L 11 R 4556/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 909/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 4556/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 17.07.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1965 geborene türkische Kläger lebt seit 1972 in der Bundesrepublik Deutschland. Nach einer abgebrochenen Gipserlehre arbeitete er von 1985 bis 1993 in einer Gießerei und war nach Arbeitslosigkeit selbstständig tätig als Fahrer von 1996 bis 1998. Anschließend arbeitete er bis 2006 als Schweißer und von Dezember 2006 bis 26.04.2010 als Lkw-Fahrer. Seither bezieht er Sozialleistungen (Krankengeld, Arbeitslosengeld, Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende).

Am 13.12.2010 beantragte der Kläger die Gewährung von Erwerbsminderungsrente. Die Beklagte zog den Entlassungsbericht einer in B. B. vom 06. bis 22.04.2011 durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme bei. Nach dem Entlassungsbericht bestand bei mittelgradiger depressiver Episode, rezidivierender Lumboischialgie, Hypertonie, Diabetes mellitus Typ II keine dauerhafte Einschränkung für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mindestens sechs Stunden arbeitstäglich. Mit Bescheid vom 27.05.2011 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, die Prognose der S.-Klinik B. B. zu einem Wiedereintritt der Leistungsfähigkeit innerhalb von sechs Monaten treffe so nicht zu, er sei weiter psychisch stark beeinträchtigt. In dem daraufhin veranlassten nervenärztlichen Gutachten vom 08.12.2011 stellte Dr. W. folgende Diagnosen: mittelgradige depressive Episode, HWS-Syndrom, Persönlichkeitsstörung vom emotional-instabilen Typ. Er hielt leichte Tätigkeiten ohne Nachtschicht, Publikumsverkehr und erhöhte Anforderungen an Konzentration/Flexibilität für mindestens sechs Stunden arbeitstäglich zumutbar. Nach dem erhobenen Medikamentenspiegel nehme der Kläger seine Medikamente nicht, auch die therapeutischen Anstrengungen seien im Gegensatz zur vorgetragenen Ausprägung der Beschwerden eher gering. Eine Aggravation der Symptome sei nicht auszuschließen. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.02.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen richtet sich die am 14.03.2012 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobene Klage. Der Kläger sei aufgrund seiner Krankheiten dermaßen beeinträchtigt, dass er auf absehbare Zeit außerstande sei, mindestens drei Stunden erwerbstätig zu sein.

Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Auf die Aussagen der Hausärztin Dr G. vom 03.09.2012, des Dipl. Psych. F. vom 28.10.2012 und des Neurologen Dr. F. vom 05.12.2012 wird Bezug genommen. Das SG hat zusätzlich ein psychiatrisches Gutachten bei Dr. S. eingeholt. Dieser hat eine leichtgradige depressive Störung (F32.0), undifferenzierte Somatisierungsstörung (F45.1), sensible Ataxie bei Va diabetische Polyneuropathie diagnostiziert und leichte Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ohne Nachtschicht, direkten Kundenkontakt und ohne Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten für zumutbar erachtet (Gutachten vom 04.06.2013). Es bestehe eine deutliche Diskrepanz zwischen eigenanamnestischen Beschwerden und beobachtbaren Befunden. Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG ein weiteres psychiatrisches Gutachten bei Dr. K. eingeholt. Dieser geht in seinem Gutachten vom 05.01.2015 von einer wahrscheinlich seit 2006 chronisch verlaufenden schwergradigen depressiven Störung, einer undifferenzierten Somatisierungsstörung, die sich gegenwärtig in Form des Schwindels mit Panikstörung äußere und einer kombinierten Persönlichkeitsstörung aus. Der Kläger sei nicht in der Lage, noch sechs Stunden oder mehr zu arbeiten. In den bisherigen Gutachten fehle die Berücksichtigung kultursensibler und kulturbezogener Faktoren. Die Beklagte hat dazu eine Stellungnahme ihres beratungsärztlichen Dienstes vom 12.02.2015 vorgelegt.

Mit Urteil vom 17.07.2015 hat das SG die Klage gestützt auf das Gutachten von Dr. S. abgewiesen. Der Kläger sei nicht erwerbsgemindert. Die Einschätzung von Dr. K. überzeuge nicht. Die beschriebene schwergradige depressive Störung sei nicht nachvollziehbar. Die Anamnese falle sehr knapp aus, eine Plausibilitäts- und Konsistenzprüfung finde sich nur rudimentär. Die Diagnosen seien nicht nach dem Klassifikationssystem der ICD 10 eingeordnet, weshalb die Befunde letztlich nicht klar seien. Im Ergebnis sei das Gutachten daher nicht nachvollziehbar.

