Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 2049/16 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Beigeladenen zu 1 wird der Beschluss des Sozialgerichts U. vom 17. Mai 2016 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind weder für das Antrags- noch für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe:
I.
Der als Freigänger arbeitende inhaftierte Antragsteller begehrt die Gewährung eines weiteren Darlehens zum Erhalt seiner Wohnung.
Der Antragsteller ist Mieter einer 2-Zimmer Wohnung mit 65 m² in der F.straße 28, 78050 V. mit monatlichen Mietkosten von 300 EUR (260 EUR Kaltmiete zzgl. 40 EUR Nebenkostenvorauszahlung).
Seit 14.4.2015 befindet er sich in Haft in der Justizvollzugsanstalt (JVA) U., davon ab 1.11.2015 als Freigänger mit einem Nettoeinkommen aus Arbeit von 1.119,49 EUR monatlich, wovon ihm die JVA 680 EUR monatlich zur eigenen Verwendung belässt. An den Wochenenden und während des Urlaubs hält der Kläger sich in seiner Wohnung in V. auf, sonst über Nacht in der Haftanstalt. Reguläres Haftende ist der 13.10.2016.
Zunächst gewährte der Antragsgegner dem Antragsteller auf seinen Antrag hin darlehnsweise die monatlichen Mietkosten i.H.v. 300 EUR für die Zeit vom 1.6.2015 bis 30.11.2015 (Bescheide vom 24.8.2015 und vom 5.11.2015), die direkt an den Vermieter zur Auszahlung kamen. Grundlage hierfür war die Ankündigung des Antragstellers, es sei mit einer Entlassung zum Halbstrafenzeitpunkt am 12.1.2016 zu rechnen.
In der Zeit vom 3.11.2015 bis 7.11.2015 musste der Kläger stationär wegen eines kleinen Infarkts im Bereich der mittleren Gehirnschlagader, der ohne wesentlichen Folgen blieb, stationär versorgt werden.
Nachdem das Landgericht U. (LG) noch nicht über die Entlassung zum Halbstrafenzeitpunkt zum 12.1.2016 entschieden hatte, beantragte der Antragsteller am 11.1.2016 erneut beim Antragsgegner die Gewährung eines Mietdarlehens für die Monate Januar und Februar 2016 und bot den sofortigen Beginn der Rückzahlung in Höhe von 50 EUR bis 100 EUR aus seinem Taschengeld an. Die Mietzahlung für Dezember 2015 hatte er nach seinen Angaben durch eine Rückzahlung des Energieversorgers in Höhe von 126,50 EUR und mit Hilfe seines Bruders geleistet.
Am 15.2.2016 teilte der Antragsteller dem Antragsgegner mit, sein Vermieter drohe mit einer Räumungsklage. Mit Schreiben vom 4.3.2016 begehrte der Antragsteller auch ein Mietdarlehen für den Monat März, nachdem das LG U. zwar seine Entlassung zum 2/3-Zeitpunkt (11.4.2016) abgelehnt habe, er aber aufgrund seiner Beschwerde zum Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) von seiner Entlassung zu dem Zeitpunkt ausgehe.
Der Antragsgegner lehnte die Gewährung eines weiteren Darlehens ab, da nichts für eine vorzeitige Haftentlassung spreche und zum regulären Haftende am 13.10.2016 die Haftdauer 12 Monate als Höchstförderungsdauer übersteige (Bescheid vom 29.3.2016, Widerspruchsbescheid vom 6.4.2016). Klage hat der Antragsteller gegen den am 7.4.2016 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid nicht erhoben.
Am 4.4.2016 hat der Antragsteller beim Sozialgericht R., das das Verfahren an das Sozialgericht U. (SG) verwiesen hat (Beschluss vom 15.4.2016), den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Antragsgegner beantragt und die Kostenübernahme für die Miete seit 1.1.2016 bis einschließlich 30.4.2016 begehrt. Sein Vermieter habe zunächst geduldig gewartet, wolle jetzt aber Räumungsklage erheben.
Das SG hat mit Beschluss vom 2.5.2016 die Jobcenter S.-Kreis und U. (Beigeladene zu 1 und zu 2) zum Verfahren beigeladen, die ihre Einstandspflicht verneint haben. Der Antragsgegner hat die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers verneint und im Hinblick auf die fehlerhaften Angaben des Antragstellers über seine vorzeitige Haftentlassung die weitere Rechtsverfolgung als rechtsmissbräuchlich angesehen.
Das SG hat den Beigeladenen zu 1. mit Beschluss vom 17.5.2016 verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 1.1.2016 bis zur Haftentlassung, längstens jedoch bis zum 13.10.2016 ein Darlehen in Höhe von monatlich 300 EUR zum Bestreiten der Kosten für Unterkunft und Heizung der Wohnung in der F. in V. zu gewähren. Als Anordnungsanspruch hat es den beim Antragsteller bestehenden KdU-Bedarf gemäß §§ 7, 22 Abs. 1 SGB II durch das ihm zur Verfügung stehende Taschengeld i.H.v. 680 EUR als nicht gedeckt angesehen. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 4 S. 1 SGB II sei nach der Rückausnahme des Abs. 4 S. 3 Nr. 2 aufgrund der Erwerbstätigkeit des Antragstellers nicht anzuwenden. Der für eine Leistungserbringung nach § 37 SGB I (gemeint SGB II) erforderliche Leistungsantrag gelte nach § 16 Abs. 1 S. 2 SGB I durch die Antragstellung beim Antragsgegner auch gegenüber dem Beigeladenen zu 1.
Gegen den dem Beigeladenen zu 1. am 17.5.2016 zugestellten Beschluss hat dieser am 3.6.2016 Beschwerde zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und die Auffassung vertreten, dass der Antragsteller auch als Freigänger mit Erwerbseinkommen keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II habe. Außerdem hält er sich aufgrund der Verbüßung der Haft in U. nicht für örtlich zuständig. Weiter seien auch die Voraussetzungen des §§ 22 Abs. 8 SGB II nicht erfüllt, nachdem keine Leistungen nach dem SGB II erbracht werden und in keinster Weise nach den vorliegenden Unterlagen nachgewiesen sei, dass der Verlust der Wohnung drohe. Auch errechne sich aufgrund des Erwerbseinkommens, wobei von 1.119,49 EUR auszugehen sei, kein ungedeckter Bedarf.
Der Antragsteller hat auf Nachfrage, was der Vermieter bereits unternommen habe, mitgeteilt dass dieser einen Anwalt beauftragt habe die Kündigung und Räumung der Wohnung zu betreiben. Er stelle aber in Aussicht, dass auf weitere Zwangsmaßnahmen verzichtet werde, wenn die rückständige Miete seit 1.1.2016 vollständig bis zum 20.6.2016 beglichen werde. Weiter hat er mitgeteilt, dass das OLG seine Beschwerde hinsichtlich der nicht gewährten Haftverkürzung auf 2/3 abgelehnt habe.
II.
Die Beschwerde des Beigeladenen zu 1. hat Erfolg.
Die Beschwerde des Beigeladenen zu 1 ist nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft, nach § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegt sowie auch im Übrigen zulässig. Die Beschwerde ist auch begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragsteller vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).
Vorliegend kommt, wie das SG zutreffend erkannt hat, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NVwZ 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Wird im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten abgestellt, ist die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, weil etwa eine vollständige Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden unter Berücksichtigung insbesondere der grundrechtlichen Belange der Antragsteller. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 86b Rn. 42).
Unter Berücksichtigung der oben dargelegten Grundsätze war der Beschluss des SG vom 17.5.2016, mit dem dieses den Beigeladenen zu 1. verpflichtet hat, dem Antragsteller für die Zeit vom 1.1.2016 bis zur Haftentlassung, längstens jedoch bis zum 13.10.2016 ein Darlehen in Höhe von monatlich 300 EUR zum Bestreiten der Kosten für Unterkunft und Heizung zu gewähren, aufzuheben und der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Zunächst war bereits während des Eilrechtsschutzverfahrens vor dem SG das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers entfallen. Er hat die ablehnende Entscheidung des Antragsgegners bindend werden lassen (§ 77 SGG). Der Widerspruchsbescheid vom 6.4.2016 ist am 7.4.2016 zur Post gegebenen worden. Er gilt damit als am dritten Tag danach als bekanntgegeben (§ 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Die Monatsfrist zur Klageerhebung (§ 87 Abs. 1 Satz 1 SGG) endete damit am 10.5.2016. Klage hat der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid nicht erhoben, sondern nur den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zum SG gestellt. Der Beschluss des SG erging am 17.5.2016 und damit zu einem Zeitpunkt, als der Bescheid des Antragsgegners bereits Bestandskraft erlangt hatte. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz war damit unzulässig geworden (Keller in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. § 86b Rn. 26d). Bereits aus diesem Grunde ist die Beschwerde des Beigeladenen zu 1. begründet.
Zudem sind vom Antragsteller auch die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes (Eilbedürftigkeit) nicht glaubhaft gemacht. Das Begehren des Antragstellers ist darauf gerichtet, einerseits die bisher aufgelaufenen Mietschulden als Darlehen und andererseits darlehensweise finanzielle Hilfe für die weiteren Mietzahlungen bis zu seiner Haftenlassung bis längstens 13.10.2016 zu erhalten. Wohl zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass der Antragsteller als Freigänger mit Erwerbseinkommen nicht von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist und daher abhängig von der örtlichen Zuständigkeit entweder der Beigeladene zu 1. oder zu 2. bei Erfüllung der Voraussetzungen im Übrigen der zuständige Leistungsträger ist. Soweit einem Antragsteller auf Leistungen nach dem SGB II die Aufnahme eines konkreten Beschäftigungsverhältnisses erlaubt wird, kann er gemäß § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr 2 SGB II wiederum leistungsberechtigt sein. Diese Rückausnahme gilt auch im Falle des Aufenthalts in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung (BSG, Urteil vom 24.2.2011 – B 14 AS 81/09 R –, SozR 4-4200 § 7 Nr 24, Rn. 25), wie vorliegend der Fall.
Die Voraussetzungen für die Übernahme der Mietschulden im Wege der Eilentscheidung liegen jedoch nicht vor. Rechtsgrundlage für die Übernahme von Mietschulden ist § 22 Abs. 8 SGB II. Danach können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist, sofern Arbeitslosengeld II für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird. Ausreichend ist - bei noch nicht vorliegender Entscheidung - ein Anspruch auf SGB II-Leistungen (Berlit in LPK-SGB II, 5. Aufl. § 22 Rn. 190). Dass der Beigeladene zu 1. bisher keine Leistungen für die Unterkunft erbringt, steht entgegen seiner Auffassung dem Anspruch nicht zwingend entgegen.
Der Antragsteller hat jedoch zunächst nicht glaubhaft gemacht, ob und in welcher Höhe Mietschulden überhaupt bestehen. Der Antragsteller hat lediglich behauptet, seit Januar 2016 die Miete in Höhe von 300 EUR nicht mehr an seinen Vermieter gezahlt zu haben. Seit März 2016 behauptet er, dass der Vermieter mit der Kündigung drohe. Der Antragsteller hat hierzu jedoch nichts Konkretes vorgetragen noch einen Nachweis erbracht. In der Vergangenheit haben sich seine gegenüber dem Antragsteller und dem SG gemachten Vorhersagen allesamt aber nicht bestätigt. Er hat weder eine Zahlungsaufforderung noch eine Mietschuldenaufstellung seines Vermieters vorgelegt. Außer seiner Behauptung gibt es keinen Beleg für die Ernsthaftigkeit der Lage. Zumindest für den Monat Dezember 2015 hat er sich nach seinem Vortrag dagegen bezüglich der Mietzahlung selber helfen können. Trotz der bereits seit Februar behaupteten Kündigungsandrohung hat der Antragsteller später mitgeteilt, dass sein Vermieter bisher darauf verzichtet habe. Da der Antragsteller bereits seit Dezember 2015 dem Antragsgegner eine ratenweise Rückzahlung des gewünschten Darlehens angeboten hat, diese aber nicht zu leisten hat, kann von ihm im Rahmen von Selbsthilfemöglichkeiten erwartet werden, dass er diesen Anteil aus dem ihm zur Verfügung stehenden Einkommensteil zu Zahlungen an seinen Vermieter nutzt. Zudem trägt er selbst vor, dass er den Vermieter immer wieder hat zum Zuwarten veranlassen können. Auch ist eine Kündigung noch nicht ausgesprochen worden, was nach ständiger Senatsrechtsprechung für eine unmittelbare Gefährdung der weiteren Nutzung der Wohnung zu verlangen ist, oder gar eine Räumungsklage anhängig gemacht worden. Drohende Wohnungslosigkeit liegt damit aktuell nicht vor. Angesichts dessen sind bei der gebotenen summarischen Prüfung weder ein Anordnungsanspruch und noch eine Notsituation, die eine Eilentscheidung rechtfertigen könnte (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht worden.
Zudem hält der Senat es für zumutbar, dass der Antragsteller zumindest zur Überbrückung die ihm zur Verfügung stehenden Mittel in Höhe von 680 EUR monatlich unter Einsatz des ihm zustehenden Erwerbstätigenfreibetrags und unter Nutzung günstigerer Beförderungsmöglichkeiten etwa mit dem Fernbus (einfache Fahrt U. nach V. ca. 17 EUR) auch zur Zahlung der Miete verwendet und damit die Kündigung abwendet.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Außergerichtliche Kosten sind weder für das Antrags- noch für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe:
I.
Der als Freigänger arbeitende inhaftierte Antragsteller begehrt die Gewährung eines weiteren Darlehens zum Erhalt seiner Wohnung.
Der Antragsteller ist Mieter einer 2-Zimmer Wohnung mit 65 m² in der F.straße 28, 78050 V. mit monatlichen Mietkosten von 300 EUR (260 EUR Kaltmiete zzgl. 40 EUR Nebenkostenvorauszahlung).
Seit 14.4.2015 befindet er sich in Haft in der Justizvollzugsanstalt (JVA) U., davon ab 1.11.2015 als Freigänger mit einem Nettoeinkommen aus Arbeit von 1.119,49 EUR monatlich, wovon ihm die JVA 680 EUR monatlich zur eigenen Verwendung belässt. An den Wochenenden und während des Urlaubs hält der Kläger sich in seiner Wohnung in V. auf, sonst über Nacht in der Haftanstalt. Reguläres Haftende ist der 13.10.2016.
Zunächst gewährte der Antragsgegner dem Antragsteller auf seinen Antrag hin darlehnsweise die monatlichen Mietkosten i.H.v. 300 EUR für die Zeit vom 1.6.2015 bis 30.11.2015 (Bescheide vom 24.8.2015 und vom 5.11.2015), die direkt an den Vermieter zur Auszahlung kamen. Grundlage hierfür war die Ankündigung des Antragstellers, es sei mit einer Entlassung zum Halbstrafenzeitpunkt am 12.1.2016 zu rechnen.
In der Zeit vom 3.11.2015 bis 7.11.2015 musste der Kläger stationär wegen eines kleinen Infarkts im Bereich der mittleren Gehirnschlagader, der ohne wesentlichen Folgen blieb, stationär versorgt werden.
Nachdem das Landgericht U. (LG) noch nicht über die Entlassung zum Halbstrafenzeitpunkt zum 12.1.2016 entschieden hatte, beantragte der Antragsteller am 11.1.2016 erneut beim Antragsgegner die Gewährung eines Mietdarlehens für die Monate Januar und Februar 2016 und bot den sofortigen Beginn der Rückzahlung in Höhe von 50 EUR bis 100 EUR aus seinem Taschengeld an. Die Mietzahlung für Dezember 2015 hatte er nach seinen Angaben durch eine Rückzahlung des Energieversorgers in Höhe von 126,50 EUR und mit Hilfe seines Bruders geleistet.
Am 15.2.2016 teilte der Antragsteller dem Antragsgegner mit, sein Vermieter drohe mit einer Räumungsklage. Mit Schreiben vom 4.3.2016 begehrte der Antragsteller auch ein Mietdarlehen für den Monat März, nachdem das LG U. zwar seine Entlassung zum 2/3-Zeitpunkt (11.4.2016) abgelehnt habe, er aber aufgrund seiner Beschwerde zum Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) von seiner Entlassung zu dem Zeitpunkt ausgehe.
Der Antragsgegner lehnte die Gewährung eines weiteren Darlehens ab, da nichts für eine vorzeitige Haftentlassung spreche und zum regulären Haftende am 13.10.2016 die Haftdauer 12 Monate als Höchstförderungsdauer übersteige (Bescheid vom 29.3.2016, Widerspruchsbescheid vom 6.4.2016). Klage hat der Antragsteller gegen den am 7.4.2016 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid nicht erhoben.
Am 4.4.2016 hat der Antragsteller beim Sozialgericht R., das das Verfahren an das Sozialgericht U. (SG) verwiesen hat (Beschluss vom 15.4.2016), den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Antragsgegner beantragt und die Kostenübernahme für die Miete seit 1.1.2016 bis einschließlich 30.4.2016 begehrt. Sein Vermieter habe zunächst geduldig gewartet, wolle jetzt aber Räumungsklage erheben.
Das SG hat mit Beschluss vom 2.5.2016 die Jobcenter S.-Kreis und U. (Beigeladene zu 1 und zu 2) zum Verfahren beigeladen, die ihre Einstandspflicht verneint haben. Der Antragsgegner hat die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers verneint und im Hinblick auf die fehlerhaften Angaben des Antragstellers über seine vorzeitige Haftentlassung die weitere Rechtsverfolgung als rechtsmissbräuchlich angesehen.
Das SG hat den Beigeladenen zu 1. mit Beschluss vom 17.5.2016 verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 1.1.2016 bis zur Haftentlassung, längstens jedoch bis zum 13.10.2016 ein Darlehen in Höhe von monatlich 300 EUR zum Bestreiten der Kosten für Unterkunft und Heizung der Wohnung in der F. in V. zu gewähren. Als Anordnungsanspruch hat es den beim Antragsteller bestehenden KdU-Bedarf gemäß §§ 7, 22 Abs. 1 SGB II durch das ihm zur Verfügung stehende Taschengeld i.H.v. 680 EUR als nicht gedeckt angesehen. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 4 S. 1 SGB II sei nach der Rückausnahme des Abs. 4 S. 3 Nr. 2 aufgrund der Erwerbstätigkeit des Antragstellers nicht anzuwenden. Der für eine Leistungserbringung nach § 37 SGB I (gemeint SGB II) erforderliche Leistungsantrag gelte nach § 16 Abs. 1 S. 2 SGB I durch die Antragstellung beim Antragsgegner auch gegenüber dem Beigeladenen zu 1.
Gegen den dem Beigeladenen zu 1. am 17.5.2016 zugestellten Beschluss hat dieser am 3.6.2016 Beschwerde zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und die Auffassung vertreten, dass der Antragsteller auch als Freigänger mit Erwerbseinkommen keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II habe. Außerdem hält er sich aufgrund der Verbüßung der Haft in U. nicht für örtlich zuständig. Weiter seien auch die Voraussetzungen des §§ 22 Abs. 8 SGB II nicht erfüllt, nachdem keine Leistungen nach dem SGB II erbracht werden und in keinster Weise nach den vorliegenden Unterlagen nachgewiesen sei, dass der Verlust der Wohnung drohe. Auch errechne sich aufgrund des Erwerbseinkommens, wobei von 1.119,49 EUR auszugehen sei, kein ungedeckter Bedarf.
Der Antragsteller hat auf Nachfrage, was der Vermieter bereits unternommen habe, mitgeteilt dass dieser einen Anwalt beauftragt habe die Kündigung und Räumung der Wohnung zu betreiben. Er stelle aber in Aussicht, dass auf weitere Zwangsmaßnahmen verzichtet werde, wenn die rückständige Miete seit 1.1.2016 vollständig bis zum 20.6.2016 beglichen werde. Weiter hat er mitgeteilt, dass das OLG seine Beschwerde hinsichtlich der nicht gewährten Haftverkürzung auf 2/3 abgelehnt habe.
II.
Die Beschwerde des Beigeladenen zu 1. hat Erfolg.
Die Beschwerde des Beigeladenen zu 1 ist nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft, nach § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegt sowie auch im Übrigen zulässig. Die Beschwerde ist auch begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragsteller vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).
Vorliegend kommt, wie das SG zutreffend erkannt hat, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NVwZ 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Wird im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten abgestellt, ist die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, weil etwa eine vollständige Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden unter Berücksichtigung insbesondere der grundrechtlichen Belange der Antragsteller. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 86b Rn. 42).
Unter Berücksichtigung der oben dargelegten Grundsätze war der Beschluss des SG vom 17.5.2016, mit dem dieses den Beigeladenen zu 1. verpflichtet hat, dem Antragsteller für die Zeit vom 1.1.2016 bis zur Haftentlassung, längstens jedoch bis zum 13.10.2016 ein Darlehen in Höhe von monatlich 300 EUR zum Bestreiten der Kosten für Unterkunft und Heizung zu gewähren, aufzuheben und der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Zunächst war bereits während des Eilrechtsschutzverfahrens vor dem SG das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers entfallen. Er hat die ablehnende Entscheidung des Antragsgegners bindend werden lassen (§ 77 SGG). Der Widerspruchsbescheid vom 6.4.2016 ist am 7.4.2016 zur Post gegebenen worden. Er gilt damit als am dritten Tag danach als bekanntgegeben (§ 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Die Monatsfrist zur Klageerhebung (§ 87 Abs. 1 Satz 1 SGG) endete damit am 10.5.2016. Klage hat der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid nicht erhoben, sondern nur den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zum SG gestellt. Der Beschluss des SG erging am 17.5.2016 und damit zu einem Zeitpunkt, als der Bescheid des Antragsgegners bereits Bestandskraft erlangt hatte. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz war damit unzulässig geworden (Keller in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. § 86b Rn. 26d). Bereits aus diesem Grunde ist die Beschwerde des Beigeladenen zu 1. begründet.
Zudem sind vom Antragsteller auch die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes (Eilbedürftigkeit) nicht glaubhaft gemacht. Das Begehren des Antragstellers ist darauf gerichtet, einerseits die bisher aufgelaufenen Mietschulden als Darlehen und andererseits darlehensweise finanzielle Hilfe für die weiteren Mietzahlungen bis zu seiner Haftenlassung bis längstens 13.10.2016 zu erhalten. Wohl zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass der Antragsteller als Freigänger mit Erwerbseinkommen nicht von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist und daher abhängig von der örtlichen Zuständigkeit entweder der Beigeladene zu 1. oder zu 2. bei Erfüllung der Voraussetzungen im Übrigen der zuständige Leistungsträger ist. Soweit einem Antragsteller auf Leistungen nach dem SGB II die Aufnahme eines konkreten Beschäftigungsverhältnisses erlaubt wird, kann er gemäß § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr 2 SGB II wiederum leistungsberechtigt sein. Diese Rückausnahme gilt auch im Falle des Aufenthalts in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung (BSG, Urteil vom 24.2.2011 – B 14 AS 81/09 R –, SozR 4-4200 § 7 Nr 24, Rn. 25), wie vorliegend der Fall.
Die Voraussetzungen für die Übernahme der Mietschulden im Wege der Eilentscheidung liegen jedoch nicht vor. Rechtsgrundlage für die Übernahme von Mietschulden ist § 22 Abs. 8 SGB II. Danach können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist, sofern Arbeitslosengeld II für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird. Ausreichend ist - bei noch nicht vorliegender Entscheidung - ein Anspruch auf SGB II-Leistungen (Berlit in LPK-SGB II, 5. Aufl. § 22 Rn. 190). Dass der Beigeladene zu 1. bisher keine Leistungen für die Unterkunft erbringt, steht entgegen seiner Auffassung dem Anspruch nicht zwingend entgegen.
Der Antragsteller hat jedoch zunächst nicht glaubhaft gemacht, ob und in welcher Höhe Mietschulden überhaupt bestehen. Der Antragsteller hat lediglich behauptet, seit Januar 2016 die Miete in Höhe von 300 EUR nicht mehr an seinen Vermieter gezahlt zu haben. Seit März 2016 behauptet er, dass der Vermieter mit der Kündigung drohe. Der Antragsteller hat hierzu jedoch nichts Konkretes vorgetragen noch einen Nachweis erbracht. In der Vergangenheit haben sich seine gegenüber dem Antragsteller und dem SG gemachten Vorhersagen allesamt aber nicht bestätigt. Er hat weder eine Zahlungsaufforderung noch eine Mietschuldenaufstellung seines Vermieters vorgelegt. Außer seiner Behauptung gibt es keinen Beleg für die Ernsthaftigkeit der Lage. Zumindest für den Monat Dezember 2015 hat er sich nach seinem Vortrag dagegen bezüglich der Mietzahlung selber helfen können. Trotz der bereits seit Februar behaupteten Kündigungsandrohung hat der Antragsteller später mitgeteilt, dass sein Vermieter bisher darauf verzichtet habe. Da der Antragsteller bereits seit Dezember 2015 dem Antragsgegner eine ratenweise Rückzahlung des gewünschten Darlehens angeboten hat, diese aber nicht zu leisten hat, kann von ihm im Rahmen von Selbsthilfemöglichkeiten erwartet werden, dass er diesen Anteil aus dem ihm zur Verfügung stehenden Einkommensteil zu Zahlungen an seinen Vermieter nutzt. Zudem trägt er selbst vor, dass er den Vermieter immer wieder hat zum Zuwarten veranlassen können. Auch ist eine Kündigung noch nicht ausgesprochen worden, was nach ständiger Senatsrechtsprechung für eine unmittelbare Gefährdung der weiteren Nutzung der Wohnung zu verlangen ist, oder gar eine Räumungsklage anhängig gemacht worden. Drohende Wohnungslosigkeit liegt damit aktuell nicht vor. Angesichts dessen sind bei der gebotenen summarischen Prüfung weder ein Anordnungsanspruch und noch eine Notsituation, die eine Eilentscheidung rechtfertigen könnte (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht worden.
Zudem hält der Senat es für zumutbar, dass der Antragsteller zumindest zur Überbrückung die ihm zur Verfügung stehenden Mittel in Höhe von 680 EUR monatlich unter Einsatz des ihm zustehenden Erwerbstätigenfreibetrags und unter Nutzung günstigerer Beförderungsmöglichkeiten etwa mit dem Fernbus (einfache Fahrt U. nach V. ca. 17 EUR) auch zur Zahlung der Miete verwendet und damit die Kündigung abwendet.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved