Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
22
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 22 AS 873/13
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Aus § 16b SGB II ergibt sich nahezu ein intendiertes Entschließungsermessen für die Gewährung von Einstiegsgeld bei Vorliegen der Voraussetzungen, solange nicht ein erheblich über dem Bedarf liegendes Einkommen erwirtschaftet wird. Angesichts des gesetzlichen Auftrags aus § 1 Abs. 2 SGB II dürfte eine vollständige Ablehnung trotz Vorliegens der Voraussetzungen nur in Betracht kommen, wenn ein atypischer Sachverhalt vorliegt, mit einer kostenaufwändigeren Maßnahme ein gleichwertiger oder besserer Eingliederungserfolg erzielt werden kann und der Grundsicherungsträger bereit ist, diese Leistung zu gewähren, oder wenn eine sachgemäße und gleichmäßige Bewirtschaftung der für Eingliederungsmaßnahmen zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel eine Gewährung von Einstiegsgeld im Einzelfall nicht zulässt.
1. Der Bescheid vom 23.10.2012 und der Widerspruchsbescheid vom 18.02.2013 werden aufgehoben.
2. Der Beklagte wird verurteilt, den Antrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
3. Der Beklagte trägt 70 Prozent der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Die Klägerin ist in XXX geboren und besitzt die norwegische Staatsangehörigkeit. Sie begehrt die Verpflichtung des beklagten Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zur Gewährung von Einstiegsgeld für einen 6-Monats-Zeitraum, nachdem sie bereits für die vorangegangenen sechs Monate Einstiegsgeld für eine selbstständige Tätigkeit erhalten hatte, die Tätigkeit jedoch noch nicht aufgenommen hatte.
Die Klägerin bezieht seit 2007 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, teilweise unter Anrechnung von Erwerbseinkommen. Spätestens seit Herbst 2011 beabsichtigte die Klägerin, sich mit einem Modegeschäft selbstständig zu machen. Sie beantragte beim Beklagten am 24.10.2011 Leistungen zur Förderung der Selbstständigkeit, insbesondere die Gewährung von Einstiegsgeld sowie von Förderleistungen nach § 16c SGB II als Zuschuss und Darlehen. In diesem Zuge erstellte Sie u.a. einen Businessplan, der beim Beklagten eingereicht wurde. Weiterhin reichte sie eine positive Stellungnahme der Lawaetz-Stiftung zu ihrem Existenzgründungsvorhaben ein. In den im Februar 2012 eingereichten Antragsformularen wurde der 01.03.2012 als voraussichtlicher Beginn der selbstständigen Tätigkeit angegeben.
Am 20.02.2012 schlossen die Klägerin und der Beklagte eine Eingliederungsvereinbarung, in der die Förderung der Selbstständigkeit der Klägerin vereinbart wurde. Zu den Förderleistungen wurde insb. geregelt: "[Der Beklagte] gewährt Ihnen Einstiegsgeld gem. § 16b SGB II für maximal 6 Monate, in Höhe von monatlich 50% Ihrer Regelleistung, zur Förderung der Existenzgründung, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind und die erforderlichen Unterlagen vorliegen."
Im Rahmen einer so genannten Fachlichen Feststellung hielt der Beklagte am 22.02.2012 fest, Einstiegsgeld sei dem Grunde nach zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich und die Hilfebedürftigkeit werde überwunden. Die Fachliche Feststellung führte zur Begründung aus, die Bewilligung der Leistungen erfolge noch unter Vorbehalt, da die Bewilligung der BASFI über das Kleinstkreditprogramm in Höhe von 10.300,- Euro noch ausstehe. Die Klägerin verfüge über die nötigen Qualifikationen, um ein Geschäft wie das geplante erfolgreich zu führen, da sie bereits in den 1990er Jahren über vier Jahre einen ähnlichen Laden in N. hatte, welcher aus privaten Gründen geschlossen wurde. Um sich mit den kaufmännischen Gegebenheiten in Deutschland vertraut zu machen, habe die Klägerin an einem sechswöchigen "VZ-Seminar" erfolgreich teilgenommen. Sie befinde sich seit 2007 im ALG II-Bezug. Aufgrund ihrer Vita und der Sprachschwierigkeiten sei es für sie schwierig, eine Anstellung auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden. Mit dem Laden habe sie die Chance, wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Die vollständige Loslösung aus dem Leistungsbezug sei spätestens im Juli 2013 zu erwarten. Mit Hilfe des Einstiegsgeldes könne sie zusätzliche Werbeaktionen starten, was zu einer schnelleren Lösung aus dem Leistungsbezug führen könne.
Mit Bescheid vom 06.03.2012 hob der Beklagte die laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt gegenüber der Klägerin zum 01.03.2012 vollständig auf, weil ihr wegen der begonnenen selbstständigen Tätigkeit Leistungen nur noch vorläufig bewilligt werden könnten. Mit Bescheiden vom gleichen Tag bewilligte der Beklagte vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 01.03.2012 bis 30.04.2012 bzw. vom 01.05.2012 bis 31.10.2012. Mit mehreren Schreiben vom 10.03.2012 erhob die Klägerin gegen die am 06.03.2012 erlassenen Bescheide Widerspruch. Zur Begründung wurde jeweils im Wesentlichen ausgeführt, es entspreche nicht den Tatsachen, dass die Klägerin zum 01.03.2012 eine selbstständige gewerbliche Tätigkeit aufgenommen habe. Über die entsprechenden Förderanträge habe der Beklagte noch nicht entschieden, so dass die Klägerin die Tätigkeit noch nicht habe beginnen können. Dies sei dem Beklagten auch bekannt. Den Widersprüchen wurde abgeholfen.
Mit Bescheid vom 10.05.2012 bewilligte der Beklagte Einstiegsgeld für den Zeitraum vom 01.03.2012 bis 31.08.2012. Dieser Bescheid wurde mit Änderungsbescheid vom 08.06.2012 hinsichtlich der Leistungshöhe abgeändert. Bewilligt wurden nunmehr für alle Monate im Zeitraum 01.03.2012 bis 31.08.2012 je 261,80 Euro.
Mit Unterschriften vom 04.06.2012 bzw. 12.06.2012 schlossen der Beklagte und die Klägerin eine neue Eingliederungsvereinbarung. Hinsichtlich der zugesagten Förderleistungen durch den Beklagten wurde der Text der Eingliederungsvereinbarung vom 20.02.2012 wiederholt, wobei für die Höhe des Einstiegsgeldes abweichend "monatlich 50% Ihrer Regelleistung und 20% Ihrer Regelleistung als Ergänzungsbetrag" vereinbart wurde. Mit Mietvertrag vom 28.08.2012 mietete die Klägerin Geschäftsräume an, deren Übergabe spätestens für den 30.09.2012 vereinbart wurde.
Am 29.08.2012 beantragte die Klägerin die Gewährung von Einstiegsgeld für weitere sechs Monate. Die Klägerin begann ihre selbstständige Tätigkeit im September 2012. Mit Bescheid vom 23.10.2012 lehnte der Beklagte den Antrag vom 29.08.2012 auf Gewährung von Einstiegsgeld ab. Zur Begründung wurde angegeben, die Klägerin habe in der Zeit vom 01.03.2012 bis zum 31.08.2012 bereits Einstiegsgeld für Ihre Selbstständigkeit erhalten. Eine Verlängerung oder erneute Bewilligung sei ausgeschlossen. Mit Schreiben vom 31.10.2012 erhob die Klägerin Widerspruch. Es sei unzutreffend, dass eine weitere Förderung ausgeschlossen sei. Eine mehrfache Förderung sei nacheinander möglich bis zu einer Gesamtdauer von 24 Monaten. Der Beklagte habe nicht geprüft, ob die Voraussetzungen der einschlägigen Vorschriften vorlägen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.02.2013 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung verwies er auf den Ermessencharakter der Leistungsvorschrift § 16b SGB II, auf den Wortlaut des § 39 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), sowie auf fachliche Hinweise der Bundesagentur für Arbeit zum Einstiegsgeld. Die Klägerin habe in der Zeit vom 01.03.2012 bis 31.08.2012 Einstiegsgeld erhalten, habe in dieser Zeit aber eine selbstständige Tätigkeit nicht aufgenommen. Die Widerspruchsführerin sei ab dem 13.09.2012, dem Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit, in den allgemeinen Arbeitsmarkt integriert. Eine erneute Unterstützung sei zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr erforderlich gewesen. Die Hilfebedürftigkeit sei durch die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit bisher nicht verringert worden. Letztlich stünde die Eingliederungsvereinbarung vom 04.06.2012 einer zweiten Bewilligung von Einstiegsgeld entgegen. Zwischen den Parteien sei ausdrücklich vereinbart worden, dass Einstiegsgeld für maximal sechs Monate geleistet werden solle. Dies sei vollzogen worden, indem für die Monate März 2012 bis August 2012 Einstiegsgeld gezahlt worden sei. Demnach habe der Beklagte sein Ermessen sachgerecht ausgeübt. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Einstiegsgeld hätten nicht vorgelegen.
