Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 7 R 95/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 R 966/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 168/16 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Fehlt es an Beschäftigungszeiten zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung für einen im EU-Ausland lebenden EU-Bürger, kommt auch keine Vormerkung von Kindererziehungszeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung in Betracht; das frühere Bestehen eines Wohnsitzes in Deutschland reicht nicht aus.
Bemerkung
BSG: Beschwerde - B 5 R 168/16 B
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 4. November 2013 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt für die Zeit von Dezember 1998 bis Februar 2000 die Vormerkung des Tatbestandes einer Kindererziehungszeit sowie des Tatbestandes einer Berücksichtigungszeit für Kindererziehung.
Die 1961 in Indien geborene Klägerin, die indische Staatsangehörige ist, zog am 23. November 1995 nach Deutschland, absolvierte hier bis August 1996 ein Praktikum am Forschungszentrum J (Deutschland) im Rahmen ihrer Dissertation und kehrte dann nach B (Indien) zurück, wo sie bis Juli 1997 promovierte.
Im August 1997 heiratete die Klägerin in Indien den deutschen Staatsangehörigen T M und zog im Dezember 1997 nach Deutschland. Hier war sie für die Zeit vom 5. Dezember 1997 bis zum 12. März 2003 mit einem Hauptwohnsitz in L (Deutschland) gemeldet. Ihr war zunächst ein Visum und ab März 1999 eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt worden.
Der Ehemann der Klägerin war von Mai 1995 bis August 1998 Doktorand bei S. Hier war kein Anstellungsvertrag begründet worden. Er erhielt von S eine monatliche Beihilfe von 2700,00 DM; Beiträge zur Rentenversicherung wurden für diesen Zeitraum nicht gezahlt. Von Mai 1995 bis Oktober 1998 absolvierte er einen Gastaufenthalt im Forschungszentrum J.
Am 25. September 1998 gebar die Klägerin in C (Indien), wo sie sich besuchsweise vom 6. Juni 1998 bis 17. November 1998 aufhielt, den Sohn K. Im November 1998 kehrte die Klägerin mit dem Sohn nach Deutschland zurück.
In dem im vorliegenden Klageverfahren streitgegenständlichen Zeitraum vom 29. November 1998 bis Februar 2000 wurde der Sohn von der Klägerin – nach ihren Angaben im Antragsformular zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten - in Großbritannien erzogen. Die Klägerin war mit ihrem Sohn dem Ehemann am 29.
November 1998 nach Großbritannien gefolgt, dieser hatte eine auf maximal zwei Jahre befristete Postdoktorandenstelle inne, und hielt sich in Großbritannien bis zur gemeinsamen Rückkehr nach Deutschland am 20. Februar 2000 auf (unterbrochen von zwei Aufenthalten in Deutschland vom 23. Juli bis 13. August 1999 und vom 13. bis 23. November 1999). Dort zahlte der Ehemann für den Zeitraum vom 22. November 1998 bis zum 31. März 2000 Beiträge zum Rentenversicherungsträger Großbritanniens.
In Großbritannien wohnte die Klägerin ausschließlich möbliert zur Miete. Die Familie hatte die Wohnung in L beibehalten und ihren Hausrat dort belassen.
Zunächst der Ehemann und dann die Klägerin (von November 1999 bis Februar 2000) bezogen in England "child benefit" (Kindergeld) und erhielten zudem von der Familienkasse des Arbeitsamtes N den Differenzbetrag zum höheren deutschen Kindergeld.
Für die Klägerin wurden in der britischen Rentenversicherung (UK Pension Agency, HRP Dept) für die Zeit vom 23. November 1998 bis 7. März 2000 keine Beitragsgutschriften (credits) für eine Person, die Kindergeld in Anspruch nimmt, vorgemerkt. In Großbritannien war die Klägerin nicht abhängig beschäftigt.
Der Ehemann der Klägerin war ab dem 8. März 2000 gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI als Selbstständiger für eine in den Niederlanden ausgeübte Selbstständigkeit in der deutschen Rentenversicherung versicherungspflichtig.
Im Februar 2004 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kontenklärung und legte mit Schreiben vom 9. Januar 2006 dar, dass ihrer Ansicht nach für eine Kindererziehung in England auch dann eine Vormerkung nach deutschem Recht erfolgen könne, wenn eine hinreichende Verbindung nach Deutschland bestanden habe. Diese liege nach dem Urteil des EuGH vom 7. Februar 2002 in der Rechtssache Kauer (Aktenzeichen C - 28/00, dort Rn. 44) vor, weil sie in Deutschland gewohnt habe, bevor sie als Familienangehörige des Ehemannes (eines Wanderarbeiters) nach Großbritannien gezogen sei.
Mit Bescheiden vom 18. Oktober 2006 stellte die Beklagte die im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten bis Dezember 1999 gemäß § 149 Abs. 5 SGB VI verbindlich fest und merkte für die Zeit vom 1. Oktober 1998 bis zum 30. November 1998 den Tatbestand einer Kindererziehungszeit und für die Zeit vom 25. September 1998 bis zum 30. November 1998, vom 1. April 2002 bis zum 30. November 2003 und vom 1. April 2004 bis zum 31. März 2005 jeweils den Tatbestand einer Berücksichtigungszeit für Kindererziehung vor, lehnte jedoch die Anerkennung einer Kindererziehungszeit für die Zeit vom 1. Dezember 1998 bis zum 30. September 2001 bzw. einer Berücksichtigungszeit für Kindererziehung vom 1. Dezember 1998 bis 31. März 2002, vom 1. Dezember 2003 bis zum 31. März 2004 und vom 1. April 2005 bis zum 31. August 2006 ab, weil die Erziehung in diesen Zeiträumen im Ausland erfolgt sei.
Auf den Widerspruch der Klägerin vom 14. November 2006 half die Beklagte diesem mit Bescheid vom 24. Juli 2007 teilweise ab und merkte nunmehr auch die Zeit vom 1. März 2000 bis zum 30. September 2001 als Zeit der Kindererziehung sowie die Zeit vom 1. März 2000 bis zum 28. Februar 2002 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vor.
Mit weiterem Bescheid vom 8. August 2008 half die Beklagte dem Widerspruch erneut teilweise ab und merkte nunmehr auch die Zeit vom 1. bis 31. März 2002 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Dezember 2008 wies die Beklagte den Widerspruch - soweit ihm noch nicht abgeholfen worden war - zurück und führte zur Begründung unter anderem aus, die Klägerin habe sich während des vorliegend streitigen Auslandsaufenthalts gewöhnlich in Großbritannien aufgehalten, so dass die im Ausland zurückgelegten Erziehungszeiten weder gemäß § 56 Abs. 3 in Verbindung mit § 57 SGB VI noch aufgrund des Urteils des EuGH vom 23. November 2000 (Rechtssache Elsen, C – 135/99) anerkannt werden könnten.
