S 5 (16) KR 65/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 5 (16) KR 65/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 131,39 Euro nebst 2% Zinsen über dem Basiszinssatz ab 01.01.1999 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin ein Vergütungsanspruch für Krankenhausleistungen in Höhe von 131,39 Euro (256,97 DM) zusteht, und ob sich die Beklagte auf die Einrede der Verjährung berufen kann.

Die Klägerin behandelte die bei der Beklagten versicherte T am 03.11.1997 und stellte am gleichen Tag der Beklagten einen Betrag in Höhe von 256,97 DM in Rechnung.

Mit Schreiben vom 12.02.2001 wies die Klägerin darauf hin, dass die Rechnung noch nicht beglichen sei und forderte die Beklagte zur Zahlung auf. Mit Schreiben vom 21.02.2001 teilte die Beklagte mit, dass sie sich auf die in § 196 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) enthaltene Verjährungsfrist von zwei Jahren berufe und die Rechnung nicht begleichen werde.

Am 18.05.2001 erhebt die Klägerin Zahlungsklage. Sie ist der Auffassung, die kurze Verjährungsfrist nach den Vorschriften des BGB sei erst ab 01.01.2000 anwendbar und könne nicht dazu führen, dass bis dahin nicht verjährte Ansprüche nunmehr auf der Grundlage des neuen Rechts verjährt seien. Für die Rechnung vom 03.11.1997 gelte die vierjährige Verjährungsfrist des § 45 Sozialgesetzbuch, 1. Buch (SGB I), so dass die Forderung erst mit Ablauf des 31.12.2001 verjähre.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 131,39 Euro nebst 2% Zinsen über den jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2001 zu zahlen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, von der Rechnung erstmals im Februar 2001 erfahren zu haben. Ob der Klägerin tatsächlich die Kosten entstanden seien, lasse sich nicht nachweisen, da ein Beleg über die in Rechnung gestellten Sachkosten nicht erbracht worden sei. Im Übrigen beruft sie sich auf die Einrede der Verjährung, wobei sie die Auffassung vertritt, ab dem 01.01.2000 sei für alle Forderungen die kurze Verjährungsfrist des BGB anwendbar. Dies gelte auch für Altforderungen, da Artikel 169 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) nicht anwendbar sei. Es müsse nämlich berücksichtigt werden, dass die bis 31.12.1999 geltende vierjährige Verjährungsfrist nach § 45 Abs.1 SGB I von der Rechtsprechung für Forderungen zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen für anwendbar erklärt worden sei. Dementsprechend handele es sich bei der Neufassung des § 69 SGB V nicht um eine gesetzliche Verkürzung einer Verjährungsfrist.

Wegen der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes nimmt die Kammer Bezug auf die Gerichtsakten und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, da sich die Beteiligten im Gleichordnungsverhältnis gegenüberstehen (vgl. BSGE 12,65).

Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von 131,39 Euro aus Anlass der Behandlung der Versicherten T am 03.11.1997.

Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs der Klägerin ist § 112 des 5. Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V). Nach Absatz 1 dieser Vorschrift schließen die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam mit der Landeskrankenhausgesellschaft Verträge, um sicherzustellen, dass Art und Umfang der Krankenhausbehandlung den Anforderungen des SGB V entsprechen. Gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 1b SGB V regelt der Sicherstellungsvertrag unter anderem die Kostenübernahme und Abrechnung der Entgelte (§ 14 des Vertrages zwischen der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen und der Beklagten vom 06.12.1996).

Die Kammer hat keinen Anlass, an dem Bestehen des Zahlungsanspruchs zu zweifeln.

Aus der Rechnung der Klägerin vom 03.11.1997 ergibt sich, dass bei der Versicherten eine Katheteruntersuchung ambulant durchgeführt wurde. Hierfür machte die Klägerin Gebühren nach der Gebührenordnung für Ärzte sowie Sachkosten geltend.

Soweit die Beklagte darauf hinweist, der Umstand, dass ihr gegenüber kein Sachkostennachweis geführt worden sei, spreche für die Nichtexistenz der Forderung, ist zu berücksichtigen, dass der Vertreter der Klägerin im dem Verhandlungstermin nachvollziehbar erklärt hat, dass die Auflistung aller an- gefallenen Sachkosten gegenüber der AOK Minden als Sammelstelle erfolgt sei. Dementsprechend sei ein Leistungsnachweis gegenüber der Beklagten nicht erforderlich.

Mit der Rechnungslegung ist der Zahlungsanspruch der Klägerin zunächst entstanden. Soweit sich die Beklagte darauf beruft, die Behandlung der Versicherten habe nicht stattgefunden, so ist sie gehalten, dies substanziiert zu bestreiten. Dieser Darlegungspflicht ist die Beklagte nicht nachgekommen, so dass es bei der Indizwirkung, die der Rechnungslegung zukommt, bleibt. In diesem Zusammenhang hatte die Kammer zu berücksichtigen, dass die Beklagte sich im Verwaltungsverfahren lediglich auf die Einrede der Verjährung berufen hat und das Bestehen des Anspruchs nicht bestritten hat.

Erst im Klageverfahren macht sie geltend, aufgrund des fehlenden Sachkostennachweises sei das Bestehen des Anspruchs fraglich. Konkreter Vortrag erfolgte jedoch hierzu nicht, so dass weitere Ermittlungen der Kammer zu dieser Frage nicht erforderlich waren. Insbesondere genügt auch nicht die Übersendung vertraglicher Bestimmungen zwischen den Beteiligten ohne Bezugnahme auf den konkreten Sachverhalt.

Die Beklagte kann sich auch nicht auf Verjährung gemäß § 69 Satz 3 SGB V i.V.m. § 196 Abs. 1 Nr. 11 bzw. Nr. 14 BGB, § 201 BGB berufen.

Nach § 69 S. 2, 3 SGB V, der am 01.01.2000 in Kraft getreten ist (Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 vom 22.12.1999, Bundesgesetzblatt BGBl. I 2626) sind die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Krankenhäusern und ihren Verbänden abschließend in dem 4. Kapitel des SGB V, dem Krankenhausfinanzierungsgesetz, dem Krankenhausentgeltgesetz sowie den hierzu erlassenen Rechtsverordnungen geregelt. Im Übrigen gelten für die Rechtsbeziehungen die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend. Da der Anspruch der Klägerin bereits im Jahre 1997 entstanden ist, gilt für diesen die vierjährige Verjährung des § 45 SGB I. Die Verjährungsfrist begann damit am 01.01.1998 zu laufen und endete am 31.12.2001. Spätestens mit Klageerhebung wurde die Verjährung unterbrochen.

Für den Anspruch der Klägerin ist das bis zum 31.12.1999 geltende Recht deshalb anwendbar, weil der Anspruch der Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt entstanden ist.

Vergütungsansprüche von Krankenhäusern entstehen mit Fälligkeit, d.h. in dem Zeitpunkt, in dem der Anspruch erstmals geltend gemacht und mit einer Klage durchgesetzt werden kann. Dementsprechend war der Zahlungsanspruch der Klägerin mit Rechnungslegung vom 03.11.1997 fällig. Gemäß § 201 BGB begann damit die Verjährungsfrist am 01.01.1998 zu laufen.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seiner Entscheidung vom 17.06.1999 (SozR 3-1200 § 45 Nr. 8) ausgeführt, dass die Anwendung zivilrechtlicher Vorschriften im Sozialrecht grundsätzlich unter dem Vorbehalt steht, dass sich aus sonstigen Rechtsgrundsätzen oder Besonderheiten des Sozialrechts nichts anderes ergibt. § 45 SGB I steht damit als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsprinzips der vierjährigen Verjährung und ist dementsprechend auch für die Beziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen wegen der Behandlung von Kassenpatienten zur Wahrung von Rechtsklarheit und Einheitlichkeit anwendbar.

Entgegen der Auffassung der Beklagten führt die durch das GKV-GRG eingeführte Neuregelung des § 69 nicht dazu, dass für Altansprüche ebenfalls die kürzere Verjährungsfrist des BGB gilt. Das GKV-GRG enthält keine entsprechende Übergangsregelung, wie es beispielsweise bei Einführung des § 45 Abs. 1 SGB I am 01.01.1976 der Fall war.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich auch bei Anwendung des allgemeinen Rechtsgrundsatzes bei Einführung neuer Verjährungsfristen, der sich aus Artikel 169 EGBGB ergibt, nichts anderes.

Nach dieser Vorschrift waren die Regelungen des BGB über die Verjährung auch auf die vor dem In-Kraft-Treten des BGB entstandenen, noch nicht verjährten Ansprüche anwendbar. Nach Artikel 169 Abs. 2 EGBGB sollte, sofern die Verjährungsfrist nach dem BGB kürzer war als nach den bisherigen Gesetzen, die kürzere Frist vom In-Kraft-Treten des BGB an berechnet werden, wobei hierdurch keine Verlängerung der früher geltenden längeren Verjährungsfrist erreicht werden sollte (Artikel 169 Abs. 2 Satz 2).

Bei Anwendung dieses Rechtsgedanken verjährt der Anspruch der Klägerin ebenfalls erst mit Ablauf des 31.12.2001 (zweijährige Verjährungsfrist).

Die Kammer vermochte sich der Auffassung der Beklagten nicht anzuschließen, die vierjährige Verjährungsfrist als eine Frist anzusehen, die auf Richterrecht beruht.

Richtig ist zwar, dass Artikel 169 EGBGB dann keine Anwendung finden soll, wenn die Rechtsprechung einen Anspruch in Änderung ihrer bisherigen Spruchpraxis einer kürzeren Verjährung unterwirft (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, Überblick vor § 194 Rdnr. 19). Zu bedenken ist allerdings, dass die Regelung des § 45 Abs. 1 SGB I eine gesetzliche Regelung darstellt und allein der Umstand, dass streitig war, ob diese Regelungen auch für die Vertragsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen gilt, nicht als Indiz dafür gewertet werden kann, dass die Anwendung der vierjährigen Verjährungsfrist auf Richterrecht beruht. Ebenso wenig ist die kürzere Verjährungsfrist des BGB durch eine veränderte Spruchpraxis zur Anwendung gekommen, sondern aufgrund einer Gesetzesänderung. Der diesbezügliche Vortrag der Beklagten ist für die Kammer daher nicht nachvollziehbar. Im Übrigen widerspricht es jeglichen rechtstaatlichen Grundsätzen, einen in der Vergangenheit entstandenen Anspruch einer erst im Nachhinein in Kraft getretenen Verjährungsfrist in der Weise zu unterwerfen, dass der Anspruch bereits vor Geltung des neuen Gesetzes verjährt ist. Dies wäre, folgte man der Auffassung der Beklagten, der Fall, da die zweijährige Verjährungsfrist mit Ablauf des 31.12.1999 abgelaufen wäre. Auch insoweit ist der Vortrag der Beklagten nicht nachvollziehbar.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem maßgeblichen Landesvertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V. Forderungen sind nach dessen § 15 mit 2% über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank zu verzinsen. Der Diskontsatz ist durch § 1 Diskontsatz-Überleitungs-Gesetz (DÜG, Artikel 1 Euroeinführungsgesetz vom 9. Juni 1998) durch den Basiszinssatz ersetzt worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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