Am 15.03.2013 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, Einstiegsgeld könne bis zu 24 Monate lang gewährt werden. Die Ablehnung sei inkonsequent gegenüber der zuvor erfolgten Bewilligung. Dem Beklagten sei früh bekannt gewesen, dass die Klägerin die Tätigkeit erst später aufgenommen habe. Es sei ein Widerspruch, wenn einerseits auf die bereits erfolgte Integration in den Arbeitsmarkt abgestellt werde, andererseits die fehlende Reduzierung der Hilfebedürftigkeit bemängelt werde. Eine Fortdauer der Hilfebedürftigkeit über einen erheblichen Zeitraum sei zudem im gebilligten Businessplan vorgesehen gewesen. Aus der Eingliederungsvereinbarung vom 04.06.2012 folge kein Verzicht der Klägerin auf eine längere Förderdauer beim Einstiegsgeld. Hinsichtlich der Bewilligung liege eine Ermessenreduzierung "auf Null" vor, da die Klägerin vorbildlich die Voraussetzungen des § 16b SGB II erfülle.
Die Klägerin beantragt:
Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 23.10.2012 und des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2013 Einstiegsgeld unter Berechnung nach der Einstiegsgeldverordnung zu gewähren.
Hilfsweise wird beantragt,
die genannten Bescheide aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Antrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf den Verwaltungsvorgang und den Widerspruchsbescheid. Das Ermessen sei sachgerecht ausgeübt worden, worauf im Widerspruchsbescheid hingewiesen worden sei.
Das Gericht hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts die Verwaltungsakte des Beklagten beigezogen. Am 25.04.2014 ist ein Erörterungstermin durchgeführt worden, auf dessen Protokoll Bezug genommen wird. Die mündliche Verhandlung hat am 19.09.2014 stattgefunden. Auch diesbezüglich wird auf das Protokoll Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Klage ist im Haupt- und Hilfsantrag zulässig, jedoch nur im Hilfsantrag begründet. Der als Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Hauptantrag (Vornahmeantrag im Sinne des § 131 Abs. 2 Satz 1 SGG) ist unbegründet (dazu 1.). Auf den ebenfalls als Verpflichtungsklage zulässigen Hilfsantrag (Bescheidungsantrag gemäß § 131 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 SGG) waren die angefochtenen Bescheide aufzuheben und der Beklagte zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsaufassung des Gerichts zu verpflichten (dazu 2.).
1.
Der als Vornahmeklage gestellte Hauptantrag der Klägerin ist unbegründet. Die Klägerin ist zwar im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG beschwert, denn die angefochtenen Bescheide sind ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig (dazu a.), die Sache ist jedoch nicht spruchreif (dazu b.).
a.
Die angefochtenen Bescheide sind ermessensfehlerhaft und rechtswidrig. Die Voraussetzungen der für die Gewährung von Einstiegsgeld im Zeitraum vom 01.09.2012 bis 28.02.2013 maßgebenden Ermächtigungsgrundlage § 16b SGB II (in der seit dem 01.04.2011 geltenden Fassung) in Verbindung mit § 16c Abs. 3 SGB II (in der seit dem 01.04.2012 geltenden Fassung) sind durch die Klägerin erfüllt (dazu aa. bis ee.), so dass das Ermessen des Beklagten eröffnet ist. Von diesem Ermessen im Sinne des § 39 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) hat der Beklagte nicht oder jedenfalls fehlerhaft Gebrauch gemacht (dazu ff.). Gemäß § 16b SGB II setzt die Gewährung von Einstiegsgeld voraus, dass die Leistungsempfängerin zunächst arbeitslos ist, dass die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang erfolgt ("bei Aufnahme") und die Leistungsgewährung zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich ist. Das Einstiegsgeld wird, soweit für diesen Zeitraum eine Erwerbstätigkeit besteht, für höchstens 24 Monate erbracht. Für die Gewährung von Einstiegsgeld bei Aufnahme selbstständiger Tätigkeiten ist gemäß § 16c Abs. 3 SGB II erforderlich, dass zu erwarten ist, dass die selbstständige Tätigkeit wirtschaftlich tragfähig ist und die Hilfebedürftigkeit durch die selbstständige Tätigkeit innerhalb eines angemessenen Zeitraums dauerhaft überwunden oder verringert wird. Zur Beurteilung der Tragfähigkeit der selbstständigen Tätigkeit soll die Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle verlangen.
aa.
Die Klägerin war bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit im September 2012 arbeitslos im Sinne des § 16b Abs. 1 Satz 1 SGB II. Eine Erwerbstätigkeit wurde seit längerem nicht ausgeübt. Zwischen dem beantragten Leistungszeitraum und der Aufnahme der Tätigkeit im Sinne von § 16b Abs. 1 Satz 1 SGB II bestand auch – anders als bei der Gewährung des Einstiegsgeldes im vorangegangenen 6-Monats-Zeitraum – ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang. Die Förderungshöchstdauer von 24 Monaten gemäß § 16b Abs. 2 SGB II steht einer Gewährung von Einstiegsgeld im hier streitigen Zeitraum nicht entgegen. Die Formulierung "zur Überwindung von Hilfebedürftigkeit" in § 16b Abs. 1 Satz 1 SGB II hat keine eigenständige Bedeutung (Thie, in: LPK-SGB II, 5. Aufl. 2013, § 16b Rn. 11; a.A. Hannes, in: Gagel, SGB II/SGB III, 54. EL 2014, § 16b Rn. 53 ff.).
bb.
Die Gewährung von Einstiegsgeld war im Rahmen der diesbezüglich vom Beklagten zu treffenden Prognoseentscheidung zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Unter Erforderlichkeit in diesem Sinne ist zu verstehen, dass "die Erwerbstätigkeit, während der das Einstiegsgeld geleistet wird, tatsächlich zur Entlastung der Sozialleistungssysteme bei Beschäftigungslosigkeit geeignet sein" muss (Thie, in: LPK-SGB II, 5. Aufl. 2013, § 16b Rn. 10). Es darf keine die öffentlichen Haushalte weniger belastende Leistung geben, durch die sich der gleiche Eingliederungserfolg erreichen lässt (Thie, ebd., m.w.N.; Leopold, juris-PK SGB II, 3. Aufl. 2012, § 16b Rn. 48, 55: "ultima ratio") und die gewünschte Eingliederung darf sich ohne Einstiegsgeld voraussichtlich nicht erreichen lassen (Hannes, in: Gagel, SGB II/SGB III, 54. EL 2014, § 16b Rn.64). Es ist also hier nach dem Bestehen alternativer Möglichkeiten der Arbeitsmarkteingliederung zu fragen. Der Beklagte selbst hat im Rahmen der sog. Fachlichen Feststellung zum Einstiegsgeld vom 22.02.2012 (Verwaltungsakte, Band III, erste Vorheftung, Bl. 18, unter 1.4) diese Voraussetzung im Hinblick auf das Existenzgründungsvorhaben der Klägerin angenommen. Die Bewertung des Beklagten ist angesichts der angegebenen Gründe, insbesondere des Lebensalters der Klägerin und der Sprachschwierigkeiten auch für das Gericht plausibel. Das Gericht schließt sich dieser Bewertung an. An dem Vorhaben der Klägerin und den Rahmenbedingungen hatte sich bis zur Entscheidung über den hier streitigen Antrag mit Bescheiden vom 23.10.2012 und 18.02.2013 nichts Maßgebendes geändert. Es handelte sich um das gleiche Gründungsvorhaben, das lediglich zeitlich verzögert umgesetzt wurde.
cc.