Die anschließende Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Gerichtsbescheid vom 4. November 2013 abgewiesen und zur Begründung unter anderem ausgeführt, die
Vormerkung der streitigen Tatbestände einer Kindererziehungszeit sowie einer Berücksichtigungszeit für Kindererziehung für Dezember 1998 bis Februar 2002 stünden die §§ 56, 57 SGB VI entgegen, da die Erziehung zu dieser Zeit nicht im Inland, sondern in Großbritannien erfolgt sei. Die Erziehung sei weder im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt noch einer solchen gleich zu setzen. Die Klägerin habe sich mit dem Kind in dieser Zeit tatsächlich (unterbrochen nur von einem Urlaub und einer Dienstreise) in Großbritannien aufgehalten, wo sie mithin ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 30 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) begründet habe. Insoweit sei es rechtlich unbeachtlich, wo die Klägerin polizeilich gemeldet gewesen sei und ob sie eine Wohnung in Deutschland beibehalten habe, es komme einzig entscheidend darauf an, wo sie ihren tatsächlichen Mittelpunkt der Lebensbeziehung begründet habe und dies sei in Großbritannien gewesen. Ein Ausnahmefall nach § 56 Abs. 3 SGB VI, nach dem trotz Aufenthaltes im Ausland eine Kindererziehungszeit anerkannt werden könne, liege nicht vor. Die Klägerin selbst habe an die Deutsche Rentenversicherung keine Pflichtbeiträge entrichtet. Auch für ihren Ehemann seien weder für die Zeit in England noch unmittelbar für die Zeit vor der Geburt des Sohnes Pflichtbeiträge zur deutschen Rentenversicherung entrichtet worden, diese Nichtzahlung von Beiträgen läge auch nicht darin begründet, dass der Ehemann der Klägerin zu dem gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI versicherungsfreien Personenkreis gehört habe oder aber von der Versicherungspflicht befreit gewesen sei - vielmehr habe er mit Siemens einen Vertrag abgeschlossen, nach dem gerade kein rentenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründet worden sei. Letztlich sei es entscheidend darauf angekommen, ob der vorliegend streitige Zeitraum im Lichte europarechtlicher Vorschriften nach deutschem Recht bei der Beklagten oder nach britischem Recht beim dortigen Träger zu berücksichtigen sei. Nach Art. 13 Abs. 2 f der VO (EWG) Nr. 1408/71 seien auf die Kindererziehung in Großbritannien die britischen Rechtsvorschriften anzuwenden (Art. 12 Abs. 2 f VO (EWG) Nr. 1408/71 sei seinerzeit noch nicht in Kraft gewesen).
Der EuGH knüpfe für die Zuordnung zu dem deutschen oder dem britischen System daran an, ob eine hinreichende Verbindung es legitimiere, die Kindererziehungszeit dem jeweiligen System zuzuordnen. Eine solche hinreichend enge Beziehung der
Klägerin oder ihres Ehemannes zur deutschen sozialen Sicherung könne nicht erkannt werden. Die Klägerin habe keinen Beitrag zur deutschen Rentenversicherung selbst entrichtet (soweit sie auf die für sie entrichteten Pflichtbeiträge zur Kindererziehung Oktober bis November 1998 verweise, würden diese für die Begründung einer engen Beziehung nicht genügen - andernfalls wären für jedes in Deutschland geborene Kind die gesamten nachfolgenden Jahre zwingend und unabhängig von allen anderen Voraussetzungen als Kindererziehungszeit anzuerkennen, was ersichtlich nicht der Intention des Gesetzgebers entspreche) und auch ihr Ehemann habe erst ab dem März 2000, also nach dem vorliegend streitigen Zeitraum, Pflichtbeiträge für seine Selbstständigkeit in den Niederlanden an die Deutsche Rentenversicherung entrichtet. Der Umstand, dass die Klägerin im vorliegend streitigen Zeitraum Leistungen aus der deutschen Sozialversicherung (Differenz Kindergeld, Erziehungsgeld) in Anspruch genommen habe, könne die enge Beziehung ebenfalls nicht begründen, zumal darauf hinzuweisen sei, dass auch in Großbritannien eine Leistung (Kindergeld) in Anspruch genommen worden sei. Der Umstand schließlich, dass die Klägerin in den Niederlanden zum dortigen System freiwillige Beiträge für den Zeitraum vom 14. März 1976 bis zum 1. Oktober 2008 nachentrichtet habe, spreche ebenfalls nicht für eine enge Beziehung zum deutschen System der sozialen Sicherung (selbst wenn die Klägerin zur deutschen Rentenversicherung freiwillige Beiträge entrichtet hätte, hätten diese allein nicht dazu geführt, dass für die Kindererziehung deutsches Recht anwendbar würde, vielmehr müsse diese Frage nach Art. 13 der VO 1408/71 beantwortet werden).
Dieses Verständnis sei auch mit Art. 21 AEUV (Freizügigkeit) vereinbar. Hierzu sei vorab darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des EuGH die Staaten für die Ausgestaltung ihrer sozialen Sicherungssysteme selbst verantwortlich seien und dass ein Wechsel des Beschäftigungsstaates stets (Ausnahme: Entsendung, die hier nicht vorgelegen habe) mit einem Wechsel des Versicherungssystems verbunden sei. Der EuGH sehe auch in einer Verschlechterung des Leistungsniveaus im neuen Wohnstaat keine Beeinträchtigung der Freizügigkeit. Insoweit folge aus der Rechtsprechung des EuGH, insbesondere den Entscheidungen "Kauer", "Elsen" und "Reichel-Albert", die sich speziell mit der
Frage von Kindererziehungszeiten beschäftigen würden, nichts anderes. Hierbei könne zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass sie sich als Drittstaatenangehörige, aber Angehörige eines Unionsbürgers, überhaupt auf die europäischen Vorschriften berufen könne. Das Urteil "Kauer" sei bereits deshalb nicht anwendbar, weil der Sohn in Indien geboren worden sei. Auch das Urteil "Elsen" sei auf die Klägerin nicht übertragbar, weil die Klägerin zu keiner Zeit in der deutschen Rentenversicherung eine versicherungspflichtige Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung ausgeübt habe, die durch die Erziehung des Sohnes unterbrochen worden wäre. Auch aus dem Urteil "Reichel-Albert" sei der behauptete Anspruch der Klägerin schließlich nicht begründbar, weil diese in Deutschland nie eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt habe (Kriterium nach Rn. 35 der Entscheidung unter Verweis auf die Rn. 25-28 in "Elsen" und Rn. 32 in "Kauer" - für den Fall einer fehlenden Erwerbstätigkeit in Deutschland könne nach alledem nicht bezweifelt werden, dass eine Kindererziehung im Ausland keine hinreichende Verbindung zum deutschen System habe, so auch: Urteilsanmerkung von Dr. Bokeloh, in: ZESAR 2012, Seite 489) und die Berufstätigkeit auch nicht wegen der Kindererziehung eingestellt habe. Die drei genannten Urteile des EuGH würden sich dahingehend zusammenfassen lassen, dass eine Kindererziehung im zuständigen Staat bei tatsächlicher Kindererziehung in einem anderen Staat nur anerkannt werden könne, wenn die Erziehung der Kinder im Ausland durch eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Inland "eingerahmt" werde, diese also vor und nach der Zeit im Ausland erfolge. Hieran fehle es vorliegend.
Gegen den Gerichtsbescheid hat die Klägerin fristgemäß Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt und ihr Begehren weiter verfolgt. Hinsichtlich der ausführlichen Begründung ihrer Berufung wird auf Blatt 125 bis 128, Blatt 138 sowie Blatt 141 bis 145 der Gerichtsakte verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 4. November 2013 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2006 in der Fassung der Bescheide vom 24. Juli 2007 und 8. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Dezember 2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, für die Zeit von Dezember 1998 bis Februar 2000 den Tatbestand einer Kindererziehungszeit sowie den Tatbestand einer Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vorzumerken.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Rechtsstreits wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (sowohl die Klägerin als auch den Beigeladenen betreffend) sowie der Gerichtsakte verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben worden. Sie ist jedoch nicht begründet, da die Klägerin keinen Anspruch auf Vormerkung der geltend gemachten Zeiten hat, weil (I.) deutsches Recht keine Anwendung findet und (II.) die Voraussetzungen der einschlägigen Norm in der Auslegung des Europäischen Gerichtshofes nicht vorlägen.
I.
Die Klägerin kann sich auf deutsches Recht nicht berufen. Es existiert keine europarechtliche Norm, die es einem EU-Bürger erlaubt, sich hinsichtlich eines Lebenssachverhalts, der sich allein in einem ersten Mitgliedstaat – hier Großbritannien – abspielt, auf Rechtsnormen eines beliebigen zweiten Mitgliedstaats zu berufen. Dies ergibt sich aus der zum streitigen Zeitraum noch anwendbaren VO (EWG) Nr. 1408/71.
Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der VO schreibt vor, dass Personen, auf die die VO anwendbar ist – hier auf die Klägerin als Ehefrau eines deutschen EU-Bürgers grundsätzlich nur den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates unterfallen. Abs. 2 regelt, welcher Mitgliedsstaat dies ist. Nach Abs. 2 Buchst. a bis d wird auf die Beschäftigung abgestellt. Es ist unstreitig, dass die Klägerin im fraglichen Zeitraum weder eine selbstständige noch eine abhängige Beschäftigung in Deutschland ausgeübt hat, sie war auch weder Beamtin noch hat sie Wehr- oder Zivildienst geleistet. Nach Buchstabe f bestimmt schließlich der Wohnort die Anwendung geltenden Rechts. Der Wohnort lag in England (s.u.), eine polizeiliche Meldung in Deutschland reicht nicht aus, um die weitere Anwendung deutschen Rechts zu begründen. Daraus folgt, dass allein englisches Recht gilt.
Nichts anders ergibt sich aus der Rechtsprechung des EuGH zur Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten. In allen drei entschiedenen Fällen (Elsen C – 135/99, Kauer C – 28/00, Reichel-Albert C -522/10) hatte der EuGH zu befinden, ob das Recht des Beschäftigungsstaats oder des Wohnortstaats Anwendung findet. Der EuGH hat sich wegen des engen Zusammenhangs von Beschäftigungszeiten und Kindererziehungszeiten bei der Alterssicherung für den Beschäftigungsstaat entschieden. Diese Frage stellt sich hier aber gar nicht, denn die Klägerin war nie in Deutschland beschäftigt. Ein rentenversicherungsfreies Praktikum im Rahmen des Studiums bzw. als Doktorandin reicht dafür nicht aus. Damit ergibt sich als Anknüpfung für die Bestimmung des geltenden Rechts nur der Wohnort (Art. 13 Abs. 2 Buchst. f der VO); es gilt also allein englisches Recht.
Zutreffend hat bereits das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass eine Verschlechterung des Sozialleistungsniveaus im neuen Wohnsitzstaat keine europarechtlich relevante Beeinträchtigung des Rechts auf Freizügigkeit darstellt. Dieser Schluss ist zwingend, da anderenfalls die Mitgliedsstaaten gezwungen wären, zur Vermeidung der Beeinträchtigung des Freizügigkeitsrechts ihrer Bürgerinnen und Bürger ihre Sozialleistungen zu harmonisieren. Eine solche Pflicht besteht nicht.
II.
Wollte man dennoch deutsches Recht in der Auslegung anwenden, die es durch die Rechtsprechung des EuGH erfahren hat, lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung von Zeiten der Kindererziehung nicht vor.
Gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) sind Kindererziehungszeiten Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Nach Satz 2 der Vorschrift wird eine Kindererziehungszeit für einen Elternteil angerechnet, wenn 1. die Erziehung diesem Elternteil zuzuordnen ist, 2. die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und 3. der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen worden ist. Gemäß Abs. 3 der Vorschrift ist eine Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten hat. Einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland steht gleich, wenn der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten hat und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten hat. Dies gilt bei einem gemeinsamen Aufenthalt von Ehegatten oder Lebenspartnern im Ausland auch, wenn der Ehegatte oder Lebenspartner des erziehenden Elternteils solche Pflichtbeitragszeiten hat oder nur deshalb nicht hat, weil er zu den in § 5 Abs. 1 und 4 genannten Personen gehörte oder von der Versicherungspflicht befreit war.