Gegen das seinem Bevollmächtigten am 30.09.2015 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil richtet sich die am 30.10.2015 eingelegte Berufung des Klägers. Dr. K. habe auf 28 Seiten festgestellt, dass der Kläger nicht mehr arbeiten könne. Ergänzend hat der Kläger einen Befundbericht von Dr. K. vom 31.05.2016 vorgelegt, in dem dieser berichtet, den Kläger seit 2015 muttersprachlich psychiatrisch zu behandeln. In Aufmerksamkeit, Konzentration und Mnestik zeige der Kläger deutliche Defizite, er sei vom Antrieb reduziert, im formalen Denken verlangsamt und umständlich. Damit seien weitreichende Fähigkeitsstörungen verbunden, es bestehe ein aufgehobenes berufliches Leistungsvermögen.

Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 17.07.2015 und den Bescheid der Beklagten vom 27.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.06.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01.12.2010 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet die Ausführungen im angefochtenen Urteil für uneingeschränkt sachgerecht.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens bei Dr. B ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 09.05.2016 folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: - kombinierte Persönlichkeitsstörung - Somatisierungsstörung (F45.0) - Va dysthyme Entwicklung (F34.1V) - Va phobische Symptomatik oder Panikattacken (F41.0V) - gut kompensierte Hypakusis - Va rezidivierende peripher-vestibuläre Irritation (H81V) - Diabetes mellitus ohne Anhalt für neurologische Komplikationen - Nikotinabusus – 60 Zigaretten täglich (F17.1G) - Adipositas (165 cm/98 kg) - angegebene Bandscheibenschäden HWS und LWS sowie Hüftbeschwerden ohne Anhalt für assoziierte neurologische Symptomatik. Es hätten sich deutliche Hinweise für simulative Verhaltensweisen ergeben. Nervenärztlich ließen sich keine Funktionsstörungen belegen, die überdauernde quantitative Leistungseinschränkungen begründeten. Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten, mit Anforderungen an die Konfliktfähigkeit, fordernde soziale Interaktionen, sowie Wechsel- und Nachtschicht seien auszuschließen.

Mit Schreiben vom 09.06.2016 sind die Beteiligten auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung gemäß § 153 Abs 4 SGG hingewiesen worden. Der Kläger hat mit Schreiben vom 14.07.2016 mitgeteilt, er wolle rechtliches Gehör bekommen und wünsche erneut ein Sachverständigengutachten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 27.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.02.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Der Senat weist die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gemäß § 153 Abs 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden. Der Kläger hat zum Ausdruck gebracht, dass er mit dieser Verfahrensweise nicht einverstanden ist, er hat jedoch keine Gründe genannt, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machen würden. Rechtliches Gehör wurde mit der Anhörungsmitteilung gewährt. Die Zustimmung der Beteiligten zum Verfahren nach § 153 Abs 4 SGG ist nicht erforderlich (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl, § 153 RdNr 14).

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554).

Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflicht-beiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3).

Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt.

Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Der Kläger kann zur Überzeugung des Senats täglich noch mindestens sechs Stunden körperlich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. Zu vermeiden sind dabei Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten, Wechsel- oder Nachtschicht sowie Tätigkeiten mit Publikumsverkehr oder sonstigen fordernden sozialen Interaktionen. Dies ergibt sich aus den überzeugenden Gutachten von Dr. S. und Dr. B. sowie dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. W., das der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet. Die umfassenden Ausführungen insbesondere von Dr. S. und Dr. B. sind in sich schlüssig und für den Senat gut nachvollziehbar, er macht sie deshalb zur Grundlage seiner Beurteilung.

Bei dem Kläger bestehen folgende Gesundheitsstörungen: - kombinierte Persönlichkeitsstörung - Somatisierungsstörung (F45.0) - leichtgradige depressive Störung (F32.0) bzw Va dysthyme Entwicklung (F34.1V) - Va phobische Symptomatik oder Panikattacken (F41.0V) - gut kompensierte Hypakusis - Va rezidivierende peripher-vestibuläre Irritation (H81V) - Diabetes mellitus ohne Anhalt für neurologische Komplikationen - Nikotinabusus – 60 Zigaretten täglich (F17.1G) - Adipositas (165 cm/98 kg) - angegebene Bandscheibenschäden HWS und LWS sowie Hüftbeschwerden ohne Anhalt für assoziierte neurologische Symptomatik