Ähnliches gilt für die Prognose zur wirtschaftlichen Tragfähigkeit des Vorhabens und zur voraussichtlichen Verringerung der Hilfebedürftigkeit. Unter Tragfähigkeit ist dabei zu verstehen, dass die Betriebseinnahmen die Betriebsausgaben im Sinne einer "schwarzen Null" decken müssen (Thie, a.a.O., § 16c Rn. 5). Darüber hinausgehend erfordert die Voraussetzung der Verringerung der Hilfebedürftigkeit, dass innerhalb eines bestimmten Zeitraums Überschüsse erzielt werden, die auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts angerechnet werden können (ebenso Thie, a.a.O.). Bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich dabei, dass nicht die Beseitigung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist, sondern deren prognostizierte Verringerung ausreicht. Bei Existenzgründungen ist für die Prognose ein Zeitraum von bis zu 24 Monaten in den Blick zu nehmen (Bundestags-Drs. 16/10810, S. 47). Die Tragfähigkeit und die voraussichtliche Verringerung der Hilfebedürftigkeit sind vom Beklagten in der Fachlichen Feststellung vom 22.02.2012 (ebenfalls unter 1.4) bejaht worden. Dies ist für das Gericht ebenfalls plausibel. Indiziell deutet hierauf auch die positive Stellungnahme der Lawaetz-Stiftung (Verwaltungsakte, Band III, erste Vorheftung, Bl. 24 ff.), einer fachkundigen Stelle im Sinne des § 16c Abs. 3 Satz 2 SGB II, hin. Maßgebliche Veränderungen gegenüber der am 22.02.2012 angestellten Prognose traten bis zu den angefochtenen Entscheidungen des Beklagten nicht ein. Die im Businessplan enthaltene Rentabilitätsvorschau vom 07.02.2012 (Verwaltungsakte, Band III, erste Vorheftung, Bl. 53 Rückseite) sah für die ersten fünf Monate nach Betriebsbeginn keine anrechenbaren Überschüsse vor. Auch zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 18.02.2013 war insofern prognosegemäß noch nicht mit Überschüssen zu rechnen.
dd.
Eine positive Entscheidung über den Antrag vom 29.08.2012 auf Einstiegsgeld war nicht deshalb von vornherein ausgeschlossen, weil bereits mit Bescheid vom 10.05.2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 08.06.2012 für einen vorausgegangenen Zeitraum ein Einstiegsgeld bewilligt worden war. Soweit das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (Beschl. v. 23.08.2011, Az. L 5 AS 309/11 B ER, juris, Rn. 23) davon ausgeht, dass Entscheidungen über eine Verlängerung des Einstiegsgeldes bereits deshalb nicht möglich sind, weil bereits bei der ersten Förderentscheidung bestandskräftig über die gesamte Förderdauer entschieden wird, steht dies jedenfalls im vorliegenden Fall einer positiven Entscheidung über den Antrag vom 29.08.2012 nicht entgegen. Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt betont nämlich (a.a.O., Rn. 21 f.), dass das Einstiegsgeld an den zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme einer Tätigkeit geknüpft ist und geht davon aus, dass spätere Verlängerungsentscheidungen gerade deshalb ausgeschlossen sind, weil im Zeitpunkt dieser Entscheidungen weder Arbeitslosigkeit der betreffenden Leistungsempfängerin vorliegt noch im zeitlichen Zusammenhang die Aufnahme einer Tätigkeit erfolgt. Dies unterscheidet sich grundlegend von der vorliegenden Konstellation, denn hier lag im Zeitpunkt der angefochtenen Behördenentscheidungen der anspruchsbegründende Übergang von der Arbeitslosigkeit zur Aufnahme einer Beschäftigung gerade erstmals vor. Die rechtswidrige Bewilligung von Einstiegsgeld für den vorangegangenen 6-Monats-Zeitraum kann keine Sperrwirkung für die Entscheidung über den hier streitgegenständlichen Antrag entfalten, wenn die Anknüpfungsvoraussetzungen erstmals vorlagen. Dies gilt insbesondere, wenn dem Beklagten wie hier schon vor der früheren Bewilligung bekannt war, dass die Aufnahme der Tätigkeit sich verzögern würde. Eine Kenntnis des Beklagten lag hier jedenfalls aufgrund der Widersprüche vom 10.03.2012 vor (Verwaltungsakte, Band II, Bl. 431 ff.) und zeigt sich auch darin, dass diesen Widersprüchen abgeholfen wurde.
ee.
Auch die Formulierungen in den Eingliederungsvereinbarungen vom 20.02.2012 und 04.06.2012/12.06.2012 ("maximal 6 Monate") stehen einer Gewährung von Einstiegsgeld im hier streitigen Zeitraum nicht entgegen. Auch diesbezüglich hat das Gericht erhebliche Bedenken, aus einem vorangegangenen rechtswidrigen Bezug von Einstiegsgeld auf eine Sperrwirkung für den Zeitraum zu schließen, in dem die Voraussetzungen erstmals vorliegen. Ausschlaggebend ist aber, dass der Eingliederungsvereinbarung bei sachgemäßer Auslegung in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB kein Verzicht der Klägerin auf ihren eventuellen Sozialleistungsanspruch auf Gewährung eines Einstiegsgeldes über sechs Monate hinaus entnommen werden kann. Die Regelung mit der Formulierung "maximal 6 Monate" befindet sich im Abschnitt mit den Zusagen des Beklagten. Ein Verzicht auf Weitergewährung ist nicht ausdrücklich genannt. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine derart weitgehende Regelung wie ein Sozialleistungsverzicht in der Eingliederungsvereinbarung ohne ausdrücklichen Hinweis und entsprechende Aufklärung enthalten sein soll. Dies gilt insbesondere, wenn das "ob" der Leistungsgewährung noch offen gehalten wird ("[ ] sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.").
ff.
Die aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage erforderliche Ermessensentscheidung des Beklagten ist gemessen an § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I nicht ermessensfehlerfrei und damit rechtswidrig. Das Gericht geht davon aus, dass vorliegend ein Ermessensnichtgebrauch vorliegt. Im Widerspruchsbescheid wird zwar ausgeführt, Ermessen sei sachgerecht ausgeübt worden. Der Ausgangsbescheid vom 23.10.2012 enthält aber keine Ermessenserwägungen. Letztlich beschäftigen sich auch im Widerspruchsbescheid vom 18.02.2013 alle individuell auf den Fall der Klägerin bezogenen Begründungselemente mit Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage in § 16b i.V.m. § 16c Abs. 3 SGB II, so dass jedenfalls nach der im Widerspruchsbescheid zum Ausdruck gebrachten Begründung keine Ermessensausübung vorliegt. Soweit auf das zuvor ohne Aufnahme der Tätigkeit gewährte Einstiegsgeld verwiesen wird, soll wohl ein tatbestandlicher Ausschlussgrund angeführt werden. Der Hinweis auf die bereits erfolgte Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt stellt die Tatbestandsvoraussetzung der Erforderlichkeit zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt in Abrede. Der Hinweis auf die zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht verringerte Hilfebedürftigkeit betrifft die zu den tatbestandlichen Voraussetzungen gehörende Prognose gemäß § 16c Ab. 3 SGB II zur Tragfähigkeit und Verringerung der Hilfebedürftigkeit. Der Gesichtspunkt des Ausschlusses durch die Eingliederungsvereinbarung postuliert einen Ausschlussgrund, der ebenfalls dem Ermessen vorgelagert ist. Dass der Beklagte bei der Widerspruchsentscheidung das Ermessen tatsächlich nicht als eröffnet ansah, kommt schließlich in dem Schlusssatz zum Ausdruck, die Voraussetzungen für die Bewilligung von Einstiegsgeld hätten nicht vorgelegen.
