L 9 AS 3063/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AS 650/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 3063/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 8. Juli 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Leistungen für Bildung und Teilhabe zur Lernförderung im Rahmen der Gewährung von Leistungen der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) streitig.

Die Klägerin ist die gesetzliche Vertreterin ihres am 24.08.2002 geborenen Sohnes M. Y. (M.). Der Beklagte hatte dem M. bereits im Zeitraum vom 01.03.2014 bis zum 31.07.2014 Leistungen der Lernförderung (und auf entsprechende Anträge der Klägerin auch zuvor seit 2011) bewilligt. Einen Antrag vom 21.07.2014 auf Weiterbewilligung dieser Leistungen lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 29.12.2014 ab. Der hiergegen erhoben Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 09.02.2015).

Am 25.02.2015 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Namen der Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und beantragt, "ihr für ihren Sohn über den 31.07.2014 hinaus Leistungen für die schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung zu bewilligen". Nachdem das SG sowohl auf die fehlende Aktivlegitimation der Klägerin als auch darauf hingewiesen hatte, dass Inhaber des geltend gemachten Anspruchs wohl M. sei, hat das SG die Klage nach Anhörung der Beteiligten abgewiesen (Gerichtsbescheid des SG vom 08.07.2015).

Hiergegen hat der Bevollmächtigte der Klägerin Berufung zum erkennenden Senat erhoben und geltend gemacht, die Klägerin sei durch die Entscheidungen des Beklagten beschwert, denn sie habe die Bewilligung von Leistungen zugunsten ihres Sohnes beantragt, sie selbst sei auch Adressatin des streitgegenständlichen Bescheids gewesen. Zwischen ihr und dem Lerninstitut T. bestehe ein Dienstvertrag zur Erbringung von außerschulischer Lernförderung. Auch ab dem 01.08.2014 seien Leistungen durch das Lerninstitut T. erbracht und der Klägerin in Rechnung gestellt worden. Die in den Rechnungen bezifferten Beträge seien bislang von der Beklagten nicht erstattet worden.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 8. Juli 2015 sowie den Bescheid des Beklagten vom 29. Dezember 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr für ihren Sohn über den 31. Juli 2014 hinaus Leistungen für eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hat zur Begründung auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid und im Widerspruchsbescheid Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene sowie auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Klägerin kein Anspruch auf die Zahlung der begehrten Leistung zusteht.

Hierzu hat der Senat in seinem, die Beschwerde gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe im Beschluss des SG vom 09.06.2015 zurückweisenden Beschluss vom 30.10.2015 (L 9 AS 3064/15 B) Folgendes ausgeführt:

"Der Antragstellerin fehlt die Aktivlegitimation, denn sie ist nicht Inhaberin des geltend gemachten Rechts. Die Aktivlegitimation oder auch Sachbefugnis (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1979 – 1 RA 97/78, SozR 2200 § 1242 Nr. 3; BVerwG, Urteil vom 10.02.1960 – V C 262.57, BVerwGE 10, 145ff.) betrifft die Frage, wer materiell Inhaber des streitigen Rechts oder Verpflichteter ist (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer: Sozialgerichtsgesetz, 11. Aufl., § 69 Rdnr. 4). Die Aktivlegitimation ist eine Frage der Begründetheit der Klage (vgl. BSG, Urteil vom 13.07.2010 – B 8 SO 11/09 R, juris; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., Vor § 51 Rdnr. 15). Sie ist von der Prozessführungsbefugnis zu unterscheiden. Letztere ist die Berechtigung, einen Prozess als richtige Partei im eigenen Namen zu führen, also als richtiger Kläger zu klagen (aktive Prozessführungsbefugnis), oder als richtiger Beklagter verklagt zu werden (passive Prozessführungsbefugnis - vgl. BSG, Urteil vom 23.05.2012 – B 14 AS 156/11 R, juris). Die Prozessführungsbefugnis setzt voraus, dass der Antragsteller prozessual berechtigt ist, im eigenen Namen und nicht als Vertreter eines anderen den von ihm geltend gemachten Anspruch alleine (als alleiniger potentieller Rechtsinhaber) geltend zu machen. Sie kann fehlen, wenn jemand ein Recht im eigenen Namen geltend macht, das nicht ihm oder ihm nur gemeinsam mit anderen zusteht. Die Prozessführungsbefugnis ist eine von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzung (vgl. BSG, Urteil vom 28.11.2013 – B 3 KR 27/12 R, BSGE 115, 40 ff.). Die Aktivlegitimation fällt in der Regel mit der Prozessführungsbefugnis zusammen, es sei denn, Rechte eines Dritten können in zulässiger Prozessstandschaft verfolgt werden, nämlich in Folge einer Ermächtigung kraft Gesetzes (gesetzliche Prozessstandschaft) oder durch Einverständniserklärung des materiell Berechtigten (gewillkürte Prozessstandschaft) (vgl. Keller a.a.O., § 54 Rdnr. 11).

Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Damit stellt das Gesetz unabhängig von der Frage der Kostenträgerschaft allein auf den Bedarf für Bildung und Teilhabe ab. Die Leistungsberechtigung entsteht daher unabhängig von der Frage der Kostenträgerschaft allein durch die Notwendigkeit der Bedarfsdeckung, weshalb der Anspruch auf eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung gemäß § 28 Abs. 5 SGB II allein dem Sohn der Klägerin zusteht. Der Wortlaut, der die Leistungen für Schulbedarfe individuell nur dem Schüler/der Schülerin zuordnet, ist insoweit eindeutig (BSG, Urteil vom 19.06.2012 – B 4 AS 162/11 R, SozR 4-4200 § 24a Nr. 1, SozR 4-4200 § 28 Nr. 6, zu § 24a SGB II in der bis 31.12.2010 anzuwendenden Fassung; und BSG SozR 4-4200 § 44 Nr. 2 RdNr. 15). Nach dem SGB II gibt es zudem keinen Anspruch einer Bedarfsgemeinschaft als solcher, sondern Anspruchsinhaber ist jeweils das einzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, selbst wenn dies in den Bescheiden des Beklagten nicht deutlich zum Ausdruck kommt (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R, SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 m.w.N.; Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 9/06 R, SozR 4-4300 § 428 Nr. 3; Urteil vom 05.09.2007 - B 11b AS 15/06 R, SozR 4-4200 § 11 Nr. 5; Valgolio in: Hauck/Noftz, SGB II, § 7 Rdnr. 48). Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II ("Leistungen erhalten Personen") und des Abs. 2 Satz 1 ("Leistungen erhalten auch Personen") sowie aus dem Umstand, dass es andernfalls systematisch der Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II über die Fiktion der Hilfebedürftigkeit aller Personen in einer BG (§ 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II) nicht bedurft hätte (BSG, Urteil vom 07.11.2006, a.a.O.).

Eine Klage, die einen Anspruch auf Lernförderung des Kindes im eigenen Namen geltend macht, ist daher unbegründet. Eine andere Auslegung lässt die am 20.02.2015 anwaltlich erhobene Klage nicht zu, denn mit ihr hat ausdrücklich und unzweideutig allein die Klägerin Klage gegen den Bescheid vom 29.12.2014 und den Widerspruchsbescheid vom 09.02.2015 erhoben und damit die ablehnende Entscheidung auf Gewährung von Bedarfen der Lernförderung angefochten. Eine Auslegung, dass die Klageerhebung als gesetzliche Vertreterin ihres Sohnes erfolge, lässt der Schriftsatz vom 25.02.2015 nicht zu. Hierzu hätte es der Bezeichnung des Klägers bedurft und darüber hinaus der Darlegung, dass der Klägerin mit Blick auf den minderjährigen, beschränkt geschäftsfähigen Sohn das Recht zur alleinigen Vertretung des Kindes durch eine familiengerichtliche Entscheidung übertragen worden ist oder eine Zustimmung oder Genehmigung des weiteren Sorgeberechtigten zur Prozessführung vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 107/10 R, juris). Insoweit fehlte es damit auch an der Darlegung der Vertretungsberechtigung, wollte man eine Klageerhebung für den Sohn tatsächlich unterstellen.

Für das Eingreifen einer Prozessstandschaft ist zudem nichts ersichtlich.

Soweit sich die Klägerin darauf beruft, die Bescheide seien an sie gerichtet gewesen, ist sie durch die Ablehnung der Lernförderung nicht automatisch in eigenen Rechten verletzt oder Inhaberin eines Rechts geworden. Es wurde bereits oben darauf hingewiesen, dass das Gesetz unabhängig von der Kostentragungsverpflichtung bzw. der Eingehung einer Verbindlichkeit (etwa mit einem Lerninstitut) allein auf den Bedarf abstellt, der hier nur beim Sohn bestehen kann. Insoweit handelt es sich im Übrigen um eine Sach- und Dienstleistung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Leistungsberechtigte vom Geldfluss an die Bildungseinrichtung ausgeschlossen ist. Will die Klägerin mit ihren Einlassungen geltend machen, die Bescheide hätten noch nicht über den Anspruch des Sohnes entschieden, so hat sie die entsprechenden prozessualen Möglichkeiten zu ergreifen, vermag aber mit der im eigenen Namen erhobenen Klage nicht durchzudringen."

Weiteres hat der Senat nicht anzufügen, zumal auf den oben angesprochenen Beschluss weitere Einwendungen nicht erhoben wurden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das Unterliegen auch im Berufungsverfahren.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved