Kleidung, zumindest ebenso möglich wie eine Intoxikation während der Tätigkeit bei H., weshalb Letzteres mithin nicht überwiegend wahrscheinlich sei.

Gegen das ihr am 01.02.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25.02.2012 Berufung eingelegt und unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrages an dem geltend gemachten Anspruch festgehalten.

Die Klägerin beantragt, sachdienlich gefasst,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 26. Januar 2012 sowie den Bescheid des Beklagten vom 4. März 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2010 aufzuheben und eine Berufskrankheit nach Nr. 1302 und/oder Nr. 1317 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Akten erster und zweiter Instanz verwiesen.

II.

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Anerkennung einer BK hat.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das Landessozialgericht (LSG) – nach vorheriger Anhörung der Beteiligten – die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 22.12.2014 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die zulässig erhobene kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG), mit der unter Aufhebung der Ablehnungsentscheidung der Beklagten die gerichtliche Feststellung begehrt wird, dass die geltend gemachte Erkrankung der Klägerin eine Listen-BK nach Nr. 1302 und/oder Nr. 1317 ist. Ein Versicherter, dem gegenüber ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung durch Verwaltungsakt entschieden hat, dass ein Anspruch auf Feststellung einer bestimmten BK nicht gegeben ist, kann deren Vorliegen als Grundlage infrage kommender Leistungsansprüche vorab im Wege einer Kombination von Anfechtungs- und Verpflichtungs- oder Feststellungsklage klären lassen (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009 – B 2 U 30/07 RBSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 3101 Nr. 4 BKV, jeweils RdNr. 11 m.w.N; BSG, Urteil vom 05.07.2011 – B 2 U 17/10 R = BSGE 108, 274; zuletzt BSG, Urteil vom 15.09.2011 – B 2 U 22/10 R = NZS 2012, 151). Die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage ist indes nicht begründet.

Der Senat teilt die Auffassung des SG, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Feststellung der BKen Nr. 1302 und Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV hat. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung Gebrauch gemacht, und bis heute unter den Nrn. 1302 (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe) und 1317 (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) der Anlage 1 zur BKV die hier streitigen BKen bezeichnet.

Nach ständiger Rechtsprechung müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen neben der versicherten Tätigkeit die Dauer und Intensität der schädigenden Einwirkungen sowie die in der BKV bezeichnete Krankheit gehören, nachgewiesen sein, d. h., bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden. Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkungen und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSGE 19, 52; 32, 203, 207 bis 209; 45, 285, 287).

Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkungen und Erkrankungen im Berufskrankheitenrecht gilt, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung, die das BSG in der Entscheidung vom 06.05.2006 (B 2 U 1/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = BSGE 96, 196-209) zusammengefasst dargestellt hat. Die Theorie der wesentlichen Bedingung hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der Ursache eines Erfolges jedes Ereignis ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der Bedingungstheorie werden im Sozialrecht als rechtserheblich aber nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere die versicherte Ursache bzw. das Ereignis als solches, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, konkurrierende Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens und Befunde und Diagnosen der erstbehandelnden Ärzte sowie die gesamte Krankengeschichte. Trotz dieser Ausrichtung am individuellen Versicherten ist der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs im Einzelfall der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand über die Ursachenzusammenhänge zwischen Einwirkungen und Gesundheitsschäden zugrunde zu legen. Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang nach der Theorie der wesentlichen Bedingung positiv festgestellt werden muss und hierfür hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt, nicht jedoch die bloße Möglichkeit. Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zulasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache für sich herleitet (BSGE 19, 52, 53; 30; 121, 123; 43, 110, 112). Dasselbe gilt, wenn der für die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität erforderliche wahrscheinliche Zusammenhang nicht nachweisbar ist.