Aber auch wenn man davon ausgeht, dass die im Widerspruchsbescheid enthaltenen Begründungselemente echte oder hilfsweise angestellte Ermessenserwägungen darstellen, ist die Entscheidung ermessensfehlerhaft und rechtswidrig, da sie überwiegend und damit maßgeblich durch sachwidrige Erwägungen geprägt ist. Soweit der Beklagte auf die vorangegangene Bewilligung von Einstiegsgeld verweist, kann dies keine dem Zweck der Ermächtigung entsprechende Ermessenerwägung sein. Das Einstiegsgeld für März bis August 2012 dürfte rechtswidrig gewährt worden sein. Zur Behandlung derartiger fehlerhafter Entscheidungen steht dem Beklagten ein Vorgehen gemäß §§ 45, 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) unter Berücksichtigung eventuell eingreifender Vertrauensschutzregelungen zur Verfügung. Das ausdifferenzierte Regelungssystem der §§ 45, 48 SGB X kann nicht dadurch umgangen werden, dass dieser Gesichtspunkt bei der erstmals rechtmäßig eröffneten Ermessenentscheidung für den späteren Zeitraum zulasten der Klägerin herangezogen wird. Es ist zudem zu berücksichtigen, dass auch die mit § 16b SGB II verfolgte Anreizfunktion (vgl. Thie, in: LPK-SGB II, 5. Aufl. 2013, § 16b Rn. 12 und 1, Leopold, in: juris-PK, 3. Aufl. 2012, § 16b Rn. 4; Hannes, in: Gagel, SGB II/SGB III, 54. EL 2014, § 16b Rn. 7, jeweils m.w.N. zur vom Gesetzgeber bezweckten Anreizfunktion) gerade bei der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit und in der ersten Zeit der Tätigkeit von Bedeutung ist. In dieser Zeit werden die größten mit der Selbstständigkeit verbundenen wirtschaftlichen Risiken übernommen, die eingeworbenen Geldmittel werden in Betriebsmittel umgewandelt, so dass gerade in dieser Zeit die Anreizfunktion von erheblicher Bedeutung ist. Diesen Zweck der Ermächtigung hat der Beklagte allerdings gar nicht erwähnt.
Der Verweis auf die zum 13.09.2012 bereits erfolgte Eingliederung der Klägerin in den Arbeitsmarkt stellt sich bereits deswegen als sachwidrig dar, weil es insoweit auf den Zeitpunkt der Antragstellung am 29.08.2012 ankommt. Dieser lag vor der Aufnahme der Tätigkeit.
Die Heranziehung der Formulierung "maximal 6 Monate" in den geschlossenen Eingliederungsvereinbarungen stellt sich als sachwidrig dar, soweit man dies als Ermessenserwägung ansieht. Auch insoweit kann der gewählten Formulierung im Gesamtzusammenhang kein wirksamer Verzicht entnommen werden.
b.
Die Sache ist jedoch nicht spruchreif im Sinne des § 131 Abs. 2 Satz 1 SGG. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Beklagte die neu zu treffende Ermessensentscheidung nur im Sinne einer Bewilligung von Einstiegsgeld für den Zeitraum 01.09.2012 bis 28.02.2013 fehlerfrei treffen könnte (Ermessensreduzierung "auf Null"). Dies würde erfordern, dass keine dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Ermessenserwägungen denkbar sind, die eine verhältnismäßige und dem Gleichbehandlungsgebot des Artikels 3 Grundgesetz entsprechende, ablehnende Entscheidung tragen könnten. Insoweit unterliegt der Beklagte bei der neu zu treffenden Entscheidung durchaus erheblichen Bindungen sowohl beim Entschließungs- als auch beim Auswahlermessen (dazu noch unten 2). Allerdings bleibt dem Beklagten ein Restspielraum erhalten.
Dieser Spielraum ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber den Jobcentern jedenfalls ein – auch von den Gerichten zu beachtendes – Bewirtschaftungsermessen hinsichtlich der für die verschiedenen Fördermaßnahmen der §§ 16 ff. SGB II zur Verfügung stehenden Mittel eingeräumt hat (ebenso Leopold, in: juris-PK SGB II, 3. Aufl. 2012, § 16b Rn. 70; Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand: 08/2010, § 16b Rn. 128). Etwas anderes kann vor dem Hintergrund, dass die Fördermaßnahmen der §§ 16 ff. SGB II nahezu ausschließlich als Ermessensleistungen ausgestaltet sind, nicht angenommen werden. Es kommt damit zumindest in Betracht, dass der Beklagte im Rahmen der neu zu treffenden Entscheidung zulässigerweise Erwägungen anstellen kann, die sich aus der sachgemäßen und nachvollziehbaren Bewirtschaftung der für die Gewährung von Einstiegsgeld zur Verfügung stehenden Mittel ergeben und die einer Bewilligung im vorliegenden Fall entgegenstehen. Zu solchen Erwägungen wären die betreffenden Bewirtschaftungsgrundsätze transparent darzulegen.
2.
Auf den Hilfsantrag waren gemäß § 131 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 SGG die angefochtenen Bescheide aufzuheben und der Beklagte zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsaufassung des Gerichts zu verpflichten. Die angefochtenen Bescheide sind – wie oben unter 1.a. ausführlich dargelegt – ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig. Auch wenn dem Beklagten ein Restspielraum verbleibt (s.o. 1.b.), unterliegt er bei der neu zu treffenden Entscheidung erheblichen Bindungen sowohl beim Entschließungs- als auch beim Auswahlermessen.
Der Beklagte wird bei der neu zu treffenden Entscheidung zunächst zu beachten haben, dass sich die bisher vorgebrachten Begründungselemente (soweit es sich um Ermessenserwägungen handeln sollte) weit überwiegend als sachwidrige Erwägungen darstellen (s.o. unter 1.a.ff.). Weiterhin wird zu beachten sein, dass sich aus der Vorschrift des § 16b SGB II nahezu ein intendiertes (Entschließungs-) Ermessen zugunsten der Leistungsgewährung bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen ergibt. Die Leistung ist im Regelfall zu gewähren, solange nicht ein erheblich über dem Bedarf liegendes Einkommen erwirtschaftet wird, insbesondere aber auch daraus, dass das Gesetz ohnehin schon sehr enge Voraussetzungen für die Gewährung von Einstiegsgeld vorsieht (ähnlich, aber wohl einen größeren Spielraum annehmend: Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand: 08/2010, § 16b Rn. 126). Aus der Voraussetzung der Erforderlichkeit zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt ergibt sich, dass für die betreffende Person keine alternative Eingliederungsmaßnahme zur Verfügung stehen darf, welche die öffentlichen Haushalte weniger belastet und den gleichen Eingliederungserfolg verspricht. Ohne das Einstiegsgeld darf die beabsichtigte Eingliederung nicht zu erwarten sein. Die Voraussetzung der prognostizierten Verringerung der Hilfebedürftigkeit aus § 16c Abs. 3 SGB II stellt gleichzeitig sicher, dass von einem gewissen Eingliederungserfolg auszugehen ist. Angesichts des gesetzlichen Auftrags der Grundsicherungsträger, wie er in § 1 Abs. 2 SGB II formuliert ist, dürfte eine vollständige Ablehnung von Einstiegsgeld bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen nur in Betracht kommen, wenn ein atypischer Sachverhalt vorliegt, mit einer kostenaufwändigeren Maßnahme ein gleichwertiger oder besserer Eingliederungserfolg erzielt werden kann und der Grundsicherungsträger bereit ist, diese Leistung zu gewähren, oder wenn eine sachgemäße und gleichmäßige Bewirtschaftung der für Eingliederungsmaßnahmen zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel durch den Grundsicherungsträger eine Gewährung von Einstiegsgeld im Einzelfall nicht zulässt. Häufig genannte sonstige Gesichtspunkte wie z.B. die Vermeidung von Mitnahmeeffekten sind dem Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit zuzuordnen.
Hinsichtlich des Auswahlermessens (Leistungsdauer und –höhe) wird der Beklagte zu beachten haben, dass eine unter Umständen erfolgende Bewilligung von Einstiegsgeld für weniger als sechs Monate ab dem Monat der Aufnahme der Tätigkeit aus Gründen des Artikels 3 Abs. 1 Grundgesetz nur in Betracht kommen dürfte, wenn dies vom Beklagten auch in anderen Einzelfällen praktiziert wird, nicht jedoch, wenn standardmäßig Erstbewilligungen für sechs Monate erfolgen. Hinsichtlich der Höhe ist das Ermessen durch die Einstiegsgeldverordnung (hier insbesondere auch § 1 Abs. 3 der Verordnung: Ergänzungsbetrag) beschränkt. II. Das Verfahren ist für die Klägerin gerichtskostenfrei. Die Entscheidung zu den außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Rechtsstreits, insbesondere die Tatsache, dass das Gericht nur einen sehr geringen Ermessensspielraum des Beklagten für die neu zu treffende Entscheidung sieht.
2. Der Beklagte wird verurteilt, den Antrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
3. Der Beklagte trägt 70 Prozent der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Die Klägerin ist in XXX geboren und besitzt die norwegische Staatsangehörigkeit. Sie begehrt die Verpflichtung des beklagten Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zur Gewährung von Einstiegsgeld für einen 6-Monats-Zeitraum, nachdem sie bereits für die vorangegangenen sechs Monate Einstiegsgeld für eine selbstständige Tätigkeit erhalten hatte, die Tätigkeit jedoch noch nicht aufgenommen hatte.
Die Klägerin bezieht seit 2007 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, teilweise unter Anrechnung von Erwerbseinkommen. Spätestens seit Herbst 2011 beabsichtigte die Klägerin, sich mit einem Modegeschäft selbstständig zu machen. Sie beantragte beim Beklagten am 24.10.2011 Leistungen zur Förderung der Selbstständigkeit, insbesondere die Gewährung von Einstiegsgeld sowie von Förderleistungen nach § 16c SGB II als Zuschuss und Darlehen. In diesem Zuge erstellte Sie u.a. einen Businessplan, der beim Beklagten eingereicht wurde. Weiterhin reichte sie eine positive Stellungnahme der Lawaetz-Stiftung zu ihrem Existenzgründungsvorhaben ein. In den im Februar 2012 eingereichten Antragsformularen wurde der 01.03.2012 als voraussichtlicher Beginn der selbstständigen Tätigkeit angegeben.
Am 20.02.2012 schlossen die Klägerin und der Beklagte eine Eingliederungsvereinbarung, in der die Förderung der Selbstständigkeit der Klägerin vereinbart wurde. Zu den Förderleistungen wurde insb. geregelt: "[Der Beklagte] gewährt Ihnen Einstiegsgeld gem. § 16b SGB II für maximal 6 Monate, in Höhe von monatlich 50% Ihrer Regelleistung, zur Förderung der Existenzgründung, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind und die erforderlichen Unterlagen vorliegen."
Im Rahmen einer so genannten Fachlichen Feststellung hielt der Beklagte am 22.02.2012 fest, Einstiegsgeld sei dem Grunde nach zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich und die Hilfebedürftigkeit werde überwunden. Die Fachliche Feststellung führte zur Begründung aus, die Bewilligung der Leistungen erfolge noch unter Vorbehalt, da die Bewilligung der BASFI über das Kleinstkreditprogramm in Höhe von 10.300,- Euro noch ausstehe. Die Klägerin verfüge über die nötigen Qualifikationen, um ein Geschäft wie das geplante erfolgreich zu führen, da sie bereits in den 1990er Jahren über vier Jahre einen ähnlichen Laden in N. hatte, welcher aus privaten Gründen geschlossen wurde. Um sich mit den kaufmännischen Gegebenheiten in Deutschland vertraut zu machen, habe die Klägerin an einem sechswöchigen "VZ-Seminar" erfolgreich teilgenommen. Sie befinde sich seit 2007 im ALG II-Bezug. Aufgrund ihrer Vita und der Sprachschwierigkeiten sei es für sie schwierig, eine Anstellung auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden. Mit dem Laden habe sie die Chance, wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Die vollständige Loslösung aus dem Leistungsbezug sei spätestens im Juli 2013 zu erwarten. Mit Hilfe des Einstiegsgeldes könne sie zusätzliche Werbeaktionen starten, was zu einer schnelleren Lösung aus dem Leistungsbezug führen könne.
Mit Bescheid vom 06.03.2012 hob der Beklagte die laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt gegenüber der Klägerin zum 01.03.2012 vollständig auf, weil ihr wegen der begonnenen selbstständigen Tätigkeit Leistungen nur noch vorläufig bewilligt werden könnten. Mit Bescheiden vom gleichen Tag bewilligte der Beklagte vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 01.03.2012 bis 30.04.2012 bzw. vom 01.05.2012 bis 31.10.2012. Mit mehreren Schreiben vom 10.03.2012 erhob die Klägerin gegen die am 06.03.2012 erlassenen Bescheide Widerspruch. Zur Begründung wurde jeweils im Wesentlichen ausgeführt, es entspreche nicht den Tatsachen, dass die Klägerin zum 01.03.2012 eine selbstständige gewerbliche Tätigkeit aufgenommen habe. Über die entsprechenden Förderanträge habe der Beklagte noch nicht entschieden, so dass die Klägerin die Tätigkeit noch nicht habe beginnen können. Dies sei dem Beklagten auch bekannt. Den Widersprüchen wurde abgeholfen.
Mit Bescheid vom 10.05.2012 bewilligte der Beklagte Einstiegsgeld für den Zeitraum vom 01.03.2012 bis 31.08.2012. Dieser Bescheid wurde mit Änderungsbescheid vom 08.06.2012 hinsichtlich der Leistungshöhe abgeändert. Bewilligt wurden nunmehr für alle Monate im Zeitraum 01.03.2012 bis 31.08.2012 je 261,80 Euro.
Mit Unterschriften vom 04.06.2012 bzw. 12.06.2012 schlossen der Beklagte und die Klägerin eine neue Eingliederungsvereinbarung. Hinsichtlich der zugesagten Förderleistungen durch den Beklagten wurde der Text der Eingliederungsvereinbarung vom 20.02.2012 wiederholt, wobei für die Höhe des Einstiegsgeldes abweichend "monatlich 50% Ihrer Regelleistung und 20% Ihrer Regelleistung als Ergänzungsbetrag" vereinbart wurde. Mit Mietvertrag vom 28.08.2012 mietete die Klägerin Geschäftsräume an, deren Übergabe spätestens für den 30.09.2012 vereinbart wurde.
Am 29.08.2012 beantragte die Klägerin die Gewährung von Einstiegsgeld für weitere sechs Monate. Die Klägerin begann ihre selbstständige Tätigkeit im September 2012. Mit Bescheid vom 23.10.2012 lehnte der Beklagte den Antrag vom 29.08.2012 auf Gewährung von Einstiegsgeld ab. Zur Begründung wurde angegeben, die Klägerin habe in der Zeit vom 01.03.2012 bis zum 31.08.2012 bereits Einstiegsgeld für Ihre Selbstständigkeit erhalten. Eine Verlängerung oder erneute Bewilligung sei ausgeschlossen. Mit Schreiben vom 31.10.2012 erhob die Klägerin Widerspruch. Es sei unzutreffend, dass eine weitere Förderung ausgeschlossen sei. Eine mehrfache Förderung sei nacheinander möglich bis zu einer Gesamtdauer von 24 Monaten. Der Beklagte habe nicht geprüft, ob die Voraussetzungen der einschlägigen Vorschriften vorlägen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.02.2013 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung verwies er auf den Ermessencharakter der Leistungsvorschrift § 16b SGB II, auf den Wortlaut des § 39 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), sowie auf fachliche Hinweise der Bundesagentur für Arbeit zum Einstiegsgeld. Die Klägerin habe in der Zeit vom 01.03.2012 bis 31.08.2012 Einstiegsgeld erhalten, habe in dieser Zeit aber eine selbstständige Tätigkeit nicht aufgenommen. Die Widerspruchsführerin sei ab dem 13.09.2012, dem Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit, in den allgemeinen Arbeitsmarkt integriert. Eine erneute Unterstützung sei zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr erforderlich gewesen. Die Hilfebedürftigkeit sei durch die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit bisher nicht verringert worden. Letztlich stünde die Eingliederungsvereinbarung vom 04.06.2012 einer zweiten Bewilligung von Einstiegsgeld entgegen. Zwischen den Parteien sei ausdrücklich vereinbart worden, dass Einstiegsgeld für maximal sechs Monate geleistet werden solle. Dies sei vollzogen worden, indem für die Monate März 2012 bis August 2012 Einstiegsgeld gezahlt worden sei. Demnach habe der Beklagte sein Ermessen sachgerecht ausgeübt. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Einstiegsgeld hätten nicht vorgelegen.
Am 15.03.2013 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, Einstiegsgeld könne bis zu 24 Monate lang gewährt werden. Die Ablehnung sei inkonsequent gegenüber der zuvor erfolgten Bewilligung. Dem Beklagten sei früh bekannt gewesen, dass die Klägerin die Tätigkeit erst später aufgenommen habe. Es sei ein Widerspruch, wenn einerseits auf die bereits erfolgte Integration in den Arbeitsmarkt abgestellt werde, andererseits die fehlende Reduzierung der Hilfebedürftigkeit bemängelt werde. Eine Fortdauer der Hilfebedürftigkeit über einen erheblichen Zeitraum sei zudem im gebilligten Businessplan vorgesehen gewesen. Aus der Eingliederungsvereinbarung vom 04.06.2012 folge kein Verzicht der Klägerin auf eine längere Förderdauer beim Einstiegsgeld. Hinsichtlich der Bewilligung liege eine Ermessenreduzierung "auf Null" vor, da die Klägerin vorbildlich die Voraussetzungen des § 16b SGB II erfülle.
Die Klägerin beantragt:
Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 23.10.2012 und des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2013 Einstiegsgeld unter Berechnung nach der Einstiegsgeldverordnung zu gewähren.
Hilfsweise wird beantragt,
die genannten Bescheide aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Antrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf den Verwaltungsvorgang und den Widerspruchsbescheid. Das Ermessen sei sachgerecht ausgeübt worden, worauf im Widerspruchsbescheid hingewiesen worden sei.
Das Gericht hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts die Verwaltungsakte des Beklagten beigezogen. Am 25.04.2014 ist ein Erörterungstermin durchgeführt worden, auf dessen Protokoll Bezug genommen wird. Die mündliche Verhandlung hat am 19.09.2014 stattgefunden. Auch diesbezüglich wird auf das Protokoll Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Klage ist im Haupt- und Hilfsantrag zulässig, jedoch nur im Hilfsantrag begründet. Der als Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Hauptantrag (Vornahmeantrag im Sinne des § 131 Abs. 2 Satz 1 SGG) ist unbegründet (dazu 1.). Auf den ebenfalls als Verpflichtungsklage zulässigen Hilfsantrag (Bescheidungsantrag gemäß § 131 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 SGG) waren die angefochtenen Bescheide aufzuheben und der Beklagte zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsaufassung des Gerichts zu verpflichten (dazu 2.).
1.
Der als Vornahmeklage gestellte Hauptantrag der Klägerin ist unbegründet. Die Klägerin ist zwar im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG beschwert, denn die angefochtenen Bescheide sind ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig (dazu a.), die Sache ist jedoch nicht spruchreif (dazu b.).
a.
Die angefochtenen Bescheide sind ermessensfehlerhaft und rechtswidrig. Die Voraussetzungen der für die Gewährung von Einstiegsgeld im Zeitraum vom 01.09.2012 bis 28.02.2013 maßgebenden Ermächtigungsgrundlage § 16b SGB II (in der seit dem 01.04.2011 geltenden Fassung) in Verbindung mit § 16c Abs. 3 SGB II (in der seit dem 01.04.2012 geltenden Fassung) sind durch die Klägerin erfüllt (dazu aa. bis ee.), so dass das Ermessen des Beklagten eröffnet ist. Von diesem Ermessen im Sinne des § 39 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) hat der Beklagte nicht oder jedenfalls fehlerhaft Gebrauch gemacht (dazu ff.). Gemäß § 16b SGB II setzt die Gewährung von Einstiegsgeld voraus, dass die Leistungsempfängerin zunächst arbeitslos ist, dass die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang erfolgt ("bei Aufnahme") und die Leistungsgewährung zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich ist. Das Einstiegsgeld wird, soweit für diesen Zeitraum eine Erwerbstätigkeit besteht, für höchstens 24 Monate erbracht. Für die Gewährung von Einstiegsgeld bei Aufnahme selbstständiger Tätigkeiten ist gemäß § 16c Abs. 3 SGB II erforderlich, dass zu erwarten ist, dass die selbstständige Tätigkeit wirtschaftlich tragfähig ist und die Hilfebedürftigkeit durch die selbstständige Tätigkeit innerhalb eines angemessenen Zeitraums dauerhaft überwunden oder verringert wird. Zur Beurteilung der Tragfähigkeit der selbstständigen Tätigkeit soll die Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle verlangen.
aa.
Die Klägerin war bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit im September 2012 arbeitslos im Sinne des § 16b Abs. 1 Satz 1 SGB II. Eine Erwerbstätigkeit wurde seit längerem nicht ausgeübt. Zwischen dem beantragten Leistungszeitraum und der Aufnahme der Tätigkeit im Sinne von § 16b Abs. 1 Satz 1 SGB II bestand auch – anders als bei der Gewährung des Einstiegsgeldes im vorangegangenen 6-Monats-Zeitraum – ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang. Die Förderungshöchstdauer von 24 Monaten gemäß § 16b Abs. 2 SGB II steht einer Gewährung von Einstiegsgeld im hier streitigen Zeitraum nicht entgegen. Die Formulierung "zur Überwindung von Hilfebedürftigkeit" in § 16b Abs. 1 Satz 1 SGB II hat keine eigenständige Bedeutung (Thie, in: LPK-SGB II, 5. Aufl. 2013, § 16b Rn. 11; a.A. Hannes, in: Gagel, SGB II/SGB III, 54. EL 2014, § 16b Rn. 53 ff.).
bb.
Die Gewährung von Einstiegsgeld war im Rahmen der diesbezüglich vom Beklagten zu treffenden Prognoseentscheidung zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Unter Erforderlichkeit in diesem Sinne ist zu verstehen, dass "die Erwerbstätigkeit, während der das Einstiegsgeld geleistet wird, tatsächlich zur Entlastung der Sozialleistungssysteme bei Beschäftigungslosigkeit geeignet sein" muss (Thie, in: LPK-SGB II, 5. Aufl. 2013, § 16b Rn. 10). Es darf keine die öffentlichen Haushalte weniger belastende Leistung geben, durch die sich der gleiche Eingliederungserfolg erreichen lässt (Thie, ebd., m.w.N.; Leopold, juris-PK SGB II, 3. Aufl. 2012, § 16b Rn. 48, 55: "ultima ratio") und die gewünschte Eingliederung darf sich ohne Einstiegsgeld voraussichtlich nicht erreichen lassen (Hannes, in: Gagel, SGB II/SGB III, 54. EL 2014, § 16b Rn.64). Es ist also hier nach dem Bestehen alternativer Möglichkeiten der Arbeitsmarkteingliederung zu fragen. Der Beklagte selbst hat im Rahmen der sog. Fachlichen Feststellung zum Einstiegsgeld vom 22.02.2012 (Verwaltungsakte, Band III, erste Vorheftung, Bl. 18, unter 1.4) diese Voraussetzung im Hinblick auf das Existenzgründungsvorhaben der Klägerin angenommen. Die Bewertung des Beklagten ist angesichts der angegebenen Gründe, insbesondere des Lebensalters der Klägerin und der Sprachschwierigkeiten auch für das Gericht plausibel. Das Gericht schließt sich dieser Bewertung an. An dem Vorhaben der Klägerin und den Rahmenbedingungen hatte sich bis zur Entscheidung über den hier streitigen Antrag mit Bescheiden vom 23.10.2012 und 18.02.2013 nichts Maßgebendes geändert. Es handelte sich um das gleiche Gründungsvorhaben, das lediglich zeitlich verzögert umgesetzt wurde.
cc.
Ähnliches gilt für die Prognose zur wirtschaftlichen Tragfähigkeit des Vorhabens und zur voraussichtlichen Verringerung der Hilfebedürftigkeit. Unter Tragfähigkeit ist dabei zu verstehen, dass die Betriebseinnahmen die Betriebsausgaben im Sinne einer "schwarzen Null" decken müssen (Thie, a.a.O., § 16c Rn. 5). Darüber hinausgehend erfordert die Voraussetzung der Verringerung der Hilfebedürftigkeit, dass innerhalb eines bestimmten Zeitraums Überschüsse erzielt werden, die auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts angerechnet werden können (ebenso Thie, a.a.O.). Bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich dabei, dass nicht die Beseitigung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist, sondern deren prognostizierte Verringerung ausreicht. Bei Existenzgründungen ist für die Prognose ein Zeitraum von bis zu 24 Monaten in den Blick zu nehmen (Bundestags-Drs. 16/10810, S. 47). Die Tragfähigkeit und die voraussichtliche Verringerung der Hilfebedürftigkeit sind vom Beklagten in der Fachlichen Feststellung vom 22.02.2012 (ebenfalls unter 1.4) bejaht worden. Dies ist für das Gericht ebenfalls plausibel. Indiziell deutet hierauf auch die positive Stellungnahme der Lawaetz-Stiftung (Verwaltungsakte, Band III, erste Vorheftung, Bl. 24 ff.), einer fachkundigen Stelle im Sinne des § 16c Abs. 3 Satz 2 SGB II, hin. Maßgebliche Veränderungen gegenüber der am 22.02.2012 angestellten Prognose traten bis zu den angefochtenen Entscheidungen des Beklagten nicht ein. Die im Businessplan enthaltene Rentabilitätsvorschau vom 07.02.2012 (Verwaltungsakte, Band III, erste Vorheftung, Bl. 53 Rückseite) sah für die ersten fünf Monate nach Betriebsbeginn keine anrechenbaren Überschüsse vor. Auch zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 18.02.2013 war insofern prognosegemäß noch nicht mit Überschüssen zu rechnen.
dd.
Eine positive Entscheidung über den Antrag vom 29.08.2012 auf Einstiegsgeld war nicht deshalb von vornherein ausgeschlossen, weil bereits mit Bescheid vom 10.05.2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 08.06.2012 für einen vorausgegangenen Zeitraum ein Einstiegsgeld bewilligt worden war. Soweit das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (Beschl. v. 23.08.2011, Az. L 5 AS 309/11 B ER, juris, Rn. 23) davon ausgeht, dass Entscheidungen über eine Verlängerung des Einstiegsgeldes bereits deshalb nicht möglich sind, weil bereits bei der ersten Förderentscheidung bestandskräftig über die gesamte Förderdauer entschieden wird, steht dies jedenfalls im vorliegenden Fall einer positiven Entscheidung über den Antrag vom 29.08.2012 nicht entgegen. Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt betont nämlich (a.a.O., Rn. 21 f.), dass das Einstiegsgeld an den zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme einer Tätigkeit geknüpft ist und geht davon aus, dass spätere Verlängerungsentscheidungen gerade deshalb ausgeschlossen sind, weil im Zeitpunkt dieser Entscheidungen weder Arbeitslosigkeit der betreffenden Leistungsempfängerin vorliegt noch im zeitlichen Zusammenhang die Aufnahme einer Tätigkeit erfolgt. Dies unterscheidet sich grundlegend von der vorliegenden Konstellation, denn hier lag im Zeitpunkt der angefochtenen Behördenentscheidungen der anspruchsbegründende Übergang von der Arbeitslosigkeit zur Aufnahme einer Beschäftigung gerade erstmals vor. Die rechtswidrige Bewilligung von Einstiegsgeld für den vorangegangenen 6-Monats-Zeitraum kann keine Sperrwirkung für die Entscheidung über den hier streitgegenständlichen Antrag entfalten, wenn die Anknüpfungsvoraussetzungen erstmals vorlagen. Dies gilt insbesondere, wenn dem Beklagten wie hier schon vor der früheren Bewilligung bekannt war, dass die Aufnahme der Tätigkeit sich verzögern würde. Eine Kenntnis des Beklagten lag hier jedenfalls aufgrund der Widersprüche vom 10.03.2012 vor (Verwaltungsakte, Band II, Bl. 431 ff.) und zeigt sich auch darin, dass diesen Widersprüchen abgeholfen wurde.
ee.
Auch die Formulierungen in den Eingliederungsvereinbarungen vom 20.02.2012 und 04.06.2012/12.06.2012 ("maximal 6 Monate") stehen einer Gewährung von Einstiegsgeld im hier streitigen Zeitraum nicht entgegen. Auch diesbezüglich hat das Gericht erhebliche Bedenken, aus einem vorangegangenen rechtswidrigen Bezug von Einstiegsgeld auf eine Sperrwirkung für den Zeitraum zu schließen, in dem die Voraussetzungen erstmals vorliegen. Ausschlaggebend ist aber, dass der Eingliederungsvereinbarung bei sachgemäßer Auslegung in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB kein Verzicht der Klägerin auf ihren eventuellen Sozialleistungsanspruch auf Gewährung eines Einstiegsgeldes über sechs Monate hinaus entnommen werden kann. Die Regelung mit der Formulierung "maximal 6 Monate" befindet sich im Abschnitt mit den Zusagen des Beklagten. Ein Verzicht auf Weitergewährung ist nicht ausdrücklich genannt. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine derart weitgehende Regelung wie ein Sozialleistungsverzicht in der Eingliederungsvereinbarung ohne ausdrücklichen Hinweis und entsprechende Aufklärung enthalten sein soll. Dies gilt insbesondere, wenn das "ob" der Leistungsgewährung noch offen gehalten wird ("[ ] sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.").
ff.
Die aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage erforderliche Ermessensentscheidung des Beklagten ist gemessen an § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I nicht ermessensfehlerfrei und damit rechtswidrig. Das Gericht geht davon aus, dass vorliegend ein Ermessensnichtgebrauch vorliegt. Im Widerspruchsbescheid wird zwar ausgeführt, Ermessen sei sachgerecht ausgeübt worden. Der Ausgangsbescheid vom 23.10.2012 enthält aber keine Ermessenserwägungen. Letztlich beschäftigen sich auch im Widerspruchsbescheid vom 18.02.2013 alle individuell auf den Fall der Klägerin bezogenen Begründungselemente mit Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage in § 16b i.V.m. § 16c Abs. 3 SGB II, so dass jedenfalls nach der im Widerspruchsbescheid zum Ausdruck gebrachten Begründung keine Ermessensausübung vorliegt. Soweit auf das zuvor ohne Aufnahme der Tätigkeit gewährte Einstiegsgeld verwiesen wird, soll wohl ein tatbestandlicher Ausschlussgrund angeführt werden. Der Hinweis auf die bereits erfolgte Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt stellt die Tatbestandsvoraussetzung der Erforderlichkeit zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt in Abrede. Der Hinweis auf die zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht verringerte Hilfebedürftigkeit betrifft die zu den tatbestandlichen Voraussetzungen gehörende Prognose gemäß § 16c Ab. 3 SGB II zur Tragfähigkeit und Verringerung der Hilfebedürftigkeit. Der Gesichtspunkt des Ausschlusses durch die Eingliederungsvereinbarung postuliert einen Ausschlussgrund, der ebenfalls dem Ermessen vorgelagert ist. Dass der Beklagte bei der Widerspruchsentscheidung das Ermessen tatsächlich nicht als eröffnet ansah, kommt schließlich in dem Schlusssatz zum Ausdruck, die Voraussetzungen für die Bewilligung von Einstiegsgeld hätten nicht vorgelegen.
Aber auch wenn man davon ausgeht, dass die im Widerspruchsbescheid enthaltenen Begründungselemente echte oder hilfsweise angestellte Ermessenserwägungen darstellen, ist die Entscheidung ermessensfehlerhaft und rechtswidrig, da sie überwiegend und damit maßgeblich durch sachwidrige Erwägungen geprägt ist. Soweit der Beklagte auf die vorangegangene Bewilligung von Einstiegsgeld verweist, kann dies keine dem Zweck der Ermächtigung entsprechende Ermessenerwägung sein. Das Einstiegsgeld für März bis August 2012 dürfte rechtswidrig gewährt worden sein. Zur Behandlung derartiger fehlerhafter Entscheidungen steht dem Beklagten ein Vorgehen gemäß §§ 45, 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) unter Berücksichtigung eventuell eingreifender Vertrauensschutzregelungen zur Verfügung. Das ausdifferenzierte Regelungssystem der §§ 45, 48 SGB X kann nicht dadurch umgangen werden, dass dieser Gesichtspunkt bei der erstmals rechtmäßig eröffneten Ermessenentscheidung für den späteren Zeitraum zulasten der Klägerin herangezogen wird. Es ist zudem zu berücksichtigen, dass auch die mit § 16b SGB II verfolgte Anreizfunktion (vgl. Thie, in: LPK-SGB II, 5. Aufl. 2013, § 16b Rn. 12 und 1, Leopold, in: juris-PK, 3. Aufl. 2012, § 16b Rn. 4; Hannes, in: Gagel, SGB II/SGB III, 54. EL 2014, § 16b Rn. 7, jeweils m.w.N. zur vom Gesetzgeber bezweckten Anreizfunktion) gerade bei der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit und in der ersten Zeit der Tätigkeit von Bedeutung ist. In dieser Zeit werden die größten mit der Selbstständigkeit verbundenen wirtschaftlichen Risiken übernommen, die eingeworbenen Geldmittel werden in Betriebsmittel umgewandelt, so dass gerade in dieser Zeit die Anreizfunktion von erheblicher Bedeutung ist. Diesen Zweck der Ermächtigung hat der Beklagte allerdings gar nicht erwähnt.
Der Verweis auf die zum 13.09.2012 bereits erfolgte Eingliederung der Klägerin in den Arbeitsmarkt stellt sich bereits deswegen als sachwidrig dar, weil es insoweit auf den Zeitpunkt der Antragstellung am 29.08.2012 ankommt. Dieser lag vor der Aufnahme der Tätigkeit.
Die Heranziehung der Formulierung "maximal 6 Monate" in den geschlossenen Eingliederungsvereinbarungen stellt sich als sachwidrig dar, soweit man dies als Ermessenserwägung ansieht. Auch insoweit kann der gewählten Formulierung im Gesamtzusammenhang kein wirksamer Verzicht entnommen werden.
b.
Die Sache ist jedoch nicht spruchreif im Sinne des § 131 Abs. 2 Satz 1 SGG. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Beklagte die neu zu treffende Ermessensentscheidung nur im Sinne einer Bewilligung von Einstiegsgeld für den Zeitraum 01.09.2012 bis 28.02.2013 fehlerfrei treffen könnte (Ermessensreduzierung "auf Null"). Dies würde erfordern, dass keine dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Ermessenserwägungen denkbar sind, die eine verhältnismäßige und dem Gleichbehandlungsgebot des Artikels 3 Grundgesetz entsprechende, ablehnende Entscheidung tragen könnten. Insoweit unterliegt der Beklagte bei der neu zu treffenden Entscheidung durchaus erheblichen Bindungen sowohl beim Entschließungs- als auch beim Auswahlermessen (dazu noch unten 2). Allerdings bleibt dem Beklagten ein Restspielraum erhalten.
Dieser Spielraum ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber den Jobcentern jedenfalls ein – auch von den Gerichten zu beachtendes – Bewirtschaftungsermessen hinsichtlich der für die verschiedenen Fördermaßnahmen der §§ 16 ff. SGB II zur Verfügung stehenden Mittel eingeräumt hat (ebenso Leopold, in: juris-PK SGB II, 3. Aufl. 2012, § 16b Rn. 70; Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand: 08/2010, § 16b Rn. 128). Etwas anderes kann vor dem Hintergrund, dass die Fördermaßnahmen der §§ 16 ff. SGB II nahezu ausschließlich als Ermessensleistungen ausgestaltet sind, nicht angenommen werden. Es kommt damit zumindest in Betracht, dass der Beklagte im Rahmen der neu zu treffenden Entscheidung zulässigerweise Erwägungen anstellen kann, die sich aus der sachgemäßen und nachvollziehbaren Bewirtschaftung der für die Gewährung von Einstiegsgeld zur Verfügung stehenden Mittel ergeben und die einer Bewilligung im vorliegenden Fall entgegenstehen. Zu solchen Erwägungen wären die betreffenden Bewirtschaftungsgrundsätze transparent darzulegen.
2.
Auf den Hilfsantrag waren gemäß § 131 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 SGG die angefochtenen Bescheide aufzuheben und der Beklagte zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsaufassung des Gerichts zu verpflichten. Die angefochtenen Bescheide sind – wie oben unter 1.a. ausführlich dargelegt – ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig. Auch wenn dem Beklagten ein Restspielraum verbleibt (s.o. 1.b.), unterliegt er bei der neu zu treffenden Entscheidung erheblichen Bindungen sowohl beim Entschließungs- als auch beim Auswahlermessen.
Der Beklagte wird bei der neu zu treffenden Entscheidung zunächst zu beachten haben, dass sich die bisher vorgebrachten Begründungselemente (soweit es sich um Ermessenserwägungen handeln sollte) weit überwiegend als sachwidrige Erwägungen darstellen (s.o. unter 1.a.ff.). Weiterhin wird zu beachten sein, dass sich aus der Vorschrift des § 16b SGB II nahezu ein intendiertes (Entschließungs-) Ermessen zugunsten der Leistungsgewährung bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen ergibt. Die Leistung ist im Regelfall zu gewähren, solange nicht ein erheblich über dem Bedarf liegendes Einkommen erwirtschaftet wird, insbesondere aber auch daraus, dass das Gesetz ohnehin schon sehr enge Voraussetzungen für die Gewährung von Einstiegsgeld vorsieht (ähnlich, aber wohl einen größeren Spielraum annehmend: Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand: 08/2010, § 16b Rn. 126). Aus der Voraussetzung der Erforderlichkeit zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt ergibt sich, dass für die betreffende Person keine alternative Eingliederungsmaßnahme zur Verfügung stehen darf, welche die öffentlichen Haushalte weniger belastet und den gleichen Eingliederungserfolg verspricht. Ohne das Einstiegsgeld darf die beabsichtigte Eingliederung nicht zu erwarten sein. Die Voraussetzung der prognostizierten Verringerung der Hilfebedürftigkeit aus § 16c Abs. 3 SGB II stellt gleichzeitig sicher, dass von einem gewissen Eingliederungserfolg auszugehen ist. Angesichts des gesetzlichen Auftrags der Grundsicherungsträger, wie er in § 1 Abs. 2 SGB II formuliert ist, dürfte eine vollständige Ablehnung von Einstiegsgeld bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen nur in Betracht kommen, wenn ein atypischer Sachverhalt vorliegt, mit einer kostenaufwändigeren Maßnahme ein gleichwertiger oder besserer Eingliederungserfolg erzielt werden kann und der Grundsicherungsträger bereit ist, diese Leistung zu gewähren, oder wenn eine sachgemäße und gleichmäßige Bewirtschaftung der für Eingliederungsmaßnahmen zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel durch den Grundsicherungsträger eine Gewährung von Einstiegsgeld im Einzelfall nicht zulässt. Häufig genannte sonstige Gesichtspunkte wie z.B. die Vermeidung von Mitnahmeeffekten sind dem Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit zuzuordnen.
Hinsichtlich des Auswahlermessens (Leistungsdauer und –höhe) wird der Beklagte zu beachten haben, dass eine unter Umständen erfolgende Bewilligung von Einstiegsgeld für weniger als sechs Monate ab dem Monat der Aufnahme der Tätigkeit aus Gründen des Artikels 3 Abs. 1 Grundgesetz nur in Betracht kommen dürfte, wenn dies vom Beklagten auch in anderen Einzelfällen praktiziert wird, nicht jedoch, wenn standardmäßig Erstbewilligungen für sechs Monate erfolgen. Hinsichtlich der Höhe ist das Ermessen durch die Einstiegsgeldverordnung (hier insbesondere auch § 1 Abs. 3 der Verordnung: Ergänzungsbetrag) beschränkt. II. Das Verfahren ist für die Klägerin gerichtskostenfrei. Die Entscheidung zu den außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Rechtsstreits, insbesondere die Tatsache, dass das Gericht nur einen sehr geringen Ermessensspielraum des Beklagten für die neu zu treffende Entscheidung sieht.
Rechtskraft
Aus
Login
HAM
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