S 12 KA 210/15

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 210/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Es kann dahingestellt bleiben, ob bei Anwendung der Härteregelung nach Abschnitt II Ziff. 3.6 HVV 2009 bzw. HVV 2010 der KV Hessen Zahlungen nach der Ausgleichsregelung bis zum Quartal IV/08 nicht bei dem Honorarvergleich berücksichtigt werden, obwohl es sich um wesentliche Bestandteile des Honoraranspruchs handelt (vgl. BSG, Urt. v. 03.02.2010 B 6 KA 1/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 50, juris Rdnr. 16 ff.). Jedenfalls kann der auf die Ausgleichsregelung anfallende Honoraranteil unter dem Gesichtspunkt der Prüfung der Ursächlichkeit des Honorarrückgangs herausgerechnet werden. Die Härteregelung stellt insofern auf die Veränderungen der Vergütungssystematik des Jahres 2008 zum Jahr 2009 ab und soll nicht Ausgleichzahlungen aus Veränderungen der Vorquartale weiter fortführen. Insofern hatte die Ausgleichsregelung im Ergebnis auch die Funktion, dem Bestandsschutz etablierter Praxen zu dienen (vgl. BSG, Urt. v. 03.02.2010 - B 6 KA 1/09 R - a.a.O. Rdnr. 19) bzw. die veränderten Honorarregelungen ab dem Quartal II/05 nicht voll zum Tragen kommen zu lassen. Eine indirekte Verlängerung dieser Regelungen wird von der Härteregelung nicht beabsichtigt. Hierzu besteht auch keine Verpflichtung.
Bemerkung
verb. m. S 12 KA 216-219/15
I. Die Verfahren mit Az.: S 12 KA 210/15 und S 12 KA 216 bis 219/15 werden unter dem führenden Az.: S 12 KA 210/15 miteinander verbunden.

II. 1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 25.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Honorarbescheide und die Änderung des Regelleistungsvolumens für die drei Quartale IV/09 bis II/10 und um den Ausgleich überproportionaler Honorarverluste für die Quartale II bis IV/09.

Der Kläger ist als Facharzt für Orthopädie/Unfallchirurgie seit 02.01.1990 zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Er hat zum 31.03.2012 auf seine Zulassung verzichtet.

Die Beklagte setzte das Regelleistungsvolumen für die streitbefangenen Quartale II bis IV/09 mit Bescheiden vom 26.02., 27.05. und 02.09.2009 und für die streitbefangenen Quartale I und II/10 mit Bescheiden vom 17.12.2009 und 18.03.2010 wie folgt fest.

Quartal RLV-relevante Fallzahl Fallwert in EUR Fallwertabstaffelung Altersstrukturquote Aufschlag (fachgleiche) BAG RLV in EUR
II/09 1.630 21,27 1,0000 0,9933 1,0000 34.437,81
III/09 2.104 21,32 0,9156 0,9855 1,0000 40.515,58
IV/09 1.771 21,06 0,9756 0,9899 1,0000 36.019,70
I/10 1.878 25,05 0,9670 0,9864 1,0000 44.872,77
II/10 1.566 25,09 0,9965 0,9874 1,0000 38.660,09

In den Quartalen I/08 bis I/09 sowie in den streitbefangenen Quartalen II/09 bis II/10 nahm die Beklagte jeweils mit Honorarbescheid folgende Festsetzungen vor:

Quartal I/08 II/08 III/08 IV/08 I/09
Bruttohonorar PK + EK in EUR 64.916,62 70.781,28 76.909.60 82.688,36 65.821,87
Honoraranforderung 106.272,11 88.994,28 89.995,29 75.487,20
Fallzahl PK + EK 2.102 1.751 2.292 1.873 2.072

