Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 VS 1526/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VS 239/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 20. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung von Wehrdienstschädigungsfolgen streitig.
Der 1969 geborene Kläger leistete nach Ablegung des Abiturs seinen Grundwehrdienst vom 1. Juli 1988 bis 30. September 1989. Beim Panzerfaustschießen am 6. September 1988 wurde er von seinem Vorgesetzten dazu angehalten, einen Gehörschutz aufzusetzen und weiter zu schießen, nachdem er zuvor ein Knalltrauma erlitten hatte. Dabei zielte er versehentlich auf die Nachbarscheibe. Wegen dieses Vorfalls wurde er nach eigenen Angaben abends auf der Stube von einem Kameraden gehänselt, weswegen er ihm "einen in die Fresse hauen" wollte. Auf dem Weg zu seinem Kameraden fiel sein Blick auf eine Paketschnur; ohne lange darüber nachzudenken nahm diese und wollte sich damit an einem Doppelstockbett erhängen; der Kamerad hinderte ihn jedoch daran (Schilderung von 2005, Bl. 125, 184 VA).
Er wurde aufgrund des beim Knalltrauma eingetretenen Ohrensausens medikamentös im Bundeswehrkrankenhaus Ulm behandelt. Es tritt seither nur noch hin und wieder auf, ist nicht störend und bereitet keine Konzentrations- oder Einschlafstörungen (Gutachten Prof. Dr. Z., Bl. 308, 310 VA).
Im Zusammenhang mit dem "Suizidversuch" stellte sich der Kläger am 12. und 19. September 1988 beim Oberstabsarzt Sch. vor. Dieser beschrieb den Kläger als affektlabil, leicht reizbar und emotional aggressiv. Von dem "Suizidversuch" habe er sich distanziert könne es sich selbst nicht erklären. Er sei von den Kameraden stark gehänselt worden ( Bl. 26 WDB-Akte). Dr Sch. überwies den Kläger an Nervenarzt Dr. B., der am 20. September 1988 eine leichte Konzentrationsschwäche, aber keine depressive Verstimmung befundete. Es habe sich um eine abnorme Erlebnisreaktion gehandelt, besondere Maßnahmen seien nicht erforderlich (Bl. 164 VA).
Im Anschluss an den Wehrdienst war der Kläger bis August 1990 in einer Maschinenfabrik beschäftigt. Nach einer Praxiszeit für den gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst in der Gemeindeverwaltung mit einer anschließenden Beschäftigung beim Landratsamt T. studierte er an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in K., die er im November 1994 als Diplom-Verwaltungswirt abschloss. Bis zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages im September 1995 war er zunächst als Geschäftsführer bei einem Gemeindeverband tätig. Während der nachfolgenden Arbeitslosigkeit absolvierte er eine Ausbildung zum Pflegediensthelfer, im Anschluss daran bis Januar 1999 eine Umschulung zum Bürokaufmann. In der Folgezeit war er in verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen bei Zeitarbeitsfirmen und einem Sozialverband tätig, zuletzt war er von Mai bis Ende 2004 in der Freistellungsphase. Nach vorübergehender Arbeitslosigkeit bis Mai 2005 nahm er eine Stelle in der Küche bei der Firma B. K. auf (Anamnese Prof. Dr. F., Bl. 180 ff. VA). Dieses Beschäftigungsverhältnis lief im September 2006 aus. Nachfolgend war der Kläger erneut arbeitslos und machte sich Mitte August 2007 als Personaldienstleiter selbstständig. Im November 2008 nahm er eine Tätigkeit als Verwaltungsangestellter im Rathaus Ku. auf, die er bis heute ausübt (Anamnese Dr. H. und Dr. M., Bl. 51, 153, S 4 SB 142/14). Seit 1998 ist der Kläger verheiratet und hat zwei minderjährige Kinder (Bl. 182 VA, Bl. 153, S 4 SB 142/14).
Die Feststellung einer Wehrdienstbeschädigungsfolge bzw. einer Entschädigung das HNO-Fachgebiet betreffend wurden zunächst in den Jahren 1988 (Bl. 11 WDB-Akte) und 1990 (Bl. 45, 53 VA), gestützt unter anderem auf das HNO-Gutachten von Dr. Re. (April 1990, Bl. 35 VA), abgelehnt. Mit Bescheid vom 20. Oktober 1995 anerkannte das Wehrbereichsgebührnisamt schließlich – nach Einholung eines weiteren HNO-Gutachtens von Dr. de V. (Bl. 88 VA) – als Folge einer Wehrdienstbeschädigung "sporadisch auftretendes, kurzdauerndes Ohrgeräusch rechts nach Knalltrauma, posttraumatische Hochtonhörminderung bei erhaltener Normalhörigkeit". Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 25 vom 100 (v. H.) werde dadurch nicht begründet (Bl. 55 WDB-Akte).
Im Dezember 2003 konsultierte der Kläger den Nervenarzt Dr. Q., dem er von suizidalen Gedanken im Zusammenhang mit einem Knalltrauma bei der Bundeswehr, Konflikten am Arbeitsplatz und anfallsweise auftretenden Schlafattacken berichtete. Dieser äußerte den Verdacht auf eine depressive Episode bei psychoneurotischer Persönlichkeitsentwicklung sowie den Verdacht auf ein narkoleptisches Syndrom (Bl. 145 VA). In der Folgezeit begab sich der Kläger wiederholt wegen psychischer Beschwerden in die Psychiatrie des Universitätsklinikums T., zusätzlich zum Nervenarzt Dr. P ... Von Mai bis Oktober 2013 waren mehrere stationäre und tagesklinische Behandlungen erforderlich, dabei wurde die Diagnose einer Dysthymie und einer rezidivierenden depressiven Störung auf dem Hintergrund einer akzentuierten Persönlichkeit bzw. einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung gestellt (vgl. Zusammenfassung im Gutachten Dr. M., Bl. 149 ff. S 4 SB 142/14).
Bereits im Januar 2005 beantragte der Kläger die zusätzliche Anerkennung eines "Selbsttötungsversuchs während der Bundeswehrzeit als nicht anerkannte Depression im Zusammenhang mit dem Knalltrauma" als Wehrdienstbeschädigungsfolge (Bl. 120 ff. VA). Die Beklagte ließ den Kläger daraufhin von Prof. Dr. F. begutachten, der am 8. Mai 2006 zu dem Ergebnis gelangte, die schon seit der Schulzeit immer wieder auftretenden Probleme mit mangelndem Selbstwert, leichter Kränkbarkeit und Tendenz zu histronischen Inszenierungen stünden nicht ursächlich mit dem Knalltrauma in Verbindung. Die zusätzlich geltend gemachte Depression/Selbsttötungsversuch werde deswegen nicht zur Anerkennung vorgeschlagen. Die suizidale Reaktion nach dem Knalltrauma habe einen sehr demonstrativen, tendenziell histrionischen Charakter, zumal ein ernsthafter Suizidversuch nicht im Beisein eines Mitsoldaten mit einer Paketschnur erfolgen könne. Allenfalls sei von einer kurzen depressiven Reaktion im Sinne einer Anpassungsstörung (ICD-10.F. 43.20) auszugehen. Nachdem diese Reaktion unter vierzehn Tage angedauert habe und auch nicht mit schweren oder schnell auftretenden Symptomen verbunden gewesen sei, seien die Kriterien einer depressiven Episode nicht erfüllt. Hinweise für eine mangelnde truppenärztliche Betreuung gebe es nicht. Der Kläger sei bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten voll orientiert mit etwas starrem Affekt und herabgesetzten affektiver Modulationsfähigkeit. 2003 sei er wohl ausgelöst durch verschiedene familiäre und berufliche Belastungen an einer depressiven Episode erkrankt, die durch medikamentöse und psychotherapeutische Behandlung gut habe therapiert werden können. Mit Bescheid vom 4. Juli 2006 lehnte der damalige Beklagte daraufhin den Neufeststellungsantrag – gestützt auch auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Gr. - ab. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 20. September 2006, Bl. 207 VA).
Am 30. August 2006 zog sich der Kläger bei einem über die Berufsgenossenschaft N. und G. versicherten Arbeitsunfall eine Knieverletzung zu, deren verbliebene Funktionseinschränkung eine MdE um 10 v. H. begründete (Bl. 141, 144 S 7 U 597/08). Im Juni 2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut die Anerkennung des Selbsttötungsversuchs als Folge des Verbalangriffs seines Kameraden oder als Folge des Ohrgeräuschs (Bl. 248 VA). Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. Juli 2008 ab.
Parallel dazu beantragte der Kläger im August 2008 unter Hinweis auf den Arbeitsunfall vom August 2006 bei der Beklagten die Gewährung einer Stützrente nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG; Bl. 252 VA). Der Antrag wurde mit Bescheid vom 19. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2008 mit der Begründung abgelehnt, ein rentenberechtigende Grad der Schädigungsfolgen (GdS) könne nicht festgestellt werden (Bl. 25 5, 263 VA). Im nachfolgenden Klageverfahren beim Sozialgericht Reutlingen (SG) einigten sich die Beteiligten auf eine Neuüberprüfung (Bl. 44 S 4 VS 3560/08). In dem anschließenden Verfahren wurde ein HNO-Gutachten durch Prof. Dr. Z., der den Kläger im August 2011 untersuchte, eingeholt. Dieser diagnostizierte beim Kläger eine beidseitige Hochtoninnenohrschwerhörigkeit mit einem Hörverlust von jeweils 0 %; ferner einen kompensierten Tinnitus Grad I. Eine MdE von 10 v. H. sei zu keinem Zeitpunkt eingetreten (Bl. 307 VA). Gestützt hierauf lehnte der damalige Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 19. August 2008 mit Bescheid vom 17. Oktober 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2012 ab. Die Klage auf Verurteilung zu einem höheren GdS als 10 für die Ohrgeräusche (S 4 VS 1101/12) nahm der Kläger im anberaumten Erörterungstermin vom 15. Mai 2015 zurück.
Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 23. Juli 2008 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2013 mit der Begründung zurückgewiesen, ein derartiges Geschehen eines Selbsttötungsversuchs fände sich nicht in den ärztlichen Aufzeichnungen, es sei zuletzt auch vom Kläger nicht mehr vorgebracht worden.
Hiergegen hat der Kläger am 6. Juni 2013 erneut Klage beim SG mit der Begründung erhoben, er leide noch heute schwer unter der nicht anerkannten Depression in Folge des Knalltraumas. Prof. Dr. F. habe verkannt, dass eine depressive Reaktion oft weniger als zwei Wochen dauere. Auch sei er im Zusammenhang mit dem Suizidversuch mangelhaft truppenärztlich versorgt worden. Der von Prof. Dr. Z. diagnostizierte kompensierte Tinnitus Grad I müsse zusammen mit der Schallempfindungsschwerhörigkeit mit einem GdS von 10 bewertet werden, so wie dies auch bei der der Feststellung seines Grades der Behinderung (GdB) als Einzel-GdB berücksichtigt worden wäre. Das folge auch zwingend aus der bereits erfolgten Anerkennung als Wehrdienstbeschädigungsfolge. Damit sei eine Stützrente nach dem SVG zu leisten. Aufgrund des Meistbegünstigungsprinzips sei sein Antrag umfassend und damit auch als Antrag nach § 80 SVG auszulegen.
Mit Beschluss vom 16. September 2013 hat das SG das Land Baden-Württemberg zum Rechtsstreit beigeladen und zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts das in dem Rechtsstreit S 4 SB 142/14 eingeholte nervenärztliche Gutachten von Dr. M. vom 26. Juli 2015 (keine durchgängige schwerere affektive Erkrankung über Jahre dokumentiert, Probleme in der ehelichen Partnerschaft hätten zu den stationären Behandlungen geführt, Diagnose Dysthymie) beigezogen. Der dortige Beklagte hatte den – ohne Auswirkung auf die Bewertung des Gesamt-GdB – zugrunde gelegten Einzel-GdB von 10 für die Wehrdienstbeschädigung als nicht korrekt bezeichnet.
Mit Beschluss vom 5. Mai 2015 hat das SG die Beiladung des Landes Baden-Württemberg aufgehoben.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 26. Oktober 2015 mit der Begründung abgewiesen, die vom Kläger geltend gemachten Störungen seien nicht als Wehrdienstbeschädigungsfolge anzuerkennen und ihm stehe wegen der Folgen des Knalltraumas vom 6. September 1988 auch kein Anspruch auf Ausgleich zu. Der gewünschten Feststellung seines Selbsttötungsversuchs als Wehrdienstbeschädigungsfolge stehe bereits entgegen, dass es sich dabei um keine Gesundheitsstörung handele. Ein Suizid sei keine Krankheit oder Behinderung, sondern lediglich unter Umständen Ausdruck oder Symptom einer Erkrankung oder Behinderung, somit nicht feststellungsfähig. Für die Feststellung einer "Depression" fehle es am erforderlichen ursächlichen Zusammenhang mit der Wehrdienstbeschädigung (hier: Knalltrauma nebst somatischen Folgen und Hänselei). Zwar bestehe kein Zweifel daran, dass der Kläger dauerhaft unter einer psychischen Störung, die er selbst als "Depression" bezeichne, leide, die schlüssig und nachvollziehbar von Dr. M. als Dysthymie bei zwanghafter Persönlichkeitsakzentuierung diagnostiziert worden sei. Diese Diagnose stehe in Übereinstimmung mit denen der behandelnden Ärzte Dr. Q. und Dr. P. sowie den Ärzten des Universitätsklinikums T. Soweit zusätzlich über eine depressive Episode bzw. rezidivierende depressive Störungen berichtet worden sei, habe Dr. M. überzeugend dargelegt, dass eine durchgängige schwere affektive Erkrankung über die Jahre hinweg nicht dokumentiert sei. Dagegen spreche auch der zwar nicht gradlinige, aber immer wieder mit erfolgreichen Bildungsabschlüssen bewerkstelligte berufliche Werdegang des Klägers, die, so auch aktuell, zu einer erfolgreichen Teilhabe am Arbeitsmarkt geführt hätten. In lebensgeschichtlich relevanten Krisensituationen mit psychogen Reaktionen seien dann stationäre psychiatrische Behandlungsmaßnahmen erforderlich gewesen. Eine schwere Depressivität habe zuletzt Dr. M. nicht feststellen können, wenngleich Phasen einer mittelschweren depressiven Störung in der Vergangenheit durchaus imponiert hätten. Diese hätten aber durch eine niedrigfrequente psychiatrische Behandlung, Einnahme eines Antidepressivums in normaler Dosis sowie einzelpsychotherapeutische bzw. paartherapeutische Behandlung ausreichend behandelt werden können, insbesondere um die aktuell kommunikativ anspruchsvolle Tätigkeit als Verwaltungsbeamter im Bürgermeistervorzimmer zu verrichten. Die Bewältigung konflikthafter Situationen und der Umgang mit schwierigen Personen, welche die berufliche Tätigkeit des Klägers mit sich bringe, sprächen, wie Dr. M. nachvollziehbar dargelegt habe, für eine (funktionell an gewisse Situationen gebundene) Persönlichkeitsakzentuierung und gegen eine Persönlichkeitsstörung; so habe der Kläger sich auch in der Untersuchungssituation als angepasst, wendig sowie im Denken und Handeln stringent gezeigt. Diese psychische Störung könne nicht auf den Wehrdienst zurückgeführt werden, was sich insbesondere aus den Ausführungen von Prof. Dr. F. ergebe. Nach den eigenen Schilderungen des Klägers stehe für die Kammer fest, dass er am 6. September 1988 keinen ernst gemeinten Suizidversuch unternommen habe, was auch Prof. Dr. F. so gesehen habe. Es sei auch nicht nachgewiesen, dass der Kläger über einen längeren Zeitraum massiven Hänseleien oder gar erniedrigenden Behandlungen seiner Mitsoldaten ausgesetzt gewesen sei. Die depressive Störung im Anschluss an das Knalltrauma sei daher nur vor dem Hintergrund der körperlichen Folgen desselben, insbesondere des Ohrgeräusches, und der Hänselei durch den Stubenkameraden am selben Abend zu sehen. Auf die Hänselei habe der Kläger fremd-angreifend reagiert und sich dann spontan zu einem potentiell selbstschädigenden Verhalten entschlossen. Prof. Dr. F. habe den Suizidversuch und nachfolgenden gesundheitlichen Zustand überzeugend als Ausfluss einer schon seit der Schulzeit immer wieder auftretenden Problematik mit mangelndem Selbstwert, leichter Kränkbarkeit und einer Tendenz zu histronischen Inszenierungen gesehen. Der Kläger habe Prof. Dr. F. berichtet, dass er schon während seiner Schulzeit eher ein Außenseiter gewesen sei, schon damals das Verhalten seiner Mitschüler als Hänselei empfunden und sich daran erinnert habe, dass er einmal während des Sportunterrichts mit einem Jungen eine Schlägerei angefangen habe. Der Sportlehrer und vier andere Jungen hätten ihn gerade noch von dem Jungen herunter holen können, wobei alle überrascht gewesen seien, dass er den eigentlich als sehr kräftig eingeschätzten Jungen so in Bedrängnis habe bringen können. Ähnlich stelle sich die Situation am 6. September 1988 dar. Der Kläger habe auch berichtet, dass er immer ein "melancholischer Typ" gewesen sei, wenngleich er sich an frühere Suizidversuche nicht habe erinnern können, aber einmal seinem Freund bedeutet habe, dass man bei schlechten Noten nicht wert sei, dann brauche man auch nicht am Leben zu sein (Bl. 184 VA). Vor diesem Hintergrund stelle sich die von Dr. M. diagnostizierte persönlichkeitsimmanente Störung als nicht durch die angeschuldigte Wehrdienstzeit verursacht, sondern seit der Jugend angelegt dar. Das Knalltrauma habe daher nur eine kurze depressive Reaktion im Sinne einer Anpassungsstörung, also einem vorübergehenden Gesundheitszustand, begründet. Im Übrigen habe der Vorfall vom 6. September 1988 nicht einmal zu einer Behandlungsbedürftigkeit geführt. Wegen Wehrdienstbeschädigungsfolgen habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Ausgleich, wobei es auf psychiatrischem Fachgebiet schon am Vorliegen einer Wehrdienstbeschädigung fehle, eine solche sei lediglich auf HNO-fachärztlichem Gebiet begründet, bedinge aber nach übereinstimmender Einschätzung aller HNO-Sachverständigen keinen GdS von 10 und erreiche damit auch nicht einen solchen von 30, der für die Gewährung einer Beschädigtenrente Voraussetzung sei. Zu Unrecht folgere der Kläger, dass die Anerkennung einer Schädigungsfolge zwangsläufig auch mit einem GdS von 10 verbunden sei, vielmehr könnten auch Schädigungsfolgen anerkannt werden, die keinen GdS begründeten. Dass im Schwerbehindertenverfahren von den Versorgungsmedizinern wiederholt ein Einzel-GdB von 10 für die Wehrdienstbeschädigungsfolge angenommen worden sei, entfalte keinerlei Bindungswirkung, da die Bewertung eines Einzel-GdB lediglich ein Begründungselement für die Bildung des Gesamt-GdB darstelle. Auch ein Stützrententatbestand komme daher von vornherein nicht in Betracht, zumal das Entschädigungsrecht keine dem § 56 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) vergleichbare Regelung kenne. Sofern daher ein GdS von 10 vorliegen würde, was die Kammer indessen ausdrücklich verneine, so müsse allein der Unfallversicherungsträger über die Frage einer Stützrentengewährung nach seinem Recht entscheiden.