Im hier streitigen Zeitraum von Dezember 1998 bis Februar 2000 hatten die Klägerin und das von ihr erzogene Kind ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in Großbritannien, wie die Klägerin zunächst in ihrem Antrag von Februar/März 2004 auch mitgeteilt hatte. Hier hat sie unter der Frage "Haben sie eines der unter Ziffer 4 genannten Kinder während der aufgeführten Erziehungszeiten im Ausland erzogen?" "Ja" angekreuzt und als Zeitraum der Erziehung in Großbritannien die Zeit vom 29. November 1998 bis zum
20. Februar 2000 eingetragen. Gemäß § 30 Abs. 3 S. 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) hat jemand dort den gewöhnlichen Aufenthalt, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er sich an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend aufhält. Dies ist im Falle der Klägerin zur Überzeugung des Senats im fraglichen Zeitraum Großbritannien gewesen, denn sie hat sich dort, unterbrochen lediglich durch zwei Aufenthalte vom 23. Juli bis 13. August 1999 und vom 13. bis 23. November 1999, unter Umständen aufgehalten, die erkennen ließen, dass sie sich an diesem Ort nicht nur vorübergehend aufhielt. Dagegen spricht weder, dass sie - nach ihren eigenen Angaben im Verfahren - in Großbritannien lediglich möbliert gewohnt hat noch dass eine Wohnung/Meldeadresse in Deutschland beibehalten worden ist. Für den gewöhnlichen Aufenthalts ist es nicht ausreichend, eine Wohnung oder polizeiliche Meldeanschrift in Deutschland zu haben, notwendig ist vielmehr, dass sich der Betreffende unter dieser Anschrift auch überwiegend aufhält.
Auch der aus Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergibt sich insoweit nichts anderes, denn u. a. im Urteil vom 11. September 2014 (C.394/13) ist ausgeführt (RN 26): "Insoweit ist nämlich darauf hinzuweisen, dass nach Art. 1 Buchst. h der Verordnung Nr. 1408/71 der Ausdruck "Wohnort" im Sinne dieser Verordnung den gewöhnlichen Aufenthalt bedeutet, d. h. den Ort, an dem die Betroffenen gewöhnlich wohnen und wo sich auch der gewöhnliche Mittelpunkt ihrer Interessen befindet". Auch der Europäische Gerichtshof knüpft somit für die Frage des Wohnortes an den gewöhnlichen Aufenthalt an.
Damit erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 S. 1 SGB VI im fraglichen Zeitraum von Dezember 1998 bis Februar 2000 nicht, denn sie hat das Kind nicht im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, sondern in Großbritannien erzogen.
Auch die Voraussetzungen des § 56 Abs. 3 S. 2 SGB VI sind vorliegend nicht gegeben. Dies würde Pflichtbeiträge der Klägerin zur deutschen Rentenversicherung wegen einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit im Ausland voraussetzen. Pflichtbeiträge, die wegen einer im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit gezahlt worden sind, führen nach deutschem Recht dagegen nicht zur Berücksichtigung einer ihnen folgenden Kindererziehungszeit während eines gewöhnlichen Aufenthalts im Ausland. Auch solche Zeiten hat die Klägerin nicht vorzuweisen, denn in ihrem Versicherungsverlauf sind bisher lediglich Zeiten der Schulausbildung, Hochschulausbildung sowie Pflichtbeitragszeiten wegen Mutterschutz, nicht jedoch Pflichtbeitragszeiten wegen einer ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit gespeichert; die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, solche Zeiten zurückgelegt zu haben.
Auch der Ehegatte der Klägerin hat solche Pflichtbeitragszeiten vor Beginn der geltend gemachten Kindererziehungszeit nicht zurückgelegt, so dass auch die Voraussetzungen des § 56 Abs. 3 S. 3 SGB VI nicht vorliegen.
Sind im Zeitraum Dezember 1998 bis Februar 2000 Kindererziehungszeiten gemäß § 56 SGB VI nicht anzuerkennen, so liegen in diesem Zeitraum auch keine Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung gemäß § 57 SGB VI vor, da diese an die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Kindererziehungszeit anknüpfen.
Etwas anderes folgt vorliegend auch nicht aus den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs vom 23. November 2000 in dem Verfahren C-135/99 (Elsen), vom 7. Februar 2002 in dem Verfahren C-28/00 (Kauer) oder vom 19. Juli 2012 in dem Verfahren C-522/10 (Reichel-Albert). Diese Verfahren unterscheiden sich sämtlich dadurch, dass die dortigen Klägerinnen in dem Staat, von dem sie die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten verlangten - in mehr oder weniger engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Beginn der Kindererziehungszeiten - Pflichtbeitragszeiten zum Rentenversicherungssystem des in Anspruch genommenen Staates zurückgelegt hatten. Hieraus schloss der EuGH, dass, wenn eine Person, die ausschließlich in ein und demselben Mitgliedstaat gearbeitet und Beiträge gezahlt hat, und zwar sowohl vor als auch nach der vorübergehenden Verlegung ihres Wohnsitzes aus rein familiären Gründen in einen anderen Mitgliedstaat, in dem sie zu keiner Zeit gearbeitet oder Beiträge gezahlt hat, davon auszugehen ist, dass zwischen diesen Kindererziehungszeiten und den Versicherungszeiten, die aufgrund einer Berufstätigkeit im erstgenannten Mitgliedstaat zurückgelegt worden sind, eine hinreichende Verbindung besteht (Urteil vom 19. Juli 2012 C-522/10 Reichel-Albert Rn. 35 unter Verweis auf die Urteile Elsen C-135/99 vom 23. November 2000, Rn. 25-28 und Kauer C-28/00 vom 7. Februar 2002, Rn. 32).
Dies ist für den Senat zwar nicht zwingend (siehe zur Kritik an diesem Urteil Anmerkung zum Urteil von Dr. Bokeloh, in: ZESAR 2012, Seite 483 ff.), aber ein durchaus nachvollziehbares Kriterium. Daraus folgt dann aber auch, dass der EuGH eine hinreichende Verbindung zwischen der von der Klägerin geltend gemachten Kindererziehungszeit und dem Rentenversicherungssystem, in dem sie diese anerkannt haben will, verlangt, die die vorherige Zurücklegung von Versicherungszeiten aufgrund einer Berufstätigkeit voraussetzt. Hieran fehlt es jedoch bei der Klägerin. Sie hat vor Dezember 1998 - und auch im weiteren Verlauf ihres bisherigen Versicherungslebens - keinerlei Pflichtbeitragszeiten wegen Beschäftigung oder selbstständiger Tätigkeit zum deutschen Rentenversicherungssystem geleistet. Es fehlt damit zur Überzeugung des Senats an der vom EuGH geforderten hinreichenden Verbindung zwischen den geltend gemachten Kindererziehungszeiten und dem betreffenden Rentenversicherungssystem. Allein die Tatsache, dass die Beklagte die Zeit vom 1. Oktober 1998 bis zum 30. November 1998 bereits als Kindererziehungszeit gemäß § 56 SGB VI anerkannt hat, vermittelt eine solche enge Verbindung zur deutschen Rentenversicherung nicht, da hierfür zwar Pflichtbeitragszeiten, jedoch keine Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit entstanden sind.
Der Senat hat auch keine Veranlassung gesehen, den Europäischen Gerichtshof anzurufen, denn er hält die vorliegenden Fragen bereits für ausreichend geklärt, eine Kollision mit Europarecht ist nicht ersichtlich.