Quartal II/09 III/09 IV/09 I/10
Honorarbescheid vom 11.10.2009 23.12.2009 27.03.2010 29.06.2010
Nettohonorar gesamt in EUR 48.859,33 60.450,33
Bruttohonorar PK + EK in EUR 44.192,57 55.579,91 49.068,93 61.174,12
Honoraranforderung in EUR 57.735,83 78.774,33 66.402,80 76.281,62
Fallzahl PK + EK 1.719 2.172 1.866 2.103
Honorar Regelleistungsvolumen in EUR 32.744,32 38.550,22 34.257,60 42.693,86
Honorar quotiertes Regelleistungsvolumen in EUR 1.427,33 1.764,92 3.115,76 3.637,65
Fallwertzuschläge zu Regelleistungsvolumen in EUR 3.116,56 6.774,67 4.671,28 5.748,14
Übrige Leistungen innerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) 535,96 862,35 713,46 913,47
Leistungen außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV 6.368,74 7.627,75 6.310.83 8.181,00
Regelleistungsvolumen
Obergrenze 34.437,81 40.515,58 36.019,70 44.872,77
Angefordert 46.683,15 62.728,57 54.105,65 60.679,79
Überschreitung 12.245,34 22.212,99 18.085,95 15.807,02

Quartal II/10
Honorarbescheid vom 27.09.2010
Nettohonorar gesamt in EUR 49.100,19
Bruttohonorar PK + EK in EUR 49.716,37
Honoraranforderung in EUR 63.302,85
Fallzahl PK + EK 1.878
Honorar Regelleistungsvolumen in EUR 36.760,32
Honorar quotiertes Regelleistungsvolumen in EUR 1.324,10
Fallwertzuschläge zu Regelleistungsvolumen in EUR 4.188,51
Übrige Leistungen innerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) 726,18
Leistungen außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV 6.717,26
Regelleistungsvolumen
Obergrenze 38.660,09
Angefordert 51.068,84
Überschreitung 12.408,75

Gegen die Honorarbescheide für die Quartale IV/09 bis II/10 legte der Kläger jeweils Widerspruch ein.

Für die Quartale II/09 bis II/10 beantragte der Kläger eine Sonderregelung für die Regelleistungsvolumina sowie einen Ausgleich von überproportionalen Honorarverlusten.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 26.09.2014 die Anträge ab. Zur Begründung erläuterte sie die Vorgaben zur Ermittlung der Regelleistungsvolumina. Fallwerte und Fallzahlen seien richtig berechnet worden. Ein Ausgleich von überproportionalen Honorarverlusten nach Abschnitt II Nr. 3.6 HVV setze einen Honorarvorlust von mehr als 15 % gegenüber dem Vorjahresquartal voraus. Die Honorarminderung müsse in der Umstellung der Mengensteuerung auf die neue Systematik nur dadurch begründet sein, dass die Partner der Gesamtverträge bisherige Regelungen zu den sog. extrabudgetären Leistungen, Leistungsarten und Kostenerstattungen nicht aufgeführt hätten. Weiter sei Voraussetzung, dass die Praxis nachweisbar in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten gerate, die ein Fortführen der Praxis gefährdeten und die Praxis zur Sicherstellung der Versorgung erforderlich sei. Beim Vergleich der Honorarsumme der Quartale II bis IV/09 mit den entsprechenden Vorjahresquartalen in II bis IV/08 habe sie in den Quartalen II und IV/09 einen Honorarverlust von über 15 % festgestellt, wobei die in den Vorjahresquartalen geleisteten Ausgleichszahlungen nicht zu berücksichtigen seien.

Es folgt eine Tabelle, die aus technischen Gründen nicht angezeigt werde kann (vorhanden unter www.lareda.hessenrecht.hessen.de).

Der Honorar- bzw. Fallwertverlust müsse jedoch die Gesamtentwicklung innerhalb des betreffenden Jahres einbeziehen. Ein Nachweis über erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten der Praxis, z.B. in Form einer betriebswirtschaftlichen Auswertung, liege nicht vor. Deshalb habe sie die durchschnittliche Honorarentwicklung für das Jahr 2009 errechnet, die lediglich einen Honorarverlust von 8,09 % aufweise. Da der Honorarverlust somit unter 15 % liege, habe sie den Anträgen für die Quartale II/09 bis IV/09 nicht stattgeben können. Im Quartal I/10 habe sie einen Honorarzuwachs von 0,18 % und im Quartal II/10 einen Honorarverlust zum Quartal II/08 von 5,40 % verzeichnen können, so dass sie den Anträgen ebenfalls nicht habe stattgeben können.

Hiergegen legte der Kläger am 23.10.2014 Widerspruch ein. Er trug vor, mit den seit dem Quartal II/05 ausschließlich konservativ tätigen Orthopäden zugebilligten Regelleistungsvolumina von ca. 30,00 EUR pro Patient würden allenfalls die Erstvorstellungspatienten, Untersuchungskomplex, ggf. Chirotherapie, Zinkleimverband u.a. nur annähernd komplett bezahl werden. Weitere Leitungen wie die röntgenologische Diagnostik (Abklärung) u.a. würden schon finanziell nicht mehr abgedeckt werden. Ebenfalls würden weitere Vorstellungen des Patienten im selben Quartal gar nicht honoriert werden. Eine wirtschaftliche Führung einer orthopädischen Arztpraxis unter kassenärztlichen Rahmenbedingungen sei daher nicht möglich. Er habe nur teilweise die Honorarverluste durch gutachterliche Tätigkeit für die Deutsche Rentenversicherung ausgleichen können. Auf Grund der Honorarsituation habe er daher seine kassenärztliche Tätigkeit zum 31.03.2012 aufgeben müssen. Er sei massiv abgestaffelt worden. Er habe ohne Terminvergabe gearbeitet und jeden Patienten, auch aus ethischen Gründen, versorgt. Dadurch seien seine Scheinzahlen in der Vergangenheit deutlich höher gewesen. Diese außerordentliche Zusatzbelastung sei nicht mit vollem Honorar gewürdigt worden. Seinerzeit habe eine orthopädische Unterversorgung in C Stadt bestanden. Hinsichtlich des Honorarverlustes müsse jedes Quartal individuell ausgewertet werden. Es fehle die Einberechnung der jährlichen Inflationsrate. Die geleisteten Ausgleichszahlungen würden nicht berücksichtigt werden. Für die Jahre 2009 und 2010 reichte er eine Gewinnermittlung bei der Beklagten ein.

Die Beklagte fasste die Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 26.09.2014 und gegen die Honorarbescheide für die Quartale IV/09 bis II/10 zusammen und wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 15.04.2015 als unbegründet zurück. Zur Begründung erläuterte sie nochmals die Ermittlung der Fallzahlen und Fallwerte für die Regelleistungsvolumina. Soweit der arztindividuelle RLV-Fallwert des Klägers im Quartal IV/09 bei 30,55 EUR, im Quartal I/10 bei 32,31 EUR und im Quartal II/10 bei 32,61 EUR liege und damit die RLV-Fallwerte der Arztgruppe (21,06 EUR, 25,05 EUR bzw. 25,09 EUR) um 25,06 %, 28,98 % und 29,97 % überschreite, habe sie eine detaillierte Prüfung lediglich für das Quartal IV/09 vorgenommen. Bei den rheumatologischen Leistungen nach Nr. 18700 EBM habe sie einen Fallwert in Höhe von 1,93 EUR ermittelt. Dieser Fallwert übersteige allerdings nicht 30 % des Fachgruppenwertes, weshalb der RLV-Fallwert nicht erhöht werden könne. Hinsichtlich des Sicherstellungsaspektes sei festzustellen, dass es in C-Stadt eine Überversorgung bei der Fachgruppe der Orthopäden gebe und auch Fachärzte für Innere Medizin rheumatologische Leistungen durchführten. Ferner erläuterte sie die Regelung zur Abstaffelung bei 150 % der durchschnittlichen Fallzahl der Arztgruppe. Sie legte weiter im Einzelnen die Ermittlung der Altersstrukturquote dar und die Ermittlung der Fallwertzuschläge. Ferner erläuterte sie den Sicherstellungsindex 90 sowie den Ausgleichsindex Maximus. Hinsichtlich der Ausgleichsregelung bei überproportionalen Honorarverlusten führte sie aus, die vom Kläger zur Verfügung gestellte Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2009 weise einen Jahresüberschuss in Höhe von 126.593,10 EUR aus. Eine Existenzgefährdung der Praxis stelle sich nicht dar. Im Übrigen verweise sie auf den Ausgangsbescheid.

Hingegen hat der Kläger am 13.05.2015 die Klage erhoben. Er verweist auf sein Widerspruchsvorbringen und trägt ergänzend vor, hinsichtlich des Jahresüberschusses für das Jahr 2009 verschweige die Beklagte, dass dieser Überschuss fast ausschließlich aus Einnahmen außerhalb der kassenärztlichen Tätigkeit – ca. 100 Gutachten für die Deutsche Rentenversicherung Bund, Privatgutachten etc. – habe erreicht werden können. Ein fiktives Oberarztgehalt von ca. 110.000,00 EUR pro Jahr könne mit einer durchschnittlichen Fallzahl von 1.065, 1.096 und 1.029 in den Quartalen IV/09 bis II/10 unmöglich nur aus der kassenärztlichen Tätigkeit erwirtschaftet werden. Im Jahr 2010 habe er nur einen Jahresüberschuss von 29.000,00 EUR ausgewiesen, was die Beklagte verschweige. Darin seien auch die Einnahmen aus gutachterlicher und privatärztlicher Tätigkeit enthalten. Von einer Überversorgung mit Orthopäden in C-Stadt könne nicht die Rede sein. Es sei zu überprüfen, in welchen Fällen eine Verjährung bereits vorliege und ob die ergangenen Bescheide in Form und Inhalt korrekt seien. Allein aus Kasseneinnahmen hätte er im Jahr 2010 einen Verlust von 30.634,26 EUR erwirtschaftet.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 26.09.2014 und die Honorarbescheide für die Quartale IV/09 bis II/10, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Widerspruchsbescheiden und trägt ergänzend vor, eine Existenzgefährdung der Praxis lasse sich aus den vorgelegten Gewinn- und Verlustrechnungen nicht erkennen. Wirtschaftliche Schwierigkeiten seien nicht ersichtlich. Von Gesamteinnahmen aus dem Jahr 2009 in Höhe von 343.202,64 EUR entfielen für Gutachten und Privatabrechnungen 77.682,10 EUR. Es treffe daher nicht zu, dass der Überschuss fast ausschließlich aus Einnahmen außerhalb der kassenärztlichen Tätigkeit habe erreicht werden können. Im Jahr 2010 machten von Praxiseinnahmen in Höhe von 268.992,47 EUR Privatabrechnungen und Gutachten einen Betrag von 68.286,36 EUR aus. Die Höhe des Regelleistungsvolumens basiere auf den gesetzlichen Vorgaben. Praxisbesonderheiten für eine Sonderregelung habe sie nicht feststellen können.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden. Die Sache hat keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, und der Sachverhalt ist geklärt. Die Kammer hat die Beteiligten hierzu mit Verfügung vom 21.04.2014, dem Kläger mit Postzustellungsurkunde durch Hinterlegung in der Wohnung am 26.04.2016 zugestellt, angehört.

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 26.09.2014 und die angefochtenen Honorarbescheide für die Quartale IV/09 bis II/10, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2015 sind rechtmäßig und waren daher nicht aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes. Die Klage war abzuweisen.

Auf der Grundlage der gesetzlichen Vorgaben nach §§ 87b und 87c Sozialgesetzbuch, 5. Buch, Gesetzliche Krankenversicherung i. d. F. des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG) mit Geltung ab 01.04.2007, BGBl. I S. 378 haben die Kassenärztliche Vereinigung Hessen und die Verbände der Primärkassen sowie die Ersatzkassen einen Honorarvertrag vom 13.12.2008 für die Zeit ab 01.01.2009 geschlossen (im Folgenden: HVV). Nach Abschnitt II HVV - entsprechende Regelungen wurden für den gesamten strittigen Zeitraum fortgeführt - erfolgt die Vergütung der Ärzte grundsätzlich auf der Basis der gemäß § 87a Abs. 2 Satz 6 SGB V zum jeweiligen Zeitpunkt gültigen regionalen Euro-Gebührenordnung. Zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit wird je Quartal eine abrechenbare Menge vertragsärztlicher Leistungen vorgegeben (Regelleistungsvolumen (RLV)), die mit den in der Euro-Gebührenordnung gemäß § 87a Abs. 2 SGB V enthaltenen Preisen zu vergüten ist. Davon ausgenommen sind Leistungen nach Abschnitt I.9. Das Regelleistungsvolumen wird quartals- und arztbezogen ermittelt. Die Zuweisung der Regelleistungsvolumina erfolgt praxisbezogen. Dabei ergibt sich die Höhe des Regelleistungsvolumens einer Arztpraxis aus der Addition der Regelleistungsvolumina je Arzt, die in der Arztpraxis tätig sind (Arztfall). Dem einer Arztpraxis zugewiesenen Regelleistungsvolumen steht die in der Arztpraxis abgerechnete Leistungsmenge gegenüber. Regelleistungsvolumina kommen für Ärzte der in Anlage 1 genannten Arztgruppen zur Anwendung (Abschnitt II Ziff. 2.1 Satz 1 HVV). Bei der Ermittlung des Regelleistungsvolumens eines Arztes ist der Umfang seiner Tätigkeit lt. Zulassungs- bzw. Genehmigungsbescheid zu berücksichtigen (Abschnitt II Ziff. 1.2.3 Satz 1 HVV). Die Höhe des Regelleistungsvolumens eines Arztes ergibt sich für die in Anlage 1 benannten Arztgruppen aus der Multiplikation des zum jeweiligen Zeitpunkt gültigen KV-bezogenen arztgruppenspezifischen Fallwertes (FWAG) gemäß Anlage 2 zu Teil F der Beschlüsse des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008 und 17. Oktober 2008 und 20. April 2009 und der RLV-Fallzahl des Arztes gemäß 2.3 im Vorjahresquartal (FZArzt).

Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte bei Festsetzung der Regelleistungsvolumina hiervon abgewichen wäre. Zur Begründung verweist die Kammer auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 15.04.2015 (§ 137 Abs. 3 SGG).

Das Regelleistungsvolumen muss nicht so bemessen sein, dass alle in der Praxis anfallenden Leistungen ohne Abstaffelung vergütet werden können. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der die Kammer folgt, ist eine Kassenärztliche Vereinigung nicht verpflichtet, das Regelleistungsvolumen eines Vertragsarztes so zu bemessen, dass die wesentlichen Leistungen seines Fachgebiets rechnerisch in jedem Behandlungsfall mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung vergütet werden (vgl. BSG, Urt. v. 11.12.2013 - B 6 KA 6/13 R - SozR 4-2500 § 87 Nr. 29, juris Rdnr. 21). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn die Frage in Streit steht, ob das Regelleistungsvolumen die durchschnittlichen Versicherten- bzw. Grundpauschalen abdeckt. Mit dem EBM wird keine "absolute" Vergütungshöhe vorgegeben, der sich alle übrigen Regelungen unterzuordnen hätten. Denn das Gesetz geht weiterhin von der Notwendigkeit aus, bei der Verteilung der Gesamtvergütungen regulierend einzugreifen. Zwar bestimmt § 87b Abs. 1 Satz 1 SGB V a. F., dass die vertragsärztlichen Leistungen ab dem 01.01.2009 auf der Grundlage der regional geltenden Euro-Gebührenordnung nach § 87a Abs. 2 SGB V vergütet werden, doch wird zugleich die Festlegung arzt- und praxisbezogener Regelleistungsvolumina vorgegeben (§ 87b Abs. 2 SGB V a.F.). Diese Regelleistungsvolumina sind ausdrücklich als Instrument zur Mengensteuerung eingeführt worden; sie bilden mit ihrer mengensteuernden Wirkung das notwendige Korrektiv zur Euro-Gebührenordnung. Ziel dieser Mengensteuerung ist weiterhin, den Vertragsärzten einerseits Kalkulationssicherheit zu geben und andererseits (durch Abstaffelungen) den ökonomischen Anreiz zur Leistungsausweitung zu begrenzen (vgl. BSG, Urt. v. 11.12.2013 - B 6 KA 6/13 R - a.a.O., juris Rdnr. 30; BSG, Beschl. vom 28.10.2015 B 6 KA 35/15 B - juris Rdnr. 11 ff.).

Ein weitergehender Anspruch besteht auch nicht aus der Regelung nach Abschnitt II Ziff. 3.6 HVV 2009 "Ausgleich von überproportionalen Honorarverlusten", die auch in den Quartalen I und II/10 galt.

Die Regelung nach Abschnitt II Ziff. 3.6 HVV 2009 lautet:

"Verringert sich das Honorar einer Arztpraxis um mehr als 15 % gegenüber dem Vorjahresquartal, kann die Kassenärztliche Vereinigung Hessen im Einzelfall auf Antrag der betroffenen Praxis befristete Ausgleichszahlungen an die Arztpraxis leisten, sofern die Honorarminderung mit der Umstellung der Mengensteuerung auf die neue Systematik oder dadurch begründet ist, dass die Partner der Gesamtverträge bisherige Regelungen zu den sogenannten extrabudgetären Leistungen, Leistungsarten und Kostenerstattungen nicht fortgeführt haben. Voraussetzung für eine Ausgleichzahlung ist weiterhin, dass die Praxis durch diese Honorarverluste nachweisbar in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, die ein Fortführen der Praxis gefährden und die Praxis zur Sicherstellung der Versorgung erforderlich ist. Die Voraussetzungen zum Nachweis regelt die Kassenärztliche Vereinigung Hessen. Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen informiert die Verbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen in Hessen zeitnah über Inhalt und Umsetzung der getroffenen Entscheidungen." Im HVV 2010 wurde der Begriff "Vorjahresquartal" durch die 1. Nachtragsvereinbarung zum HVV 2010 mit Wirkung ab 01.01.2010 durch den Begriff "Vorvorjahresquartal" ersetzt.

Diese Regelung ist als Härteregelung konzipiert, die eine Honorarminderung mit der Umstellung der Mengensteuerung auf die neue Systematik oder dadurch begründet, dass die Partner der Gesamtverträge bisherige Regelungen zu den sog. extrabudgetären Leistungen, Leistungsarten und Kostenerstattungen nicht fortgeführt haben. Hierzu wird klägerseits nichts vorgetragen. Der pauschale Hinweis auf Honorarrückgänge reicht hierfür nicht aus. Zudem muss die Praxis durch diese Honorarverluste nachweisbar in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sein, die ein Fortführen der Praxis gefährden. Bei der Beurteilung wirtschaftlicher Schwierigkeiten stellt die Beklagte zutreffend auf die gesamte wirtschaftliche Situation der Praxis ab. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit garantiert kein gleichmäßiges Einkommen aller vertragsärztlich tätigen Ärzte. Bei der Beurteilung, ob die Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen einer Arztgruppe unangemessen niedrig ist, sind auch die Einnahmen aus privatärztlicher oder sonstiger Tätigkeit zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urt. v. 08.12.2010 - B 6 KA 42/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 61 = MedR 2012, 340 = USK 2010-174, juris Rdnr. 28). Ferner muss die Praxis zur Sicherstellung der Versorgung erforderlich sein. Ein zwingender Nachweis hierfür ist nicht ersichtlich. Von daher kann dahingestellt bleiben, ob Zahlungen nach der Ausgleichsregelung bis zum Quartal IV/08 nicht bei dem Honorarvergleich berücksichtigt werden, obwohl es sich um wesentliche Bestandteile des Honoraranspruchs handelt (vgl. BSG, Urt. v. 03.02.2010 - B 6 KA 1/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 50, juris Rdnr. 16 ff.). Jedenfalls kann der auf die Ausgleichsregelung anfallende Honoraranteil unter dem Gesichtspunkt der Prüfung der Ursächlichkeit des Honorarrückgangs herausgerechnet werden. Die Härteregelung stellt, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, insofern auf die Veränderungen der Vergütungssystematik des Jahres 2008 zum Jahr 2009 ab und soll nicht Ausgleichzahlungen aus Veränderungen der Vorquartale weiter fortführen. Insofern hatte die Ausgleichsregelung im Ergebnis auch die Funktion, dem Bestandsschutz etablierter Praxen zu dienen (vgl. BSG, Urt. v. 03.02.2010 - B 6 KA 1/09 R - a.a.O. Rdnr. 19) bzw. die veränderten Honorarregelungen ab dem Quartal II/05 nicht voll zum Tragen kommen zu lassen. Eine indirekte Verlängerung dieser Regelungen wird von der Härteregelung nicht beabsichtigt. Hierzu besteht auch keine Verpflichtung.

Die Festsetzung des Regelleistungsvolumens verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Angemessenheit der Vergütung. Nach § 72 Abs. 2 SGB V ist die vertragsärztliche Versorgung durch schriftliche Verträge der Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Verbänden der Krankenkassen so zu regeln, dass eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten gewährleistet ist und die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden. Ein subjektives Recht auf höheres Honorar aus § 72 Abs. 2 SGB V i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG kommt erst dann in Betracht, wenn in einem fachlichen und/oder örtlichen Teilbereich kein ausreichender finanzieller Anreiz mehr besteht, vertragsärztlich tätig zu werden, und deshalb in diesem Bereich die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung gefährdet ist. Dies ist erst dann der Fall, wenn flächendeckend und unabhängig von Besonderheiten in einzelnen Regionen und/oder bei einzelnen Arztgruppen ein Vergütungsniveau zu beobachten wäre, das mangels ausreichenden finanziellen Anreizes zu vertragsärztlicher Tätigkeit zur Beeinträchtigung der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten führt (vgl. BSG, Urt. v. 09.12.2004 - B 6 KA 44/03 R - SozR 4-2500 § 72 Nr. 2 = BSGE 94, 50, juris, Rdnr. 135). Im Hinblick auf die vorrangige Funktionszuweisung an den Bewertungsausschuss nach § 87 SGB V, den Inhalt der abrechenbaren Leistungen und ihre Punktzahlen zu bestimmen, kann das Niveau von Vergütungen erst dann von den Gerichten im Hinblick auf § 72 Abs. 2 SGB V i. V. m. Art 12 Abs. 1 GG beanstandet werden, wenn die Funktionsfähigkeit der Versorgung mangels ausreichenden finanziellen Anreizes, vertragsärztlich tätig zu werden, gefährdet wäre (vgl. BSG, Urt. v. 16.12.2015 - B 6 KA 39/15 R - SozR 4 (vorgesehen), juris Rdnr. 35 m.w.N.). Anhaltspunkte für eine solche Situation sind nicht ersichtlich. Auf die Honorarsituation bzw. den Honorarrückgang einer einzelnen Praxis bzw. der Praxis des Klägers kommt es nicht an. Da die Vergütung nicht für jede Leistung kostendeckend sein muss und sich die Frage der Kostendeckung auch nicht auf die bei einem einzelnen Arzt anfallenden Kosten beziehen kann, ergibt sich selbst aus einer etwaigen Kostenunterdeckung bei einzelnen Leistungen kein zwingender Grund für eine bestimmte Auslegung des Gebührentatbestandes (vgl. BSG, Urt. v. 16.12.2015 - B 6 KA 39/15 R - a.a.O. Rdnr. 25) bzw. eine pauschale Erhöhung des Honorars.

Nach allem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Streitwertfestsetzung erfolgte durch Beschluss des Vorsitzenden.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG). Der Streitwert für eine Klage auf höheres Honorar ist pro Quartal auf den Regelstreitwert festzusetzen, soweit keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine konkrete Abschätzung des wirtschaftlichen Werts des Begehrens ersichtlich sind (vgl. BSG, Beschl. v. 28.01.2009 B 6 KA 66/07 B - juris).
Rechtskraft
Aus
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