L 4 P 5223/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 P 1841/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 5223/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24. November 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Fortführung der Pflegepflichtversicherung ab 1. Januar 2015 und die Zahlung von Beiträgen zur Pflegepflichtversicherung.

Die 1949 geborene Klägerin war zuletzt selbständig tätig. Sie schloss mit dem beklagten privaten Versicherungsunternehmen im Dezember 1998 mit Wirkung ab 1. Januar 1999 einen Vertrag über eine Krankenversicherung, dem die Allgemeinen Versicherungsbedingungen des Beklagten für den Standardtarif (MB/ST) zugrunde lagen, und über eine private Pflegepflichtversicherung mit dem Tarif PVN, dem die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegepflichtversicherung (MB/PPV) zugrunde lagen. Der monatliche Gesamtbeitrag betrug ab 1. Januar 2015 EUR 455,35 (Krankenversicherung EUR 406,09; Pflegepflichtversicherung EUR 49,26).

Die Klägerin bezieht seit 1. Juni 2014 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, ab 1. Januar 2015 mit einem monatlichen Zahlbetrag von EUR 877,14 (Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 18. Dezember 2014). Sie ist nicht Mitglied in der Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung der Rentner.

Mit Schreiben vom 12. Juli 2014 bat die Klägerin den Beklagten, ab 1. August 2014 den Beitrag zur Krankenversicherung um 50 Prozent zu senken. Dies lehnte der Beklagte ab (Schreiben vom 21. Juli 2014). Nachdem die Klägerin gegenüber dem Beklagten im September 2014 zum Ausdruck gebracht hatte, die Versicherungsverträge zu beenden (Schreiben der Klägerin vom 24. September 2014), wies der Beklagte sie darauf hin, zur wirksamen Beendigung benötige er einen Nachweis, aus dem hervorgehe, dass für die Klägerin ab dem 1. Januar 2015 ein anderweitiger der Pflicht zur Versicherung genügender Versicherungsschutz bestehe (Schreiben vom 24. September 2014, 14. Oktober 2014 und 2. März 2015).

Mit Schreiben vom 3. Oktober 2014 beantragte die Klägerin beim Bundesministerium für Gesundheit, von der privaten Krankenversicherung in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln zu dürfen, weil sie über 50 Prozent ihrer Altersrente für die Kranken- und Pflegepflichtversicherung aufzubringen habe. Das Bundesministerium für Gesundheit verwies die Klägerin an Anlaufstellen bei Unzufriedenheit mit der privaten Kranken- und Pflegeversicherung und erläuterte ihr den Zugang zur Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung (Schreiben vom 31. Oktober 2014).

Mit mehreren Schreiben mahnte der Beklagte unter anderem die Beiträge zur Pflegepflichtversicherung für die Monate Januar bis April 2015 in Höhe von insgesamt EUR 197,04 zuzüglich Mahn- und Portokosten in Höhe von EUR 10,00. Auf die Mahnung vom 13. April 2015 zahlte die Klägerin EUR 5,00.

Die Klägerin erhob am 21. April 2015 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG). Sie habe die Verträge über die Krankenversicherung und die private Pflegepflichtversicherung zum 31. Dezember 2014 gekündigt. Sie könne den gesetzlichen Bestimmungen zur Zahlung der Pflichtbeiträge nicht nachkommen. Der Gesetzgeber verlange von ihr Unmögliches, wenn sie über 50 Prozent ihrer Rente für die Kranken- und Pflegeversicherung aufbringen soll. Eine Beantragung von Sozialhilfe komme für sie grundsätzlich nicht in Frage.

Der Beklagte trat der Klage entgegen und erhob Widerklage auf Zahlung von EUR 241,30 (Beitrag für Januar 2015 EUR 44,26 [EUR 49,26 abzüglich gezahlter EUR 5,00], Beiträge für Februar bis Mai 2015 EUR 197,04 [vier Prämien à EUR 49,26]) sowie außergerichtlichen Mahnkosten in Höhe von EUR 10,00. Hinsichtlich der Krankenversicherung rügte der Beklagte die Zuständigkeit des SG. Die Verträge habe die Klägerin nicht wirksam gekündigt. Es fehle der Nachweis einer nahtlosen Anschlussversicherung.

