L 4 R 5346/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 2260/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 5346/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 16. November 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 1. Juni 2014.

Der am 1968 in der Türkei geborene Kläger kam im Juli 1992 in die Bundesrepublik, wo er anschließend als Maler und Gipser bis zu einem Arbeitsunfall am 6. März 2001 (der Kläger geriet mit dem linken Arm in eine Seilwindemaschine, worauf er in Höhe des vierten Stockwerkes hochgezogen wurde, 45 Minuten hing und eine Unterarmfraktur links erlitt) versicherungspflichtig beschäftigt war. Aufgrund dieses Arbeitsunfalles bezieht er nach Gewährung von Verletztengeld nunmehr Unfallrente und Pflegegeld von der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG). Nach Ende der Beschäftigung bezog er vom 6. September 2002 bis 31. August 2003 Arbeitslosengeld, anschließend bis 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe, danach bis zum 31. Oktober 2008 Arbeitslosengeld II. Seit 2010 arbeitet er als Zeitungszusteller in einem Umfange von 2,5 Stunden täglich an sechs Tagen wöchentlich. Ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 ist seit dem 25. September 2007 festgestellt.

Vom 16. April bis 11. Juni 2014 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung in der M.-B.-Klinik, K ... Im dortigen Entlassungsbericht vom 23. Juni 2014 beschrieb Chefarzt Dr. C., Facharzt für Psychiatrie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, eine posttraumatische Belastungsstörung, eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, einen Nikotinabusus, einen nicht primär insulinabhängigen Diabetes mellitus (Typ 2) ohne Komplikationen, einen Zustand nach Fraktur des Unterarms sowie eine Pannikulitis (Entzündung des Unterhautfettgewebes) in der Nacken- und Rückenregion (mehrere Lokalisation der Wirbelsäule). Der Kläger wurde als arbeitsunfähig entlassen. Empfohlen wurde eine ambulante orthopädische und psychotherapeutische Weiterbehandlung. Im vorläufigen Entlassungsbrief dieser Klinik vom 11. Juni 2014 wurde wegen der noch bestehenden Schlafstörung, inneren Unruhe und Nervosität eine weitere Krankschreibung für sechs bis acht Wochen empfohlen.

Am 5. Juni 2014 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Beklagte beauftragte den Facharzt für psychosomatische Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie sowie Innere Medizin Dr. G. mit der Erstellung eines Gutachtens, das dieser am 18. November 2014 erstattet hat. Dieser diagnostizierte eine Dysthymia, Reststörungen nach posttraumatischer Belastungsstörung sowie eine Fallhand links bei Radialisparese links infolge eines Arbeitsunfalles 2001. Leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Arbeitshaltung ohne besondere Anforderungen an die geistig/psychische Belastbarkeit könne der Kläger bei Rechtshändigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben, z.B. das Bedienen einfacher, nicht gefährdender Maschinen mit der rechten Hand oder Kontroll- oder Beaufsichtigungstätigkeiten. Da eine Erwerbstätigkeit dem Kläger Wertschätzung und Wertschöpfung vermitteln würde, was er derzeit gerade vermisse, sei eine Rentengewährung für die Depressionsentwicklung eher als ungünstig zu erachten.

In Auswertung dieses Gutachten gelangte Medizinaldirektorin Dr. P. in ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 5. Dezember 2014 zu der Einschätzung, dass dem Kläger leichte körperliche Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, Gehen oder Stehen ohne Nachtschicht noch mindestens sechs Stunden täglich und mehr möglich seien. Ausgeschlossen seien besondere Anforderungen an die psychische Belastbarkeit und die Gebrauchsfähigkeit der linken Hand sowie Tätigkeiten mit erhöhter Unfallgefahr.

Mit Bescheid vom 17. Dezember 2014 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag ab, da bei einem Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes keine Erwerbsminderung vorliege.