Die Frage, welche Voraussetzungen zur Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung an einer BK vorliegen müssen, ist unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde nach dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu beantworten. Als solcher sind durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnene Erkenntnisse anzunehmen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht (BSG, Urteil vom 27.06.2006 – B 2 U 5/05 RSozR 4-5671 § 6 Nr. 2). Hiervon ausgehend hat das SG zutreffend das Vorliegen der BKen Nr. 1302 und Nr. 1317 verneint. Es fehlt am Nachweis sowohl der arbeitstechnischen als auch der medizinischen Voraussetzungen, und selbst wenn man diese unterstellen wollte, fehlt es an einer hinreichend wahrscheinlichen Verursachung durch eine angenommene schädigende Einwirkung. Der Senat nimmt daher zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des SG Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist mit Blick auf die Ausführungen der Klägerin im Berufungsverfahren darauf hinzuweisen, dass sie verkennt, dass es im Rahmen der BK Nr. 1317 nach dem medizinischen Tatbestand allein auf den Nachweis einer Enzephalopathie und/oder einer Polyneuropathie ankommt. Dass Beschwerden bereits mit Aufnahme der Tätigkeit oder kurz danach aufgetreten sein sollen, erfüllt den Tatbestand der streitigen BK zumindest solange nicht, bis nachgewiesen ist, dass diese Beschwerden Teil oder Folge einer im Vollbeweis und damit ohne vernünftigen Zweifel bestehenden Enzephalopathie oder Polyneuropathie sind. Die Folgen einer BK Nr. 1302 sind zudem nur dann von Relevanz, wenn Einwirkungen nachgewiesen sind, die über diese BK-Nummer versichert sind. Diese Zusammenhänge hat das SG nicht verkannt, und ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass diese BK-Nummern nicht erfüllt sind.

Der Senat vermag sich schon nicht davon zu überzeugen, dass die Klägerin tatsächlich organischen Lösungsmitteln oder deren Gemischen (iSd. BK Nr. 1317) oder Halogenkohlenwasserstoffen ausgesetzt gewesen ist. Der Senat stützt sich hier auf die Sachkunde des Präventionsdienstes, der nach der Messung der Raumluftkonzentration in den Räumen der ehemaligen Betriebsstätte der Klägerin und nach Auswertung dieser Messung durch die Firma D. AG & Co. KGaA, L. zu dem Ergebnis kam, dass die Analyse auf flüchtige organische Stoffe in der Raumluft keinen Hinweis auf das Vorkommen üblicher, technisch verwendeter organischer Stoffe ergab und daher die arbeitstechnischen Voraussetzungen weder für eine BK Nr. 1302 noch nach Nr. 1317 angenommen werden können. Hieran ändert nach den Feststellungen des Präventionsdienstes auch der Umstand nichts, dass zeitlich nachfolgend eine Klimaanlage eingebaut worden war. Denn, dass durch eine solche möglicherweise gesundheitsschädigende Gefahrstoffkonzentrationen auf ein Maß unter der Nachweisgrenze empfindlicher Analyseverfahren abgesenkt worden sein könnten, hält der Präventionsdienst unter Verweis auf zahlreiche Messungen in Textil- und Einzelhandelsunternehmen für höchst unwahrscheinlich. Angesichts des Umstandes, dass es um die Klärung von Einwirkungen handelt, denen die Klägerin zuletzt im April 2000 ausgesetzt gewesen sein könnte, sieht der Senat keine weitere Möglichkeit, die Art und Intensität einer solchen Belastung weiter aufzuklären; die vorliegenden Messungen belegen jedenfalls nicht, dass die Klägerin während ihrer Tätigkeit tatsächlich einer nennenswerten Belastung mit organischen Lösungsmitteln ausgesetzt gewesen ist, da selbst die Summenparameter der durchgeführten Messung (TVOC), die alle flüchtigen organischen Verbindungen der Probe umfasst, unauffällig geblieben sind.

Lässt man den fehlenden Nachweis einer schädigenden Einwirkung unberücksichtigt, ergeben sich aus den vorliegenden Befunden keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine berufliche Verursachung der von der Klägerin geltend gemachten Beschwerden. In medizinischer Hinsicht ist nicht entscheidend, an welchen Gesundheitsstörungen die Klägerin heute leidet, sondern ob Erkrankungen vorliegen, die mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit den Tatbestand der hier streitigen BKen erfüllen. Unter Berücksichtigung dessen ist klarstellend darauf hinzuweisen, dass auch Dr. D. in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 21.10.2010 gegenüber dem SG im Rahmen der Beantwortung der Beweisfrage 6 (Ist nach Ihren Feststellungen eine der diagnostizierten Erkrankungen durch berufliche Belastungen am Arbeitsplatz bedingt?) angegeben hat, dass dies für die "polyneuropathischen Beschwerden" zutrifft, weil diese zuerst aufgetreten seien und "eindeutig" in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Arbeit bei H. stünden. Mit anderen Worten hat er nur für diese der unter Beweisfrage 3) von ihm angegebenen Erkrankungen einen ursächlichen Zusammenhang angenommen, nicht aber auch etwa für die von ihm ebenfalls beschriebene toxische Enzephalopathie. Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob die erstmals im Rahmen der Behandlungen bei Dr. B. angegebene Diagnose der Polyneuropathie durch dessen Untersuchung tatsächlich im Vollbeweis belegt ist. Denn dem Bericht vom 15.01.2010 lässt sich außer der Angabe, es liege eine handschuh- und sockenförmige Hypästhesie und Hyperpathie vor, nicht entnehmen, worauf sich diese Diagnose tatsächlich stützt. Erforderlich hierfür sind insoweit Angaben über distal symmetrische Sensibilitätsstörungen für Vibrationsempfinden, Lageempfinden, Ästhesie, Algesie und Zweipunktdiskrimination. Je nach Verlauf der Erkrankung werden Reflexabschwächungen oder Areflexie, Störungen der autonomen Nervenversorgung, Verminderung der sensiblen und motorischen Nervenleitgeschwindigkeit und distale Latenzen sowie neurogene Schädigungen im EMG nachweisbar sein. Solche Befunde sind in dem Bericht von Dr. B. nicht mitgeteilt worden. Dem entsprechend hat auch die staatliche Gewerbeärztin Dr. E. ausgeführt (Schreiben vom 08.02.2010), dass das Erkrankungsbild einer Polyneuropathie nicht eindeutig nachgewiesen sei. Und auch Dr. D. spricht in seiner sachverständigen Zeugenaussage vor dem SG nur von "Zeichen einer Polyneuropathie" und von "polyneuropathischen Beschwerden", ohne dass hieraus ersichtlich wird, dass er eine Polyneuropathie als gesicherte Diagnose angenommen hat und woraus er diese ableitet. Denn neben den vorliegenden Berichten lassen sich auch seiner sachverständigen Zeugenaussage keine von ihm dokumentierten Befunde entnehmen, die eine Polyneuropathie klinisch (durch neurologisch belegbare Einschränkungen) belegen könnten. Weitere Ermittlungen waren hierzu nicht veranlasst, da der Senat die Auffassung des SG teilt, dass selbst der Nachweis einer Polyneuropathie durch die Untersuchungen von Dr. B. im Oktober und Dezember 2009 einen rechtlich wesentlichen Ursachenzusammenhang nicht wahrscheinlich machen kann. Denn hierfür fehlt es an Brückenbefunden, die durch die vorliegenden Berichte des Neurologen Dr. B. und der Neurologin und Psychiaterin Dr. S. nicht bestätigt sind. Denn insoweit wäre zu erwarten gewesen, dass typische Beschwerden wie symmetrisch-distale, arm- und beinbetonte, sensible, motorische oder sensomotorische Ausfälle mit stumpf- bzw. handschuhförmiger Verteilung (vgl. hierzu Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung (BKV), Stand Nov. 2015, M 1317 S. 2), die für eine Polyneuropathie charakteristisch wären, auch während dieser Behandlungen erkannt und verifiziert worden wären. Dies war aber nicht der Fall, nachdem sich die Klägerin nach Aktenlage erstmals im Juni 2004 in neurologische Behandlung bei Dr. B. begeben hat, der auf seinem Fachgebiet einen in allen Qualitäten regelrechten Befund erhoben und auch das EEG ohne Befund beschrieben hat (vgl. Bl. 48 der Akten der Beklagten). Die Neurologin und Psychiaterin Dr. S. bestätigte gegenüber dem SG in der sachverständigen Zeugenaussage vom 18.11.2010 ebenfalls einen bei der Erstkonsultation am 04.07.2003 unauffälligen neurologischen Befund mit unauffälligem EEG und unauffälligen visuell evozierten Potentialen. Abgesehen von Schlafstörungen und Zappeln der Beine hatte sie bei dieser Erstkonsultation keine weiteren Beschwerden dokumentiert, erst für das Jahr 2005 werden auch Schwankschwindel und Druck auf den Augen angegeben. Schließlich lassen sich durchgehende Kribbelparästhesien für die Zeit nach Beendigung der Tätigkeit auch nicht dem ausführlichen Bericht des Hausarztes Dr. D. im Rahmen der sachverständigen Zeugenaussage vom 27.12.2010 entnehmen. Denn dort führt dieser die erhobenen Befunde in Abhängigkeit der jeweiligen Konsultationen der Klägerin im Einzelnen auf, wobei Missempfindungen, Schwindel und Kribbeln zwar im Zeitraum Juli 1999 bis Juli 2000 Erwähnung finden, nicht mehr aber während gut 40 Konsultationen im Zeitraum von September 2000 bis April 2003. Zeitlich danach sind diese dann auch erst wieder im Frühjahr 2005 vermerkt worden. Der Senat stellt damit fest, dass Beschwerden wie symmetrisch-distale, arm- und beinbetonte, sensible, motorische oder sensomotorische Ausfälle mit stumpf- bzw. handschuhförmiger Verteilung sich auch diesen Angaben nicht ohne Zweifel entnehmen lassen, sodass das Vorliegen eine Polyneuropathie auch für diesen Zeitraum und auch ein Fortbestehen nicht als gesichert angesehen werden kann. Dies gilt umso mehr, als sich den Berichten und der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. D. weitere Ursachen für die gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin entnehmen lassen, etwa eine Borrelioseerkrankung und eine chemische Verletzung durch Amalgam sowie eine genetische Komponente in der Form von enzymgenetischen Polymorphismen, die bei der Klägerin sehr ausgeprägt vorliegt und die dazu führt, dass jede Auseinandersetzung mit einem Fremdstoff mit einer übersteuerten und nicht mehr regulierten Entzündung, also einer chronisch systematischen Entzündung beantwortet wird, wie Dr. D. ausgeführt hat. Der Senat kann angesichts der oben gemachten Ausführungen offen lassen, ob darin nicht die allein wesentliche Ursache im Rechtssinne für die von der Klägerin geltend gemachten Beschwerden zu sehen ist.

Sofern eine toxische Enzephalopathie zu diskutieren ist und soweit zugunsten der Klägerin unterstellt wird, diese sei im Vollbeweis durch die Untersuchung bei Dr. D. gesichert (der aber selbst - wie ausgeführt - keinen hinreichend ursächlichen Zusammenhang sah), spricht gegen eine Verursachung zudem, dass nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft eine lange Expositionsdauer, in der Regel von mehr als 10 Jahren zu fordern ist, da die schädigenden Stoffe flüchtig sind und diese eine Halbwertzeit von wenigen Stunden bis zu zwei Tagen haben (Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung (BKV), Stand Nov. 2015, M 1317 S. 9 m.w.N.). Die Klägerin hat die Tätigkeit aber selbst nur 1 ½ Jahre ausgeübt und war in dieser Zeit nicht in einem unmittelbaren Kontakt dergestalt, dass sie organischen Lösungsmitteln verarbeitend, etwa durch ein Abbeizen, Versiegeln, großflächiges Auftragen von Polyesterharzen, ausgesetzt gewesen war, wie im Merkblatt für die Annahme eines erhöhten Risikos einer Erkrankung beschrieben wurde.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Rechtskraft
Aus
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