Gegen das am 8. Dezember 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 8. Januar 2016 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt, zu deren Begründung er im Wesentlichen vorträgt, entgegen der Auffassung des SG seien die geltend gemachten Störungen als Wehrdienstbeschädigungsflogen anzuerkennen.
Er beantragt (teilweise sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 26. Oktober 2015 und den Bescheid vom 23. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, eine Depression und einen Selbsttötungsversuch als Wehrdienstbeschädigungsfolgen anzuerkennen und ihm Beschädigtenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzlichen Entscheidungen für zutreffend. Der Bescheid richte sich nach § 88 Abs. 3 S. 1 a.F. SVG und ändere den zugrundeliegenden Bescheid nicht ab. Selbst wenn der Suizidversuch als ernstzunehmender Selbstmordversuch gewertet werde, so wäre die Erkrankung nicht mindestens über sechs Monate so schwerwiegend gewesen, dass sie einen rentenberechtigenden GdS begründen würde.
Die Beteiligten sind mit Schriftsatz vom 12. Mai 2015 darauf hingewiesen worden, dass über das Rechtsmittel ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG entschieden wird. Ihnen ist Gelegenheit gegeben worden, hierzu Stellung zu nehmen. Die Beklagte hat sich mit der Verfahrensweise einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Verfahren und Instanzen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet über die Berufung nach § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richterinnen und Richter durch Beschluss, weil die Berufsrichterin und -richter des Senats die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu dieser Verfahrensweise gegeben worden. Zudem ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass die Berufung wenig aussichtsreich erscheint (vgl. BSG, Urteil vom 25. November 1999 - B 13 RJ 25/99 R -, SozR 3-1500 § 153 Nr. 9, S. 27).
Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere statthafte Berufung (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) des Klägers ist unbegründet. Die angefochtene Verwaltungsentscheidung vom 23. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2013 ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten. Das SG hat daher die zutreffend als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) erhobene Klage zu Recht abgewiesen.
Die Beklagte ist nach der Änderung des § 88 Abs. 1 Satz 1 SVG, wonach die Soldatenversorgung aufgrund des Gesetzes zur Übertragung der Zuständigkeiten der Länder im Bereich der Beschädigten- und Hinterbliebenenversorgung nach dem Dritten Teil des SVG (§§ 80 bis 86) auf den Bund vom 15. Juli 2013 (BGBl I S. 2416) nunmehr von Behörden der Bundeswehrverwaltung durchgeführt wird, seit dem 1. Januar 2015 auch für in der Vergangenheit geltend gemachte Ansprüche für die Ausführung des BVG zuständig, es sei denn, was hier nicht der Fall ist, die Versorgung besteht in Leistungen nach §§ 25 bis 27j BVG. Insoweit kommt es nicht auf die nach früherer Rechtslage zu treffende Zuständigkeitsabgrenzung zwischen der Bundeswehrverwaltung und den damals noch für die Ausführung des BVG zuständigen Behörden nach § 88 SVG alte Fassung an, also ob es um die Feststellung von Folgen einer Wehrdienstbeschädigung geht, die bereits während des Wehrdienstes vorgelegen haben oder die erst nach dessen Ende aufgetreten sind (BSG, Urteil vom 18. November 2015 - B 9 V 1/15 R - juris, Rz. 14; Urteil des Senats vom 27. August 2015 - L 6 VS 4569/14 -, juris, Rz. 32; zur früheren Rechtslage BSG, Urteil vom 29. April 2010 - B 9 VS 2/09 R -, SozR 4-3200 § 88 Nr. 4, Rz. 33 ff.). Maßgeblich für die vom Kläger erhobene Klage ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 54 Rz. 34).
Das SG ist zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass sich das klägerische Begehren verfahrensrechtlich nicht nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch richtet, nachdem die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden erstmals auch über einen Ausgleichsanspruch entschieden hat. Materiell-rechtlich besteht ein solcher nach den ärztlichen Unterlagen auch zur Überzeugung des Senats nicht.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Beschädigtenversorgung in Form einer Beschädigtenrente nach § 80, § 81 SVG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1, § 30, § 31 BVG unter Anerkennung der geltend gemachten Wehrdienstbeschädigungsfolgen.
Ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat, erhält gemäß § 80 Satz 1 SVG nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Wehrdienstbeschädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, soweit in diesem Gesetz nichts Abweichendes bestimmt ist. Wehrdienstbeschädigung ist nach § 81 SVG eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Die Versorgung umfasst nach dem insoweit entsprechend anwendbaren § 9 Abs. 1 Nr. 3 BVG die Beschädigtenrente (§§ 29 ff. BVG). Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG ist der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) - bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13. Dezember 2007 (BGBl I S. 2904) am 21. Dezember 2007 als Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bezeichnet - nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, welche durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen, seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Nachdem für die Beurteilung der MdE und des GdS dieselben Grundsätze gelten, wird im Folgenden allein auf die Beurteilung des GdS Bezug genommen. Der GdS ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer GdS wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst (§ 30 Abs. 1 Satz 2 BVG). Beschädigte erhalten gemäß § 31 Abs. 1 BVG eine monatliche Grundrente ab einem GdS von 30. Liegt der GdS unter 25 besteht kein Anspruch auf eine Rentenentschädigung (vgl. Urteil des Senats vom 18. Dezember 2014 - L 6 VS 413/13 -, juris, Rz. 42).
Durch diese gesetzlichen Bestimmungen ist nach einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum für die Anerkennung von Schädigungsfolgen, welche eine Beschädigtenrente stützen können, eine dreigliedrige Kausalkette vorgegeben: Ein mit dem Wehrdienst zusammenhängender schädigender Vorgang muss zu einer primären Schädigung geführt haben, welche wiederum die geltend gemachte Schädigungsfolge bedingt haben muss. Dabei müssen sich die drei Glieder selbst mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen lassen, während für den ursächlichen Zusammenhang eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreicht (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 3/13 R -, SozR 4-3200 § 81 Nr. 6, Rz. 14 m. w. N.), wie dies § 81 Abs. 6 Satz 1 SVG für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung normiert. Diese Grundsätze haben ihren Niederschlag auch in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" in ihrer am 1. Oktober 1998 geltenden Fassung der Ausgabe 1996 (AHP 1996) und nachfolgend - seit Juli 2004 - den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" in ihrer jeweils geltenden Fassung (AHP 2005 und 2008) gefunden, welche zum 1. Januar 2009 durch die Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (Teil C, Nrn. 1 bis 3 und 12 der Anlage zu § 2 VersMedV; vgl. BR-Drucks 767/1/08, S. 3 f.) inhaltsgleich ersetzt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 6/13 R -, SozR 4-7945 § 3 Nr. 1, Rz. 17). Ein Gesundheitsschaden muss darüber hinaus nicht nur sicher feststehen. Er muss auch durch Einordnung in eines der gängigen Diagnosesysteme (z. B. ICD-10, DSM IV) unter Verwendung der dortigen Schlüssel exakt bezeichnet werden können (Urteil des Senats vom 17. Dezember 2015 - L 6 VS 2234/15 -, juris, Rz. 33 m. w. N.). Der Senat orientiert sich bei der Beurteilung von MdE und GdS für die Zeit bis zum 31. Dezember 2008 an den im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten (BSG, Urteile vom 29. August 1990 - 9a/9 RVs 7/89 -, BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1, vom 23. Juni 1993 - 9/9a RVs 1/91 -, BSGE 72, 285, vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 -, SozR 3-3870 § 4 Nr. 19 und vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R -, BSGE 190, 205) AHP in der jeweils geltenden Fassung, danach an den VG (vgl. Urteil des Senats vom 18. Dezember 2014 - L 6 VS 413/13 -, juris, Rz. 43). Hinsichtlich der vorliegend einschlägigen, das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" betreffenden Funktionsbeeinträchtigungen enthalten die VG in Teil B, Nr. 3.7 gegenüber den AHP 2005 und 2008 keine inhaltlichen Änderungen. Danach sind Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen bei leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen mit einem GdS von 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem GdS von 30 bis 40 sowie bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdS von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einen GdS von 80 bis 100 zu bewerten.
Allein mangels mehr als allenfalls vorübergegangener auf den Wehrdienst zurückzuführender Funktionsbeeinträchtigungen, besteht kein Anspruch des Klägers auf Beschädigtenrente. Dies hat das SG in Auswertung der zeitnahen Angaben des Klägers wie insbesondere der Gutachten von Prof. Dr. F. und Dr. M. ausführlich begründet und ebenso dargelegt, dass es sich bei dem geltend gemachten Suizidversuch schon um keine Wehrdienstbeschädigungsfolge handelt und die anerkannte Wehrdienstbeschädigungsfolge nicht rentenberechtigend ist. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen in vollem Umfang an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG ab.