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruches führte der Kläger aus, insbesondere aufgrund der seit Jahren bestehenden und andauernden posttraumatischen Belastungsstörung nach dem Arbeitsunfall und der anhaltenden Depression sei eine Arbeitsfähigkeit nicht mehr gegeben. Von dem stationären Aufenthalt in der M.-B.-Klinik habe er "nur etwas" profitieren können. Nach Entlassung sei es bereits in den ersten Tagen zu einer Exacerbation gekommen. Wegen der bestehenden Schlafstörungen trage er nachts Zeitungen aus, nur um nicht wach herumliegen zu müssen. Die Einschätzung von Dr. G., der ihn nur etwa eine Stunde untersucht habe, sei unzutreffend. Dessen einseitige und wertende Äußerung, dass seine passive Versorgungswünsche nicht zu übersehen seien, spreche gegen dessen Unvoreingenommenheit. Dem Gutachter habe bekannt sein müssen, dass er seit Jahren eine Rente der Unfallversicherung beziehe und daher ein Versorgungswunsch nicht Grund für den Rentenantrag gewesen sein könne. Zur Untermauerung legte er Schreiben seines behandelnden Arztes für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. S.-H. an die BG vom 27. Februar und 18. September 2014 bei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 2015 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 19. Mai 2015 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG). Zur Begründung der Klage wiederholte er sein bisheriges Vorbringen und trug ergänzend vor, Grund für die Stellung des Rentenantrages sei die Einschätzung der behandelnden Ärzte in der Michael-Balint-Klinik gewesen, dass eine anhaltende Arbeitsunfähigkeit vorliege und daher eine vorzeitige Berentung zu prüfen sei. Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Verhaltenstherapie Dr. He.-D. (dazu unten) - Praxisnachfolgerin des Dr. S.-H. - habe selbst eingeräumt, dass es für eine angemessene fachärztliche Beurteilung seines Krankheitszustandes äußerst misslich sei, dass sein langjähriger behandelnder Arzt Dr. S.-H. nicht mehr für entsprechende Auskünfte zur Verfügung stehe. In den bereits vorgelegten fachärztlichen Stellungnahmen habe dieser jedoch ausdrücklich die Einschätzung vertreten, dass er (der Kläger) 100-prozentig arbeits- und erwerbsunfähig sei und auch in Zukunft bleiben werde. Immerhin spreche sich Dr. He.-D. für eine vorläufige Berentung aus.

Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf den Widerspruchsbescheid entgegen.

Das SG hörte die den Kläger mittlerweile behandelnde Dr. He.-D. schriftlich als sachverständige Zeugin. In ihrer Auskunft vom 24. August 2015 berichtete diese über zweimalige Vorstellungen des Klägers am 19. Februar und 6. Juli 2015. Über eine Dysthymia hinausgehend liege eine durchaus mittelgradige depressive Symptomatik vor, auch scheine ihr eine relevante posttraumatische Belastungsstörung vorzuliegen. Die Behandlungsmöglichkeiten seien nicht ausgeschöpft. Unter Erhöhung der Venlafaxindosis sei es bereits zu einer beginnenden Verbesserung gekommen. Eine Einschätzung der Erwerbsunfähigkeit sei erst nach Ausschöpfung der therapeutischen Möglichkeiten sinnvoll. In einer ergänzenden Auskunft vom 18. September 2015 nach einer dritten Vorstellung des Klägers an diesem Tag führte sie aus, im Hinblick auf die depressive Erkrankung sei das nächtliche Zeitungsaustragen wegen des verschobenen Tag-Nacht-Rhythmus kontraproduktiv und wirke krankheitserhaltend. Der Kläger könne sich unter den bestehenden finanziellen Bedingungen nicht auf eine intensive Therapie einlassen; eine Berentung auf Zeit würde ihm die hierfür erforderliche finanzielle Sicherheit und Freiheit geben.

Mit Gerichtsbescheid vom 16. November 2015 wies das SG die Klage ab. Die Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung lägen nicht vor. Dr. He.-D. habe die Einschätzung von Dr. G. bestätigt, wonach die Behandlungsmöglichkeiten der psychischen Erkrankungen noch nicht ausgeschöpft seien. Des Weiteren habe sie über eine Besserung nach Erhöhung der Medikamentendosis berichtet. Soweit sie die Gewährung einer Zeitrente empfehle, beruhe dies nicht auf medizinischen Gründen.

