L 9 U 5011/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 2927/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 5011/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. Juli 2011 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 17. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. April 2008 verurteilt wird, den Zustand nach Vorfußamputation rechts am 21. April 2005 und den Zustand nach Unterschenkelamputation rechts am 19. Mai 2006 als Folgen des Arbeitsunfalls vom 21. Dezember 2004 festzustellen.

Die Beklagte trägt drei Viertel der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten sind die Anerkennung von Unfallfolgen des anerkannten Arbeitsunfalls vom 21.12.2004, die Gewährung von Verletztengeld und die Gewährung einer Verletztenrente streitig.

Der 1974 geborene Kläger war seit 1999 bei der Firma M. AG als Industriemechaniker in der Druckgussmontage beschäftigt. Vom 15.10.2004 bis 23.12.2004 war er zur Durchführung einer Außenmontage durch den Arbeitgeber nach Mexiko entsandt. Am 21.12.2004 vormittags erlitt er dort einen Unfall derart, dass eine nach seiner Schätzung etwa 200 - 300 kg schwere Stahlplatte über seinen mit Stahlkappenschuhen gesicherten Fußrücken des rechten Fußes rutschte. Der Kläger gab an, er habe danach ein bisschen Schmerzen gehabt, dann jedoch bis Dienstschluss um 18 Uhr weiter gearbeitet. Abends habe er den Schuh und die Strümpfe ausgezogen und eine leichte Schwellung am Fußrücken und einen leichten Druckschmerz festgestellt. Die Stahlkappe der Arbeitssicherheitsschuhe, die er in Halbschuhform getragen habe, habe bis kurz nach den Zehen gereicht.

Der Arbeitgeber des Klägers gab in der Unfallanzeige vom 21.09.2005 an, dem Kläger sei nach dessen Angaben und den Angaben des Zeugen S. bei Arbeiten auf einer Baustelle in Mexiko ein Gegenstand auf den Fuß gefallen. Noch am gleichen Abend seien - auch von anderen Mitarbeitern - starke Schwellungen und Verfärbungen an diesem Fuß bemerkt worden. Nach der Rückkehr nach Deutschland am 23.12.2004 habe der Kläger auf einer Baustelle in D. gearbeitet, wo Beschwerden beim Gehen beobachtet worden seien.

Am 01.01.2005 suchte der Kläger den Durchgangsarzt Prof. Dr. D., Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie Städtische Kliniken E., auf, der eine geschwollene, leicht bläulich verfärbte Großzehe rechts und einen Druckschmerz im Verlauf des 1. Strahls feststellte. Nach den Angaben des Klägers sei der Zeh schon länger bläulich verfärbt. Bei der Röntgenuntersuchung des rechten Vorfußes in zwei Ebenen war keine Fraktur festzustellen. Als Diagnose gab Prof. Dr. D. eine Prellung der rechten Großzehe an. Arbeitsfähigkeit des Klägers wurde angenommen (Durchgangsarztbericht vom 03.01.2005). Bei der Nachuntersuchung am 03.01.2005 zeigte sich noch eine deutliche Schwellung und livide Verfärbung des Metatarsale 1 rechts und auch der übrigen Zehen mit Schwellung bis in den Mittelfußbereich. Die Beweglichkeit im Sprunggelenk war frei, die Zehenbeweglichkeit aber deutlich eingeschränkt. Periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität waren intakt. Arbeitsunfähigkeit wurde bis 14.01.2005 bescheinigt sowie Entlastung, Hochlagerung und Kühlung empfohlen (Nachschaubericht vom 03.01.2005). Bei einer weiteren Nachuntersuchung am 17.01.2005 zeigte sich nur eine geringe Besserung, weiterhin eine livide Weichteilschwellung der Metatarsale 1 und des ventralen Fußrückens. Auf der Großzehe plantar zeigte sich eine Hautblase. Arbeitsunfähigkeit wurde bis 24.01.2005 bescheinigt (Nachschaubericht vom 18.01.2005).

Vom 18.01.2005 bis 01.02.2005 war der Kläger in stationärer Behandlung beim Universitätsklinikum U. aufgrund eines kompletten Verschlusses der Aorta poplitea im Segment I bei bekannter Thrombangiitis obliterans. Bei Aufnahme waren die Zehen D1 bis D3 livide verfärbt, an D1 fand sich eine beginnende Nekrose (Bericht vom 01.02.2005). In seinem Nachschaubericht vom 02.02.2005 sah Prof. Dr. D. die berufsgenossenschaftliche Therapie als abgeschlossen an.

Am 21.04.2005 wurde im U. Kreiskrankenhaus in M. aufgrund ausgedehnter Nekrosen am medialen Vorfuß und den Zehen 1-3 rechts bei bekannter Thrombangiitis obliterans eine transmetatarsale Vorfußamputation durchgeführt. Der postoperative Verlauf war zunächst komplikationslos, im Weiteren kam es aber zu Wundrandnekrosen und zu einer kompletten Wunddehiszenz. Wegen einer akuten Ischämie des rechten Unterschenkels war am 12.05.2005 eine erneute Operation erforderlich, bei der ein femoro-poplitealer Venenbypass angelegt wurde. Am 20.05.2005 wurden weitere Wundrandnekrosen entfernt (Bericht vom 16.06.2005).

Im März 2006 kam es zu einem Verschluss des femoro-poplitealen Bypasses rechts und am 19.05.2006 musste der rechte Unterschenkel in den Städtischen Kliniken E. amputiert werden.

Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zog die Beklagte das Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse B. bei, aus dem sich u. a. ergibt, dass der Kläger vom 02.12.1999 - 24.12.99 wegen eines Abszesses des rechten Vorfußes und vom 08.10.2002 - 09.10.2002, vom 02.12.2002 bis 22.12.2002, am 20.03.2003 wegen Thrombangiitis obliterans arbeitsunfähig erkrankt war. Außerdem wurden ein Auszug des durch den Facharzt für Allgemeinmedizin L. geführten Krankenblatts von August 2002 bis Juli 2005 sowie Befundberichte der behandelnden Ärzte ab 2002 beigezogen.

Schließlich veranlasste die Beklagte eine Begutachtung des Klägers durch den Chirurgen Dr. H., U. Kreiskrankenhaus. Nach Untersuchung des Klägers am 15.11.2005 und unter Berücksichtigung eines gefäßchirurgischen Zusatzgutachtens des Facharztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Dipl.-Med. M. vom 22.11.2005 gab er in seinem Gutachten vom 07.12.2005 an, bei dem Kläger bestehe eine Thrombangiitis obliterans und Endangitis obliterans (Morbus Winiwater Bürger) als Grunderkrankung; ferner habe der Kläger am 27.12.2004 eine Vorfußkontusion erlitten. Die Gefäßerkrankung, die damit verbundene Gehstreckenreduzierung und krampfhafte Schmerzen seien nicht auf den Unfall zurückzuführen. Als Unfallfolge sei die Vorfußamputation rechts anzusehen. Infolge des schweren Kontusionstraumas sei die Grunderkrankung wesentlich richtungsweisend beeinflusst worden. Es sei zu einer weiteren Verschlechterung der Durchblutung gekommen, die letztlich zur Vorfußamputation geführt habe. Eine Gelegenheitsursache hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht diese deletären Folgen hervorgerufen.