Ergänzend weist der Senat noch darauf hin (vgl. hierzu die Grundsatzentscheidung des Senats vom 26. Juni 2014 – L 6 VS 4393/13 – Juris Rz. 46 ff.), dass selbst wenn ein GdS von jeweils 10 für die Hörschädigung und die Psyche anerkannt würde, kein Anspruch auf Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach einer sogenannten "Stützrente" analog § 56 Abs. 1 SGB VII bestehen würde. Denn das Recht der Sozialen Entschädigung kennt keine dem § 56 Abs. 1 Satz 2 bis 4 SGB VII entsprechende Stützrentenregelung, so dass eine anerkannte MdE nach dem SGB VII nicht eine Rente in einem Entschädigungsfall nach dem SVG bzw. BVG bei Vorliegen eines GdS von nur 10 zu "stützen" vermag (vgl. Kranig in Hauck, SGB VII, § 56 Rz. 32).
Eine Analogie, also die Übertragung einer gesetzlichen Regelung auf einen Sachverhalt, der vom Wortsinn der betreffenden Vorschrift nicht umfasst wird, ist nur geboten, wenn dieser Sachverhalt dem geregelten vergleichbar ist und nach dem Grundgedanken der Norm und dem mit ihr verfolgten Zweck dieselbe rechtliche Bewertung erfordert. Weitere Voraussetzung ist, dass das Gesetz in dem betreffenden Punkt lückenhaft ist (vgl. BSG, Urteil vom 20. März 2007 - B 2 U 19/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 23). Mit der Regelung des § 56 Abs. 1 Satz 4 SGB VII werden den Versicherungsfällen im Sinne des § 7 SGB VII unter anderem Unfälle und Entschädigungsfälle nach dem BVG und SVG gleichgestellt und sind damit bei der Anwendung des Satz 2 wie Versicherungsfälle zu behandeln. Hierbei handelt es sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, beim Vorliegen weiterer Schädigungen eine Rentenleistung für die MdE in Höhe von 10 v.H. zu gewähren, auch wenn nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB VII grundsätzlich eine MdE von wenigstens 20 v.H. aufgrund Versicherungsfällen vorliegen muss. Eine vergleichbare Regelung, dass Versicherungsfälle nach dem SGB VII Entschädigungsfällen gleichgestellt werden, gibt es im BVG bzw. SVG nicht. Bezüglich der vorliegend zu beurteilenden Sachverhaltskonstellation fehlt es bereits an einer Gesetzeslücke. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber trotz der bereits seit vielen Jahren bestehenden Regelung in § 56 Abs. 1 Satz 4 SGB VII für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung die ähnliche Problematik im Hinblick auf die Gewährung einer Beschädigtenrente bei Unterschreitens eines GdS von 25 bei Vorliegen eines Versicherungsfalles nach dem SGB VII übersehen oder bewusst offen gelassen hat. Zur Überzeugung des Senats ergibt sich vielmehr aus § 84 SGV, dass keine planwidrige Gesetzeslücke für die vorliegende Konstellation gegeben ist. Denn in § 84 SVG hat der Gesetzgeber durchaus Regelungen für bestimmte Konstellationen des Zusammentreffens von Ansprüchen getroffen. So ist in § 84 Abs. 3 SVG geregelt, dass wenn Ansprüche aus Grund einer Wehrdienstbeschädigung oder einer gesundheitlichen Schädigung im Sinne der §§ 81 a bis 81 e SVG mit Ansprüchen aus § 1 BVG oder aus anderen Gesetzen zusammentreffen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen, unter Berücksichtigung des durch die gesamten Schädigungsfolgen bedingten Grades der Schädigungsfolgen eine einheitliche Rente festzusetzen ist. Das Gleiche gilt, wenn die in Satz 1 genannten Ansprüche aus diesem Gesetz zusammentreffen. Daraus folgt, dass der Gesetzgeber sich durchaus Gedanken über das Zusammentreffen von Ansprüchen gemacht hat, jedoch keine § 56 Abs. 1 Satz 4 SGB VII vergleichbare Regelung getroffen hat, dass auch Versicherungsfälle des SGB VII Berücksichtigung finden. Vielmehr hat der Gesetzgeber die bewusste Entscheidung getroffen, dass nur eine einheitliche Rente von Ansprüchen aus Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen, festgesetzt wird.
Durch die unterschiedlichen Regelungen im SVG bzw. BVG und SGB VII ist kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu erkennen. Denn der allgemeine Gleichheitssatz ist nur verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass die ungleiche Behandlung gerechtfertigt ist. Unter diesem Gesichtspunkt käme die analoge Anwendung der in § 56 Abs. 1 Satz 4 SGB VII getroffenen Regelung nur dann in Betracht, wenn ansonsten wesentlich Gleiches ungleich behandelt würde und ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung nicht gegeben ist (BSG, Urteil vom 5. Oktober 2006 - B 10 LW 8/05 R - SozR 4-5868 § 13 Nr. 4). Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz liegt nicht schon vor, wenn wirtschaftlich gleiche Lagen rechtlich verschieden behandelt werden; vielmehr ist auch die Zugehörigkeit der Regelungen zu verschiedenartigen Ordnungssystemen zu berücksichtigen (BVerfG, Urteil vom 25. Juli 1960 - 1 BvL 5/59).
Das Soziale Entschädigungsrecht und das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung sind zwei eigenständig gewachsene Zweige der gesetzlichen Sozialversicherung, die unterschiedliche Zielsetzungen haben und in vielerlei Hinsicht voneinander abweichen. Es liegt daher nicht die Konstellation vor, dass wesentlich Gleiches ungleich behandelt wird. Vielmehr handelt es sich um grundsätzlich nicht vergleichbare Systeme, die nur z.B. im Rahmen des § 56 Abs. 1 Satz 4 SGB VII einen Berührungspunkt haben. Aus sozialpolitischen Gründen hat der Gesetzgeber den Versicherungsfällen im Sinne des § 7 SGB VII Entschädigungsfälle nach dem BVG gleichgestellt und damit zu Lasten der Berufsgenossenschaften und ihrer Mitgliedsunternehmen einen Anspruch auf eine Stützrente geregelt, auch wenn nur durch die anderen Entschädigungsfälle eine MdE von insgesamt 20 v.H. erreicht wird. Die Rente nach dem SGB VII dient dabei dem Ausgleich des durch den Versicherungsfall bedingten abstrakten Schadens im Erwerbseinkommen. Abstrakt, weil nicht auf einen tatsächlichen Entgeltschaden und seine Höhe abgestellt wird, sondern allein auf den abstrakt bemessenen Verlust von Erwerbsmöglichkeiten auf Grund eines verbliebenen Gesundheitsschadens, eben bezeichnet als Minderung der Erwerbsfähigkeit - MdE - (vgl. Ricke in Kasseler Kommentar, SGB VII § 56 Rz. 2). Im Bereich des Entschädigungsrechts ist hingegen der früher verwendete Begriff der MdE durch den Begriff des Grades der Schädigungsfolgen - GdS - ersetzt worden, um deutlich zu machen, dass das BVG als "Grundgesetz der sozialen Entschädigung" keinen umfassenden Ersatz aller Gesundheitsschäden anstrebt und zudem auch nicht nur auf das Erwerbsleben beschränkt ist. Vielmehr wird nach dem Sozialen Entschädigungsrecht ein angemessener Ausgleich für die kausal auf einen Schädigungstatbestand, für den die staatliche Gemeinschaft einzutreten hat, zurückzuführenden gesundheitlichen und wirtschaftlichen Schaden erbracht und dies gilt unabhängig davon, ob die Geschädigten im Erwerbsleben stehen oder nicht (vgl. BT-Drs. 16/6541 S. 31). Für die Bemessung der MdE im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung und des GdS im Entschädigungsrecht werden daher auch unterschiedliche Maßstäbe angewendet. Nur die Bewertung der Höhe des GdS und GdB richtet sich nach den VG bzw. früher nach den AHP. Da sie die Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben zum Inhalt haben, richtet sich das Unfallversicherungsrecht hingegen nicht nach ihnen, so dass für die gleichen Funktionsbeeinträchtigungen die Höhe eines GdS bzw. einer MdE nach dem SGB VII auseinander fallen können. Dass zwei unterschiedlich geregelte eigenständige Systeme vorliegen wird auch dadurch sichtbar, dass für die Gewährung einer Rente nach dem SGB VII nach dessen § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 das Vorliegen einer MdE von wenigstens 20 v.H. erforderlich und ausreichend ist. Nach § 31 Abs. 1 BVG erhalten Beschädigte hingegen erst bei einem GdS von 30 (mindestens 25) eine monatliche Grundrente. Dies verdeutlicht, dass eine analoge Anwendung des § 56 Abs. 1 SGB VII nicht mit den Regelungen des BVG vereinbar wäre. Wie vom Sozialgericht umfassend ausgeführt, liegt ein wesentlicher struktureller Unterschied, der Grund für die Regelungen des § 56 Abs. 1 SGB VII ist auch darin, dass in der gesetzlichen Unfallversicherung im Gegensatz zum Bereich des Sozialen Entschädigungsrechts jeder Versicherungsfall gesondert zu entschädigen ist. Hinzu kommt als weiterer struktureller Unterschied, dass die gesetzliche Unfallversicherung überwiegend beitragsfinanziert ist (vgl. §§ 150 ff. SGB VII), während Entschädigungsleistungen nach dem BVG bzw. SVG als Ausgleich für besondere Schäden, für die die Allgemeinheit Verantwortung übernommen hat bzw. als Ausgleich für das besondere Opfer des Soldaten, aus Steuermitteln bestritten werden. In Anbetracht der bestehenden gravierenden Systemunterschiede ist daher kein zwingender Grund ersichtlich, dass aus Gründen der Gleichbehandlung § 56 Abs. 1 Satz 2 bis 4 SGB VII analog im Bereich des BVG und SVG anzuwenden wäre. Daraus folgt, dass auch aus Art. 3 Abs. 1 GG kein Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Stützrente nach einem GdS von 10 folgen könnte.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung von Wehrdienstschädigungsfolgen streitig.
Der 1969 geborene Kläger leistete nach Ablegung des Abiturs seinen Grundwehrdienst vom 1. Juli 1988 bis 30. September 1989. Beim Panzerfaustschießen am 6. September 1988 wurde er von seinem Vorgesetzten dazu angehalten, einen Gehörschutz aufzusetzen und weiter zu schießen, nachdem er zuvor ein Knalltrauma erlitten hatte. Dabei zielte er versehentlich auf die Nachbarscheibe. Wegen dieses Vorfalls wurde er nach eigenen Angaben abends auf der Stube von einem Kameraden gehänselt, weswegen er ihm "einen in die Fresse hauen" wollte. Auf dem Weg zu seinem Kameraden fiel sein Blick auf eine Paketschnur; ohne lange darüber nachzudenken nahm diese und wollte sich damit an einem Doppelstockbett erhängen; der Kamerad hinderte ihn jedoch daran (Schilderung von 2005, Bl. 125, 184 VA).
Er wurde aufgrund des beim Knalltrauma eingetretenen Ohrensausens medikamentös im Bundeswehrkrankenhaus Ulm behandelt. Es tritt seither nur noch hin und wieder auf, ist nicht störend und bereitet keine Konzentrations- oder Einschlafstörungen (Gutachten Prof. Dr. Z., Bl. 308, 310 VA).
Im Zusammenhang mit dem "Suizidversuch" stellte sich der Kläger am 12. und 19. September 1988 beim Oberstabsarzt Sch. vor. Dieser beschrieb den Kläger als affektlabil, leicht reizbar und emotional aggressiv. Von dem "Suizidversuch" habe er sich distanziert könne es sich selbst nicht erklären. Er sei von den Kameraden stark gehänselt worden ( Bl. 26 WDB-Akte). Dr Sch. überwies den Kläger an Nervenarzt Dr. B., der am 20. September 1988 eine leichte Konzentrationsschwäche, aber keine depressive Verstimmung befundete. Es habe sich um eine abnorme Erlebnisreaktion gehandelt, besondere Maßnahmen seien nicht erforderlich (Bl. 164 VA).
Im Anschluss an den Wehrdienst war der Kläger bis August 1990 in einer Maschinenfabrik beschäftigt. Nach einer Praxiszeit für den gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst in der Gemeindeverwaltung mit einer anschließenden Beschäftigung beim Landratsamt T. studierte er an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in K., die er im November 1994 als Diplom-Verwaltungswirt abschloss. Bis zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages im September 1995 war er zunächst als Geschäftsführer bei einem Gemeindeverband tätig. Während der nachfolgenden Arbeitslosigkeit absolvierte er eine Ausbildung zum Pflegediensthelfer, im Anschluss daran bis Januar 1999 eine Umschulung zum Bürokaufmann. In der Folgezeit war er in verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen bei Zeitarbeitsfirmen und einem Sozialverband tätig, zuletzt war er von Mai bis Ende 2004 in der Freistellungsphase. Nach vorübergehender Arbeitslosigkeit bis Mai 2005 nahm er eine Stelle in der Küche bei der Firma B. K. auf (Anamnese Prof. Dr. F., Bl. 180 ff. VA). Dieses Beschäftigungsverhältnis lief im September 2006 aus. Nachfolgend war der Kläger erneut arbeitslos und machte sich Mitte August 2007 als Personaldienstleiter selbstständig. Im November 2008 nahm er eine Tätigkeit als Verwaltungsangestellter im Rathaus Ku. auf, die er bis heute ausübt (Anamnese Dr. H. und Dr. M., Bl. 51, 153, S 4 SB 142/14). Seit 1998 ist der Kläger verheiratet und hat zwei minderjährige Kinder (Bl. 182 VA, Bl. 153, S 4 SB 142/14).
Die Feststellung einer Wehrdienstbeschädigungsfolge bzw. einer Entschädigung das HNO-Fachgebiet betreffend wurden zunächst in den Jahren 1988 (Bl. 11 WDB-Akte) und 1990 (Bl. 45, 53 VA), gestützt unter anderem auf das HNO-Gutachten von Dr. Re. (April 1990, Bl. 35 VA), abgelehnt. Mit Bescheid vom 20. Oktober 1995 anerkannte das Wehrbereichsgebührnisamt schließlich – nach Einholung eines weiteren HNO-Gutachtens von Dr. de V. (Bl. 88 VA) – als Folge einer Wehrdienstbeschädigung "sporadisch auftretendes, kurzdauerndes Ohrgeräusch rechts nach Knalltrauma, posttraumatische Hochtonhörminderung bei erhaltener Normalhörigkeit". Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 25 vom 100 (v. H.) werde dadurch nicht begründet (Bl. 55 WDB-Akte).
Im Dezember 2003 konsultierte der Kläger den Nervenarzt Dr. Q., dem er von suizidalen Gedanken im Zusammenhang mit einem Knalltrauma bei der Bundeswehr, Konflikten am Arbeitsplatz und anfallsweise auftretenden Schlafattacken berichtete. Dieser äußerte den Verdacht auf eine depressive Episode bei psychoneurotischer Persönlichkeitsentwicklung sowie den Verdacht auf ein narkoleptisches Syndrom (Bl. 145 VA). In der Folgezeit begab sich der Kläger wiederholt wegen psychischer Beschwerden in die Psychiatrie des Universitätsklinikums T., zusätzlich zum Nervenarzt Dr. P ... Von Mai bis Oktober 2013 waren mehrere stationäre und tagesklinische Behandlungen erforderlich, dabei wurde die Diagnose einer Dysthymie und einer rezidivierenden depressiven Störung auf dem Hintergrund einer akzentuierten Persönlichkeit bzw. einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung gestellt (vgl. Zusammenfassung im Gutachten Dr. M., Bl. 149 ff. S 4 SB 142/14).
Bereits im Januar 2005 beantragte der Kläger die zusätzliche Anerkennung eines "Selbsttötungsversuchs während der Bundeswehrzeit als nicht anerkannte Depression im Zusammenhang mit dem Knalltrauma" als Wehrdienstbeschädigungsfolge (Bl. 120 ff. VA). Die Beklagte ließ den Kläger daraufhin von Prof. Dr. F. begutachten, der am 8. Mai 2006 zu dem Ergebnis gelangte, die schon seit der Schulzeit immer wieder auftretenden Probleme mit mangelndem Selbstwert, leichter Kränkbarkeit und Tendenz zu histronischen Inszenierungen stünden nicht ursächlich mit dem Knalltrauma in Verbindung. Die zusätzlich geltend gemachte Depression/Selbsttötungsversuch werde deswegen nicht zur Anerkennung vorgeschlagen. Die suizidale Reaktion nach dem Knalltrauma habe einen sehr demonstrativen, tendenziell histrionischen Charakter, zumal ein ernsthafter Suizidversuch nicht im Beisein eines Mitsoldaten mit einer Paketschnur erfolgen könne. Allenfalls sei von einer kurzen depressiven Reaktion im Sinne einer Anpassungsstörung (ICD-10.F. 43.20) auszugehen. Nachdem diese Reaktion unter vierzehn Tage angedauert habe und auch nicht mit schweren oder schnell auftretenden Symptomen verbunden gewesen sei, seien die Kriterien einer depressiven Episode nicht erfüllt. Hinweise für eine mangelnde truppenärztliche Betreuung gebe es nicht. Der Kläger sei bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten voll orientiert mit etwas starrem Affekt und herabgesetzten affektiver Modulationsfähigkeit. 2003 sei er wohl ausgelöst durch verschiedene familiäre und berufliche Belastungen an einer depressiven Episode erkrankt, die durch medikamentöse und psychotherapeutische Behandlung gut habe therapiert werden können. Mit Bescheid vom 4. Juli 2006 lehnte der damalige Beklagte daraufhin den Neufeststellungsantrag – gestützt auch auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Gr. - ab. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 20. September 2006, Bl. 207 VA).
Am 30. August 2006 zog sich der Kläger bei einem über die Berufsgenossenschaft N. und G. versicherten Arbeitsunfall eine Knieverletzung zu, deren verbliebene Funktionseinschränkung eine MdE um 10 v. H. begründete (Bl. 141, 144 S 7 U 597/08). Im Juni 2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut die Anerkennung des Selbsttötungsversuchs als Folge des Verbalangriffs seines Kameraden oder als Folge des Ohrgeräuschs (Bl. 248 VA). Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. Juli 2008 ab.
Parallel dazu beantragte der Kläger im August 2008 unter Hinweis auf den Arbeitsunfall vom August 2006 bei der Beklagten die Gewährung einer Stützrente nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG; Bl. 252 VA). Der Antrag wurde mit Bescheid vom 19. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2008 mit der Begründung abgelehnt, ein rentenberechtigende Grad der Schädigungsfolgen (GdS) könne nicht festgestellt werden (Bl. 25 5, 263 VA). Im nachfolgenden Klageverfahren beim Sozialgericht Reutlingen (SG) einigten sich die Beteiligten auf eine Neuüberprüfung (Bl. 44 S 4 VS 3560/08). In dem anschließenden Verfahren wurde ein HNO-Gutachten durch Prof. Dr. Z., der den Kläger im August 2011 untersuchte, eingeholt. Dieser diagnostizierte beim Kläger eine beidseitige Hochtoninnenohrschwerhörigkeit mit einem Hörverlust von jeweils 0 %; ferner einen kompensierten Tinnitus Grad I. Eine MdE von 10 v. H. sei zu keinem Zeitpunkt eingetreten (Bl. 307 VA). Gestützt hierauf lehnte der damalige Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 19. August 2008 mit Bescheid vom 17. Oktober 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2012 ab. Die Klage auf Verurteilung zu einem höheren GdS als 10 für die Ohrgeräusche (S 4 VS 1101/12) nahm der Kläger im anberaumten Erörterungstermin vom 15. Mai 2015 zurück.
Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 23. Juli 2008 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2013 mit der Begründung zurückgewiesen, ein derartiges Geschehen eines Selbsttötungsversuchs fände sich nicht in den ärztlichen Aufzeichnungen, es sei zuletzt auch vom Kläger nicht mehr vorgebracht worden.
Hiergegen hat der Kläger am 6. Juni 2013 erneut Klage beim SG mit der Begründung erhoben, er leide noch heute schwer unter der nicht anerkannten Depression in Folge des Knalltraumas. Prof. Dr. F. habe verkannt, dass eine depressive Reaktion oft weniger als zwei Wochen dauere. Auch sei er im Zusammenhang mit dem Suizidversuch mangelhaft truppenärztlich versorgt worden. Der von Prof. Dr. Z. diagnostizierte kompensierte Tinnitus Grad I müsse zusammen mit der Schallempfindungsschwerhörigkeit mit einem GdS von 10 bewertet werden, so wie dies auch bei der der Feststellung seines Grades der Behinderung (GdB) als Einzel-GdB berücksichtigt worden wäre. Das folge auch zwingend aus der bereits erfolgten Anerkennung als Wehrdienstbeschädigungsfolge. Damit sei eine Stützrente nach dem SVG zu leisten. Aufgrund des Meistbegünstigungsprinzips sei sein Antrag umfassend und damit auch als Antrag nach § 80 SVG auszulegen.
Mit Beschluss vom 16. September 2013 hat das SG das Land Baden-Württemberg zum Rechtsstreit beigeladen und zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts das in dem Rechtsstreit S 4 SB 142/14 eingeholte nervenärztliche Gutachten von Dr. M. vom 26. Juli 2015 (keine durchgängige schwerere affektive Erkrankung über Jahre dokumentiert, Probleme in der ehelichen Partnerschaft hätten zu den stationären Behandlungen geführt, Diagnose Dysthymie) beigezogen. Der dortige Beklagte hatte den – ohne Auswirkung auf die Bewertung des Gesamt-GdB – zugrunde gelegten Einzel-GdB von 10 für die Wehrdienstbeschädigung als nicht korrekt bezeichnet.
Mit Beschluss vom 5. Mai 2015 hat das SG die Beiladung des Landes Baden-Württemberg aufgehoben.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 26. Oktober 2015 mit der Begründung abgewiesen, die vom Kläger geltend gemachten Störungen seien nicht als Wehrdienstbeschädigungsfolge anzuerkennen und ihm stehe wegen der Folgen des Knalltraumas vom 6. September 1988 auch kein Anspruch auf Ausgleich zu. Der gewünschten Feststellung seines Selbsttötungsversuchs als Wehrdienstbeschädigungsfolge stehe bereits entgegen, dass es sich dabei um keine Gesundheitsstörung handele. Ein Suizid sei keine Krankheit oder Behinderung, sondern lediglich unter Umständen Ausdruck oder Symptom einer Erkrankung oder Behinderung, somit nicht feststellungsfähig. Für die Feststellung einer "Depression" fehle es am erforderlichen ursächlichen Zusammenhang mit der Wehrdienstbeschädigung (hier: Knalltrauma nebst somatischen Folgen und Hänselei). Zwar bestehe kein Zweifel daran, dass der Kläger dauerhaft unter einer psychischen Störung, die er selbst als "Depression" bezeichne, leide, die schlüssig und nachvollziehbar von Dr. M. als Dysthymie bei zwanghafter Persönlichkeitsakzentuierung diagnostiziert worden sei. Diese Diagnose stehe in Übereinstimmung mit denen der behandelnden Ärzte Dr. Q. und Dr. P. sowie den Ärzten des Universitätsklinikums T. Soweit zusätzlich über eine depressive Episode bzw. rezidivierende depressive Störungen berichtet worden sei, habe Dr. M. überzeugend dargelegt, dass eine durchgängige schwere affektive Erkrankung über die Jahre hinweg nicht dokumentiert sei. Dagegen spreche auch der zwar nicht gradlinige, aber immer wieder mit erfolgreichen Bildungsabschlüssen bewerkstelligte berufliche Werdegang des Klägers, die, so auch aktuell, zu einer erfolgreichen Teilhabe am Arbeitsmarkt geführt hätten. In lebensgeschichtlich relevanten Krisensituationen mit psychogen Reaktionen seien dann stationäre psychiatrische Behandlungsmaßnahmen erforderlich gewesen. Eine schwere Depressivität habe zuletzt Dr. M. nicht feststellen können, wenngleich Phasen einer mittelschweren depressiven Störung in der Vergangenheit durchaus imponiert hätten. Diese hätten aber durch eine niedrigfrequente psychiatrische Behandlung, Einnahme eines Antidepressivums in normaler Dosis sowie einzelpsychotherapeutische bzw. paartherapeutische Behandlung ausreichend behandelt werden können, insbesondere um die aktuell kommunikativ anspruchsvolle Tätigkeit als Verwaltungsbeamter im Bürgermeistervorzimmer zu verrichten. Die Bewältigung konflikthafter Situationen und der Umgang mit schwierigen Personen, welche die berufliche Tätigkeit des Klägers mit sich bringe, sprächen, wie Dr. M. nachvollziehbar dargelegt habe, für eine (funktionell an gewisse Situationen gebundene) Persönlichkeitsakzentuierung und gegen eine Persönlichkeitsstörung; so habe der Kläger sich auch in der Untersuchungssituation als angepasst, wendig sowie im Denken und Handeln stringent gezeigt. Diese psychische Störung könne nicht auf den Wehrdienst zurückgeführt werden, was sich insbesondere aus den Ausführungen von Prof. Dr. F. ergebe. Nach den eigenen Schilderungen des Klägers stehe für die Kammer fest, dass er am 6. September 1988 keinen ernst gemeinten Suizidversuch unternommen habe, was auch Prof. Dr. F. so gesehen habe. Es sei auch nicht nachgewiesen, dass der Kläger über einen längeren Zeitraum massiven Hänseleien oder gar erniedrigenden Behandlungen seiner Mitsoldaten ausgesetzt gewesen sei. Die depressive Störung im Anschluss an das Knalltrauma sei daher nur vor dem Hintergrund der körperlichen Folgen desselben, insbesondere des Ohrgeräusches, und der Hänselei durch den Stubenkameraden am selben Abend zu sehen. Auf die Hänselei habe der Kläger fremd-angreifend reagiert und sich dann spontan zu einem potentiell selbstschädigenden Verhalten entschlossen. Prof. Dr. F. habe den Suizidversuch und nachfolgenden gesundheitlichen Zustand überzeugend als Ausfluss einer schon seit der Schulzeit immer wieder auftretenden Problematik mit mangelndem Selbstwert, leichter Kränkbarkeit und einer Tendenz zu histronischen Inszenierungen gesehen. Der Kläger habe Prof. Dr. F. berichtet, dass er schon während seiner Schulzeit eher ein Außenseiter gewesen sei, schon damals das Verhalten seiner Mitschüler als Hänselei empfunden und sich daran erinnert habe, dass er einmal während des Sportunterrichts mit einem Jungen eine Schlägerei angefangen habe. Der Sportlehrer und vier andere Jungen hätten ihn gerade noch von dem Jungen herunter holen können, wobei alle überrascht gewesen seien, dass er den eigentlich als sehr kräftig eingeschätzten Jungen so in Bedrängnis habe bringen können. Ähnlich stelle sich die Situation am 6. September 1988 dar. Der Kläger habe auch berichtet, dass er immer ein "melancholischer Typ" gewesen sei, wenngleich er sich an frühere Suizidversuche nicht habe erinnern können, aber einmal seinem Freund bedeutet habe, dass man bei schlechten Noten nicht wert sei, dann brauche man auch nicht am Leben zu sein (Bl. 184 VA). Vor diesem Hintergrund stelle sich die von Dr. M. diagnostizierte persönlichkeitsimmanente Störung als nicht durch die angeschuldigte Wehrdienstzeit verursacht, sondern seit der Jugend angelegt dar. Das Knalltrauma habe daher nur eine kurze depressive Reaktion im Sinne einer Anpassungsstörung, also einem vorübergehenden Gesundheitszustand, begründet. Im Übrigen habe der Vorfall vom 6. September 1988 nicht einmal zu einer Behandlungsbedürftigkeit geführt. Wegen Wehrdienstbeschädigungsfolgen habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Ausgleich, wobei es auf psychiatrischem Fachgebiet schon am Vorliegen einer Wehrdienstbeschädigung fehle, eine solche sei lediglich auf HNO-fachärztlichem Gebiet begründet, bedinge aber nach übereinstimmender Einschätzung aller HNO-Sachverständigen keinen GdS von 10 und erreiche damit auch nicht einen solchen von 30, der für die Gewährung einer Beschädigtenrente Voraussetzung sei. Zu Unrecht folgere der Kläger, dass die Anerkennung einer Schädigungsfolge zwangsläufig auch mit einem GdS von 10 verbunden sei, vielmehr könnten auch Schädigungsfolgen anerkannt werden, die keinen GdS begründeten. Dass im Schwerbehindertenverfahren von den Versorgungsmedizinern wiederholt ein Einzel-GdB von 10 für die Wehrdienstbeschädigungsfolge angenommen worden sei, entfalte keinerlei Bindungswirkung, da die Bewertung eines Einzel-GdB lediglich ein Begründungselement für die Bildung des Gesamt-GdB darstelle. Auch ein Stützrententatbestand komme daher von vornherein nicht in Betracht, zumal das Entschädigungsrecht keine dem § 56 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) vergleichbare Regelung kenne. Sofern daher ein GdS von 10 vorliegen würde, was die Kammer indessen ausdrücklich verneine, so müsse allein der Unfallversicherungsträger über die Frage einer Stützrentengewährung nach seinem Recht entscheiden.
Gegen das am 8. Dezember 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 8. Januar 2016 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt, zu deren Begründung er im Wesentlichen vorträgt, entgegen der Auffassung des SG seien die geltend gemachten Störungen als Wehrdienstbeschädigungsflogen anzuerkennen.
Er beantragt (teilweise sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 26. Oktober 2015 und den Bescheid vom 23. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, eine Depression und einen Selbsttötungsversuch als Wehrdienstbeschädigungsfolgen anzuerkennen und ihm Beschädigtenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzlichen Entscheidungen für zutreffend. Der Bescheid richte sich nach § 88 Abs. 3 S. 1 a.F. SVG und ändere den zugrundeliegenden Bescheid nicht ab. Selbst wenn der Suizidversuch als ernstzunehmender Selbstmordversuch gewertet werde, so wäre die Erkrankung nicht mindestens über sechs Monate so schwerwiegend gewesen, dass sie einen rentenberechtigenden GdS begründen würde.
Die Beteiligten sind mit Schriftsatz vom 12. Mai 2015 darauf hingewiesen worden, dass über das Rechtsmittel ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG entschieden wird. Ihnen ist Gelegenheit gegeben worden, hierzu Stellung zu nehmen. Die Beklagte hat sich mit der Verfahrensweise einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Verfahren und Instanzen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet über die Berufung nach § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richterinnen und Richter durch Beschluss, weil die Berufsrichterin und -richter des Senats die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu dieser Verfahrensweise gegeben worden. Zudem ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass die Berufung wenig aussichtsreich erscheint (vgl. BSG, Urteil vom 25. November 1999 - B 13 RJ 25/99 R -, SozR 3-1500 § 153 Nr. 9, S. 27).
Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere statthafte Berufung (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) des Klägers ist unbegründet. Die angefochtene Verwaltungsentscheidung vom 23. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2013 ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten. Das SG hat daher die zutreffend als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) erhobene Klage zu Recht abgewiesen.
Die Beklagte ist nach der Änderung des § 88 Abs. 1 Satz 1 SVG, wonach die Soldatenversorgung aufgrund des Gesetzes zur Übertragung der Zuständigkeiten der Länder im Bereich der Beschädigten- und Hinterbliebenenversorgung nach dem Dritten Teil des SVG (§§ 80 bis 86) auf den Bund vom 15. Juli 2013 (BGBl I S. 2416) nunmehr von Behörden der Bundeswehrverwaltung durchgeführt wird, seit dem 1. Januar 2015 auch für in der Vergangenheit geltend gemachte Ansprüche für die Ausführung des BVG zuständig, es sei denn, was hier nicht der Fall ist, die Versorgung besteht in Leistungen nach §§ 25 bis 27j BVG. Insoweit kommt es nicht auf die nach früherer Rechtslage zu treffende Zuständigkeitsabgrenzung zwischen der Bundeswehrverwaltung und den damals noch für die Ausführung des BVG zuständigen Behörden nach § 88 SVG alte Fassung an, also ob es um die Feststellung von Folgen einer Wehrdienstbeschädigung geht, die bereits während des Wehrdienstes vorgelegen haben oder die erst nach dessen Ende aufgetreten sind (BSG, Urteil vom 18. November 2015 - B 9 V 1/15 R - juris, Rz. 14; Urteil des Senats vom 27. August 2015 - L 6 VS 4569/14 -, juris, Rz. 32; zur früheren Rechtslage BSG, Urteil vom 29. April 2010 - B 9 VS 2/09 R -, SozR 4-3200 § 88 Nr. 4, Rz. 33 ff.). Maßgeblich für die vom Kläger erhobene Klage ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 54 Rz. 34).
Das SG ist zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass sich das klägerische Begehren verfahrensrechtlich nicht nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch richtet, nachdem die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden erstmals auch über einen Ausgleichsanspruch entschieden hat. Materiell-rechtlich besteht ein solcher nach den ärztlichen Unterlagen auch zur Überzeugung des Senats nicht.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Beschädigtenversorgung in Form einer Beschädigtenrente nach § 80, § 81 SVG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1, § 30, § 31 BVG unter Anerkennung der geltend gemachten Wehrdienstbeschädigungsfolgen.
Ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat, erhält gemäß § 80 Satz 1 SVG nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Wehrdienstbeschädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, soweit in diesem Gesetz nichts Abweichendes bestimmt ist. Wehrdienstbeschädigung ist nach § 81 SVG eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Die Versorgung umfasst nach dem insoweit entsprechend anwendbaren § 9 Abs. 1 Nr. 3 BVG die Beschädigtenrente (§§ 29 ff. BVG). Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG ist der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) - bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13. Dezember 2007 (BGBl I S. 2904) am 21. Dezember 2007 als Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bezeichnet - nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, welche durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen, seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Nachdem für die Beurteilung der MdE und des GdS dieselben Grundsätze gelten, wird im Folgenden allein auf die Beurteilung des GdS Bezug genommen. Der GdS ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer GdS wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst (§ 30 Abs. 1 Satz 2 BVG). Beschädigte erhalten gemäß § 31 Abs. 1 BVG eine monatliche Grundrente ab einem GdS von 30. Liegt der GdS unter 25 besteht kein Anspruch auf eine Rentenentschädigung (vgl. Urteil des Senats vom 18. Dezember 2014 - L 6 VS 413/13 -, juris, Rz. 42).
Durch diese gesetzlichen Bestimmungen ist nach einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum für die Anerkennung von Schädigungsfolgen, welche eine Beschädigtenrente stützen können, eine dreigliedrige Kausalkette vorgegeben: Ein mit dem Wehrdienst zusammenhängender schädigender Vorgang muss zu einer primären Schädigung geführt haben, welche wiederum die geltend gemachte Schädigungsfolge bedingt haben muss. Dabei müssen sich die drei Glieder selbst mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen lassen, während für den ursächlichen Zusammenhang eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreicht (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 3/13 R -, SozR 4-3200 § 81 Nr. 6, Rz. 14 m. w. N.), wie dies § 81 Abs. 6 Satz 1 SVG für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung normiert. Diese Grundsätze haben ihren Niederschlag auch in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" in ihrer am 1. Oktober 1998 geltenden Fassung der Ausgabe 1996 (AHP 1996) und nachfolgend - seit Juli 2004 - den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" in ihrer jeweils geltenden Fassung (AHP 2005 und 2008) gefunden, welche zum 1. Januar 2009 durch die Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (Teil C, Nrn. 1 bis 3 und 12 der Anlage zu § 2 VersMedV; vgl. BR-Drucks 767/1/08, S. 3 f.) inhaltsgleich ersetzt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 6/13 R -, SozR 4-7945 § 3 Nr. 1, Rz. 17). Ein Gesundheitsschaden muss darüber hinaus nicht nur sicher feststehen. Er muss auch durch Einordnung in eines der gängigen Diagnosesysteme (z. B. ICD-10, DSM IV) unter Verwendung der dortigen Schlüssel exakt bezeichnet werden können (Urteil des Senats vom 17. Dezember 2015 - L 6 VS 2234/15 -, juris, Rz. 33 m. w. N.). Der Senat orientiert sich bei der Beurteilung von MdE und GdS für die Zeit bis zum 31. Dezember 2008 an den im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten (BSG, Urteile vom 29. August 1990 - 9a/9 RVs 7/89 -, BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1, vom 23. Juni 1993 - 9/9a RVs 1/91 -, BSGE 72, 285, vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 -, SozR 3-3870 § 4 Nr. 19 und vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R -, BSGE 190, 205) AHP in der jeweils geltenden Fassung, danach an den VG (vgl. Urteil des Senats vom 18. Dezember 2014 - L 6 VS 413/13 -, juris, Rz. 43). Hinsichtlich der vorliegend einschlägigen, das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" betreffenden Funktionsbeeinträchtigungen enthalten die VG in Teil B, Nr. 3.7 gegenüber den AHP 2005 und 2008 keine inhaltlichen Änderungen. Danach sind Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen bei leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen mit einem GdS von 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem GdS von 30 bis 40 sowie bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdS von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einen GdS von 80 bis 100 zu bewerten.
Allein mangels mehr als allenfalls vorübergegangener auf den Wehrdienst zurückzuführender Funktionsbeeinträchtigungen, besteht kein Anspruch des Klägers auf Beschädigtenrente. Dies hat das SG in Auswertung der zeitnahen Angaben des Klägers wie insbesondere der Gutachten von Prof. Dr. F. und Dr. M. ausführlich begründet und ebenso dargelegt, dass es sich bei dem geltend gemachten Suizidversuch schon um keine Wehrdienstbeschädigungsfolge handelt und die anerkannte Wehrdienstbeschädigungsfolge nicht rentenberechtigend ist. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen in vollem Umfang an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG ab.
