Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 BK 33/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 09.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2014 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin dem Grunde nach.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung und Rückforderung bewilligter Leistungen für den Zeitraum von April 2011 bis Februar 2012 in Höhe von 3.080,00 EUR streitig.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin stellte am 11.10.2010 erstmalig einen Antrag auf Bewilligung von Kinderzuschlag. In diesem Antrag waren von der Beklagten der Name und das Geburtsdatum der Klägerin vorausgefüllt. Die Klägerin trug dann handschriftlich die Wohnadresse, den Familienstand, eine Bankverbindung, den Namen des Ehegatten sowie die Geburtsdaten, das Verwandtschaftsverhältnis, die Staatsangehörigkeit und den Familienstand ihrer beiden Kinder O. K. (geboren am 00.00.0000) und F. O. (geboren am 00.00.0000) ein. Die Kontonummer lautete 0000000000 bei der T. B., BLZ 00000000. Die Klägerin und ihre Familie lebte da-mals in der N.-straße 00 in Eschweiler.
Mit Bescheid vom 20.10.2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin Kinderzuschlag in Höhe von monatlich 240,00 EUR für den Zeitraum Oktober 2010 bis März 2011.
Im Mai 2011 stellte die Klägerin einen weiteren Antrag auf Bewilligung von Kinderzuschlag. Die Klägerin und ihre Familie zogen zum 01.05.2011 um, so dass sich die Miete drastisch reduzierte. Unter Berücksichtigung des Einkommens des Ehemanns bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 13.05.2011 Kinderzuschlag in Höhe von 280,00 EUR monatlich für die Zeit von April 2011 bis März 2012.
Ab dem 13.02.2012 war der Ehemann der Klägerin arbeitssuchend gemeldet.
Mit Schreiben vom 12.04.2012 forderte die Beklagte einen Fragebogen zur Prüfung des Anspruchs, Lohnabrechnungen ab April 2011 bis laufend, Nachweise über den eventuellen Bezug von ALG I, ALG II oder Krankengeld des Ehemanns sowie eine Erklärung zu den Kosten der Unterkunft mit allen Nachweisen für 2012 an.
Ab März 2012 bezog die Klägern Leistungen nach dem SGB II.
Mit Bescheid vom 09.05.2012 hob der Beklagte die Bewilligung von Leistungen für die Zeit von April 2011 bis Februar 2012 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X in vollem Umfang auf und forderte 3.080,00 EUR von ihr zurück.
Die Einlegung eines Rechtsbehelfs durch die Klägerin erfolgte zunächst nicht.
In dem durch die Agentur für Arbeit S. anschließend betriebenen Mahnverfahren bestellte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und trug vor, der Klägerin sei ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid niemals zugegangen. Sie habe im Übrigen auch zu keiner Zeit Anspruch auf Kinderzuschlag gehabt, sondern sich seit der Geburt beider Kinder ununterbrochen im Leistungsbezug nach dem SGB II befunden. Mit Schreiben vom 14.05.2014 forderte die Beklagte die Vorlage der Vollmacht des Prozessbevollmächtigten an, die dieser am 20.05.2014 an die per Telefax an die Nummer der Agentur für Arbeit S. übermittelte.
Mit Schreiben vom 08.09.2014 übermittelte die Beklagte den Bescheid vom 09.05.2012 erneut an die Klägerin. Am 21.09.2014 erklärte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, diese lege "Einspruch" gegen den Bescheid vom 09.05.2012 ein. Die Klägerin habe zu keinen Zeitpunkt einen Antrag auf "Kindergeldzuschlag" gestellt und auch keine entsprechenden Leistungen erhalten. Darüber hinaus erhalte die Klägerin seit der Geburt ihrer Kinder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II und erfülle daher gar nicht die Anspruchsvoraussetzungen für "Kindergeldzuschlag". Die Beklagte habe – entgegen einer entsprechenden Aufforderung der Klägerin – auch den Zufluss der Leistungen nicht nachgewiesen. Ergänzend erklärte er, die Klägerin habe auch das Schreiben vom 12.04.2012 nicht erhalten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2014 wies die Beklagte den Widerspruch – als solchen hatte sie den "Einspruch" des Prozessbevollmächtigten zutreffend ausgelegt – als unbegründet zurück.
Am 19.12.2014 hat die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, Klage erhoben. Sie führt aus, zwar sei ihr Kinderzuschlag bewilligt worden, dies allerdings als "unzutreffende Antragstellerin". Die Beklagte habe seinerzeit der Klägerin die Antragstellung vorgegeben und dies, obwohl diese - im Gegensatz zu ihrem damaligen Ehemann - nicht erwerbstätig gewesen sei. Nach Auffassung der Klägerin hätte vor diesem Hintergrund ihr Ehemann Antragsteller sein müssen. Darüber hinaus habe die Klägerin das Schreiben vom 12.04.2012 ebenso wenig wie den Aufhebungsbescheid vom 09.05.2012 erhalten. Dieser sei der Klägerin vielmehr unter bewusster Missachtung des § 13 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) am 08.09.2014 unmittelbar zugestellt worden, obwohl ihr Prozessbevollmächtigter bereits am 20.05.2014 eine entsprechende Vollmacht vorgelegt habe. Die Beklagte sei immer wieder darauf hingewiesen worden, dass die Klägerin die maßgeblichen Schreiben im Jahr 2012 nicht erhalten habe. Nun könne die Klägerin den Mitwirkungspflichten noch nicht mehr nachkommen da sie getrennt von ihrem Ehemann lebe. Der Scheidungstermin sei für Februar 2015 bestimmt.
Mit Schreiben vom 20.04.2015 hat der Kammervorsitzende um Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift des Ehemanns sowie um Vorlage des in Bezug genommenen Telefax Übersendungsberichts vom 20.05.2014 gebeten
Mit Beschluss vom 07.12.2015 ist das JobCenter StädteRegion B. gemäß §§ 75 Abs. 1 Satz 1, 106 Abs. 3 Nr. 6 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beigeladen worden.
Am 31.05.2016 hat ein Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 09.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2014 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Er hat darauf hingewiesen, dass die Klägerin in dem hier streitigen Zeitraum keine Leistungen nach dem SGB II erhalten hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Rechtsstreits wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid vom 09.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2014 ist aufzuheben, da er rechtswidrig und die Klägerin hierdurch in ihren Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Sozialgericht (SGG) verletzt ist. Es fehlt an der für die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 09.05.2012 erforderlichen Rechtsgrundlage.
Der Bescheid vom 09.05.2012 ist nicht bestandskräftig. Jedenfalls kann die Beklagte, die insoweit nach allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen darlegungs- und beweisbelastet ist, die Bestandskraft des Bescheides nicht nachweisen. Der Bescheid wurde mit einfachem Brief an die Klägerin versandt. Diese bestreitet den Zugang, so dass jedenfalls die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) nicht eingreift, § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB X.
Das Gericht hat vor diesem Hintergrund davon auszugehen, dass der Bescheid da-mit zunächst nicht wirksam geworden ist.
Am 08.09.2014 übersandte die Beklagte erneut den Bescheid vom 09.05.2012 an die Klägerin. Dieser Bescheid ging der Klägerin auch unstreitig zu. Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin moniert, die Beklagte habe "unter bewusster Missachtung des § 13 SGB X" sich unmittelbar an die Klägerin gewandt, ist dies vorliegend unbeachtlich. Zum einen hatte der Prozessbevollmächtigte seine Vollmacht per Telefax an die Nummer 00000/000000 übermittelt. Dies war indes die Nummer der Agentur für Arbeit S. als regionaler Inkasso-Service X. und nicht die der Beklagten. Nun mag man erörtern, ob – trotz der verschiedenen Zuständigkeiten – gleichwohl damit die Bevollmächtigung auch der Beklagten gegenüber nachgewiesen war. Eine vom Klägerbevollmächtigen unterstellte "bewusste Missachtung" seiner Vollmacht vermag die Kammer hier jedenfalls nicht zu erkennen. Vielmehr hat der Prozessbevollmächtigte sie nicht an die an sich zuständige Stelle übermittelt.
Hierauf kommt es im Ergebnis aber nicht an, da § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB X lex specialis zu § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB X ist und diese Vorschrift verdrängt (Engelmann in, von Wulffen, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 37 Rn. 10). Die Bekanntgabe an den Adressaten steht im Ermessen der Behörde und zieht, sofern sie im Übrigen ordnungsgemäß erfolgt, die (formelle) Wirksamkeit nach sich (Engelmann in, von Wulffen, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 37 Rn. 10a).
Entgegen der Auffassung der Klägerin und ihres Prozessbevollmächtigten scheitert eine Rückforderung auch nicht etwa daran, dass die Klägerin die "falsche Antragstellerin" gewesen sei. Unabhängig davon, dass auch in diesem Fall eine Rückforderung als "actus contrarius" ihr gegenüber ergehen konnte und hätte ergehen müssen, ist die Rechtsauffassung, der Ehemann sei der richtige Antragsteller gewesen und die Beklagte hätte hierauf hinweisen müssen, unzutreffend.
Einen Vorrang der Antragstellung des "Einkommen verdienenden Partners" sieht das Gesetz nicht vor und es ist für die Kammer auch nicht ersichtlich, aus welchen Gründen ein solcher Vorrang geboten sein sollte. Die Antragstellerin war offenbar die Kindergeldberechtigte. Aus diesem Grund war wahrscheinlich auch ihr Name beim Antrag auf Kinderzuschlag vorgegeben. Die weiteren Eintragungen hat aber die Klägerin gemacht. Sie hat auch eine Kontonummer angegeben, bei der es sich nach eigenen Angaben um ihr Konto handelte.
Dass die Klägerin nun vortragen lässt, sie habe kein Konto und keinen Einblick in die Kontobewegungen gehabt, weswegen sie auch keinerlei Zahlungen durch die Beklagte erhalten habe, verwundert vor diesem Hintergrund.
Selbst wenn dies aber – aufgrund eines zerrütteten Verhältnisses zwischen den Eheleuten - so gewesen sein sollte, konnte und hat die Beklagte durch das Überweisen des Geldes auf das von der Klägerin als ihres angegebenes Konto dieser Leistungen zukommen lassen. Das Innenverhältnis zwischen den Eheleuten war der Beklagten nicht offenbart worden und sie muss es auch nicht gegen sich gelten lassen. Eine Verletzung eine wie auch immer gearteten Aufklärungs- und Beratungspflicht ist nach alledem nicht im Ansatz zu erkennen.
Es liegen aber – entgegen der Annahme der Beklagten – die Voraussetzungen der Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X nicht vor. Voraussetzung für die Aufhebung eines - ursprünglich rechtmäßigen - Verwaltungsaktes nach § 48 SGB X ist nach Abs. 1 Satz 1, dass eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eingetreten ist. Das Vorliegen der Voraussetzungen des Satz 1 ist - dies macht schon der Wortlaut der Norm deutlich - zwingende Voraussetzung für eine Anwendung des Satzes 2 (Aufhebung auch für die Vergangenheit). Demgegenüber darf ein - ursprünglich rechtswidriger - begünstigter Verwaltungsakt auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen des § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Bewilligt die Beklagte "sehenden Auges", bei schwankendem monatlichem Einkommen Kinderzuschlag für einen Zeitraum von einem Jahr unter Berücksichtigung "alter" Daten, ist nach gängiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts von einer ursprünglich rechtswidrigen Bewilligung und mithin von einer Anwendbarkeit des § 45 SGB X auszugehen (vgl. Bundessozialgericht - BSG – Urteil vom 21.06.2011 – B 4 AS 22/10 R = juris; in diesem Sinne auch Sozialgericht – SG – Cottbus Gerichtsbescheid vom 16.12.2013 – S 9 BK 16/10 = juris).
Vorliegend beruhte der Bewilligungsbescheid vom 09.05.2012 indes auf Daten, die ein grundsätzlich gleichbleibendes Einkommen des damaligen Ehemanns der Klägerin auswiesen. Es war auch nicht erkennbar, dass insoweit eine Änderung der Einkommenshöhe zu erwarten war, so dass vorliegend nach Auffassung der Kammer durchaus eine Aufhebung nach § 48 SGB dem Grunde nach in Betracht kam.
Die Klägerin ist auch einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher Verhältnisse binnen der von der Beklagten gesetzten Frist nicht nachgekommen. Hier ist zwar nicht auf die ursprünglich gesetzte Frist abzustellen, da die Klägerin – durch den Beklagten unwiderlegt – erklärt hat, sie habe auch das Aufforderungsschreiben nicht erhalten. Die Klägerin hat aber auch im Nachgang zur erneuten Übersendung des Bescheides und im sich anschließenden Widerspruchsverfahren keinerlei Unterlagen vorgelegt. Soweit sie vorträgt, sie könne nach Trennung von ihrem Ehemann den Mitwirkungspflichten nicht mehr nachkommen, geht die Kammer jedenfalls nicht von einer objektiven oder subjektiven Unmöglichkeit aus. Zwar hat die Klägerin beschrieben, dass Verhältnis zu ihrem Ex-Ehemann sei extrem zerrüttet. Die Kammer geht aber davon aus, dass entsprechende Auskunftsansprüche sehr wohl von der Klägerin – ggf. mit gerichtlicher Hilfe – durchzusetzen gewesen wären.
Voraussetzung für die Aufhebung eines – ursprünglich rechtmäßigen - Verwaltungsaktes nach § 48 SGB X ist aber nach Abs. 1 Satz 1, dass eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eingetreten ist.
Die objektive Beweislast bzw. Feststellungslast für die wesentliche Änderung trägt – nach allgemeiner (sozial-)verwaltungsgerichtlicher Dogmatik - derjenige, der sich darauf beruft (vgl. hierzu schon BSG Urteil vom 24.10.1957 – 10 RV 945/55 = juris ; vgl. auch BSG Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 89/12 R = juris; Schütze, in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010. § 48 Rn. 9; Merten, in: Hauck/Noftz, SGB X, Erg.-Lieferung 3/13 Dezember 2013, § 48 Rn. 29). Dies ist vorliegend die Beklagte.
Ist die wesentliche Änderung nachgewiesen, käme – beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 – eine Aufhebung in Betracht, s o w e i t der Betroffene der durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen nicht nachgekommen ist.
Im vorliegenden Fall hat der Beklagte das Vorliegen einer wesentlichen Änderung weder dem Grund noch der Höhe nach nachgewiesen.
Die Beklagte hatte zum Zeitpunkt der Entscheidung gerade keine Kenntnisse darüber, dass der Anspruch der Klägerin nicht (mehr) gegeben war. Sie schließt vielmehr aus der Nichtvorlage der angeforderten Unterlagen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Kinderzuschlag im streitigen Zeitraum nicht vorgelegen haben. Damit geht die Beklagte von einer Beweislastumkehr dergestalt aus, dass nunmehr nicht sie nachweisen muss, dass und in welcher Höhe die Voraussetzungen für die Bewilligung von Kinderzuschlag nicht mehr vorliegen. Die Beweislast, dass die Voraussetzungen weiterhin vorliegen, treffe nun vielmehr den Kläger.
Nun ist in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in bestimmten Fallkonstellationen durchaus eine Beweislastumkehr anerkannt worden. Dies waren in der Tat auch Fälle, in denen der Gegner der beweisbelasteten Partei den Beweis vereitelt oder erschwert oder die Beweisführung unmöglich ist, weil die zu beweisenden Tatsachen sich im Bereich des Gegners abgespielt haben und dieser an der ihm möglichen Sachverhaltsaufklärung nicht oder nicht rechtzeitig mitgewirkt hat (vgl. etwa BSG Urteil vom 07.07.2005 – B 3 P 8/04 R = juris; auch BSG Urteil vom 02.09.2004 – B 7 AL 88/03 = juris). So etwa ausdrücklich in einem solchen Fall, in dem der Kläger bei Antragstellung Angaben, die in seiner Verantwortungssphäre lagen bei Antragstellung nicht angegeben hatte und diese nun – nach gewisser Zeit – nicht mehr aufklärbar waren (vgl. BSG Urteil vom 24.05.2006 B 11a AL 7/05 R = juris Rn. 33). Das Bundessozialgericht hat in diesen Fällen nach Auffassung der Kammer aber hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es sich hierbei aber nur um besonders gelagerte Einzelfälle handeln kann.
Eine entsprechende Sonderkonstellation liegt hier nach Auffassung der Kammer hier nicht vor.
Die Beklagte hat im vorliegenden Fall mit Bescheid vom 13.05.2011 der Klägerin aufgrund ihrer Angaben für ihre Kinder für einen Zeitraum von insgesamt zwölf Monaten Leistungen ohne jeglichen Vorbehalt, insbesondere auch ohne von der durch das Bundessozialgericht eingeräumten Möglichkeit der "Vorwegzahlung" im Wege der Nebenbestimmung (BSG Urteil vom 02.11.2012 - B 4 KG 2/11 R = juris; ablehnend SG Aachen Urteil vom 18.02.2014 – S 11 BK 24/13 = juris, st. Rspr.) Gebrauch zu machen, in Höhe von monatlich 280,00 EUR bewilligt. Die Beklagte hat damit nach Auffassung der Kammer mit zu dem Dilemma beigetragen, in dem sie sich zum Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung befand. In einer solchen Situation erscheint die Annahme einer Beweislastumkehr der Kammer nicht angezeigt.
Die Beklagte hat somit schon die Änderung der wesentlichen Verhältnisse nicht nachgewiesen. Vor diesem Hintergrund scheitert auch die Aufhebung auf Grundlage etwa von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X. Die Anwendung von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X scheidet ebenfalls aus. Die Klägerin hat nicht etwa grob fahrlässig verkannt, dass sie keinen Anspruch mehr hatte. Die Klägerin hatte – unter Berücksichtigung der tatsächlichen Wohnungskosten und Einkommen – vielmehr weiterhin einen entsprechenden Anspruch.
Die Klägerin hat im Widerspruchs- und auch noch im Klageverfahren durch ihren Prozessbevollmächtigten vortragen lassen, sie habe seit der Geburt ihrer Kinder durchgängig Leistungen nach dem SGB II bezogen, weswegen sie überhaupt keinen Anspruch auf Kinderzuschlag habe haben können. Stimmte dieser Vortrag, so würde dies freilich zu einer ursprünglichen Rechtswidrigkeit der Bewilligung führen, die nach den Regeln des § 45 SGB X zu behandeln wäre. Hier wäre freilich ein Vertrauen der Klägerin nicht schützenswert, hatte die Klägerin doch im maßgeblichen Antrag angegeben, entsprechende Leistungen nicht zu erhalten, § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X. Im Ergebnis greift diese Norm freilich nicht ein, ist der beharrlich wiederholte Vortrag zum durchgängigen Bezug von Leistungen nach dem SGB II schlichtweg falsch. Die Klägerin erhielt im fraglichen Zeitraum keinerlei Leistungen nach dem SGB II, was sowohl der Beigeladene bestätigt und auch die Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat.
Die Aufhebung des Bescheides war damit rechtwidrig. Eine Rückforderung nach § 50 Abs. 1 SGB X kam damit auch nicht in Betracht. Die entsprechenden Bescheide waren aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung und Rückforderung bewilligter Leistungen für den Zeitraum von April 2011 bis Februar 2012 in Höhe von 3.080,00 EUR streitig.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin stellte am 11.10.2010 erstmalig einen Antrag auf Bewilligung von Kinderzuschlag. In diesem Antrag waren von der Beklagten der Name und das Geburtsdatum der Klägerin vorausgefüllt. Die Klägerin trug dann handschriftlich die Wohnadresse, den Familienstand, eine Bankverbindung, den Namen des Ehegatten sowie die Geburtsdaten, das Verwandtschaftsverhältnis, die Staatsangehörigkeit und den Familienstand ihrer beiden Kinder O. K. (geboren am 00.00.0000) und F. O. (geboren am 00.00.0000) ein. Die Kontonummer lautete 0000000000 bei der T. B., BLZ 00000000. Die Klägerin und ihre Familie lebte da-mals in der N.-straße 00 in Eschweiler.
Mit Bescheid vom 20.10.2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin Kinderzuschlag in Höhe von monatlich 240,00 EUR für den Zeitraum Oktober 2010 bis März 2011.
Im Mai 2011 stellte die Klägerin einen weiteren Antrag auf Bewilligung von Kinderzuschlag. Die Klägerin und ihre Familie zogen zum 01.05.2011 um, so dass sich die Miete drastisch reduzierte. Unter Berücksichtigung des Einkommens des Ehemanns bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 13.05.2011 Kinderzuschlag in Höhe von 280,00 EUR monatlich für die Zeit von April 2011 bis März 2012.
Ab dem 13.02.2012 war der Ehemann der Klägerin arbeitssuchend gemeldet.
Mit Schreiben vom 12.04.2012 forderte die Beklagte einen Fragebogen zur Prüfung des Anspruchs, Lohnabrechnungen ab April 2011 bis laufend, Nachweise über den eventuellen Bezug von ALG I, ALG II oder Krankengeld des Ehemanns sowie eine Erklärung zu den Kosten der Unterkunft mit allen Nachweisen für 2012 an.
Ab März 2012 bezog die Klägern Leistungen nach dem SGB II.
Mit Bescheid vom 09.05.2012 hob der Beklagte die Bewilligung von Leistungen für die Zeit von April 2011 bis Februar 2012 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X in vollem Umfang auf und forderte 3.080,00 EUR von ihr zurück.
Die Einlegung eines Rechtsbehelfs durch die Klägerin erfolgte zunächst nicht.
In dem durch die Agentur für Arbeit S. anschließend betriebenen Mahnverfahren bestellte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und trug vor, der Klägerin sei ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid niemals zugegangen. Sie habe im Übrigen auch zu keiner Zeit Anspruch auf Kinderzuschlag gehabt, sondern sich seit der Geburt beider Kinder ununterbrochen im Leistungsbezug nach dem SGB II befunden. Mit Schreiben vom 14.05.2014 forderte die Beklagte die Vorlage der Vollmacht des Prozessbevollmächtigten an, die dieser am 20.05.2014 an die per Telefax an die Nummer der Agentur für Arbeit S. übermittelte.
Mit Schreiben vom 08.09.2014 übermittelte die Beklagte den Bescheid vom 09.05.2012 erneut an die Klägerin. Am 21.09.2014 erklärte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, diese lege "Einspruch" gegen den Bescheid vom 09.05.2012 ein. Die Klägerin habe zu keinen Zeitpunkt einen Antrag auf "Kindergeldzuschlag" gestellt und auch keine entsprechenden Leistungen erhalten. Darüber hinaus erhalte die Klägerin seit der Geburt ihrer Kinder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II und erfülle daher gar nicht die Anspruchsvoraussetzungen für "Kindergeldzuschlag". Die Beklagte habe – entgegen einer entsprechenden Aufforderung der Klägerin – auch den Zufluss der Leistungen nicht nachgewiesen. Ergänzend erklärte er, die Klägerin habe auch das Schreiben vom 12.04.2012 nicht erhalten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2014 wies die Beklagte den Widerspruch – als solchen hatte sie den "Einspruch" des Prozessbevollmächtigten zutreffend ausgelegt – als unbegründet zurück.
Am 19.12.2014 hat die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, Klage erhoben. Sie führt aus, zwar sei ihr Kinderzuschlag bewilligt worden, dies allerdings als "unzutreffende Antragstellerin". Die Beklagte habe seinerzeit der Klägerin die Antragstellung vorgegeben und dies, obwohl diese - im Gegensatz zu ihrem damaligen Ehemann - nicht erwerbstätig gewesen sei. Nach Auffassung der Klägerin hätte vor diesem Hintergrund ihr Ehemann Antragsteller sein müssen. Darüber hinaus habe die Klägerin das Schreiben vom 12.04.2012 ebenso wenig wie den Aufhebungsbescheid vom 09.05.2012 erhalten. Dieser sei der Klägerin vielmehr unter bewusster Missachtung des § 13 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) am 08.09.2014 unmittelbar zugestellt worden, obwohl ihr Prozessbevollmächtigter bereits am 20.05.2014 eine entsprechende Vollmacht vorgelegt habe. Die Beklagte sei immer wieder darauf hingewiesen worden, dass die Klägerin die maßgeblichen Schreiben im Jahr 2012 nicht erhalten habe. Nun könne die Klägerin den Mitwirkungspflichten noch nicht mehr nachkommen da sie getrennt von ihrem Ehemann lebe. Der Scheidungstermin sei für Februar 2015 bestimmt.
Mit Schreiben vom 20.04.2015 hat der Kammervorsitzende um Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift des Ehemanns sowie um Vorlage des in Bezug genommenen Telefax Übersendungsberichts vom 20.05.2014 gebeten
Mit Beschluss vom 07.12.2015 ist das JobCenter StädteRegion B. gemäß §§ 75 Abs. 1 Satz 1, 106 Abs. 3 Nr. 6 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beigeladen worden.
Am 31.05.2016 hat ein Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 09.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2014 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Er hat darauf hingewiesen, dass die Klägerin in dem hier streitigen Zeitraum keine Leistungen nach dem SGB II erhalten hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Rechtsstreits wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid vom 09.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2014 ist aufzuheben, da er rechtswidrig und die Klägerin hierdurch in ihren Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Sozialgericht (SGG) verletzt ist. Es fehlt an der für die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 09.05.2012 erforderlichen Rechtsgrundlage.
Der Bescheid vom 09.05.2012 ist nicht bestandskräftig. Jedenfalls kann die Beklagte, die insoweit nach allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen darlegungs- und beweisbelastet ist, die Bestandskraft des Bescheides nicht nachweisen. Der Bescheid wurde mit einfachem Brief an die Klägerin versandt. Diese bestreitet den Zugang, so dass jedenfalls die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) nicht eingreift, § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB X.
Das Gericht hat vor diesem Hintergrund davon auszugehen, dass der Bescheid da-mit zunächst nicht wirksam geworden ist.
Am 08.09.2014 übersandte die Beklagte erneut den Bescheid vom 09.05.2012 an die Klägerin. Dieser Bescheid ging der Klägerin auch unstreitig zu. Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin moniert, die Beklagte habe "unter bewusster Missachtung des § 13 SGB X" sich unmittelbar an die Klägerin gewandt, ist dies vorliegend unbeachtlich. Zum einen hatte der Prozessbevollmächtigte seine Vollmacht per Telefax an die Nummer 00000/000000 übermittelt. Dies war indes die Nummer der Agentur für Arbeit S. als regionaler Inkasso-Service X. und nicht die der Beklagten. Nun mag man erörtern, ob – trotz der verschiedenen Zuständigkeiten – gleichwohl damit die Bevollmächtigung auch der Beklagten gegenüber nachgewiesen war. Eine vom Klägerbevollmächtigen unterstellte "bewusste Missachtung" seiner Vollmacht vermag die Kammer hier jedenfalls nicht zu erkennen. Vielmehr hat der Prozessbevollmächtigte sie nicht an die an sich zuständige Stelle übermittelt.
Hierauf kommt es im Ergebnis aber nicht an, da § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB X lex specialis zu § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB X ist und diese Vorschrift verdrängt (Engelmann in, von Wulffen, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 37 Rn. 10). Die Bekanntgabe an den Adressaten steht im Ermessen der Behörde und zieht, sofern sie im Übrigen ordnungsgemäß erfolgt, die (formelle) Wirksamkeit nach sich (Engelmann in, von Wulffen, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 37 Rn. 10a).
Entgegen der Auffassung der Klägerin und ihres Prozessbevollmächtigten scheitert eine Rückforderung auch nicht etwa daran, dass die Klägerin die "falsche Antragstellerin" gewesen sei. Unabhängig davon, dass auch in diesem Fall eine Rückforderung als "actus contrarius" ihr gegenüber ergehen konnte und hätte ergehen müssen, ist die Rechtsauffassung, der Ehemann sei der richtige Antragsteller gewesen und die Beklagte hätte hierauf hinweisen müssen, unzutreffend.
Einen Vorrang der Antragstellung des "Einkommen verdienenden Partners" sieht das Gesetz nicht vor und es ist für die Kammer auch nicht ersichtlich, aus welchen Gründen ein solcher Vorrang geboten sein sollte. Die Antragstellerin war offenbar die Kindergeldberechtigte. Aus diesem Grund war wahrscheinlich auch ihr Name beim Antrag auf Kinderzuschlag vorgegeben. Die weiteren Eintragungen hat aber die Klägerin gemacht. Sie hat auch eine Kontonummer angegeben, bei der es sich nach eigenen Angaben um ihr Konto handelte.
Dass die Klägerin nun vortragen lässt, sie habe kein Konto und keinen Einblick in die Kontobewegungen gehabt, weswegen sie auch keinerlei Zahlungen durch die Beklagte erhalten habe, verwundert vor diesem Hintergrund.
Selbst wenn dies aber – aufgrund eines zerrütteten Verhältnisses zwischen den Eheleuten - so gewesen sein sollte, konnte und hat die Beklagte durch das Überweisen des Geldes auf das von der Klägerin als ihres angegebenes Konto dieser Leistungen zukommen lassen. Das Innenverhältnis zwischen den Eheleuten war der Beklagten nicht offenbart worden und sie muss es auch nicht gegen sich gelten lassen. Eine Verletzung eine wie auch immer gearteten Aufklärungs- und Beratungspflicht ist nach alledem nicht im Ansatz zu erkennen.
Es liegen aber – entgegen der Annahme der Beklagten – die Voraussetzungen der Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X nicht vor. Voraussetzung für die Aufhebung eines - ursprünglich rechtmäßigen - Verwaltungsaktes nach § 48 SGB X ist nach Abs. 1 Satz 1, dass eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eingetreten ist. Das Vorliegen der Voraussetzungen des Satz 1 ist - dies macht schon der Wortlaut der Norm deutlich - zwingende Voraussetzung für eine Anwendung des Satzes 2 (Aufhebung auch für die Vergangenheit). Demgegenüber darf ein - ursprünglich rechtswidriger - begünstigter Verwaltungsakt auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen des § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Bewilligt die Beklagte "sehenden Auges", bei schwankendem monatlichem Einkommen Kinderzuschlag für einen Zeitraum von einem Jahr unter Berücksichtigung "alter" Daten, ist nach gängiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts von einer ursprünglich rechtswidrigen Bewilligung und mithin von einer Anwendbarkeit des § 45 SGB X auszugehen (vgl. Bundessozialgericht - BSG – Urteil vom 21.06.2011 – B 4 AS 22/10 R = juris; in diesem Sinne auch Sozialgericht – SG – Cottbus Gerichtsbescheid vom 16.12.2013 – S 9 BK 16/10 = juris).
Vorliegend beruhte der Bewilligungsbescheid vom 09.05.2012 indes auf Daten, die ein grundsätzlich gleichbleibendes Einkommen des damaligen Ehemanns der Klägerin auswiesen. Es war auch nicht erkennbar, dass insoweit eine Änderung der Einkommenshöhe zu erwarten war, so dass vorliegend nach Auffassung der Kammer durchaus eine Aufhebung nach § 48 SGB dem Grunde nach in Betracht kam.
Die Klägerin ist auch einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher Verhältnisse binnen der von der Beklagten gesetzten Frist nicht nachgekommen. Hier ist zwar nicht auf die ursprünglich gesetzte Frist abzustellen, da die Klägerin – durch den Beklagten unwiderlegt – erklärt hat, sie habe auch das Aufforderungsschreiben nicht erhalten. Die Klägerin hat aber auch im Nachgang zur erneuten Übersendung des Bescheides und im sich anschließenden Widerspruchsverfahren keinerlei Unterlagen vorgelegt. Soweit sie vorträgt, sie könne nach Trennung von ihrem Ehemann den Mitwirkungspflichten nicht mehr nachkommen, geht die Kammer jedenfalls nicht von einer objektiven oder subjektiven Unmöglichkeit aus. Zwar hat die Klägerin beschrieben, dass Verhältnis zu ihrem Ex-Ehemann sei extrem zerrüttet. Die Kammer geht aber davon aus, dass entsprechende Auskunftsansprüche sehr wohl von der Klägerin – ggf. mit gerichtlicher Hilfe – durchzusetzen gewesen wären.
Voraussetzung für die Aufhebung eines – ursprünglich rechtmäßigen - Verwaltungsaktes nach § 48 SGB X ist aber nach Abs. 1 Satz 1, dass eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eingetreten ist.
Die objektive Beweislast bzw. Feststellungslast für die wesentliche Änderung trägt – nach allgemeiner (sozial-)verwaltungsgerichtlicher Dogmatik - derjenige, der sich darauf beruft (vgl. hierzu schon BSG Urteil vom 24.10.1957 – 10 RV 945/55 = juris ; vgl. auch BSG Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 89/12 R = juris; Schütze, in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010. § 48 Rn. 9; Merten, in: Hauck/Noftz, SGB X, Erg.-Lieferung 3/13 Dezember 2013, § 48 Rn. 29). Dies ist vorliegend die Beklagte.
Ist die wesentliche Änderung nachgewiesen, käme – beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 – eine Aufhebung in Betracht, s o w e i t der Betroffene der durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen nicht nachgekommen ist.
Im vorliegenden Fall hat der Beklagte das Vorliegen einer wesentlichen Änderung weder dem Grund noch der Höhe nach nachgewiesen.
Die Beklagte hatte zum Zeitpunkt der Entscheidung gerade keine Kenntnisse darüber, dass der Anspruch der Klägerin nicht (mehr) gegeben war. Sie schließt vielmehr aus der Nichtvorlage der angeforderten Unterlagen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Kinderzuschlag im streitigen Zeitraum nicht vorgelegen haben. Damit geht die Beklagte von einer Beweislastumkehr dergestalt aus, dass nunmehr nicht sie nachweisen muss, dass und in welcher Höhe die Voraussetzungen für die Bewilligung von Kinderzuschlag nicht mehr vorliegen. Die Beweislast, dass die Voraussetzungen weiterhin vorliegen, treffe nun vielmehr den Kläger.
Nun ist in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in bestimmten Fallkonstellationen durchaus eine Beweislastumkehr anerkannt worden. Dies waren in der Tat auch Fälle, in denen der Gegner der beweisbelasteten Partei den Beweis vereitelt oder erschwert oder die Beweisführung unmöglich ist, weil die zu beweisenden Tatsachen sich im Bereich des Gegners abgespielt haben und dieser an der ihm möglichen Sachverhaltsaufklärung nicht oder nicht rechtzeitig mitgewirkt hat (vgl. etwa BSG Urteil vom 07.07.2005 – B 3 P 8/04 R = juris; auch BSG Urteil vom 02.09.2004 – B 7 AL 88/03 = juris). So etwa ausdrücklich in einem solchen Fall, in dem der Kläger bei Antragstellung Angaben, die in seiner Verantwortungssphäre lagen bei Antragstellung nicht angegeben hatte und diese nun – nach gewisser Zeit – nicht mehr aufklärbar waren (vgl. BSG Urteil vom 24.05.2006 B 11a AL 7/05 R = juris Rn. 33). Das Bundessozialgericht hat in diesen Fällen nach Auffassung der Kammer aber hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es sich hierbei aber nur um besonders gelagerte Einzelfälle handeln kann.
Eine entsprechende Sonderkonstellation liegt hier nach Auffassung der Kammer hier nicht vor.
Die Beklagte hat im vorliegenden Fall mit Bescheid vom 13.05.2011 der Klägerin aufgrund ihrer Angaben für ihre Kinder für einen Zeitraum von insgesamt zwölf Monaten Leistungen ohne jeglichen Vorbehalt, insbesondere auch ohne von der durch das Bundessozialgericht eingeräumten Möglichkeit der "Vorwegzahlung" im Wege der Nebenbestimmung (BSG Urteil vom 02.11.2012 - B 4 KG 2/11 R = juris; ablehnend SG Aachen Urteil vom 18.02.2014 – S 11 BK 24/13 = juris, st. Rspr.) Gebrauch zu machen, in Höhe von monatlich 280,00 EUR bewilligt. Die Beklagte hat damit nach Auffassung der Kammer mit zu dem Dilemma beigetragen, in dem sie sich zum Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung befand. In einer solchen Situation erscheint die Annahme einer Beweislastumkehr der Kammer nicht angezeigt.
Die Beklagte hat somit schon die Änderung der wesentlichen Verhältnisse nicht nachgewiesen. Vor diesem Hintergrund scheitert auch die Aufhebung auf Grundlage etwa von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X. Die Anwendung von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X scheidet ebenfalls aus. Die Klägerin hat nicht etwa grob fahrlässig verkannt, dass sie keinen Anspruch mehr hatte. Die Klägerin hatte – unter Berücksichtigung der tatsächlichen Wohnungskosten und Einkommen – vielmehr weiterhin einen entsprechenden Anspruch.
Die Klägerin hat im Widerspruchs- und auch noch im Klageverfahren durch ihren Prozessbevollmächtigten vortragen lassen, sie habe seit der Geburt ihrer Kinder durchgängig Leistungen nach dem SGB II bezogen, weswegen sie überhaupt keinen Anspruch auf Kinderzuschlag habe haben können. Stimmte dieser Vortrag, so würde dies freilich zu einer ursprünglichen Rechtswidrigkeit der Bewilligung führen, die nach den Regeln des § 45 SGB X zu behandeln wäre. Hier wäre freilich ein Vertrauen der Klägerin nicht schützenswert, hatte die Klägerin doch im maßgeblichen Antrag angegeben, entsprechende Leistungen nicht zu erhalten, § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X. Im Ergebnis greift diese Norm freilich nicht ein, ist der beharrlich wiederholte Vortrag zum durchgängigen Bezug von Leistungen nach dem SGB II schlichtweg falsch. Die Klägerin erhielt im fraglichen Zeitraum keinerlei Leistungen nach dem SGB II, was sowohl der Beigeladene bestätigt und auch die Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat.
Die Aufhebung des Bescheides war damit rechtwidrig. Eine Rückforderung nach § 50 Abs. 1 SGB X kam damit auch nicht in Betracht. Die entsprechenden Bescheide waren aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
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