Die Beklagte holte zu dem Gutachten eine Stellungnahme ihres Beratungsarztes, des Arztes für Orthopädie Dr. M., ein. Dieser führte unter dem 04.03.2006 aus, die durch den Unfall verursachte Kontusion des rechten Fußes sei folgenlos verheilt. Die spätere Vorfußnekrose rechts sei unabhängig davon in Gang gekommen. Eine unfallbedingte Verschlimmerung der vorbestehenden arteriellen Durchblutungsstörung sei nicht wahrscheinlich. Nach dem Hergang sei die Erkrankung der Thrombangiitis obliterans in ein weiteres Stadium übergegangen mit Gewebsnekrosen des rechten Fußes; aus den Befunden vor dem Unfall sei mit einer solchen Entwicklung jederzeit zu rechnen gewesen. Der Unfall habe an dem typischen Fortschreiten der Erkrankung keinen wesentlichen Anteil.

Die B. hat ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse (MDK) Baden-Württemberg vom 05.04.2006 vorgelegt, in dem von einer richtungsweisenden Beeinflussung der Vorerkrankung durch die Kontusion ausgegangen wurde.

Mit Bescheid vom 10.11.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.02.2007 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalles mit der Begründung ab, ungeachtet der Zweifel an dem Unfallhergang könne vor allem nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, dass das angeschuldigte Ereignis zu einem Körperschaden, insbesondere zu einem schweren Kontusionstrauma geführt habe. Im anschließend vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) geführten Klageverfahren (S 1 U 2455/07) anerkannte die Beklagte nach Einvernahme von Arbeitskollegen des Klägers als Zeugen, dass der Kläger im Dezember 2004 bei Montagearbeiten in Mexiko, vermutlich am 21.12.2004, einen versicherten Arbeitsunfall erlitten hat und hob den Bescheid vom 10.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.02.2007 auf. Zum weiteren Inhalt des Termins, den Einzelheiten der Zeugenaussagen und zum gesamten Inhalt des Anerkenntnisses, welches zur Erledigung des Rechtsstreits führte, wird auf die Sitzungsniederschrift vom 28.08.2007 (Bl. 23/28 der SG-Akte S 1 U 2455/07) Bezug genommen.

Der Beratungsarzt Dr. M. führte in einer erneuten Stellungnahme vom 03.11.2007 aus, der Erstschaden "am Fußrücken" sei zum Zeitpunkt des ersten D-Arzt-Kontaktes fünf Tage nach dem Unfall bereits folgenlos ausgeheilt gewesen. Der D-Arzt habe lediglich eine "blau verfärbte" Großzehe vorgefunden und damit die Zeichen der unfallunabhängigen Grunderkrankung. Wegen der Angaben des Versicherten und der getragenen Schutzsandalen mit Stahlkappe könne eine Verletzung der Zehen nicht zur Diskussion stehen. Der Erstschaden am rechten Fußrücken könne nicht ursächlich sein für die später eingetretene Nekrose der Zehen 1-3 und der Vorfußamputation.

Mit Bescheid vom 17.01.2008 führte die Beklagte das Anerkenntnis vom 28.08.2007 aus und anerkannte das Ereignis vom 21.12.2004 als Arbeitsunfall. Als Folge des Arbeitsunfalls wurde eine folgenlos verheilte leichte Prellung des rechten Fußrückens festgesellt. Aufgrund dieser Verletzung habe keine Arbeitsunfähigkeit und keine Behandlungsbedürftigkeit bestanden. Die Unfallfolgen bedingten keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in messbarem Grad. Die fortgeschrittene Thrombangiitis obliterans beider Beine mit daraus resultierender Amputation des rechten Beines im Unterschenkel sei keine Folge des Arbeitsunfalls.

Den hiergegen am 06.02.2008 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.04.2008 zurück. Unfallfolgen, die eine messbare Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) rechtfertigten, seien nicht mehr feststellbar. Der Unfall am 21.12.2004 habe lediglich zu einer leichten Prellung des rechten Fußrückens geführt, welche folgenlos ausgeheilt sei und keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bedingt hätte. Die bei dem Kläger bestehende Grunderkrankung in Form einer arteriellen Durchblutungsstörung beider Beine sei nicht durch das Unfallereignis verschlimmert worden. Vielmehr sei der Unfall allenfalls der Auslöser dafür, dass die Grunderkrankung in ein weiteres Stadium übergegangen sei, weil diese unfallunabhängige Erkrankung an beiden Beinen bereits derart ausgeprägt gewesen sei, dass es zu jeder Zeit und durch jedes alltägliche Ereignis zu einem Krankheitsschub hätte kommen können. So sei bereits im Jahr 2002 ein operativer Eingriff wegen des Verschlusses aller drei Arterien des rechten Unterschenkels durchgeführt worden. Die arterielle Durchblutungsstörung an beiden Beinen sei somit nicht durch das Ereignis vom 21.12.2004 richtungsweisend verschlimmert worden, mit der Folge, dass die inzwischen erfolgte Unterschenkelamputation rechts keine Unfallfolge darstelle und daher auch nicht bei der Einschätzung der unfallbedingten MdE mit zu berücksichtigen sei.

Hiergegen hat der Kläger am 15.04.2008 Klage beim SG erhoben und zu deren Begründung insbesondere auf das durch Dr. H. erstellte Gutachten vom 07.12.2005 verwiesen. Es werde unzutreffend von der Beklagten ein Kontusionstrauma in Frage gestellt und alleine die Vorerkrankung als maßgeblich herausgehoben.

Im Rahmen der Beweisaufnahme hat das SG Prof. Dr. B., Direktor der Klinik für Gefäßchirurgie, vaskuläre und endovaskuläre Chirurgie des Universitätsklinikums H. und Dr. P., H.-Klinik, Fachklinik für Angiologie, Lymphologie und Diabetologie Bad S. jeweils mit der Erstattung eines Zusammenhanggutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 23.07.2009 hat der Gutachter Prof. Dr. B. angegeben, bei dem Kläger bestehe aktuell der Zustand nach Unterschenkelamputation rechts. Die Unterschenkelamputation sei aufgrund eines Bypassverschlusses eines femoro-poplitealen Bypasses, welcher bei Wundheilungsstörung nach Vorfußamputation rechts nach erlittenem Trauma angelegt worden sei, notwendig geworden. Vorgeschichtlich habe eine Thrombangiitis obliterans im Sinne eines chronischen Gefäßleidens bestanden. Die Vorfußamputation rechts sei als Unfallfolge zu sehen. Durch den Vorgang einer Verletzung am 21.12.2004 sei es zu einer relativ raschen Progredienz der Wundsymptomatik gekommen. Die von ihm näher geschilderte Entwicklung auf Basis der medizinischen Unterlagen habe zu einer sich verschlechternden Situation nach Trauma geführt und sei entgegen der Aussage des Beratungsarztes Dr. M. sehr gut mit einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) vom peripheren Typ, welche die Thrombangiitis obliterans darstelle, in Einklang zu bringen. Als Ursache sei hier durchaus ein Trauma möglich, welches nicht sofort als schweres Kontusionstrauma mit sichtbaren Wunden klassifiziert werden müsse. Vielmehr könnten auch Bagatelltraumen oder Bagatellverletzungen zu einer dann protrahierten Verschlechterung der Situation führen. Zwar seien bei den ersten ärztlichen Untersuchungen keine äußerst schweren Verletzungsfolgen beschrieben, lediglich eine Prellungsverletzung. Es könne hierbei jedoch durchaus im Rahmen der lokalen Quetschung zur Gefäßmikrotraumen und somit zu einer lokalen Durchblutungsstörung gekommen sein. In der Zusammenfassung ist er zu dem Schluss gelangt, dass im Rahmen des Unfalls vom 21.12.2004 eine traumatisch bedingte akute Durchblutungsstörung auf dem Boden des Grundleides Thrombangiitis obliterans eingetreten sei, wodurch in der weiteren Folge sowohl die Vorfußamputation wie auch die Anlage des näher bezeichneten Venenbypasses bei Wundheilungsstörung zu erklären sei und in kausalem Zusammenhang stehe. Die Unterschenkelamputation bei Bypass-Verschluss sei allerdings im Hinblick auf die Grunderkrankung mit nicht vorhandener Möglichkeit der peripheren Revaskularisation bei Unterschenkelquerschnittsverschluss gesondert zu betrachten und seines Erachtens nicht unfallbedingt. Aktuell sei der Kläger hinsichtlich der im weiteren Verlauf notwendig gewordenen Unterschenkelamputation rechts beschwerdefrei und in seinem Beruf in Vollzeit arbeitsfähig. Andere relevante Beschwerden seien nicht angegeben worden. Die MdE aufgrund der unfallbedingten Vorfußamputation betrage 25 v.H ...

Die Beklagte ist dem Gutachten mit umfangreicher Stellungnahme vom 23.11.2009 entgegen getreten. Der Gutachter sei von falschen Voraussetzungen ausgegangen, wenn er zugrunde lege, dass eine Stahlplatte hinter die Stahlkappe des Sicherheitsschuhs gekippt sei. Die Stahlplatte sei jedoch entsprechend der Angaben im Termin von 28.08.2007 über den Fuß gerutscht. Ein schweres Kontusionstrauma bzw. eine Quetschung des rechten Fußes sei nicht gesichert, sondern lediglich möglich. Zeichen einer lokalen Durchblutungsstörung im besagten Bereich seien anlässlich einer Untersuchung im Januar 2005 nicht dokumentiert.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 24.02.2010 hat Prof. Dr. B. die Einwände der Beklagten zurückgewiesen und ist bei seiner Einschätzung geblieben. In der Zusammenschau der Aktenlage sei eine Kontusionsverletzung im vorderen Mittelfußbereich hinter dem Stahlkappenniveau als gesichert anzusehen. Entgegen dem Vorbringen der Beklagten sei die Diagnose der Grunderkrankung erstmals 2002 gestellt worden, Beschwerden seien seit 1999 bekannt. Eine Wunde sei seines Erachtens gerade nicht erforderlich, um im weiteren Verlauf eine Hautnekrose zu indizieren. Eine Kontusion des Weichteilmantels sei als ausreichend zu klassifizieren. Die Annahme einer richtungsweisenden traumatischen Verschlimmerung der vorbestehenden Grunderkrankung sei von ihm ausführlich begründet worden. Er bleibe sowohl hinsichtlich der Kausalität als auch der Höhe der MdE bei seinen im Gutachten übermittelten Ergebnissen.

Mit weiterem Schriftsatz vom 01.06.2010 ist die Beklagte bei ihrer Auffassung geblieben, wonach es ohne Nachweise eines primären Körperschadens keiner Zusammenhangsdiskussion bedürfe. Ein solcher Körperschaden sei zu verneinen. Das vorliegende Gutachten stütze sich auf nicht dokumentierte Befunde und nehme allein aufgrund der zeitlichen Abfolge einen ursächlichen Zusammenhang an. Dies stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in der Entscheidung vom 09.05.2006 (B 2 U 1/05 R).

Dr. P. hat in seinem Gutachten vom 17.01.2011 ausgeführt, als Unfallfolgen lägen noch der Verlust des rechten Vorfußes und des rechten Unterschenkels vor. Auf die Streitfrage, ob das Unfallgeschehen nur möglicherweise zu der Vorfußnekrose geführt haben könne oder aber ob ein solcher Zusammenhang mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliege, könne es keine absolute Antwort geben. Es gebe keine belastbaren Statistiken mit hohen Fallzahlen, um die Wahrscheinlichkeit exakt beziffern zu können, dies sei auch bei einer insgesamt seltenen Erkrankung und der Verknüpfung zusätzlicher Ereignisse nicht zu erwarten. Die Tatsache, dass am linken Fuß seit 2002 keine gravierenden Beschwerden oder Komplikationen aufgetreten seien, spreche für eine gute Kompensation dieser Erkrankung ohne spontane Progredienz des Krankheitsgeschehens. Es habe der Auslösung durch das erlittene Trauma und der für die Heilung erforderlichen Mehrdurchblutung bedurft, um die aufgrund der Vorerkrankung eingeschränkte Durchblutungsreserve zu überfordern und damit das Versorgungsniveau des rechten Vorfußes aus dem Gleichgewicht zu bringen. Der Befund vom 01.01.2005 lasse vermuten, dass die Unfallverletzung ohne die vorbestehende Thrombangiitis obliterans mit größter Wahrscheinlichkeit folgenlos abgeheilt wäre. Dr. M. habe zutreffend dargelegt, dass durch den darauf gefallenen Gegenstand keine unmittelbare Gewebeschädigung des rechten Fußes ausgelöst worden sei. Durch das Trauma sei ein ruhendes Krankheitsgeschehen aktiviert worden, welches in einem zwar geschädigten, zu diesem Zeitpunkt aber gut kompensierten Bereich durch Gefäßwandendzündungen, zunehmende Schmerzen und Thrombenbildung in den Gefäßen zu einer zunehmenden Verschlechterung der Durchblutung auch peripher geführt habe, sodass das Gewebe weiter geschädigt worden sei und abstarb. Es sei nach seiner Ansicht kein schweres Kontusionstrauma erforderlich, in diesem Fall sei eine "leichte" Mittelfußverletzung als Ausgangspunkt für das Geschehen durchaus ausreichend. Funktionell habe sich die Situation allerdings zwischenzeitlich gut kompensiert, sodass der Kläger zurzeit in seinem Beruf und im Alltag in seinen Aktivitäten nur gering eingeschränkt sei. Der Verlust des Vorfußes sei mit 25 v.H. zu veranschlagen, nach der Unterschenkenamputation mit 60 v.H ...

Mit einer weiteren Stellungnahme vom 26.04.2011 ist die Beklagte diesem Gutachten entgegen getreten und hat ausgeführt, wenn eine Krankheitsanlage nachgewiesen sei und wie im vorliegenden Fall eine leichte Prellung des Fußrückens genüge, ein medizinisch bekanntermaßen folgenschweres Gesamtkrankheitsbild komplett auszulösen, müsse die Frage geklärt werden, welche Bedeutung der Prellung für den in Erscheinung getretenen Gesundheitsschaden nach den Beweismaßstäben der gesetzlichen Unfallversicherung zukomme. Eine "Fußquetschung", eine schwere Fußverletzung bzw. eine Prellung/Verletzung der rechten Großzehe sei vom Kläger nicht geschildert worden. Sowohl ein schweres Kontusionstrauma als auch eine leichte Prellung seien diagnostisch ausgeschlossen. Bei lebensnaher Betrachtung seien die Auswirkungen der schubförmig verlaufenden Vorerkrankung kritisch gegenüber zu stellen. Die Erkenntnisse und Aussagen des Dr. P. sprächen dafür, dass die Prellung vom 21.12.2004 ein ersetzbares Anlassgeschehen bilde und nicht wesentlich im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung für den eingetretenen enormen Gesundheitsschaden gewesen sei.

Mit "Grundurteil und Urteil" vom 20.07.2011 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 17.01.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.04.2008 verurteilt, bei dem Kläger auf Basis des anerkannten Arbeitsunfalls vom 21.12.2004 einen Zustand nach Vorfußamputation 2005 und einen Zustand nach Unterschenkelamputation 2006 als Funktionsbeeinträchtigungen festzustellen und dem Kläger (dem Grunde nach) jeweils weiteres Verletztengeld nach Dauer und Höhe der gesetzlichen Vorschriften sowie für die Zeiten der Arbeitsfähigkeit Verletztenrente nach Dauer und Höhe der gesetzlichen Vorschriften nach einer MdE von 25 v.H. im ersten Halbjahr 2006 (21.04.2005) sowie auch eine MdE von 50 nach dem 13.05.2006 auf Dauer zu gewähren.

Zur Begründung hat das SG ausgeführt, der gesamte zur Entscheidung gestellte Antrag sei zulässig. Einer Ausklammerung der MdE-Frage als Teil eines Leistungsbegehrens vom Streitgegenstand auf Basis der bekannten obergerichtlichen Rechtsprechung habe es vorliegend wegen der engen Verzahnung von Funktionsbeeinträchtigung und MdE beim Verlust von Körperteilen nicht bedurft. Zum einen seien weder Leistungen in gesetzlichem Umfang pauschal begehrt, sondern nach entsprechendem Präzisierungshinweis ausschließlich Verletztengeld und Verletztenrente nach näher bezeichneten Maßgaben in Kenntnis der erforderlichen inhaltlichen Abgrenzung und zeitlichen Abschichtung geltend gemacht worden. Zum anderen sei die Anerkennung eines Arbeitsunfalls bereits Streitgegenstand eines vorgeschalteten Rechtsstreits gewesen, sodass auf Basis der umfangreichen medizinischen Unterlagen eine weitere Trennung zwischen Funktionsbeeinträchtigungen und der MdE-Bestimmung als Grundlage einer Leistungsgewährung sich nicht mehr der Forderung nach jeweils separater Befassung der Beklagten zu stellen hatte. Die gerichtliche Feststellung der Unfallfolgen sei vorliegend gleichsam zwingend einhergehend mit der MdE-Bestimmung. Es handle sich gerade nicht um den Antrag auf ein unzulässiges unbestimmtes unechtes Grundurteil, dem neben dem Feststellungsanspruch regelmäßig keine eigenständige Bedeutung zukomme. Denn hinsichtlich der Leistungsgewährung liege dem Antrag eine inhaltlich genau abgegrenzte Rechtsfolge Verletztengeld für die Vergangenheit sowie Verletztenrente zu Grunde. Bei letzterem sei dem zeitlichen Ablauf folgend eine Abschichtung zur MdE-Höhe vorgenommen worden. Der Antrag habe somit Grundlage für ein echtes Grundurteil sein können, da die Beklagte letztlich nur noch zur Dauer und Höhe der Verletztengeldgewährung Berechnungen zu erstellen habe, etwa bei Sichtung der Arbeitsunfähigkeitszeiten. Die Klage sei auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 17.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.04.2008 sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Die Beklagte habe auf Basis des anerkannten Arbeitsunfalls vom 21.12.2004 einen Zustand nach Vorfußamputation 2005 und einen Zustand nach Unterschenkelamputation 2006 als Funktionsbeeinträchtigung festzustellen. Im Rahmen dieses Grundurteils seien dem Kläger jeweils Verletztengeld nach Dauer und Höhe der gesetzlichen Vorschriften sowie für Zeiten der Arbeitsfähigkeit Verletztenrente nach Dauer und Höhe der gesetzlichen Vorschriften nach einer MdE von 25v.H. im ersten Halbjahr 2006 sowie nach einer MdE von 50 v.H. nach dem 13.05.2006 auf Dauer zu gewähren.

Die leichte Mittelfußprellung habe hier letztlich rechtlich wesentlich die Vorfuß- wie auch die Unterschenkelamputation bedingen können. Zunächst sei festzustellen, dass ein geeigneter Geschehensablauf zur Verschlimmerung einer vorbestehenden Erkrankung vorliege. Die Beklagte selbst habe einen Arbeitsunfall anerkannt. Dieser Arbeitsunfall setze zwangsläufig einen Kontakt der 200 bis 300 kg schweren Stahlplatten mit dem beschuhten Fuß des Klägers voraus. Da weder vom Kläger berichtet, noch auf Basis der vorliegenden Unterlagen Anhaltspunkte für ein schweres Kontusionstrauma vorlägen, bleibe bereits denklogisch nur die Möglichkeit eine leichten "Fußprellung". Von einer solchen habe der Kläger berichtet und eine solche sei auch von Dr. P. angenommen worden. Das Ereignis sei trotz der mit Stahlkappen versehenen Arbeitsschuhe geeignet, eine solche leichte Prellung auszulösen, von der die Beklagte im angefochtenen Bescheid auch selbst ausgegangen sei. Die Beklagte habe durch die Anerkennung eines Arbeitsunfalls letztlich selbst den Vollbeweis einer Erstverletzung gelegt. Es liege ein geeignetes Unfallgeschehen und eine nachgewiesene Manifestation einer daraus resultierenden Körperbeeinträchtigung vor. Die Kammer habe daher dem Gutachten von Dr. P. folgen können und dieses als Grundlage ihrer Überzeugungsbildung verwenden. Einer vertieften Auseinandersetzung mit dem Gutachten von Prof. Dr. B. und den hiergegen erhobenen Einwänden der Beklagten habe es nicht bedurft. Dr. P. habe sich in Kenntnis dieser Gutachten und Schriftsätze ausführlich mit den dort aufgeworfenen Fragestellungen auseinander gesetzt und dabei die vom Orthopäden Dr. M. als Beratungsarzt vorgebrachten Aspekte berücksichtigt. Dr. P. habe schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, weshalb im vorliegenden Zusammenhang eine leichte Prellung rechtlich wesentlich zum hier von ihm angenommenen Kausalgeschehen geführt habe. Das Gericht habe auch keine Zweifel daran, dass die Einordnung von Dr. P. vor dem Hintergrund des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung zutreffend sei. Sowohl die medizinischen Ausführungen von Prof. Dr. B. wie auch die sich mit allen Einwänden der Beklagten befassende gutachterliche Stellungnahme des Dr. P. seien geeignete Grundlage für die erkennende Kammer, einen Kausalverlauf im Sinne einer richtungsgebenden Verschlimmerung zu bejahen. Dies gelte sowohl für die zunächst erfolgte Amputation des rechten Vorfußes wie auch für die sodann erfolgte Amputation des rechten Unterschenkels. Es ergebe sich auch nichts anderes daraus, dass die Beklagte hier ein Anlassgeschehen bzw. eine Gelegenheitsursache als ursächlich anführe. Zur Überzeugung der Kammer handle es sich bei dem vorliegenden Ereignis gerade nicht um ein alltägliches Ereignis, dass geeignet sei, eine Gelegenheitsursache zu bilden bzw. ein Anlassgeschehen auszulösen. Denn die Beförderung von 200 bis 300 kg schweren Stahlplatten bei gleichzeitigem Tragen von Sicherheitsschuhen stelle keinen Vorgang dar, wie es sich im üblichen Privatleben abspiele. Keinesfalls könne die vorliegende Grunderkrankung des Klägers dahingehend gewertet werden, dass seine individuelle Belastbarkeit unmittelbar vor dem Ereignis durch die Erkrankung leicht oder erheblich eingeschränkt gewesen sei. Vielmehr sei lediglich die Krankheitsanlage von besonderer Schwere und lasse sich für den Bereich des rechten Beines durch ein Geschehen aktivieren, das bei einem anderen Versicherten ohne diese Grunderkrankung mutmaßlich nicht zu einem solchen Geschehensablauf geführt hätte. Der Kläger habe aber die an ihn gerichteten Anforderungen in seiner beruflichen Tätigkeit vor dem Vorgang vollumfänglich bewältigt. Dass es hierbei bereits zu Veränderungen der Zehennägel sowie der Füße insgesamt gekommen sei, stehe dem nicht entgegen. Denn diese erreichten jedenfalls noch kein Ausmaß, das zur Arbeitsunfähigkeit des Klägers geführt hätte. Bei wertender Betrachtung sei daher ein Unfallversicherungsschutz auch aus diesen Gesichtspunkten heraus nicht auszuschließen, sondern zu bejahen. Dem Kläger wäre sonst jede weitere Berufstätigkeit versagt und er wäre praktisch auch in der Vergangenheit dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nicht unterworfen gewesen. Dies wäre mit dem Grundsatz, dass der Zustand geschützt ist, in welchem sich ein Versicherter zum Unfallzeitpunkt befinde, nicht vereinbar. Denn unter Umständen sei auch atypischer Schutz zu gewähren.

Gemäß § 130 Abs. 1 SGG habe auch ein Grundurteil zum Verletztengeld ergehen können. Eine schlichte Leistungsgewährung dem Grunde nach sei weder beantragt noch tenoriert, weshalb eben auch keine Unzulässigkeit des Antrages anzunehmen gewesen sei. Die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Gewährung von Verletztengeld lägen vor. Bisher sei eine Verletztengeldgewährung vom 01.05.2005 bis 30.06.2005 sowie vom 12.02.2005 bis 30.04.2005 dokumentiert. Weitere Nachweise, etwa für die Zeit bis Februar 2006 und vom 15.01.2010 bis 31.03.2010 sowie während des Rehaaufenthalts lägen vor bzw. seien von der Beklagten in einem separaten Verwaltungsverfahren tagesgenau zu ermitteln, um die Dauer als Grundlage der Höhe der Gesamtleistung zu bestimmen. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, hier angesichts der bisher ablehnenden Haltung der Beklagten die diesbezüglichen Berechnungen selbst anzustellen. Dies stelle auch keine Einschränkung des Gerichts auf die Prüfung lediglich einzelner Anspruchsvoraussetzungen dar. Denn sofern Arbeitsunfähigkeit im vom Tenor umfassten Zeitraum nachweisbar bestanden habe, sei dieser vom tenorierten Zeitraum erfasst.

Darüber hinaus lägen auch die Voraussetzungen für die Gewährung von Verletztenrente vor. Für Zeiten, in denen kein Verletztengeld gewährt werde, sei eine Verletztenrente zu gewähren. Im ersten Halbjahr 2006 bestehe ein Anspruch auf Verletztenrente dem Grunde nach auf Grundlage einer MdE von 25 v.H. aufgrund der dann erfolgten Vorfußamputation. Beginn könne frühestens der Tag der Vorfußamputation am 21.04.2005 sein. Weiterhin sei nach der Amputation des Unterschenkels entsprechend den mit Blick auf Schönberger/Mertens/Valentin (Arbeitsunfall, 8. Auflage 2010 Ziff. 8.13.4) gebildeten Erfahrungswerten eine MdE von 50 v.H. nach dem 13.05.2006, dem Amputationsdatum, zu gewähren. Eine höhere MdE, etwa eine MdE von 60 v.H., komme auf Basis neuerer Erkenntnisse und Versorgungsmöglichkeiten nicht mehr in Betracht.

Gegen das ihr am 19.10.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17.11.2011 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, über eine folgenlos ausgeheilte Prellung des rechten Vorfußes hinaus seien keine Unfallfolgen anzuerkennen und dementsprechend keine Leistungen zuzusprechen gewesen. Eine Unfallfolge liege nicht vor, wenn ein Körperschaden ursächlich nicht auf das angeschuldigte Unfallereignis zurückzuführen, sondern rechtlich allein wesentlich durch eine vorbestehende Schadensanlage verursacht worden sei, die lediglich anlässlich eines Alltagsgeschehens wahrnehmbar hervortrete. Bei dem Kläger sei bereits mehrere Jahre vor dem angeschuldigten Ereignis eine beide Beine und Füße betreffende Gefäßerkrankung diagnostiziert worden. Hierbei handle es sich um eine schicksalshafte und häufig (in 30 % der Fälle) mit einer Amputation einhergehende Erkrankung, Betroffen seien in der Regel junge Männer unter 40 Jahren mit starkem Nikotinkonsum. Sowohl das Vorliegen dieser Schadensanlage als auch der Nikotinkonsum (bis zu 30 Zigaretten am Tag bis 2005) seien aktenkundig und im Vollbeweis belegt. Ebenfalls im Vollbeweis belegt sei, dass die Erkrankung bereits vor dem angeschuldigten Ereignis chronisch rezidiviert und stark verlaufen sei und zu Erkrankungszuständen geführt habe, die durchaus Grund zur Besorgnis um den Erhalt der Zehen und Füße gegeben hätten. Aus den Behandlungsunterlagen ergebe sich zweifelsfrei, dass vor Ende 2004 jeweils kein Unfall oder Ereignis als jeweilige Ursache des Erkrankungsschubes angeschuldigt worden sei, sondern dass die Erkrankungsschübe ohne vorangegangenes Unfallereignis aufgetreten und auch sonst komplett eigendynamisch und schwer verlaufen seien, und zwar sowohl am rechten als auch am linken Fuß. Eine starke Ausprägung und jederzeitige leichte Ansprechbarkeit der Krankheitsanlage sei damit gesichert. Dies lasse sich auch aus den dem Kläger mitgegebenen Verhaltenshinweisen (genaue Anpassung von Schuhen, Vermeiden von Druckstellen beim Aussuchen, Tragen und Schnüren von Schuhen sowie Nikotinkarenz) belegen. Zum Unfallzeitpunkt habe bereits seit längerer Zeit eine bläuliche Verfärbung der rechten Großzehe bestanden. Bei dem angeschuldigten Ereignis habe sich der Versicherte allenfalls eine leichte Prellung des rechten Vorfußes zugezogen, wobei der Vorfuß bis hinter die Zehen durch eine Stahlkappe geschützt gewesen sei. Eine Verformung der Stahlkappe mit hieraus resultierender Verletzung des Fußes sei nicht beschrieben und bei dem angegebenen Lastgewicht auch nicht zu erwarten. Äußere Verletzungszeichen hätten nicht eindeutig vorgelegen. Bei einer leichten Prellung des Vorfußes handle es sich um eine Bagatellverletzung, die in 100 % der Fälle folgenlos ausheile. Für diese Feststellung benötige man kein medizinisches Gutachten. Unerheblich sei dabei, dass ein doch erhebliches Lastgewicht auf den Schuh des Versicherten (nicht auf seinen Fuß) aufgeprallt sei. Durch den wirksamen Schutz des Fußes werde das angeschuldigte Ereignis zum beliebig austauschbaren Anlassgeschehen, austauschbar gegen zahllose Gelegenheiten des alltäglichen Lebens, wie zum Beispiel fest geschnürte Schuhe, ein versehentlicher leichter Fußtritt in einem öffentlichen Verkehrsmittel, leichtes Anstoßen beim Gehen mit dem Fuß an einen Gegenstand, leichtes Stolpern, körpereigene Zehenbewegungen, bis zum völligen Fehlen eines äußeren Ereignisses, so wie es bei dem bereits bestehenden Krankheitsschub der Fall gewesen sei. Jedes andere Ergebnis würde nicht nur jeglicher lebensnaher Betrachtungsweise entbehren, sondern, ähnlich der Chaostheorie, auch die dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung eigenen Kausalitätsüberlegungen jedweder Art auch zukünftig überflüssig machen.

Der Kläger hat vorgetragen, das SG sei zutreffend davon ausgegangen, das bei ihm ein Arbeitsunfall vorgelegen habe und die Erstverletzung ein geeignetes Unfallgeschehen dargestellt habe. Er hat nochmals darauf hingewiesen, dass es sich in seinem besonderen Fall nicht um eine Bagatellverletzung gehandelt habe. Der Kläger sei seit dem Vorfall vom 21.12.2004 unverändert als Monteur im Außendienst tätig und trotz der nicht unerheblichen beruflichen Beanspruchung sei gerade keine weitere Gesundheitsbeeinträchtigung eingetreten. Das SG habe zutreffend darauf hingewiesen, dass das Hantieren mit mehreren 100 kg schweren Stahlplatten ein berufsspezifisches Risiko darstelle und üblicherweise nicht im privaten Bereich stattfinde.

Der Senat hat im Rahmen der Beweisaufnahme bei dem Hausarzt des Klägers L. den Auszug aus dem Krankenblatt, eine Übersicht über die von ihm erteilten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sowie die ihm vorliegenden Arztberichte beigezogen. Wegen der Inhalts im Einzelnen wird auf Blatt 31/167 der Senatsakte Bezug genommen.

Anschließend ist Priv. Doz. Dr. I., Oberarzt der Klinik für Innere Medizin II - Kardiologie, Angiologie, Pneumologie, Sport- und Rehabilitationsmedizin - Universitätsklinikum U., mit der Erstattung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt worden. In seinem Gutachten vom 08.11.2013 hat Priv. Doz. Dr. I. ausgeführt, es könne ausgeschlossen werden, dass in den Monaten vor dem Unfall ein relevanter natürlicher Progress der Erkrankung bestanden habe. Auch habe in den Monaten vor dem Ereignis kein Bagatelltrauma des Alltags zu wesentlichen komplizierten Folgen wie schlecht heilenden Wunden geführt. Der chronische Verlauf mit zunächst nicht stark ausgeprägten Schmerzen, dann aber persistierenden Schmerzen, die eine Vorstellung beim Durchgangsarzt zur Folge gehabt hätten, sowie der weitere komplikative Verlauf seien ein harter Hinweis darauf, dass das Unfallereignis den natürlichen Verlauf der Erkrankung substantiell beeinflusst habe. Das Unfallereignis sei nach medizinisch-wissenschaftlichen Maßstäben geeignet, die Gesundheitsstörungen hervorzurufen, die die Amputation erforderlich machten. Es sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ursächlich für die Amputation. Eine andere Einschätzung sei unter medizinisch wissenschaftlichen Aspekten nicht zu begründen. Er stimme den Gutachten von Prof. Dr. B. und Dr. P. ohne wesentliche Einschränkung zu, der Ersteinschätzung des Durchgangsarztes Prof. Dr. D. und der Beurteilung von Dr. M. könne nicht gefolgt werden.

Gegen dieses Gutachten hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 04.02.2014 Einwände vorgebracht; insoweit wird auf Blatt 192 der Senatsakte Bezug genommen.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 14.06.2016 haben die Beteiligten auf rechtlichen Hinweis des Gerichts folgenden Teil-Vergleich geschlossen:

1. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass über Leistungsansprüche des Klägers außerhalb dieses Verfahrens zu entscheiden ist. 2. Die Beklagte verpflichtet sich, nach Rechtskraft der Entscheidung über die anzuerkennenden Unfallfolgen über weitere Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu entscheiden. 3. Der Kläger verzichtet darauf, aus dem Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. Juli 2011 Leistungsansprüche geltend zu machen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. Juli 2011 aufzuheben, soweit es nicht durch den geschlossenen Teilvergleich erledigt ist, und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Berichterstatterin hat am 24.03.2015 einen Erörterungstermin mit den Beteiligten durchgeführt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten des SG (S 1 U 2455/07und S 13 (6) U 2927/08) und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch unbegründet, soweit sie sich gegen die nach dem im Rahmen der mündlichen Verhandlung geschlossenen Teil-Vergleich noch allein streitige Feststellung von (weiteren) Unfallfolgen richtet.

Das SG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, den Zustand nach Vorfußamputation 2005 und den Zustand nach Unterschenkelamputation 2006 als Folgen des Arbeitsunfalls vom 21.12.2004 festzustellen.

Gegen die Ablehnung des Zustandes nach Vorfußamputation 2005 und nach Unterschenkelamputation 2006 als Unfallfolge richtet sich die gemäß § 54 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. Der Verletzte kann seinen Anspruch auf Feststellung, dass eine Gesundheitsstörung Folge des Arbeitsunfalls ist, nicht nur mit einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG geltend machen. Er kann wählen, ob er stattdessen sein Begehren mit einer Kombination aus Anfechtungsklage gegen den das Nichtbestehen des von ihm erhobenen Anspruchs feststellenden Verwaltungsakt und einer Verpflichtungsklage verfolgen will (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, Juris).

Der Kläger hat Anspruch auf Anerkennung der am 21.04.2005 durchgeführten Vorfußamputation sowie der am 19.05.2006 durchgeführten Unterschenkelamputation als Unfallfolgen.

Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 102 SGB VII haben Versicherte gegen den zuständigen Unfallversicherungsträger Anspruch auf Feststellung einer Unfallfolge, wenn ein Gesundheitsschaden durch den Versicherungsfall rechtlich wesentlich verursacht wird (BSG, Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, Juris). Versicherungsfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).

Voraussetzung für die Anerkennung bzw. Feststellung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalles ist u.a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und einem Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) und dem Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84, Juris). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit. Für die erforderliche Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheits(erst)schaden sowie für die Kausalität zwischen Gesundheits(erst)schaden und weiteren Gesundheitsschäden gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung (BSG, Urteil vom 17.02.2009, B 2 U 18/07 R, Juris), die auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie beruht. Danach ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Als rechtserheblich werden aber nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs abgeleitet werden (BSG, Urteil vom 17.02.2009, a.a.O., Juris) sowie auf Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, Juris). Gesichtspunkte für die Beurteilung sind neben der versicherten Ursache als solcher, einschließlich Art und Ausmaß der Einwirkung, u.a. die konkurrierende Ursache (nach Art und Ausmaß), der zeitliche Ablauf des Geschehens, das Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, Befunde und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie die gesamte Krankengeschichte (BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O., Juris).

Zwischen den Beteiligten steht auf Grund des Anerkenntnisses vom 28.08.2007 und der bestandskräftigen Feststellungen im angefochtenen Bescheid fest, dass der Kläger am 21.12.2004 einen Arbeitsunfall erlitten hat und - jedenfalls - eine leichte Prellung des rechten Fußrückens als Erstschaden Folge dieses Arbeitsunfalls war.

Darüber hinaus stellt der Senat fest, dass bei dem Kläger am 21.04.2005 der Vorfuß und am 19.05.2006 der Unterschenkel amputiert wurde. Der Verlust des Vorfußes und der Verlust des Unterschenkels sind rechtlich wesentlich auf den Erstschaden und damit auf das Unfallereignis zurückzuführen.

Unter Zugrundelegung der genannten Voraussetzungen können der Verlust des Vorfußes und in der Folge der Verlust des Unterschenkels als Folge des anerkannten Arbeitsunfalls vom 21.12.2004 festgestellt werden. Der Senat folgt insoweit den Gutachten von Dr. P. und Priv. Doz. Dr. I. Nicht anzuschließen vermochte sich der Senat den Stellungnahmen des Beratungsarztes Dr. M. sowie der Einschätzung des Durchgangsarztes Prof. Dr. D.

Der Senat hält es zunächst für hinreichend wahrscheinlich, dass das Unfallereignis im Sinne der Bedingungstheorie ursächlich für die peripheren Durchblutungsstörungen und die ausgedehnte Nekrose war, die zunächst zur Amputation des Vorfußes und letztlich zur Amputation des Unterschenkels geführt haben. Dass nicht mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht, ergibt sich für den Senat insbesondere in Auswertung der zuletzt eingeholten Gutachten.

Priv. Doz. Dr. I. hält das Unfallereignis vom 21.12.2004 nach medizinisch-wissenschaftlichen Maßstäben für geeignet, die Gesundheitsstörungen hervorzurufen, die die Amputation erforderlich machten. Dem schließt sich der Senat an. Der Unfallhergang im vorliegenden Fall führte unstreitig zu einer Einwirkung auf den Fuß, auch wenn durch die auf den rechten Fuß gefallene oder über diesen gerutschte mindestens 200 kg schwere Stahlplatte keine unmittelbare Gewebeschädigung herbeigeführt wurde. Hierfür wäre, worauf der Beratungsarzt Dr. M. zutreffend hinweist, ein wesentlich schwerer Erstbefund erforderlich gewesen. Durch das Trauma wurde jedoch ein ruhendes Krankheitsgeschehen aktiviert, welches durch Gefäßwandentzündungen, zunehmende Schmerzen und Thrombenbildung in den Gefäßen zu einer zunehmenden Verschlechterung der Durchblutung auch peripher führte, so dass Gewebe weiter geschädigt wurde und schließlich abstarb. Folge war zunächst die Amputation des Vorfußes am 21.04.2005. Aufgrund einer Wundheilungsstörung nach der Vorfußamputation musste am 12.05.2005 ein femoro-poplitealer Bypass angelegt werden. Der Verschluss dieses Bypasses führte letztlich zur Notwendigkeit der Amputation des Unterschenkels am 19.05.2006. Da durch das Trauma ein ruhendes Krankheitsgeschehen aktiviert wurde, ist das Unfallereignis Ursache der Unfallfolgen; es hat, wie Dr. P. ausführt "den Stein ins Rollen gebracht" und bei der zugrunde liegenden Erkrankung eine Kettenreaktion ausgelöst.

Für die Bejahung des naturwissenschaftlichen Kausalzusammenhangs kommt es auch nicht darauf an, in welchem Ausmaß durch den Aufprall Kräfte auf den bis über die Zehen mit einer Stahlkappe geschützten Fuß gewirkt haben, was sich angesichts der Schnelligkeit des Ablaufs und der beschränkten menschlichen Wahrnehmungsfähigkeit naturgemäß nicht weiter klären lässt. Zu Unrecht stellt die Beklagte den Aspekt der Unfalleignung in den Vordergrund der Beurteilung. Die Eignung des Unfallereignisses ist eine Frage nach dem naturwissenschaftlichen Zusammenhang. War das Unfallereignis tatsächlich nicht geeignet, die fragliche Schädigung hervorzurufen, kann es hinweggedacht werden und die Schädigung wäre trotzdem vorhanden. Dementsprechend können Unfallereignisse regelmäßig nur dann als "nicht geeignet" bewertet werden, wenn der als geschädigt in Rede stehende Körperteil durch den Unfall überhaupt nicht betroffen war. Auch lediglich geringfügige Einwirkungen durch den Unfall lassen die naturwissenschaftliche Eignung nicht entfallen; die Frage nach dem Ausmaß der Einwirkung ist erst auf der zweiten Stufe der Kausalitätsprüfung, bei der Frage der "Wesentlichkeit" von Bedeutung. Hier hat eine Einwirkung auf das geschädigte Körperteil stattgefunden.

Unerheblich ist hinsichtlich der Verursachung auch, dass das Trauma bei einer intakten Perfusion des Fußes und der Zehen als leicht einzustufen gewesen und folgenlos geblieben wäre. Für den Kläger ist, wie Priv. Doz. Dr. I. darlegt, aufgrund der deutlich eingeschränkten Perfusion durch die bestehende Grundkrankheit das Aufpralltrauma als schwerwiegend einzustufen, da der Gewebeschaden, der durch das Trauma gesetzt wird, substantiell ist, auch wenn keine äußeren Verletzungen zu sehen waren. Das Unfallereignis hat den natürlichen Verlauf der Erkrankung substantiell beeinflusst. Für eine naturwissenschaftliche Ursächlichkeit des Unfallereignisses spricht auch die durch den Kläger behauptete und aus dem Krankenblattauszug des Hausarztes L. vom 19.10.2012 bestätigte Beschwerdefreiheit des Klägers vor dem Ereignis. Nach der Aktenlage war die Durchblutungssituation vor dem Unfallgeschehen kompensiert. Der Kläger war in der Lage, eine mittelschwere Tätigkeit auszuüben. Zwischen dem 20.01.2003 und dem 31.12.2004 wurden dem Kläger keine verschreibungspflichtigen Medikamente verordnet, so dass in den Monaten vor dem Ereignis ein relevanter natürlicher Progress der Grunderkrankung Thrombaniitis obliterans ausgeschlossen werden kann. Auch haben keine Bagatelltraumen des Alltags zu wesentlichen komplizierenden Folgen, wie schlecht heilenden Wunden, geführt. Es besteht darüber hinaus ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem Beginn der Beschwerden, was zunächst auf einen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang hindeutet, auch wenn dieser nicht rein zeitlich begründet werden kann und im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung nicht im Sinne eines Anscheinsbeweises aus dem Vorliegen einer bestimmten Einwirkung auf die berufliche Verursachung der Erkrankung geschlossen werden kann (BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 34/03 R, Juris). Priv. Doz. Dr. I. weist insoweit aber überzeugend darauf hin, dass bezüglich des Zeitverlaufs ein klassischer zeitlicher Verlauf nach Trauma vorlag. Ein Übergehen der Grunderkrankung in ein weiteres Stadium ist immer mit einem zusätzlich gesetzten Schaden in Verbindung zu bringen, auch wenn die Ursache häufig nicht so eindeutig identifizierbar ist wie im vorliegenden Fall

Ist somit der naturwissenschaftliche Zusammenhang zu bejahen, stellt sich auf der zweiten Stufe der Kausalitätsprüfung die Frage, ob das Unfallereignis auch wesentlich war.

Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, Juris, auch zum gesamten Nachfolgenden). Sozialrechtlich ist allein relevant, ob (auch) das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. Wesentlich ist nicht gleichzusetzen mit gleichwertig oder annähernd gleichwertig. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange keine andere Ursache überragende Bedeutung hat. Ist jedoch eine Ursache gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist nur die erstgenannte Ursache wesentlich und damit Ursache im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als wesentlich anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als Gelegenheitsursache oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen Krankheitsanlage (egal, ob bislang stumm oder als Vorschaden manifest) zu vergleichen und abzuwägen ist (Problem der inneren Ursache), ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" (im Falle eines Vorschadens weiterer) akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Gleiches gilt selbstverständlich, wenn die Erscheinung zu derselben Zeit ohne jede äußere Einwirkung aufgetreten wäre (siehe BSG, Urteil vom 02.02.1999, B 2 U 6/98 R, Juris). Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Die innere Ursache muss bei dieser Prüfung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen, die bloße Möglichkeit einer inneren Ursache genügt nicht (BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 34/03 R, Juris). Dies gilt auch für das Ausmaß der inneren Ursache (BSG, Urteil vom 06.12.1989, 2 RU 7/89, Juris). Demgegenüber ist für die Beurteilung, ob das Unfallgeschehen bloße Gelegenheitsursache war, ob ein alltägliches Ereignis etwa zu derselben Zeit zum selben Erfolg geführt hätte, hinreichende Wahrscheinlichkeit notwendig; die bloße Möglichkeit genügt auch hier nicht (BSG, Urteil vom 04.12.1991, 2 RU 14/91, Juris). Dies bedeutet, dass die Grundlagen der Beurteilung, ob das Unfallereignis bloße "Gelegenheitsursache" war, im Sinne des Vollbeweises feststehen müssen, die Kausalitätsfrage ist wiederum nach Wahrscheinlichkeit zu beurteilen. Ist eine erhebliche Vorschädigung der durch den Unfall betroffenen Körperstelle, die eine Schädigung durch ein alltägliches Ereignis ermöglicht hätte oder ohne äußere Einwirkung zu der in Rede stehenden strukturellen Schädigung geführt hätte, nicht nachgewiesen, geht dies nach dem im Sozialrecht geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der Beklagten (BSG, Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 23/05 R, Juris).

Bei dem Kläger liegt unstreitig und durch zahlreiche Befundberichte dokumentiert eine Vorerkrankung im Sinne einer Thrombangiitis obliterans vor, die erstmals im Jahr 1999 zu Beschwerden führte und nach der übereinstimmenden Einschätzung aller Gutachter ebenfalls geeignet wäre, schicksalhaft zu einem Verlust des Vorfußes und des Unterschenkels durch die Notwendigkeit einer Amputation zu führen.

Der Senat hält es nach dem Ergebnis der Ermittlungen für möglich, aber nicht für hinreichend wahrscheinlich, dass die Grunderkrankung des Klägers zu derselben Zeit ohne jede äußere Einwirkung aufgetreten wäre oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte.

Es gibt zunächst keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die erheblichen Durchblutungsstörungen zu derselben Zeit und ohne äußere Einwirkung aufgetreten wären. Soweit die Beklagte von einem schon Wochen vor dem Unfallereignis vorliegenden und nachgewiesenen Krankheitsschub ausgeht, ist dies für den Senat nicht nachvollziehbar. Allein die laut Angaben des Klägers bei der Erstuntersuchung durch Prof. Dr. D. am 01.01.2005 schon länger leicht bläulich verfärbte Großzehe deutet nicht auf einen progredienten Krankheitsverlauf der Grunderkrankung hin. Dagegen spricht die durch den Kläger behauptete und durch den Krankenblattauszug des Hausarztes L. vom 19.10.2012 bestätigte Beschwerdefreiheit des Klägers vor dem Ereignis. Nach der Aktenlage war die Durchblutungssituation vor dem Unfallgeschehen kompensiert. Der Kläger war in der Lage, seiner mittelschweren Berufstätigkeit vollschichtig nachzugehen. Eine relevante Einschränkung der Gehstrecke ist nicht dokumentiert. Von einem Tag (20.03.2003) abgesehen, war der Kläger im Jahr 2003 und im Jahr 2004 nicht arbeitsunfähig erkrankt; zwischen dem 20.01.2003 und dem 31.12.2004 wurden ihm keine verschreibungspflichtigen Medikamente verordnet. Ein Behandlungsbedarf aufgrund der Thrombangiitis oblitans bestand zwischen dem 10.01.2003 und dem 21.12.2004 nicht, so dass in den Monaten vor dem Ereignis ein relevanter natürlicher Progress der Grunderkrankung nach übereinstimmender Auffassung der Gutachter Prof. Dr. B., Dr. P. und Priv. Doz. Dr. I. ausgeschlossen werden kann. Theoretisch denkbar ist, wie Dr. P. ausführt, ein Spontanverlauf mit Fortschreiten der Thrombangiitis obliterans in ein weiteres Stadium. Dies ist aber nach Einschätzung des Gutachters extrem unwahrscheinlich, ohne dass zumindest einige Zeit vorher Schmerzen bestanden, zumal wenn die Schädigung genau am Ort der Verletzung auftritt.

Auch haben keine Bagatelltraumen des Alltags zu wesentlichen komplizierenden Folgen, wie schlecht heilenden Wunden, geführt. Priv. Doz. Dr. I. weist insoweit nachvollziehbar darauf hin, dass Bagatelltraumen im Alltag naturgemäß nicht völlig vermeidbar sind. Gerade die durch die Beklagte beispielhaft genannten Gelegenheiten des alltäglichen Lebens (fest geschnürte Schuhe, versehentlicher Fußtritt in einem öffentlichen Verkehrsmittel, leichtes Anstoßen beim Gehen, körpereigene Zehenbewegungen) sind unvermeidbar, haben aber gerade nicht zu einer Progredienz der Erkrankung geführt, was gegen eine leichte Ansprechbarkeit und gegen das Vorliegen einer austauschbaren Gelegenheitsursache spricht.

Dafür, dass das Unfallgeschehen rechtlich wesentlich für das Fortschreiten der Grunderkrankung war, spricht auch der Verlauf der Thrombangiitis obligans am linken Bein. Dr. P. führt insoweit überzeugend aus, dass die Erkrankung bei dem Kläger gut kompensiert ist, was sich insbesondere darin zeigt, dass am linken Fuß seit 2002 keine gravierenden Beschwerden oder Komplikationen aufgetreten sind. Die Erkrankung betrifft aber in aller Regel beide Beine, wie bei dem Kläger im Jahr 2002 angiographisch auch dokumentiert wurde. Es bedurfte daher, wie Dr. P. darlegt, der Auslösung durch das erlittene Trauma und der für die Heilung erforderlichen Mehrdurchblutung, um die aufgrund der Vorerkrankung eingeschränkte Durchblutungsreserve zu überfordern und damit das Versorgungsniveau des rechten Vorfußes aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Zur Überzeugung des Senats ist der Arbeitsunfall auch rechtlich wesentliche Ursache für die Amputation des Unterschenkels. Die Einschätzung von Prof. Dr. B., wonach die Unterschenkelamputation bei Bypassverschluss im Hinblick auf die Grunderkrankung mit nicht vorhandener Möglichkeit der peripheren Revaskularisation bei Unterschenkelquerschnittsverschluss gesondert betrachtet werden müsse und nicht unfallbedingt sei, überzeugt nicht. Der Bypass musste gerade aufgrund der schlechten Wundheilung nach der Vorfußamputation angelegt werden, so dass das Unfallereignis (mittelbar) auch hinsichtlich der Unterschenkelamputation rechtlich wesentlich war.

Der Senat verkennt nicht, dass ohne die Grunderkrankung der Erstschaden "leichte Prellung" wohl folgenlos ausgeheilt wäre, konnte sich aber nicht davon überzeugen, dass die Entwicklung der Grunderkrankung ohne das Unfallereignis zum selben Zeitpunkt in selber Ausprägung fortgeschritten wäre. Das Unfallereignis ist daher rechtlich wesentliche Ursache für die als Unfallfolge geltenden gemachten Folgeerkrankungen.

Das SG hat die Beklagte zu Recht dazu verurteilt, die Amputation des Vorfußes und die Amputation des Unterschenkels als Folgen des Arbeitsunfalls festzustellen. Der Tenor ist insoweit allein aus Gründen der Klarstellung neu gefasst worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens berücksichtigt, dass die Feststellung weiterer Unfallfolgen Grundlage für die - mit der Klage geltend gemachten, aufgrund des Teil-Vergleichs vor dem Senat aber außerhalb dieses Verfahrens weiter zu verfolgenden - Leistungsansprüche des Klägers ist, weshalb das überwiegende Obsiegen des Klägers in der Hauptsache im Rahmen der Kostenentscheidung maßgeblich zu berücksichtigen war.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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