Die Berufung ist nach alledem zurückzuweisen. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach Verkündung (Antrag vom 26. April 2016) ist nicht statthaft. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG vorliegt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt für die Zeit von Dezember 1998 bis Februar 2000 die Vormerkung des Tatbestandes einer Kindererziehungszeit sowie des Tatbestandes einer Berücksichtigungszeit für Kindererziehung.
Die 1961 in Indien geborene Klägerin, die indische Staatsangehörige ist, zog am 23. November 1995 nach Deutschland, absolvierte hier bis August 1996 ein Praktikum am Forschungszentrum J (Deutschland) im Rahmen ihrer Dissertation und kehrte dann nach B (Indien) zurück, wo sie bis Juli 1997 promovierte.
Im August 1997 heiratete die Klägerin in Indien den deutschen Staatsangehörigen T M und zog im Dezember 1997 nach Deutschland. Hier war sie für die Zeit vom 5. Dezember 1997 bis zum 12. März 2003 mit einem Hauptwohnsitz in L (Deutschland) gemeldet. Ihr war zunächst ein Visum und ab März 1999 eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt worden.
Der Ehemann der Klägerin war von Mai 1995 bis August 1998 Doktorand bei S. Hier war kein Anstellungsvertrag begründet worden. Er erhielt von S eine monatliche Beihilfe von 2700,00 DM; Beiträge zur Rentenversicherung wurden für diesen Zeitraum nicht gezahlt. Von Mai 1995 bis Oktober 1998 absolvierte er einen Gastaufenthalt im Forschungszentrum J.
Am 25. September 1998 gebar die Klägerin in C (Indien), wo sie sich besuchsweise vom 6. Juni 1998 bis 17. November 1998 aufhielt, den Sohn K. Im November 1998 kehrte die Klägerin mit dem Sohn nach Deutschland zurück.
In dem im vorliegenden Klageverfahren streitgegenständlichen Zeitraum vom 29. November 1998 bis Februar 2000 wurde der Sohn von der Klägerin – nach ihren Angaben im Antragsformular zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten - in Großbritannien erzogen. Die Klägerin war mit ihrem Sohn dem Ehemann am 29.
November 1998 nach Großbritannien gefolgt, dieser hatte eine auf maximal zwei Jahre befristete Postdoktorandenstelle inne, und hielt sich in Großbritannien bis zur gemeinsamen Rückkehr nach Deutschland am 20. Februar 2000 auf (unterbrochen von zwei Aufenthalten in Deutschland vom 23. Juli bis 13. August 1999 und vom 13. bis 23. November 1999). Dort zahlte der Ehemann für den Zeitraum vom 22. November 1998 bis zum 31. März 2000 Beiträge zum Rentenversicherungsträger Großbritanniens.
In Großbritannien wohnte die Klägerin ausschließlich möbliert zur Miete. Die Familie hatte die Wohnung in L beibehalten und ihren Hausrat dort belassen.
Zunächst der Ehemann und dann die Klägerin (von November 1999 bis Februar 2000) bezogen in England "child benefit" (Kindergeld) und erhielten zudem von der Familienkasse des Arbeitsamtes N den Differenzbetrag zum höheren deutschen Kindergeld.
Für die Klägerin wurden in der britischen Rentenversicherung (UK Pension Agency, HRP Dept) für die Zeit vom 23. November 1998 bis 7. März 2000 keine Beitragsgutschriften (credits) für eine Person, die Kindergeld in Anspruch nimmt, vorgemerkt. In Großbritannien war die Klägerin nicht abhängig beschäftigt.
Der Ehemann der Klägerin war ab dem 8. März 2000 gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI als Selbstständiger für eine in den Niederlanden ausgeübte Selbstständigkeit in der deutschen Rentenversicherung versicherungspflichtig.
Im Februar 2004 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kontenklärung und legte mit Schreiben vom 9. Januar 2006 dar, dass ihrer Ansicht nach für eine Kindererziehung in England auch dann eine Vormerkung nach deutschem Recht erfolgen könne, wenn eine hinreichende Verbindung nach Deutschland bestanden habe. Diese liege nach dem Urteil des EuGH vom 7. Februar 2002 in der Rechtssache Kauer (Aktenzeichen C - 28/00, dort Rn. 44) vor, weil sie in Deutschland gewohnt habe, bevor sie als Familienangehörige des Ehemannes (eines Wanderarbeiters) nach Großbritannien gezogen sei.
Mit Bescheiden vom 18. Oktober 2006 stellte die Beklagte die im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten bis Dezember 1999 gemäß § 149 Abs. 5 SGB VI verbindlich fest und merkte für die Zeit vom 1. Oktober 1998 bis zum 30. November 1998 den Tatbestand einer Kindererziehungszeit und für die Zeit vom 25. September 1998 bis zum 30. November 1998, vom 1. April 2002 bis zum 30. November 2003 und vom 1. April 2004 bis zum 31. März 2005 jeweils den Tatbestand einer Berücksichtigungszeit für Kindererziehung vor, lehnte jedoch die Anerkennung einer Kindererziehungszeit für die Zeit vom 1. Dezember 1998 bis zum 30. September 2001 bzw. einer Berücksichtigungszeit für Kindererziehung vom 1. Dezember 1998 bis 31. März 2002, vom 1. Dezember 2003 bis zum 31. März 2004 und vom 1. April 2005 bis zum 31. August 2006 ab, weil die Erziehung in diesen Zeiträumen im Ausland erfolgt sei.
Auf den Widerspruch der Klägerin vom 14. November 2006 half die Beklagte diesem mit Bescheid vom 24. Juli 2007 teilweise ab und merkte nunmehr auch die Zeit vom 1. März 2000 bis zum 30. September 2001 als Zeit der Kindererziehung sowie die Zeit vom 1. März 2000 bis zum 28. Februar 2002 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vor.
Mit weiterem Bescheid vom 8. August 2008 half die Beklagte dem Widerspruch erneut teilweise ab und merkte nunmehr auch die Zeit vom 1. bis 31. März 2002 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Dezember 2008 wies die Beklagte den Widerspruch - soweit ihm noch nicht abgeholfen worden war - zurück und führte zur Begründung unter anderem aus, die Klägerin habe sich während des vorliegend streitigen Auslandsaufenthalts gewöhnlich in Großbritannien aufgehalten, so dass die im Ausland zurückgelegten Erziehungszeiten weder gemäß § 56 Abs. 3 in Verbindung mit § 57 SGB VI noch aufgrund des Urteils des EuGH vom 23. November 2000 (Rechtssache Elsen, C – 135/99) anerkannt werden könnten.
Die anschließende Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Gerichtsbescheid vom 4. November 2013 abgewiesen und zur Begründung unter anderem ausgeführt, die
Vormerkung der streitigen Tatbestände einer Kindererziehungszeit sowie einer Berücksichtigungszeit für Kindererziehung für Dezember 1998 bis Februar 2002 stünden die §§ 56, 57 SGB VI entgegen, da die Erziehung zu dieser Zeit nicht im Inland, sondern in Großbritannien erfolgt sei. Die Erziehung sei weder im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt noch einer solchen gleich zu setzen. Die Klägerin habe sich mit dem Kind in dieser Zeit tatsächlich (unterbrochen nur von einem Urlaub und einer Dienstreise) in Großbritannien aufgehalten, wo sie mithin ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 30 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) begründet habe. Insoweit sei es rechtlich unbeachtlich, wo die Klägerin polizeilich gemeldet gewesen sei und ob sie eine Wohnung in Deutschland beibehalten habe, es komme einzig entscheidend darauf an, wo sie ihren tatsächlichen Mittelpunkt der Lebensbeziehung begründet habe und dies sei in Großbritannien gewesen. Ein Ausnahmefall nach § 56 Abs. 3 SGB VI, nach dem trotz Aufenthaltes im Ausland eine Kindererziehungszeit anerkannt werden könne, liege nicht vor. Die Klägerin selbst habe an die Deutsche Rentenversicherung keine Pflichtbeiträge entrichtet. Auch für ihren Ehemann seien weder für die Zeit in England noch unmittelbar für die Zeit vor der Geburt des Sohnes Pflichtbeiträge zur deutschen Rentenversicherung entrichtet worden, diese Nichtzahlung von Beiträgen läge auch nicht darin begründet, dass der Ehemann der Klägerin zu dem gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI versicherungsfreien Personenkreis gehört habe oder aber von der Versicherungspflicht befreit gewesen sei - vielmehr habe er mit Siemens einen Vertrag abgeschlossen, nach dem gerade kein rentenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründet worden sei. Letztlich sei es entscheidend darauf angekommen, ob der vorliegend streitige Zeitraum im Lichte europarechtlicher Vorschriften nach deutschem Recht bei der Beklagten oder nach britischem Recht beim dortigen Träger zu berücksichtigen sei. Nach Art. 13 Abs. 2 f der VO (EWG) Nr. 1408/71 seien auf die Kindererziehung in Großbritannien die britischen Rechtsvorschriften anzuwenden (Art. 12 Abs. 2 f VO (EWG) Nr. 1408/71 sei seinerzeit noch nicht in Kraft gewesen).
Der EuGH knüpfe für die Zuordnung zu dem deutschen oder dem britischen System daran an, ob eine hinreichende Verbindung es legitimiere, die Kindererziehungszeit dem jeweiligen System zuzuordnen. Eine solche hinreichend enge Beziehung der
Klägerin oder ihres Ehemannes zur deutschen sozialen Sicherung könne nicht erkannt werden. Die Klägerin habe keinen Beitrag zur deutschen Rentenversicherung selbst entrichtet (soweit sie auf die für sie entrichteten Pflichtbeiträge zur Kindererziehung Oktober bis November 1998 verweise, würden diese für die Begründung einer engen Beziehung nicht genügen - andernfalls wären für jedes in Deutschland geborene Kind die gesamten nachfolgenden Jahre zwingend und unabhängig von allen anderen Voraussetzungen als Kindererziehungszeit anzuerkennen, was ersichtlich nicht der Intention des Gesetzgebers entspreche) und auch ihr Ehemann habe erst ab dem März 2000, also nach dem vorliegend streitigen Zeitraum, Pflichtbeiträge für seine Selbstständigkeit in den Niederlanden an die Deutsche Rentenversicherung entrichtet. Der Umstand, dass die Klägerin im vorliegend streitigen Zeitraum Leistungen aus der deutschen Sozialversicherung (Differenz Kindergeld, Erziehungsgeld) in Anspruch genommen habe, könne die enge Beziehung ebenfalls nicht begründen, zumal darauf hinzuweisen sei, dass auch in Großbritannien eine Leistung (Kindergeld) in Anspruch genommen worden sei. Der Umstand schließlich, dass die Klägerin in den Niederlanden zum dortigen System freiwillige Beiträge für den Zeitraum vom 14. März 1976 bis zum 1. Oktober 2008 nachentrichtet habe, spreche ebenfalls nicht für eine enge Beziehung zum deutschen System der sozialen Sicherung (selbst wenn die Klägerin zur deutschen Rentenversicherung freiwillige Beiträge entrichtet hätte, hätten diese allein nicht dazu geführt, dass für die Kindererziehung deutsches Recht anwendbar würde, vielmehr müsse diese Frage nach Art. 13 der VO 1408/71 beantwortet werden).
Dieses Verständnis sei auch mit Art. 21 AEUV (Freizügigkeit) vereinbar. Hierzu sei vorab darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des EuGH die Staaten für die Ausgestaltung ihrer sozialen Sicherungssysteme selbst verantwortlich seien und dass ein Wechsel des Beschäftigungsstaates stets (Ausnahme: Entsendung, die hier nicht vorgelegen habe) mit einem Wechsel des Versicherungssystems verbunden sei. Der EuGH sehe auch in einer Verschlechterung des Leistungsniveaus im neuen Wohnstaat keine Beeinträchtigung der Freizügigkeit. Insoweit folge aus der Rechtsprechung des EuGH, insbesondere den Entscheidungen "Kauer", "Elsen" und "Reichel-Albert", die sich speziell mit der
Frage von Kindererziehungszeiten beschäftigen würden, nichts anderes. Hierbei könne zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass sie sich als Drittstaatenangehörige, aber Angehörige eines Unionsbürgers, überhaupt auf die europäischen Vorschriften berufen könne. Das Urteil "Kauer" sei bereits deshalb nicht anwendbar, weil der Sohn in Indien geboren worden sei. Auch das Urteil "Elsen" sei auf die Klägerin nicht übertragbar, weil die Klägerin zu keiner Zeit in der deutschen Rentenversicherung eine versicherungspflichtige Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung ausgeübt habe, die durch die Erziehung des Sohnes unterbrochen worden wäre. Auch aus dem Urteil "Reichel-Albert" sei der behauptete Anspruch der Klägerin schließlich nicht begründbar, weil diese in Deutschland nie eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt habe (Kriterium nach Rn. 35 der Entscheidung unter Verweis auf die Rn. 25-28 in "Elsen" und Rn. 32 in "Kauer" - für den Fall einer fehlenden Erwerbstätigkeit in Deutschland könne nach alledem nicht bezweifelt werden, dass eine Kindererziehung im Ausland keine hinreichende Verbindung zum deutschen System habe, so auch: Urteilsanmerkung von Dr. Bokeloh, in: ZESAR 2012, Seite 489) und die Berufstätigkeit auch nicht wegen der Kindererziehung eingestellt habe. Die drei genannten Urteile des EuGH würden sich dahingehend zusammenfassen lassen, dass eine Kindererziehung im zuständigen Staat bei tatsächlicher Kindererziehung in einem anderen Staat nur anerkannt werden könne, wenn die Erziehung der Kinder im Ausland durch eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Inland "eingerahmt" werde, diese also vor und nach der Zeit im Ausland erfolge. Hieran fehle es vorliegend.
Gegen den Gerichtsbescheid hat die Klägerin fristgemäß Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt und ihr Begehren weiter verfolgt. Hinsichtlich der ausführlichen Begründung ihrer Berufung wird auf Blatt 125 bis 128, Blatt 138 sowie Blatt 141 bis 145 der Gerichtsakte verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 4. November 2013 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2006 in der Fassung der Bescheide vom 24. Juli 2007 und 8. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Dezember 2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, für die Zeit von Dezember 1998 bis Februar 2000 den Tatbestand einer Kindererziehungszeit sowie den Tatbestand einer Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vorzumerken.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Rechtsstreits wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (sowohl die Klägerin als auch den Beigeladenen betreffend) sowie der Gerichtsakte verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben worden. Sie ist jedoch nicht begründet, da die Klägerin keinen Anspruch auf Vormerkung der geltend gemachten Zeiten hat, weil (I.) deutsches Recht keine Anwendung findet und (II.) die Voraussetzungen der einschlägigen Norm in der Auslegung des Europäischen Gerichtshofes nicht vorlägen.
I.
Die Klägerin kann sich auf deutsches Recht nicht berufen. Es existiert keine europarechtliche Norm, die es einem EU-Bürger erlaubt, sich hinsichtlich eines Lebenssachverhalts, der sich allein in einem ersten Mitgliedstaat – hier Großbritannien – abspielt, auf Rechtsnormen eines beliebigen zweiten Mitgliedstaats zu berufen. Dies ergibt sich aus der zum streitigen Zeitraum noch anwendbaren VO (EWG) Nr. 1408/71.
Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der VO schreibt vor, dass Personen, auf die die VO anwendbar ist – hier auf die Klägerin als Ehefrau eines deutschen EU-Bürgers grundsätzlich nur den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates unterfallen. Abs. 2 regelt, welcher Mitgliedsstaat dies ist. Nach Abs. 2 Buchst. a bis d wird auf die Beschäftigung abgestellt. Es ist unstreitig, dass die Klägerin im fraglichen Zeitraum weder eine selbstständige noch eine abhängige Beschäftigung in Deutschland ausgeübt hat, sie war auch weder Beamtin noch hat sie Wehr- oder Zivildienst geleistet. Nach Buchstabe f bestimmt schließlich der Wohnort die Anwendung geltenden Rechts. Der Wohnort lag in England (s.u.), eine polizeiliche Meldung in Deutschland reicht nicht aus, um die weitere Anwendung deutschen Rechts zu begründen. Daraus folgt, dass allein englisches Recht gilt.
Nichts anders ergibt sich aus der Rechtsprechung des EuGH zur Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten. In allen drei entschiedenen Fällen (Elsen C – 135/99, Kauer C – 28/00, Reichel-Albert C -522/10) hatte der EuGH zu befinden, ob das Recht des Beschäftigungsstaats oder des Wohnortstaats Anwendung findet. Der EuGH hat sich wegen des engen Zusammenhangs von Beschäftigungszeiten und Kindererziehungszeiten bei der Alterssicherung für den Beschäftigungsstaat entschieden. Diese Frage stellt sich hier aber gar nicht, denn die Klägerin war nie in Deutschland beschäftigt. Ein rentenversicherungsfreies Praktikum im Rahmen des Studiums bzw. als Doktorandin reicht dafür nicht aus. Damit ergibt sich als Anknüpfung für die Bestimmung des geltenden Rechts nur der Wohnort (Art. 13 Abs. 2 Buchst. f der VO); es gilt also allein englisches Recht.
Zutreffend hat bereits das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass eine Verschlechterung des Sozialleistungsniveaus im neuen Wohnsitzstaat keine europarechtlich relevante Beeinträchtigung des Rechts auf Freizügigkeit darstellt. Dieser Schluss ist zwingend, da anderenfalls die Mitgliedsstaaten gezwungen wären, zur Vermeidung der Beeinträchtigung des Freizügigkeitsrechts ihrer Bürgerinnen und Bürger ihre Sozialleistungen zu harmonisieren. Eine solche Pflicht besteht nicht.
II.
Wollte man dennoch deutsches Recht in der Auslegung anwenden, die es durch die Rechtsprechung des EuGH erfahren hat, lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung von Zeiten der Kindererziehung nicht vor.
Gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) sind Kindererziehungszeiten Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Nach Satz 2 der Vorschrift wird eine Kindererziehungszeit für einen Elternteil angerechnet, wenn 1. die Erziehung diesem Elternteil zuzuordnen ist, 2. die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und 3. der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen worden ist. Gemäß Abs. 3 der Vorschrift ist eine Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten hat. Einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland steht gleich, wenn der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten hat und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten hat. Dies gilt bei einem gemeinsamen Aufenthalt von Ehegatten oder Lebenspartnern im Ausland auch, wenn der Ehegatte oder Lebenspartner des erziehenden Elternteils solche Pflichtbeitragszeiten hat oder nur deshalb nicht hat, weil er zu den in § 5 Abs. 1 und 4 genannten Personen gehörte oder von der Versicherungspflicht befreit war.
Im hier streitigen Zeitraum von Dezember 1998 bis Februar 2000 hatten die Klägerin und das von ihr erzogene Kind ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in Großbritannien, wie die Klägerin zunächst in ihrem Antrag von Februar/März 2004 auch mitgeteilt hatte. Hier hat sie unter der Frage "Haben sie eines der unter Ziffer 4 genannten Kinder während der aufgeführten Erziehungszeiten im Ausland erzogen?" "Ja" angekreuzt und als Zeitraum der Erziehung in Großbritannien die Zeit vom 29. November 1998 bis zum
20. Februar 2000 eingetragen. Gemäß § 30 Abs. 3 S. 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) hat jemand dort den gewöhnlichen Aufenthalt, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er sich an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend aufhält. Dies ist im Falle der Klägerin zur Überzeugung des Senats im fraglichen Zeitraum Großbritannien gewesen, denn sie hat sich dort, unterbrochen lediglich durch zwei Aufenthalte vom 23. Juli bis 13. August 1999 und vom 13. bis 23. November 1999, unter Umständen aufgehalten, die erkennen ließen, dass sie sich an diesem Ort nicht nur vorübergehend aufhielt. Dagegen spricht weder, dass sie - nach ihren eigenen Angaben im Verfahren - in Großbritannien lediglich möbliert gewohnt hat noch dass eine Wohnung/Meldeadresse in Deutschland beibehalten worden ist. Für den gewöhnlichen Aufenthalts ist es nicht ausreichend, eine Wohnung oder polizeiliche Meldeanschrift in Deutschland zu haben, notwendig ist vielmehr, dass sich der Betreffende unter dieser Anschrift auch überwiegend aufhält.
Auch der aus Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergibt sich insoweit nichts anderes, denn u. a. im Urteil vom 11. September 2014 (C.394/13) ist ausgeführt (RN 26): "Insoweit ist nämlich darauf hinzuweisen, dass nach Art. 1 Buchst. h der Verordnung Nr. 1408/71 der Ausdruck "Wohnort" im Sinne dieser Verordnung den gewöhnlichen Aufenthalt bedeutet, d. h. den Ort, an dem die Betroffenen gewöhnlich wohnen und wo sich auch der gewöhnliche Mittelpunkt ihrer Interessen befindet". Auch der Europäische Gerichtshof knüpft somit für die Frage des Wohnortes an den gewöhnlichen Aufenthalt an.
Damit erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 S. 1 SGB VI im fraglichen Zeitraum von Dezember 1998 bis Februar 2000 nicht, denn sie hat das Kind nicht im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, sondern in Großbritannien erzogen.
Auch die Voraussetzungen des § 56 Abs. 3 S. 2 SGB VI sind vorliegend nicht gegeben. Dies würde Pflichtbeiträge der Klägerin zur deutschen Rentenversicherung wegen einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit im Ausland voraussetzen. Pflichtbeiträge, die wegen einer im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit gezahlt worden sind, führen nach deutschem Recht dagegen nicht zur Berücksichtigung einer ihnen folgenden Kindererziehungszeit während eines gewöhnlichen Aufenthalts im Ausland. Auch solche Zeiten hat die Klägerin nicht vorzuweisen, denn in ihrem Versicherungsverlauf sind bisher lediglich Zeiten der Schulausbildung, Hochschulausbildung sowie Pflichtbeitragszeiten wegen Mutterschutz, nicht jedoch Pflichtbeitragszeiten wegen einer ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit gespeichert; die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, solche Zeiten zurückgelegt zu haben.
Auch der Ehegatte der Klägerin hat solche Pflichtbeitragszeiten vor Beginn der geltend gemachten Kindererziehungszeit nicht zurückgelegt, so dass auch die Voraussetzungen des § 56 Abs. 3 S. 3 SGB VI nicht vorliegen.
Sind im Zeitraum Dezember 1998 bis Februar 2000 Kindererziehungszeiten gemäß § 56 SGB VI nicht anzuerkennen, so liegen in diesem Zeitraum auch keine Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung gemäß § 57 SGB VI vor, da diese an die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Kindererziehungszeit anknüpfen.
Etwas anderes folgt vorliegend auch nicht aus den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs vom 23. November 2000 in dem Verfahren C-135/99 (Elsen), vom 7. Februar 2002 in dem Verfahren C-28/00 (Kauer) oder vom 19. Juli 2012 in dem Verfahren C-522/10 (Reichel-Albert). Diese Verfahren unterscheiden sich sämtlich dadurch, dass die dortigen Klägerinnen in dem Staat, von dem sie die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten verlangten - in mehr oder weniger engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Beginn der Kindererziehungszeiten - Pflichtbeitragszeiten zum Rentenversicherungssystem des in Anspruch genommenen Staates zurückgelegt hatten. Hieraus schloss der EuGH, dass, wenn eine Person, die ausschließlich in ein und demselben Mitgliedstaat gearbeitet und Beiträge gezahlt hat, und zwar sowohl vor als auch nach der vorübergehenden Verlegung ihres Wohnsitzes aus rein familiären Gründen in einen anderen Mitgliedstaat, in dem sie zu keiner Zeit gearbeitet oder Beiträge gezahlt hat, davon auszugehen ist, dass zwischen diesen Kindererziehungszeiten und den Versicherungszeiten, die aufgrund einer Berufstätigkeit im erstgenannten Mitgliedstaat zurückgelegt worden sind, eine hinreichende Verbindung besteht (Urteil vom 19. Juli 2012 C-522/10 Reichel-Albert Rn. 35 unter Verweis auf die Urteile Elsen C-135/99 vom 23. November 2000, Rn. 25-28 und Kauer C-28/00 vom 7. Februar 2002, Rn. 32).
Dies ist für den Senat zwar nicht zwingend (siehe zur Kritik an diesem Urteil Anmerkung zum Urteil von Dr. Bokeloh, in: ZESAR 2012, Seite 483 ff.), aber ein durchaus nachvollziehbares Kriterium. Daraus folgt dann aber auch, dass der EuGH eine hinreichende Verbindung zwischen der von der Klägerin geltend gemachten Kindererziehungszeit und dem Rentenversicherungssystem, in dem sie diese anerkannt haben will, verlangt, die die vorherige Zurücklegung von Versicherungszeiten aufgrund einer Berufstätigkeit voraussetzt. Hieran fehlt es jedoch bei der Klägerin. Sie hat vor Dezember 1998 - und auch im weiteren Verlauf ihres bisherigen Versicherungslebens - keinerlei Pflichtbeitragszeiten wegen Beschäftigung oder selbstständiger Tätigkeit zum deutschen Rentenversicherungssystem geleistet. Es fehlt damit zur Überzeugung des Senats an der vom EuGH geforderten hinreichenden Verbindung zwischen den geltend gemachten Kindererziehungszeiten und dem betreffenden Rentenversicherungssystem. Allein die Tatsache, dass die Beklagte die Zeit vom 1. Oktober 1998 bis zum 30. November 1998 bereits als Kindererziehungszeit gemäß § 56 SGB VI anerkannt hat, vermittelt eine solche enge Verbindung zur deutschen Rentenversicherung nicht, da hierfür zwar Pflichtbeitragszeiten, jedoch keine Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit entstanden sind.
Der Senat hat auch keine Veranlassung gesehen, den Europäischen Gerichtshof anzurufen, denn er hält die vorliegenden Fragen bereits für ausreichend geklärt, eine Kollision mit Europarecht ist nicht ersichtlich.
Die Berufung ist nach alledem zurückzuweisen. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach Verkündung (Antrag vom 26. April 2016) ist nicht statthaft. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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BRB
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