Das SG wies die Klage ab und verurteilte die Klägerin, an den Beklagten EUR 241,30 nebst außergerichtlichen Mahnkosten in Höhe von EUR 10,00 zu zahlen (Gerichtsbescheid vom 24. November 2015). Zu beurteilen sei allein die gegen die Beklagte als Träger der privaten Pflegepflichtversicherung erhobene Feststellungsklage, die zulässig, jedoch unbegründet sei. Die Klägerin habe die Versicherungsverträge nicht wirksam gekündigt, weshalb sie weiter bei dem Beklagten pflegepflichtversichert und zur Zahlung der monatlichen Prämien verpflichtet sei. Der Klägerin sei eine wirksame Kündigung schon ihrer privaten Krankenversicherung, von der wiederum die private Pflegepflichtversicherung abhänge, nicht gelungen. Denn sie habe diese Versicherung nicht kündigen können, ohne den Nachweis einer anderweitigen Versicherung zu erbringen. In die gesetzliche Krankenversicherung könne die Klägerin nicht wechseln. Denn sie erfülle keine der Tatbestandsvoraussetzungen für die Mitgliedschaft. Einen derartigen Wechsel habe der Gesetzgeber unter anderem deshalb nicht vorgesehen, weil sich die privat Krankenversicherten ansonsten in jungen Jahren der günstigeren privaten Beiträge bedienen könnten, um mit zunehmendem Krankheitsrisiko im Alter in die dann unter Umständen günstigeren Beiträge gesetzlichen Krankenversicherung gelangen zu können, ohne zu deren Solidargemeinschaft zuvor beigetragen zu haben. Damit sei die vom Gesetzgeber getroffene Regelung nachvollziehbar und plausibel. Gesichtspunkte für eine Verfassungswidrigkeit seien nicht erkennbar. Soweit die Klägerin geltend mache, sie könne die Beiträge – der Beklagte erhebe allerdings nur Beiträge in einer Höhe unterhalb des Höchstbeitrages in der gesetzlichen Kranken- bzw. Pflegeversicherung – in der geschuldeten Höhe nicht aufbringen, stehe ihr ein Sozialhilfeanspruch auf Übernahme der angemessenen Aufwendungen für die Krankenversicherung bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmens und die Aufwendungen für eine private Pflegeversicherung zu. Bei ihrem Antrag vom 12. Juli 2014, die Beiträge zur privaten Krankenversicherung um die Hälfte zu senken, habe sie sich nicht auf die Sozialhilfebedürftigkeit berufen. Der Beklagte habe daher bisher keinen Anlass gehabt, die Frage genauer zu prüfen, ob eine Reduzierung des Beitrages zur privaten Pflegepflichtversicherung in Betracht komme. Da die Klägerin dezidiert erklärt habe, eine Beantragung von Sozialhilfe komme für sie nicht infrage, bedeute dies, dass jedenfalls bis jetzt eine Reduzierung des Beitrags zur privaten Pflegepflichtversicherung aufgrund einer vom Sozialhilfeträger zu bescheinigenden Hilfebedürftigkeit im Sinne des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) für die Klägerin nicht in Betracht gekommen wäre.

Gegen den ihr am 27. November 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 14. Dezember 2015 beim SG Berufung eingelegt. Sie wiederholt ihre Auffassung, sie habe die Verträge zur Krankenversicherung und privaten Pflegepflichtversicherung fristgerecht gekündigt. Sie habe ernsthaft versucht, eine Lösung zu finden (Antrag vom 12. Juli 2014 auf Beitragssenkung um 50 Prozent und Antrag auf Ausnahmegenehmigung für die Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung). Sie widerspreche der Auffassung des SG, es sei ihr nicht gelungen, die (Kranken-)Versicherung zu kündigen. Insoweit liege noch kein Urteil des Amtsgerichts vor. Um eine Krankenversicherung und eine private Pflegepflichtversicherung aufrechtzuerhalten bedürfe es einer gewissen Höhe des Rentenbezugs. Die Kündigung sei notwendig gewesen, da bei Beibehaltung der Krankenversicherung und der Pflegepflichtversicherung allein die Zahlung der Miete nicht mehr möglich gewesen sei. Bei der derzeitigen Rente von EUR 898,00 abzüglich der Miete von EUR 665,00 und Strom von EUR 44,00 verblieben EUR 189,00. Als freie Bürgerin könne sie nur die Verträge beibehalten, die sie sich auch leisten könne. Niemand könne sie zwingen, nach erfolgter fristgerechter Kündigung der Krankenversicherung und der privaten Pflegepflichtversicherung weitere Zahlungen vorzunehmen, die ihr finanziell nicht möglich seien. Zudem hat die Klägerin Ausführungen zur allgemeinen Rentensituation, Rentenberechnung und Rentenhöhe im Hinblick auf eine Diskriminierung als Frau und eine Ungleichbehandlung gemacht.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24. November 2015 aufzuheben und festzustellen, dass der Vertrag über die private Pflegepflichtversicherung zum 31. Dezember 2014 wirksam gekündigt ist und sie ab 1. Januar 2015 keine Beiträge zur privaten Pflegepflichtversicherung an den Beklagten zu zahlen hat sowie die Widerklage des Beklagten abzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf die nach seiner Auffassung zutreffenden Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheids.

Wegen weiterer Einzelheiten eines Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die Akte des SG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung, da die Berufung laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

2. Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet.

a) Eine Entscheidung in der Sache durch den Senat kann nur hinsichtlich der privaten Pflegepflichtversicherung der Klägerin bei der Beklagten erfolgen. Denn nur insoweit besteht nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 1. Halbsatz SGG eine sachliche Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit. Nach dieser Vorschrift entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit unter anderem in Angelegenheiten der privaten Pflegeversicherung nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI). Auf Nachfrage des Senats bestätigte die Klägerin, dass sich ihre beim SG erhobene Klage nur auf die private Pflegepflichtversicherung bezieht.

b) Zu Recht hat das SG die Feststellungsklage abgewiesen (siehe hierzu (1)) und die Klägerin auf Widerklage des Beklagten verurteilt, an diesen EUR 241,30 nebst außergerichtlichen Mahnkosten in Höhe von EUR 10,00 zu bezahlen (siehe hierzu (2)). Denn die Klägerin, die bereits seit 1. Januar 1999 bei dem Beklagten privat pflegepflichtversichert ist, hat den Versicherungsvertrag über die private Pflegepflichtversicherung nicht wirksam gekündigt. Daher ist sie weiter zur Zahlung der monatlichen Prämien über den 31. Dezember 2014 hinaus verpflichtet.

(1) Zu Recht hat das SG entschieden, dass die Klägerin den Versicherungsvertrag über die private Pflegepflichtversicherung nicht wirksam gekündigt hat.

(a) Nach § 23 Abs. 1 SGB XI haben Personen, die gegen das Risiko Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen mit Anspruch auf allgemeine Krankenhausleistungen oder im Rahmen von Versicherungsverträgen, die der Versicherungspflicht nach § 193 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) genügen, versichert sind, bei diesem Unternehmen zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit einen Versicherungsvertrag abzuschließen und aufrechtzuerhalten.

Eine Kündigung des privaten Pflegepflichtversicherungsvertrags kann nach § 13 Nr. 1 MB/PPV (Ausgabe 01/2015) daher nur erfolgen, wenn eine der folgenden Voraussetzungen gegeben ist: • Eintritt der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung nach §§ 20 oder 21 SGB XI, • Beendigung der privaten Krankenversicherung mit Anspruch auf allgemeine Krankenhausleistungen, • wegen Beendigung der Pflicht zur Versicherung (§ 193 Abs. 3 VVG) genügende private Krankenversicherung, • deren Fortführung bei einem anderen Versicherer, oder • wegen Wegfall sonstiger, die Versicherungspflicht der versicherten Person begründenden Voraussetzungen. Ein besonderes Kündigungsrecht des privaten Pflegepflichtversicherungsvertrags bei Eintritt einer Versicherungspflicht nach §§ 20 und 21 SGB XI gewähren auch § 27 Satz 1 SGB XI und § 205 Abs. 2 VVG. Eine wirksame Kündigung setzt jedoch in jedem Fall den Nachweis einer nahtlosen Anschlussversicherung voraus. Die genannten Voraussetzungen für eine Kündigung eines Vertrags über eine private Pflegepflichtversicherung durch den Versicherungsnehmer sind Folge der in § 23 SGB XI geregelten Versicherungspflicht für Versicherte der privaten Krankenversicherungsunternehmen.

(aa) Eine Versicherungspflicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 SGB XI besteht unstreitig nicht, da die Klägerin - wie sie selbst vorträgt - die für die Aufnahme in den Kreis der kranken- und pflegepflichtversicherten Rentner nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Einen entsprechenden Nachweis hat sie nicht vorgelegt.

(bb) Auch liegen – ebenfalls unstreitig – die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung nach § 21 SGB XI nicht vor.

(cc) Auch konnte die Klägerin ihren privaten Pflegepflichtversicherungsvertrag nicht kündigen, weil sie nach § 193 Abs. 3 VVG verpflichtet ist, eine Krankheitskostenversicherung abzuschließen und aufrechtzuerhalten. Keine der Voraussetzungen des § 193 Abs. 3 Satz 2 VVG, unter denen diese Pflicht nicht besteht, ist gegeben. Die Klägerin ist nicht gesetzlich krankenversichert oder versicherungspflichtig (siehe aa) und bb)), sie hat keinen Anspruch auf freie Heilfürsorge, sie ist nicht beihilfeberechtigt oder hat vergleichbare Ansprüche, sie hat keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und sie ist schließlich auch nicht Empfängerin laufender Leistungen nach dem SGB XII. Gegenteiliges wird schon von der Klägerin nicht behauptet.

(dd) Insbesondere wurde der bei der Beklagten bestehende private Krankenversicherungsvertrag aufgrund des Schreibens der Klägerin vom 24. September 2014 nicht wirksam gekündigt.

Bei fortbestehender Versicherungspflicht wird nach § 13 Nr. 2 MB/PPV eine Kündigung erst wirksam, wenn der Versicherungsnehmer innerhalb der Kündigungsfrist nachweist, dass die versicherte Person bei einem neuen Versicherer ohne Unterbrechung versichert ist. Zwar ist dem Beklagten das Kündigungsschreiben der Klägerin vom 24. September 2014 rechtzeitig zugegangen; die Kündigung konnte jedoch nicht wirksam werden, da die Klägerin – trotz Aufforderung durch den Beklagten mit Schreiben vom 24. September 2014, 14. Oktober 2014, 11. Dezember 2014 und 2. März 2015 – bis zur Entscheidung des Senats einen entsprechenden Nachversicherungsnachweis nicht vorgelegt hat.

(b) Der Senat sieht keine Veranlassung die Verfassungsmäßigkeit des § 23 Abs. 1 SGB XI oder der mit Wirkung zum 1. Januar 2009 eingeführten Regelungen in § 193 Abs. 3 VVG anzuzweifeln, mittels derer die Klägerin zur Aufrechterhaltung ihrer Pflegeversicherung verpflichtet wird. § 193 Abs. 3 VVG verpflichtet alle Personen mit Wohnsitz im Inland dazu, eine Krankheitskostenversicherung abzuschließen, soweit nicht die Ausnahmen nach Satz 2 und 3 eingreifen. Diese Versicherungspflicht beruht, wie die parallele Verpflichtung in der Pflegeversicherung in § 23 SGB XI, auf dem Gedanken, dass fast niemand sicher sein kann, die möglicherweise sehr hohen Krankheits- und Pflegeversicherungskosten selbst aufbringen zu können. Angesichts der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur entsprechenden Verpflichtung zum Abschluss einer Pflegeversicherung (BVerfG, Urteile vom 3. April 2001 - 1 BvR 1681/94, 1 BvR 2491/94, 1 BvR 24/95 sowie 1 BvR 2014/95 - juris, jeweils m.w.N) ist davon auszugehen, dass sich der Gesetzgeber mit dieser Versicherungspflicht innerhalb seines Gestaltungsspielraums bewegt und die Gemeinwohlinteressen eine solche Verpflichtung rechtfertigen. Der Versicherer ist bei Abschluss einer solchen Versicherung verpflichtet, den Bedarf des Versicherten und damit die Frage seiner Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung zu prüfen und entsprechend zu beraten. Dies ist im Fall der Klägerin auch geschehen. Allerdings gibt die Klägerin selbst an, die private Krankenversicherung gewählt zu haben, um zunächst in den Genuss geringerer Beiträge zu kommen. Einen wie von der Klägerin beabsichtigten Wechsel in die gesetzliche Kranken- und auch Pflegeversicherung hat der Gesetzgeber unter anderem gerade aus dem Grund nicht vorgesehen, weil sich privat Kranken- und Pflegeversicherte ansonsten in jungen Jahren der günstigeren privaten Beiträge bedienen könnten, um mit zunehmendem Krankheitsrisiko im Alter in die dann unter Umständen günstigeren Beiträge der gesetzlichen Krankenversicherung gelangen zu können, ohne zu deren Solidargemeinschaft zuvor beigetragen zu haben.

Eine speziell frauenspezifische Diskriminierung ist ebenfalls nicht zu erkennen, da auch männliche Pflegeversicherte von den Regelungen gleichermaßen betroffen sind.