Gegen diesen seinem früheren Prozessbevollmächtigten am 18. November 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 17. Dezember 2015 Berufung beim SG eingelegt. Zu deren Begründung hat er ausgeführt, die bislang gehörten Mediziner seien zunächst von unterschiedlich schweren Gesundheitsstörungen ausgegangen, so dass weiterer Aufklärungsbedarf bestehe. Unabhängig hiervon habe Dr. He.-D. darauf hingewiesen, dass sie eine Zeitrente befürworten würde. Da das Gutachten von Dr. G. im Verwaltungsverfahren von der Beklagten eingeholt worden sei, stelle sich die Frage, inwieweit dieses objektiv verwertbar sei. Er hat den Zwischenbericht des Prof. Dr. Sch. vom 15. April 2016 über eine stationäre Behandlung vom 14. bis 18. April 2016 wegen einer bei seiner Tätigkeit als Zeitungszusteller erlittenen traumatischen Subscapularissehnenruptur rechts (offene chirurgische Rekonstruktion der Rotatorenmanschette durch Naht) und das Attest der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. M. vom 29. April 2016 vorgelegt, wonach sich durch die Operation der rechten Schulter die durch den ersten Unfall ausgebildete reaktive Depression deutlich verschlechtert habe.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 16. November 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2015 zu verurteilen, ihm ab dem 1. Juni 2014 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie geht in Übereinstimmung mit dem SG davon aus, dass der Kläger in der Lage sei, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter qualitativen Funktionseinschränkungen mehr als sechsstündig zu verrichten. Anhaltspunkte, dass die Beurteilung des Leistungsvermögens dem tatsächlichen Gesundheitszustand des Klägers nicht gerecht werde, ergäben sich nicht.

Der Senat hat Dr. He.-D. und Dr. M. als sachverständige Zeuginnen gehört. Dr. He.-D. hat angegeben (Auskunft vom 23. Mai 2016), den Kläger zuletzt am 16. September 2015 gesehen zu haben. Dr. M. hat das ärztliche Attest vom 30. Mai 2016 übersandt, in welchem sie wiederum die Verschlechterung der reaktiven Depression genannt sowie angegeben hat, prognostisch sei zu befürchten, dass beim Kläger jetzt auch im rechten Arm und der rechten Hand eine dauerhafte Verringerung der Kraft bestehen bleibe.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten des SG und des Senats sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, die nicht der Zulassung bedarf, weil der Kläger Leistungen für mehr als ein Jahr begehrt (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), ist auch im Übrigen zulässig. Der Senat konnte über die Berufung gemäß § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.

2. Streitgegenstand ist das Begehren des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit macht der Kläger zu Recht selbst nicht geltend, da er nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren und daher schon aus diesem Grund eine solche Rente nicht beanspruchen kann (§ 240 Abs. 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]). Streitbefangen ist der Bescheid vom 17. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2015.

3. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. Juni 2014 (vgl. § 99 Abs. 1 SGB VI).

a) Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

b) Nach diesen Maßstäben steht für den Senat aufgrund der im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme fest, dass der Kläger in der Lage ist, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wenigstens sechs Stunden täglich zu verrichten. Zwar liegen beim Kläger gesundheitliche und daraus resultierende funktionelle Einschränkungen vor. Diese mindern seine berufliche Leistungsfähigkeit jedoch nur in qualitativer, nicht aber in quantitativer Hinsicht.