Ergänzend weist der Senat noch darauf hin (vgl. hierzu die Grundsatzentscheidung des Senats vom 26. Juni 2014 – L 6 VS 4393/13 – Juris Rz. 46 ff.), dass selbst wenn ein GdS von jeweils 10 für die Hörschädigung und die Psyche anerkannt würde, kein Anspruch auf Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach einer sogenannten "Stützrente" analog § 56 Abs. 1 SGB VII bestehen würde. Denn das Recht der Sozialen Entschädigung kennt keine dem § 56 Abs. 1 Satz 2 bis 4 SGB VII entsprechende Stützrentenregelung, so dass eine anerkannte MdE nach dem SGB VII nicht eine Rente in einem Entschädigungsfall nach dem SVG bzw. BVG bei Vorliegen eines GdS von nur 10 zu "stützen" vermag (vgl. Kranig in Hauck, SGB VII, § 56 Rz. 32).
Eine Analogie, also die Übertragung einer gesetzlichen Regelung auf einen Sachverhalt, der vom Wortsinn der betreffenden Vorschrift nicht umfasst wird, ist nur geboten, wenn dieser Sachverhalt dem geregelten vergleichbar ist und nach dem Grundgedanken der Norm und dem mit ihr verfolgten Zweck dieselbe rechtliche Bewertung erfordert. Weitere Voraussetzung ist, dass das Gesetz in dem betreffenden Punkt lückenhaft ist (vgl. BSG, Urteil vom 20. März 2007 - B 2 U 19/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 23). Mit der Regelung des § 56 Abs. 1 Satz 4 SGB VII werden den Versicherungsfällen im Sinne des § 7 SGB VII unter anderem Unfälle und Entschädigungsfälle nach dem BVG und SVG gleichgestellt und sind damit bei der Anwendung des Satz 2 wie Versicherungsfälle zu behandeln. Hierbei handelt es sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, beim Vorliegen weiterer Schädigungen eine Rentenleistung für die MdE in Höhe von 10 v.H. zu gewähren, auch wenn nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB VII grundsätzlich eine MdE von wenigstens 20 v.H. aufgrund Versicherungsfällen vorliegen muss. Eine vergleichbare Regelung, dass Versicherungsfälle nach dem SGB VII Entschädigungsfällen gleichgestellt werden, gibt es im BVG bzw. SVG nicht. Bezüglich der vorliegend zu beurteilenden Sachverhaltskonstellation fehlt es bereits an einer Gesetzeslücke. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber trotz der bereits seit vielen Jahren bestehenden Regelung in § 56 Abs. 1 Satz 4 SGB VII für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung die ähnliche Problematik im Hinblick auf die Gewährung einer Beschädigtenrente bei Unterschreitens eines GdS von 25 bei Vorliegen eines Versicherungsfalles nach dem SGB VII übersehen oder bewusst offen gelassen hat. Zur Überzeugung des Senats ergibt sich vielmehr aus § 84 SGV, dass keine planwidrige Gesetzeslücke für die vorliegende Konstellation gegeben ist. Denn in § 84 SVG hat der Gesetzgeber durchaus Regelungen für bestimmte Konstellationen des Zusammentreffens von Ansprüchen getroffen. So ist in § 84 Abs. 3 SVG geregelt, dass wenn Ansprüche aus Grund einer Wehrdienstbeschädigung oder einer gesundheitlichen Schädigung im Sinne der §§ 81 a bis 81 e SVG mit Ansprüchen aus § 1 BVG oder aus anderen Gesetzen zusammentreffen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen, unter Berücksichtigung des durch die gesamten Schädigungsfolgen bedingten Grades der Schädigungsfolgen eine einheitliche Rente festzusetzen ist. Das Gleiche gilt, wenn die in Satz 1 genannten Ansprüche aus diesem Gesetz zusammentreffen. Daraus folgt, dass der Gesetzgeber sich durchaus Gedanken über das Zusammentreffen von Ansprüchen gemacht hat, jedoch keine § 56 Abs. 1 Satz 4 SGB VII vergleichbare Regelung getroffen hat, dass auch Versicherungsfälle des SGB VII Berücksichtigung finden. Vielmehr hat der Gesetzgeber die bewusste Entscheidung getroffen, dass nur eine einheitliche Rente von Ansprüchen aus Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen, festgesetzt wird.
Durch die unterschiedlichen Regelungen im SVG bzw. BVG und SGB VII ist kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu erkennen. Denn der allgemeine Gleichheitssatz ist nur verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass die ungleiche Behandlung gerechtfertigt ist. Unter diesem Gesichtspunkt käme die analoge Anwendung der in § 56 Abs. 1 Satz 4 SGB VII getroffenen Regelung nur dann in Betracht, wenn ansonsten wesentlich Gleiches ungleich behandelt würde und ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung nicht gegeben ist (BSG, Urteil vom 5. Oktober 2006 - B 10 LW 8/05 R - SozR 4-5868 § 13 Nr. 4). Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz liegt nicht schon vor, wenn wirtschaftlich gleiche Lagen rechtlich verschieden behandelt werden; vielmehr ist auch die Zugehörigkeit der Regelungen zu verschiedenartigen Ordnungssystemen zu berücksichtigen (BVerfG, Urteil vom 25. Juli 1960 - 1 BvL 5/59).
Das Soziale Entschädigungsrecht und das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung sind zwei eigenständig gewachsene Zweige der gesetzlichen Sozialversicherung, die unterschiedliche Zielsetzungen haben und in vielerlei Hinsicht voneinander abweichen. Es liegt daher nicht die Konstellation vor, dass wesentlich Gleiches ungleich behandelt wird. Vielmehr handelt es sich um grundsätzlich nicht vergleichbare Systeme, die nur z.B. im Rahmen des § 56 Abs. 1 Satz 4 SGB VII einen Berührungspunkt haben. Aus sozialpolitischen Gründen hat der Gesetzgeber den Versicherungsfällen im Sinne des § 7 SGB VII Entschädigungsfälle nach dem BVG gleichgestellt und damit zu Lasten der Berufsgenossenschaften und ihrer Mitgliedsunternehmen einen Anspruch auf eine Stützrente geregelt, auch wenn nur durch die anderen Entschädigungsfälle eine MdE von insgesamt 20 v.H. erreicht wird. Die Rente nach dem SGB VII dient dabei dem Ausgleich des durch den Versicherungsfall bedingten abstrakten Schadens im Erwerbseinkommen. Abstrakt, weil nicht auf einen tatsächlichen Entgeltschaden und seine Höhe abgestellt wird, sondern allein auf den abstrakt bemessenen Verlust von Erwerbsmöglichkeiten auf Grund eines verbliebenen Gesundheitsschadens, eben bezeichnet als Minderung der Erwerbsfähigkeit - MdE - (vgl. Ricke in Kasseler Kommentar, SGB VII § 56 Rz. 2). Im Bereich des Entschädigungsrechts ist hingegen der früher verwendete Begriff der MdE durch den Begriff des Grades der Schädigungsfolgen - GdS - ersetzt worden, um deutlich zu machen, dass das BVG als "Grundgesetz der sozialen Entschädigung" keinen umfassenden Ersatz aller Gesundheitsschäden anstrebt und zudem auch nicht nur auf das Erwerbsleben beschränkt ist. Vielmehr wird nach dem Sozialen Entschädigungsrecht ein angemessener Ausgleich für die kausal auf einen Schädigungstatbestand, für den die staatliche Gemeinschaft einzutreten hat, zurückzuführenden gesundheitlichen und wirtschaftlichen Schaden erbracht und dies gilt unabhängig davon, ob die Geschädigten im Erwerbsleben stehen oder nicht (vgl. BT-Drs. 16/6541 S. 31). Für die Bemessung der MdE im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung und des GdS im Entschädigungsrecht werden daher auch unterschiedliche Maßstäbe angewendet. Nur die Bewertung der Höhe des GdS und GdB richtet sich nach den VG bzw. früher nach den AHP. Da sie die Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben zum Inhalt haben, richtet sich das Unfallversicherungsrecht hingegen nicht nach ihnen, so dass für die gleichen Funktionsbeeinträchtigungen die Höhe eines GdS bzw. einer MdE nach dem SGB VII auseinander fallen können. Dass zwei unterschiedlich geregelte eigenständige Systeme vorliegen wird auch dadurch sichtbar, dass für die Gewährung einer Rente nach dem SGB VII nach dessen § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 das Vorliegen einer MdE von wenigstens 20 v.H. erforderlich und ausreichend ist. Nach § 31 Abs. 1 BVG erhalten Beschädigte hingegen erst bei einem GdS von 30 (mindestens 25) eine monatliche Grundrente. Dies verdeutlicht, dass eine analoge Anwendung des § 56 Abs. 1 SGB VII nicht mit den Regelungen des BVG vereinbar wäre. Wie vom Sozialgericht umfassend ausgeführt, liegt ein wesentlicher struktureller Unterschied, der Grund für die Regelungen des § 56 Abs. 1 SGB VII ist auch darin, dass in der gesetzlichen Unfallversicherung im Gegensatz zum Bereich des Sozialen Entschädigungsrechts jeder Versicherungsfall gesondert zu entschädigen ist. Hinzu kommt als weiterer struktureller Unterschied, dass die gesetzliche Unfallversicherung überwiegend beitragsfinanziert ist (vgl. §§ 150 ff. SGB VII), während Entschädigungsleistungen nach dem BVG bzw. SVG als Ausgleich für besondere Schäden, für die die Allgemeinheit Verantwortung übernommen hat bzw. als Ausgleich für das besondere Opfer des Soldaten, aus Steuermitteln bestritten werden. In Anbetracht der bestehenden gravierenden Systemunterschiede ist daher kein zwingender Grund ersichtlich, dass aus Gründen der Gleichbehandlung § 56 Abs. 1 Satz 2 bis 4 SGB VII analog im Bereich des BVG und SVG anzuwenden wäre. Daraus folgt, dass auch aus Art. 3 Abs. 1 GG kein Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Stützrente nach einem GdS von 10 folgen könnte.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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