(c) Mit ihrem Einwand, sie könne den Beitrag für die private Pflegepflichtversicherung nicht zahlen, kann die Klägerin den Vertrag über die private Pflegepflichtversicherung nicht kündigen. Denn dies lässt die gesetzliche Pflicht, einen solchen Vertrag abzuschließen und aufrechtzuerhalten, nicht entfallen. Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass der Klägerin ein Anspruch auf Übernahme der Aufwendungen für die private Pflegepflichtversicherung nach § 32 Abs. 5 SGB XII zustehen kann oder eine Minderung des Beitrags nach § 110 Abs. 2 Satz 3 bis 5 SGB XI, seit 1. Januar 2016 in der Fassung des Art. 2 Abs. 24 Nr. 1 Gesetz zur Modernisierung der Finanzaufsicht über Versicherungen vom 1. April 2015 (BGBl. I, S. 434) – wobei sich inhaltlich keine Änderung gegenüber der früher geltenden Fassung ergab, weil lediglich eine Anpassung an die geänderten Vorschriften des Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG), nunmehr § 152 Abs. 4 VAG statt § 12 Abs. 1c VAG, erfolgte – möglich ist. Eine Bescheinigung eines Trägers nach dem SGB XII – eine solche kommt allein in Betracht, weil die 1949 geborene Klägerin wegen Überschreitens der Altersgrenze nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 7a Satz 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von 65 Jahren und drei Monaten nicht mehr zu den Leistungsberechtigten nach dem SGB II gehört – hat die Klägerin nicht vorgelegt.

(2) Zu Recht hat das SG der Widerklage des Beklagten stattgegeben und die Klägerin zur Zahlung von EUR 241,30 nebst außergerichtlichen Mahnkosten in Höhe von EUR 10,00 verurteilt.

(a) Diese ist zulässig. Nach § 100 SGG kann bei dem Gericht der Klage eine Widerklage erhoben werden, wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln zusammenhängt. Diese Voraussetzung ist erfüllt, da sich die Widerklage auf die behauptete teilweise Auflösung des Vertragsverhältnisses stützt, das der Klage zugrunde liegt. Da die Widerklage auf Zahlung von Beiträgen aus dem Pflegepflichtversicherungsvertrag gerichtet war, hat das SG zu Recht gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG den Sozialrechtsweg bejaht.

(b) Die Widerklage ist auch begründet. Die Beitragsforderungen des Beklagten für Januar 2015 in Höhe von EUR 44,26 sowie für Februar 2015 bis einschließlich Mai 2015 in Höhe von jeweils EUR 49,26 (insgesamt EUR 197,04) und damit insgesamt EUR 241,30 bestanden zu Recht. Die Verpflichtung der Klägerin zur Beitragszahlung ergibt sich aus dem zwischen den Beteiligten bestehenden Vertrag über die private Pflegepflichtversicherung i.V.m. § 1 Satz 2 VVG. Danach ist der Versicherungsnehmer - hier die Klägerin - verpflichtet, an den Versicherer - hier der Beklagte - die vereinbarte Zahlung (Prämie) zu leisten. Näheres regeln die MB/PVV, die Bestandteil des Vertrages geworden sind. Für die Beitragszahlung gilt § 8 MB/PVV. Nach dessen Abs. 1 ist vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 – die Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 regeln die Beitragsfreiheit für Kinder und liegen mithin nicht vor – für jede versicherte Person – hier die Klägerin – ein Beitrag zu zahlen. Der Beitrag ist ein Monatsbeitrag und am Ersten eines jeden Monats fällig. Die Voraussetzungen einer wirksamen Kündigung nach § 13 Nr. 1 MB/PPV lagen auch für diesen Zeitraum nicht vor. Der Versicherungsvertrag ist bis zum 31. Dezember 2014 nicht wirksam gekündigt worden. Auch dies ergibt sich aus den obigen Ausführungen zur Klage.

(c) Zu Recht hat das SG dem Beklagten als Verzugsschaden pauschal zweimal EUR 5,00 für außergerichtliche Mahnkosten zugebilligt. Da der Beitrag zur privaten Pflegepflichtversicherung ein Monatsbeitrag ist, der am Ersten eines jeden Monats fällig wird (§ 8 Abs. 1 MB/PPV), war für die Beitragsleistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, so dass die Klägerin jeweils ohne Mahnung in Verzug gekommen ist (§ 286 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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