(1) Beim Kläger besteht auf psychiatrischem Fachgebiet zunächst eine anhaltende depressive Störung im Sinne einer Dysthymia. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten von Dr. G., das der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwerten konnte (vgl. etwa Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 14. November 2013 – B 9 SB 10/13 B – juris, Rn. 6; BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 – B 2 U 8/07 R – juris, Rn. 51). Anhaltspunkte für eine Voreingenommenheit des Gutachters bestehen nicht, insbesondere nicht aus der vom Kläger angesprochenen Äußerung über Versorgungswünsche. Die Prüfung auf solche Umstände ist gerade auch Teil der Aufgabe eines Gutachters. Allein dass eine - zum Lebensunterhalt nicht als ausreichend angesehene - Unfallrente gewährt wird, schließt entgegen der Behauptung des Klägers weitere Versorgungswünsche nicht aus. Im Übrigen hat Dr. G. andere Hinweise auf sekundären Krankheitsgewinn im weiteren Verhalten des Klägers aufgezeigt. So wollte er sich im Rahmen der Begutachtung von seiner Ehefrau oder dem Dolmetscher bei Verrichtungen helfen lassen, obwohl dies in diesem Maße nicht nötig war. Beobachtungen und Bewertungen dieser Art sind Inhalt der erforderlichen gutachterlichen Konsistenzprüfung (vgl. Knittel, SGb 2016, 124, 126), nicht aber Ausdruck einer Voreingenommenheit. Die Diagnose einer Dysthymia wurde auch von Dr. S.-H. noch im Schreiben vom 27. Februar 2014 ausdrücklich gestellt. Bei der Begutachtung durch Dr. G. wirkte die Stimmungslage zunächst etwas dysphorisch und moros. Die affektive Schwingungsfähigkeit erschien leicht reduziert. Eine Lustlosigkeit wurde angegeben. Es bestand eine reduzierte Hedonie. Das formale Denken erschien zentriert auf die psychische und körperliche Beschwerdesymptomatik. Störungen der Erinnerungs-, Merk-, Auffassungs- und Wahrnehmungsfähigkeit bestanden aber nicht. Im Entlassungsbericht von Dr. C. wurde eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode angegeben, also eine schwerere Ausprägung, diese aber nur episodenhaft und nicht von Dauer. Weiter ist zu beachten, dass dort zwar die Stimmung als gedrückt, der Antrieb aber nur als leicht gemindert, die Psychomotorik als ruhig beschrieben wurde. Die dortige Angabe des Klägers, keine Sozialkontakte zu haben, hat sich in der Begutachtung durch Dr. G. als nicht zutreffend herausgestellt. Hinsichtlich der Angabe, keine Hobbies zu haben, ist zu beachten, dass der Kläger gegenüber Dr. G. angegeben hatte, spazieren zu gehen, was er im Rahmen seines Rentenantrags als Hobby bezeichnet hatte. Bei Entlassung wirkte der Kläger entspannter und ruhiger, die Stimmungsschwankungen hatten sich gebessert. Eine weitere "Krankschreibung" wurde lediglich für eine Dauer von sechs bis acht Wochen empfohlen (vorläufiger Entlassungsbericht vom 11. Juni 2014), was ebenfalls gegen eine dauerhafte mittelgradige Ausprägung der depressiven Störung spricht. Soweit Dr. S.-H. in seinem Schreiben vom 18. September 2014 von einer Exacerbation der Symptomatik nach Entlassung aus der stationären Behandlung und einem nunmehr chronischem mittelschwer ausgeprägten Symptom spricht, kann dies nicht nachvollzogen werden, da keinerlei Befunde hierzu mitgeteilt wurden. Die nachfolgend von Dr. G. erhobenen Befunde rechtfertigen nach dessen überzeugender Darstellung die Annahme einer Störung solchen Ausmaßes gerade nicht. Soweit Dr. He.-D. in ihrer Auskunft vom 24. August 2015 angegeben hat, es liege eine mittelgradige depressive Symptomatik vor, ist dies nicht ausreichend belegt. Der von ihr wiedergegebene Befund ist nicht in vollem Umfang sicher von subjektiven Angaben des Klägers abzugrenzen, insbesondere hinsichtlich der Angabe leicht geminderter Konzentration, erhöhter Tagesmüdigkeit und Energielosigkeit. Des Weiteren gibt Dr. He.-D. selbst eine Sprachbarriere an, die bei der Begutachtung durch Dr. G. wegen des hinzugezogenen Dolmetschers nicht bestand. Darüber hinaus beschreibt Dr. He.-D. selbst eine Besserung durch Erhöhung der Medikamentendosis. Dr. M. hat die von ihr in den Attesten vom 29. April und 30. Mai 2016 angegebene Verschlechterung der "reaktiven Depression" in Folge der Subscapularissehnenruptur nicht durch Befunde untermauert. Eine fachpsychiatrische Behandlung hat seither nach der Auskunft Dr. He.-D. vom 23. Mai 2016 nicht stattgefunden; zuletzt hatte sich der Kläger dort am 16. September 2015 vorgestellt. Ohnehin bieten sich derzeit keine Hinweise auf eine dauerhafte Verschlechterung unter - bisher nicht eingeleiteter - fachärztlicher Behandlung.

Daneben bestehen Reststörungen nach einer posttraumatischen Belastungsstörung nach dem Arbeitsunfall im Jahre 2001, in dessen Rahmen der Kläger mit dem linken Arm in einer Seilwinde 45 Minuten in Höhe des vierten Stockwerkes hing. Auch dies entnimmt der Senat dem Gutachten von Dr. G ... Es fanden sich Hinweise für Intrusionen, Albträume und Schlafstörungen. Der Kläger gab Ängste an, in Fahrstühle zu steigen, oder Höhenängste in höheren Stockwerken. Die nach dem Unfall zunächst ausgeprägten Ängste und Panikattacken haben nach eigenen Angaben des Klägers nachgelassen und treten nun nur noch gelegentlich auf, etwa wenn er von Unfällen oder Krankenwagen höre. Das von ihr angegebene Vorliegen einer "relevanten posttraumatischen Belastungsstörung" hat Dr. He.-D. nicht näher anhand von Befunden dargelegt; es wurde auch nicht dargestellt, inwieweit sich diese in anderer Art manifestiere als die von Dr. G. beschriebenen und berücksichtigten Reststörungen.

Neurologisch ist die von Dr. G. beschriebene Fallhand links zu berücksichtigen, die auch von Dr. S.-H. in den Schreiben vom 27. Februar und 18. September 2014 (Parese/Plegie der Nervi radialis und medianus links) und von Dr. C. im Entlassungsbericht vom 23. Juni 2014 (schwere Läsion von Nervus medianus und radialis links) im Ergebnis bestätigt wird.

Mit der Subscapularissehnenruptur mit einer Verletzung des Muskels und der Sehne des Caput longum des M. biceps brachii rechts ist am 2. April 2016 eine akute Gesundheitsstörung im Bereich der rechten Schulter aufgetreten. Dass hieraus eine dauerhafte Funktionseinschränkung des rechten Armes und der rechten Hand resultiert, kann derzeit nicht festgestellt werden. Dr. M. äußert in ihren Attesten vom 29. April und 30. Mai 2016 zwar "prognostisch" eine entsprechende "Befürchtung", die jedoch nicht begründet wird. Dem Zwischenbericht von Prof. Dr. Sch. vom 15. April 2016 ist allerdings zu entnehmen, dass periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität der rechten Schulter intakt waren. Die Ruptur wurde am 14. April 2016 operativ versorgt; die Entlassung erfolgte am 18. April 2016. Der unmittelbare postoperative Verlauf zeigte sich danach unauffällig. Im weiteren Verlauf vom Kläger beklagte Schmerzen in der rechten Schulter konnten durch angepasste analgetische Therapie gelindert werden. Die Wundheilung zeigte sich reizlos. Es konnte bereits mit einer passiv assistierten Beübung der rechten Schulter unter physiotherapeutischer Anleitung begonnen werden. Empfohlen wurde die Weiterführung der krankengymnastischen Übungen; für sechs Wochen dürften lediglich passiv assistierte Beübungen bis maximal zur Horizontalen unter Vermeidung von Außenrotation und forcierter Innenrotation durchgeführt werden. Insgesamt findet in diesem Bericht kein Hinweis auf eine dauerhaft verbleibende Funktionseinschränkung. Verzögerungen oder Störungen des Heilungsprozesses sind weder ersichtlich noch vorgetragen.

Die im Entlassungsbericht vom 23. Juni 2014 weiter beschriebene Pannikulitis in der Nacken- und Rückenregion führt weder nach dem dort angegeben Befund noch den Ergebnissen der körperlichen Untersuchung bei Dr. G. zu Funktionsbeeinträchtigungen. Sie ist daher für die hier relevante Frage der Erwerbsminderung nicht relevant. Gleiches gilt für die weiteren Diagnosen eines Nikotinabusus und eine nicht primär insulinabhängigen Diabetes mellitus (Typ 2) ohne Komplikationen.

(2) Die festgestellten Gesundheitsstörungen schränken das berufliche Leistungsvermögen des Klägers nur in qualitativer, nicht aber in zeitlicher Hinsicht ein.

Ausgeschlossen sind Tätigkeiten in einseitiger Körperhaltung, in Nachtschicht sowie mit besonderen Anforderungen an die psychische Belastbarkeit und die Gebrauchsfähigkeit der linken Hand sowie Tätigkeiten mit erhöhter Unfallgefahr. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten von Dr. G. und der beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. P ... Im Hinblick auf die bei Dr. G. angegebene Unfähigkeit, den linken Arm bis zur Senkrechten zu heben (das Armhochhalten gelang allerdings in der Begutachtungssituation auch links), sind auch (beidhändige) Überkopfarbeiten nicht mehr möglich. Weitergehende Leistungseinschränkungen sind für körperlich leichte Tätigkeit hingegen nicht zu begründen, insbesondere nicht aufgrund der Funktionsbeeinträchtigung der linken Hand. Die Finger I bis III der linken Hand können nicht gebeugt werden. Ein Taubheitsgefühls im ulnaren Bereich des Unterarmes und des Mittelfingers und eine Hypästhesie im Bereich des Daumens links wurden angegeben. Die Hohlhand links beschrieb Dr. G. mit deutlichen Hypästhesien. Nach den eigenen Angaben des Klägers gegenüber Dr. G. kann er mit der linken Hand aber greifen; so ist er z.B. in der Lage, die Spülmaschine auszuräumen und im Haushalt Gegenstände zu heben. Es wurde in der Begutachtung sichtbar, dass der Kläger die linke Hand zum Abstützen oder Andrücken einsetzen kann und dies auch tut. Schlüssig hat Dr. G. dargelegt, dass die ulnaren Finger wie beim An- und Auskleiden eingesetzt werden können, da diese bei der hier vorliegenden Radialislähmung nicht betroffen sind. Der Annahme einer vollständigen Funktionslosigkeit oder Schonung der linken oberen Extremität steht auch entgegen, dass die Bizeps-Muskulatur links gegenüber rechts nur gering verschmächtigt war. Die Funktion der rechten Hand war bislang völlig unbeeinträchtigt. Wie oben bereits ausgeführt, bestehen derzeit auch keine Hinweise auf eine dauerhaft verbleibende Funktionseinschränkung in Folge der Subscapularissehnenruptur am 2. April 2016.

(3) Die bei beim Kläger als rentenrelevant zu berücksichtigen Gesundheitsstörungen führen jedoch nicht zu einem Absinken des tatsächlichen Restleistungsvermögens auf ein unter sechsstündiges Maß; er ist weiterhin in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich auszuüben. Der Senat stützt sich auch insoweit auf das Gutachten von Dr. G ... Dr. He.-D. benennt ebenfalls keine zeitliche Einschränkung. Ihr Vorschlag der Berentung auf Zeit in der ergänzenden Auskunft vom 18. September 2015 erfolgte nicht aus medizinischen Gründen. Zur Begründung hat sich vielmehr ausgeführt, der Kläger könne sich unter den bestehenden finanziellen Bedingungen nicht auf eine intensive Therapie einlassen; eine Berentung auf Zeit würde ihm die hierfür erforderliche finanzielle Sicherheit und Freiheit geben. Der von Dr. G. dargestellten Möglichkeit der Behandlungsintensivierung hat sie im Übrigen zugestimmt. Die Einschätzung von Dr. S.-H. in den Schreiben vom 27. Februar und 18. September 2014 ist nicht überzeugend. So wird bereits nicht ausreichend deutlich, welche Maßstäbe er an die Begriffe der Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit gestellt hat. So verbindet er beispielsweise die "Erwerbsunfähigkeit" mit der tatsächlichen Berentung des Klägers, also mit der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach den Grundsätzen des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung. Der von ihm beschriebene Schweregrad der psychischen Gesundheitsstörung ist aus den o.g. Gründen nicht überzeugend. Eine Auseinandersetzung mit qualitativen Ausschlüssen ist nicht erfolgt. Wie von Dr. He.-D. beschrieben, hat bereits die Erhöhung der Medikamentendosis eine Besserung erbracht. Auch die behandelnden Ärzte der Michael-Balint-Klinik sind nicht wie vom Kläger behauptet von einer dauerhaften "Arbeitsunfähigkeit" ausgegangen; vielmehr wurde im vorläufigen Entlassungsbericht (lediglich) eine Arbeitsunfähigkeit für weitere sechs bis acht Wochen angenommen. Für den Senat überzeugend hat Dr. G. auf die beschriebenen positiven Ressourcen verwiesen, über die Kläger noch verfügt. Dieser zeigte sich fähig, das Haus zu verlassen, insbesondere Spaziergänge in seinem Stadtbezirk von ca. einer Stunde zu unternehmen, ein Fahrzeug zu führen, Kontakte zu türkischen Freunden und familiäre Kontakte wahrzunehmen, sich völlig allein und selbständig außer Haus zu bewegen, an religiösen Veranstaltungen teilzunehmen, eine Türkeireise zu absolvieren. Dies wird dadurch bestätigt, dass der Kläger eine Teilzeitbeschäftigung als Zeitungszusteller ausübt. Schlüssig hat Dr. G. auch darauf hingewiesen, dass eine Rentengewährung für die Depressionsentwicklung eher als ungünstig zu erachten wäre. Denn eine Erwerbstätigkeit würde dem Kläger Wertschätzung und Wertschöpfung vermitteln, was er derzeit gerade vermisst.

(4) Ob dem Kläger ein Arbeitsplatz vermittelt werden kann oder nicht, ist für den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht erheblich. Die jeweilige Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Maßgebend ist, ob der Kläger mit dem ihm verbliebenen Restleistungsvermögen – wenn auch mit qualitativen Einschränkungen – in der Lage ist, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten arbeitstäglich für mindestens sechs Stunden zu verrichten, er also in diesem zeitlichen Umfang unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann, wovon im Regelfall ausgegangen werden kann (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 13 R 78/09 R – juris, Rn. 31). Dies bejaht der Senat wie zuvor dargelegt.

(5) Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegen nicht vor. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten (siehe – auch zum Folgenden – etwa Urteil des Senats vom 21. November 2014 – L 4 R 4797/13 – nicht veröffentlicht). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten.

Dies ist hier nicht der Fall. Die qualitativen Leistungseinschränkungen des Klägers (siehe oben) sind nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Darin ist weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu sehen. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hierzu können – unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände – beispielsweise Einäugigkeit, Einarmigkeit und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R – juris, Rn. 28 m.w.N.). Keine dieser Fallkonstellationen ist hier gegeben. Die Einschränkung der vollen Gebrauchsfähigkeit beschränkt sich beim Kläger auf die linke Hand. Eine dauerhafte Funktionseinschränkung der rechten Hand kann nicht festgestellt werden (s.o.). Der Kläger kann die linke Hand noch in dem oben beschriebenen Umfange einsetzen. Es liegt somit weder eine funktionelle Einarmig- oder Einhändigkeit noch eine eingeschränkte Gebrauchsfähigkeit beider Hände vor. Nach Überzeugung des Senat ist es dem Kläger damit noch möglich, diejenigen Verrichtungen auszuführen, die in ungelernten Tätigkeiten in der Regel gefordert werden, z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw. (vgl. BSG, Urteile vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 79/09 - juris Rn. 36 und 9. Mai 2012, a.a.O.).

(6) Auch die Wegefähigkeit des Klägers war und ist gegeben. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit eines Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle in zumutbarer Zeit aufsuchen zu können. Das BSG hat dieses Vermögen nur dann für gegeben erachtet, wenn es dem Versicherten möglich ist, Entfernungen von über 500 Metern zu Fuß zurückzulegen, weil davon auszugehen ist, dass derartige Wegstrecken üblicherweise erforderlich sind, um Arbeitsstellen oder Haltestellen eines öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 – 13/5 RJ 73/90 – juris, Rn. 16 ff.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 21/10 R – juris, Rn. 21 f.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 79/11 R – juris, Rn. 19 f.). Der Kläger ist in der Lage, eine Gehstrecke von 500 Metern viermal in weniger als 20 Minuten täglich zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Aus den ärztlichen Äußerungen ergeben sich keine Befunde, die für eine unter den genannten Maßstäben eingeschränkte Gehfähigkeit des Klägers sprechen, was im Hinblick auf seine Angaben zu Spaziergängen auch nicht zu erwarten wäre. Ohnehin ist der Kläger mit dem Pkw uneingeschränkt mobil.

(7) Aus der Anerkennung eines Grades der Behinderung von 80 folgt ebenfalls nicht, dass der Kläger erwerbsgemindert wäre. Zwischen der Schwerbehinderung nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) und der Erwerbsminderung nach dem SGB VI besteht keine Wechselwirkung, da die gesetzlichen Voraussetzungen unterschiedlich sind (BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 SB 5/01 B -, juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 9. Dezember 1987 - 5b BJ 156/87 -, juris, Rn. 3).

c) Weitere Ermittlungen von Amts wegen waren nicht erforderlich. Aus dem Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren ergeben sich keine Anhaltspunkte, die Zweifel an der dargelegten Leistungseinschätzung wecken könnten. Eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes hat der Kläger selbst nicht, erst recht nicht substantiiert, behauptet.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved