L 13 R 1814/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 5111/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 1814/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. April 2016 wird zurückgewiesen.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt neben der ursprünglich erhobenen Untätigkeitsklage nunmehr die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab August 2012.

Der 1964 geborene Kläger beantragte am 6. August 2012 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg. Diese leitete den Antrag zuständigkeitshalber an die Beklagte weiter. Mit Bescheid vom 14. Dezember 2012 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. In dem beim Sozialgericht Stuttgart (SG) unter dem Aktenzeichen S 24 R 876/15 anhängigen Klageverfahren gegen die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg erklärte der Kläger im Erörterungstermin am 11. Juni 2015, er habe den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2012 niemals erhalten und legte, nachdem ihm ein Abdruck dieses Bescheids übergeben worden war, gleichzeitig Widerspruch gegen den Bescheid vom 14. Dezember 2012 ein. Die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg leitete den Widerspruch mit Schreiben vom 12. August 2015 an die Beklagte weiter, wo er am 20. August 2015 einging. Am 14. September 2015 hat der Kläger beim SG eine Untätigkeitsklage gegen die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg erhoben und vorgebracht, er habe bis heute keinen Widerspruchsbescheid erhalten. Auf den Hinweis des SG, dass die Untätigkeitsklage gegen die Beklagte gerichtet werden müsse, erklärte der Kläger am 13. Oktober 2015, dass er die Untätigkeitsklage gegen die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg zurücknehme und gleichzeitig Untätigkeitsklage gegen die Beklagte erhebe. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2015 den Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2015 vorgelegt, mit dem der Widerspruch des Klägers vom 11. Juni 2015 gegen den Bescheid vom 14. Dezember 2012 zurückgewiesen wurde, weil der Kläger die medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfülle. Auf den Hinweis des SG, dass sich die Untätigkeitsklage durch Erlass des Widerspruchsbescheids inzwischen erledigt haben dürfte, bestätigte der Kläger am 28. Oktober 2015 telefonisch, dass er den Widerspruchsbescheid bekommen habe, jedoch die Untätigkeitsklage nicht zurücknehmen werde. Mit Schreiben vom 9. Dezember 2015 legte die Beklagte ein als "Widerspruch" bezeichnetes Schreiben des Klägers vom 23. Oktober 2015 vor, das dort am 26. Oktober 2015 einging. Hierzu erklärte der Kläger im Rahmen einer persönlichen Vorsprache beim SG am 15. Dezember 2015, dass er Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2015 erheben wolle und sein Schreiben vom 23. Oktober 2015 als Klage gewertet werden solle. Auch der Bescheid vom 21. Juli 2015 der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg solle Bestandteil der Klage sein. Die Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2015 wird beim SG unter dem Aktenzeichen S 13 R 7039/15 geführt.

Mit Gerichtsbescheid vom 19. April 2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Untätigkeitsklage sei vor Ablauf der Sperrfrist von drei Monaten (§ 88 Abs. 2 SGG) erhoben worden und habe sich durch Erlass des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2015 noch vor Ablauf der Sperrfrist erledigt, so dass sie von Anfang an unzulässig gewesen und auch nicht zulässig geworden sei. Die Beklagte habe den Widerspruch des Klägers vom 11. Juni 2015 gegen den Bescheid vom 14. Dezember 2012 am 20. August 2015 erhalten, so dass die dreimonatige Sperrfrist bis zum 20. November 2015 gelaufen sei. Da sowohl die Klageerhebung am 13. Oktober 2015 als auch der Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2015 vor Ablauf der Sperrfrist des § 88 SGG erfolgt seien, sei die Untätigkeitsklage als unzulässig zu verwerfen. Eine fristgemäße und sachdienliche Klageänderung im Sinne des § 99 SGG sei nicht erfolgt. Der Widerspruch vom 23. Oktober 2015 könne nicht als Klageänderung angesehen werden, da er bei der Beklagten erhoben worden sei und keinen Bezug zur Untätigkeitsklage gehabt habe. Inwieweit er als neue Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2015 ausgelegt werden könne, werde unter dem Aktenzeichen S 13 R 7039/15 geprüft. Die Klageerhebung vom 15. Dezember 2015 gegen den Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2015 sei nicht als Klageänderung eingestuft worden, da der Kläger mehrfach erklärt habe, dass er die Untätigkeitsklage weder als erledigt ansehe noch sie zurücknehmen wolle. Sie wäre zudem nicht fristgemäß nach § 87 SGG. Die weitere Prüfung erfolge ebenfalls unter dem Aktenzeichen S 13 R 7039/15. Zudem erachte das Gericht die Änderung einer unzulässigen Untätigkeitsklage grundsätzlich nicht als sachdienlich, da kein Prozessstoff existiere, der für das Folgeverfahren verwertet werden könne und dadurch das Erheben von Untätigkeitsklagen vor Ablauf der Sperrfrist begünstigt würde, was nicht prozessökonomisch sei.

Gegen den ihm am 20. April 2016 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 3. Mai 2016 eingelegte Berufung des Klägers. Er hat auf seinen bisherigen Vortrag im Klageverfahren Bezug genommen. Die Beklagte habe "ebenso wenig" gemacht. In der mündlichen Verhandlung am 12. Juli 2016 hat der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung geltend gemacht.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. April 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Dezember 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2015 zu verurteilen, ihm ab 1. August 2012 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage bzw. die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die ursprüngliche Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. April 2016 war bereits unzulässig, da der Kläger im Hinblick auf den ursprünglich geltend gemachten Erlass eines Widerspruchsbescheids kein Rechtsschutzbedürfnis mehr hatte. Denn die Beklagte hat bereits mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2015 über seinen Widerspruch vom 11. Juni 2015 gegen den Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2012 entschieden. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn unzweifelhaft ist, dass das begehrte Urteil die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Klägers nicht verbessern würde (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, vor § 51 Rdnr. 16a mwN). Dies ist hier der Fall, da die Beklagte den vom Kläger begehrten Widerspruchsbescheid bereits am 19. Oktober 2015 und damit schon während des erstinstanzlichen Verfahrens erlassen hat, so dass der Kläger seine Rechtsposition im Berufungsverfahren nicht weiter verbessern konnte.

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 12. Juli 2016 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung geltend gemacht hat, ist diese Klageänderung gemäß § 99 SGG ebenfalls unzulässig. Zwar kann der Kläger nach Erledigung der Untätigkeitsklage durch Erlass des Widerspruchsbescheids seine Klage im Wege der Klageänderung als Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage fortsetzen; der Widerspruchsbescheid wird in den Antrag einbezogen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11 Auflage 2014, § 88 Rdnr. 10b, 12). Die Klageänderung muss jedoch innerhalb der Klagefrist des § 87 SGG erklärt werden (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Oktober 2007 - L 7 SO 4334/06; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., Rdnr 12a). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Die Klagefrist gemäß § 87 SGG beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids, d.h. im vorliegenden Fall spätestens am 28. Oktober 2015 zu laufen, da der Kläger im Rahmen eines Telefonats im erstinstanzlichen Verfahren an diesem Tag mitgeteilt hat, dass er jetzt den Widerspruchsbescheid bekommen habe. Die Klagefrist endete somit am 30. November 2015, da der 28. November 2015 auf einen Samstag fiel und die Frist deshalb erst mit Ablauf des nächsten Werktages endete (vgl. § 64 Abs. 3 SGG). Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 12. Juli 2016 war die Klagefrist demnach längst abgelaufen. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 SGG) sind nicht ersichtlich.

Im Übrigen wird noch darauf hingewiesen, dass der Kläger seinen Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente in dem beim SG anhängigen Verfahren S 13 R 7039/15 weiterverfolgen kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass der Kläger mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Kläger hat zwar bereits im Erörterungstermin am 11. Juni 2015 (im Verfahren S 24 R 876/15) formgerecht Widerspruch gegen den Bescheid vom 14. Dezember 2012 eingelegt. Denn gemäß § 84 Abs. 2 SGG gilt die Frist zur Erhebung des Widerspruchs u.a. auch dann als gewahrt, wenn die Widerspruchsschrift bei einer anderen inländischen Behörde, wozu auch Gerichte gehören (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11 Auflage 2014, § 84 Rdnr. 6), eingegangen ist. Ob damit bereits die Wartefrist des § 88 SGG zu laufen begann, kann dahingestellt bleiben, da jedenfalls ein zureichender Grund dafür vorlag, erst mit Bescheid vom 19. Oktober 2015 über den Widerspruch zu entscheiden, da der Widerspruch erst am 20. August 2015 bei der Beklagten einging. Auch die Anfechtungs- und Leistungsklage war ohne Erfolg.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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