Diese Gesundheitsstörungen wirken sich nur insoweit auf die berufliche Leistungsfähigkeit aus, als die oben genannten qualitativen Einschränkungen zu berücksichtigen sind. Eine Einschränkung in zeitlicher Hinsicht besteht nicht. Sowohl Dr. S. als auch Dr. B. haben ausdrücklich festgestellt, dass der Kläger im Rahmen der Untersuchung keine verstärkten Ermüdungszeichen in motorischer oder kognitiver Hinsicht zeigte, die Konzentration blieb ungestört und auch der Antrieb war nicht reduziert. Im psychischen Befund zeigten sich damit keinerlei Störungen, die sich auf das Durchhaltevermögen auswirken könnten. Die von allen Gutachtern beschriebene Persönlichkeitsstörung geht einher mit sehr geringer Konfliktfähigkeit, geringer Frustrationstoleranz, Schwierigkeiten der Affektkontrolle und impulsivem Verhalten, das sich schon während der Schulzeit in Prügeleien äußerte. Entsprechend verweist Dr. B. nachvollziehbar darauf, dass die entsprechenden Persönlichkeitsakzentuierungen sich schon seit jeher gezeigt hätten. Auswirkungen auf das berufliche Leistungsvermögen ergeben sich hieraus nur insoweit, als das Tätigkeiten mit Publikumsverkehr oder sonstigen fordernden sozialen Interaktionen zu vermeiden sind. Daneben besteht eine depressive Störung, wobei der Senat offen lassen kann, ob es sich um eine leichtgradige depressive Störung (so Dr. S.) oder ein dysthyme Entwicklung (so die Verdachtsdiagnose von Dr. B.) handelt, denn beides bedingt keine weitergehende Einschränkung als die Vermeidung von Wechsel- und Nachtschicht. Aus dem Entlassungsbericht der S.-Klinik B. B. und dem Gutachten von Dr. W. ist zu entnehmen, dass die depressiven Symptome damals stärker ausgeprägt waren und im Sinne einer mittelgradigen depressiven Episode gewertet wurden. Überdauernde Beeinträchtigungen des beruflichen Leistungsvermögens hierdurch wurden jedoch bereits zum damaligen Zeitpunkt im Jahr 2011 weder von den Ärzten der Rehabilitationsklinik noch von Dr. W. angenommen, so dass durchgehend ab Rentenantragstellung keine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens vorlag. Für die vom Kläger angegebenen Schwindelattacken ist ein organisches Korrelat nicht sicher feststellbar, sie werden von den Gutachtern übereinstimmend als Ausdruck einer Somatisierungsstörung gewertet. Vorsichtshalber sind insoweit Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten auszuschließen. Andere Funktionsstörungen ergeben sich hieraus nicht, zumal der Kläger selbst auch kein richtungsweisendes Vermeidungsverhalten zeigt. Auffällig war insoweit bei der Untersuchung durch Dr. S., dass der Kläger eine akute Schwindelattacke beim Aufstehen angab, die beobachteten Bewegungsabläufe jedoch vollkommen ungestört waren. Aus der von Dr. B. geäußerten Verdachtsdiagnose einer phobischen Symptomatik oder von Panikattacken ergibt sich nichts anderes. Die von Dr. S. vermuteten polyneuropathischen Beschwerden ggf im Rahmen der Diabetes-Erkrankung konnte Dr. B. im Rahmen seiner Untersuchung ausschließen. Die angegebene sensible Halbseitensymptomatik ließ sich in der vorliegenden Befundkonstellation (mittellinienbegrenzte Gefühlsminderung für die komplette linke Seite mit angegebenem verminderten Vibrationsempfinden und fehlender Kalt-/Warmdiskrimination) nur psychogen erklären. Ohnehin resultieren aus dieser Symptomatik keine relevanten Funktionseinschränkungen in beruflicher Hinsicht über die ohnehin bestehenden Einschränkungen hinaus.

Auch aus den übrigen Gesundheitsstörungen ergeben sich keine weiteren Funktionseinschränkungen für körperlich leichte Tätigkeiten. Weder der Diabetes mellitus noch etwaige Verschleißerscheinungen im Bereich der Wirbelsäule haben bisher zu neurologischen Komplikationen geführt, wie Dr. B. aufgrund seiner neurologischen Untersuchung festgestellt hat. Sowohl bei Dr. B. als auch bei Dr. S. konnte der Kläger im Rahmen der Untersuchung über mehrere Stunden Sitzen ohne jegliche Schmerzbeeinträchtigung. Die Hausärztin Dr. G. hat mitgeteilt, dass die anfangs sehr schlechte Blutzuckereinstellung sich infolge Diätmaßnahmen und regelmäßiger körperlicher Bewegung gebessert habe (HbA1c-Wert 7,4). Auch insoweit bestehen daher keine gravierenden Einschränkungen.

Dem Gutachten von Dr. K. kann der Senat dagegen nicht folgen, denn dieses ist nicht schlüssig. Dr. E. vom beratungsärztlichen Dienst der Beklagten hat zutreffend darauf hingewiesen, dass schon nicht klar ist, ob Dr. K. von einer Dysthymia (F34.1) , einer einzelnen depressiven Episode (F32.x) oder einer rezidivierenden depressiven Störung (F33.x) ausgeht. Der von Dr. K. offenbar angenommene schwergradige depressive Zustand des Klägers lässt sich anhand seiner Ausführungen nicht nachvollziehen. Das Gutachten selbst enthält über weite Strecken nur unkommentierte Aktenauszüge (so bis Seite 19 und in der zusammenfassenden Beurteilung Seite 23 bis 26). Der psychische Befund ist äußerst knapp erhoben. Der gravierendste Mangel des Gutachtens liegt jedoch darin, dass Dr. K. trotz der Hinweise auf Aggravation und Simulation in Vorgutachten eine Konsistenzprüfung tatsächlich nicht vornimmt. Er führt zu dieser Problematik lediglich aus, während der Untersuchung seien die geklagten Beschwerden dem hohen Leidensdruck entsprechend im Sinne einer Verdeutlichungstendenz dargeboten worden; dies sei ein Versuch, den Gutachter vom Vorhandensein der geklagten Symptomatik zu überzeugen und stelle ein durchaus normales Verhalten in der Begutachtungssituation dar. Auf dieser Grundlage hat Dr. K. dann auch die von ihm festgestellten deutlichen Defizite in Aufmerksamkeit und Konzentration daran festgemacht, dass der Kläger erst nach mehrmaligem Nachfragen Zeitangaben zum Alter seiner Kinder und seiner Ehejahre habe machen können.

Dies kann in keiner Weise überzeugen. Bereits Dr. W. hat auf Aggravation und eine Diskrepanz zwischen der vorgetragenen Ausprägung der Beschwerden und der geringen therapeutischen Anstrengung hingewiesen. Noch ausführlicher beschreibt Dr. S. Diskrepanzen zu eigenanamnestischen Beschwerden und beobachtbaren Befunden. So gab der Kläger an, maximal ½ Stunde sitzen zu können, verbrachte die mehrstündige Exploration und Untersuchung dann aber sitzend ohne erkennbare Beschwerden. Die Schwindelangaben bei der Untersuchung standen im Gegensatz zu völlig ungestörten Bewegungsabläufen und die angegebenen deutlichen depressiven Symptome korrelierten nicht mit dem psychischen Befund. Auch die angewandten Beschwerdevalidierungstests (Rey und TOMM) ergaben Hinweise auf negative Antwortverzerrung. Bei Dr. B. gab der Kläger zu Beginn der Untersuchung nahezu überhaupt keine verwertbaren Auskünfte selbst zu einfachsten "Aufwärmfragen", zB wann er in Mannheim angekommen sei zur Begutachtung oder wann er zuletzt selbst Auto gefahren sei ("weiß ich nicht", "weiß ich doch nicht"), wobei der Kläger teils mit geschlossenen Augen dasitzend gelangweilt die Antworten hingeworfen habe, sich teils auch akzentuiert im Gesichtsausdruck überfragt gegeben habe, obgleich die Fragen offensichtlich gut verstanden worden waren. Der daraufhin von Dr. B. schon an dieser Stelle durchgeführte Simulationstest nach Rey ergab statt zu erwartender wenigstens 9 korrekt wiedergegebener Items von 15 lediglich eines, was eindeutig auf nicht authentische, sondern willentlich gesteuerte Verfälschungen hinweist. Im weiteren Verlauf der Untersuchung bestätigte sich ein durchaus facettenreiches Kommunikationsmuster. Mal gab sich der Kläger bei Einfachem (inhaltsabhängig) ausgesprochen akzentuiert überfragt mit schon grob demonstrativ pseudodementem Ausdrucksverhalten, bei anderen Themen konnte er mit einem Male flott, präzise und gedanklich flexibel berichten. Allein auf die tatsächlichen Angaben des Klägers können daher funktionelle Einschränkungen nicht gestützt werden, da dessen Angaben nicht authentisch sind. Insoweit ändert auch der von Dr. K. - nunmehr als behandelnder Arzt – nachgeschobene Befund im Bericht vom 31.05.2016 nichts.

Auch unter dem Aspekt "kulturbezogener Faktoren" ändert sich an der Beurteilung nichts. Dr. K. begründet seine Abweichung von den Vorgutachtern allein mit deren fehlender interkultureller Kompetenz, ohne dass sich aus seinem eigenen Gutachten hierzu irgendetwas entnehmen ließe – abgesehen von der erfolgten muttersprachlichen Exploration. Insbesondere findet sich in dem Gutachten nichts dazu, dass und aus welchem Grund etwa aus kulturspezifischen Faktoren auf eine gegenüber den Vorgutachten abweichende sozialmedizinische Beurteilung zu schließen wäre.

Auch soweit die die Hausärztin Dr. G. und der Neurologe Dr. F. eine berufliche Tätigkeit für nicht möglich halten, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche Sachverständige kommt nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl Urteile vom 18.06.2013, L 11 R 506/12; 17.01.2012, L 11 R 4953) grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte. Bei der Untersuchung von Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten spielt die Frage nach der Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens in der Regel keine Rolle. Dagegen ist es die Aufgabe des Sachverständigen, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang muss der Sachverständige auch die Beschwerdeangaben eines Versicherten danach überprüfen, ob und inwieweit sie sich mit dem klinischen Befund erklären lassen. Im Übrigen haben beide Ärzte keine nachvollziehbare Begründung für ihre Einschätzung geliefert, so dass diese auch insoweit nicht plausibel ist.

Ein Rentenanspruch kann vorliegend auch nicht auf die Grundsätze einer schweren spezifischen Leistungsbeeinträchtigung oder einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen gestützt werden. Nach der Rechtsprechung des BSG liegt eine volle Erwerbsminderung ausnahmsweise selbst bei einer mindestens sechsstündigen Erwerbsfähigkeit vor, wenn der Arbeitsmarkt wegen besonderer spezifischer Leistungseinschränkungen als verschlossen anzusehen ist. Dem liegt zugrunde, dass eine Verweisung auf die verbliebene Erwerbsfähigkeit nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten (BSG 30.11.1983, 5a RKn 28/82, BSGE 56, 64, SozR 2200 § 1246 Nr 110). Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist bei Versicherten mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. Eine Verweisungstätigkeit braucht erst dann benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Hinsichtlich der vorhandenen qualitativen Beschränkungen hängt das Bestehen einer Benennungspflicht im Übrigen daher entscheidend von deren Anzahl, Art und Umfang ab, wobei zweckmäßigerweise in zwei Schritten - einerseits unter Beachtung der beim Restleistungsvermögen noch vorhandenen Tätigkeitsfelder, andererseits unter Prüfung der "Qualität" der Einschränkungen (Anzahl, Art und Umfang) - zu klären ist, ob hieraus eine deutliche Verengung des Arbeitsmarktes resultiert (vgl BSG 20.08.1997, 13 RJ 39/96, SozR 3-2600 § 43 Nr 17; 11.05.1999, B 13 RJ 71/97 R, SozR 3-2600 § 43 Nr 21; 09.09.1998, B 13 RJ 35/97 R). Eine spezifische Leistungseinschränkung liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG 27.04.1982, 1 RJ 132/80, SozR 2200 § 1246 Nr 90). Der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedarf es nicht, wenn – wie hier - Tätigkeiten wie das Verpacken leichter Gegenstände, einfache Prüfarbeiten oder die leichte Bedienung von Maschinen noch uneingeschränkt möglich sind. Einschränkungen, die dem entgegenstehen könnten, lassen sich den Gutachten von Dr. W., Dr. S. und Dr. B. nicht entnehmen. Das Risiko, einen entsprechenden Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tatsächlich zu erhalten, liegt bei diesem Leistungsvermögen nicht im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung.

Der Kläger ist auch wegefähig im rentenrechtlichen Sinne. Zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (BSG 09.08.2001, B 10 LW 18/00 R, SozR 3-5864 § 13 Nr 2 mwN; 28.08.2002, B 5 RJ 12/02 R). Denn eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs ist in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich. Das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität ist deshalb Teil des nach § 43 SGB VI versicherten Risikos (BSG 17.12.1991, 13/5 RJ 73/90, SozR 3-2200 § 1247 Nr 10; 09.08.2001, B 10 LW 18/00 R, SozR 3-5864 § 13 Nr 2; 14.03.2002, B 13 RJ 25/01 R); das Defizit führt zur vollen Erwerbsminderung. Hat der Versicherte keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht konkret angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - möglich sein muss, nach einem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt. Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel und vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege zurücklegen muss. Erwerbsfähigkeit setzt danach grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Meter mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (zB Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (BSG 17.12.1991, 13/5 RJ 73/90, SozR 3-2200 § 1247 Nr 10; 30.01.2002, B 5 RJ 36/01 R (juris) mwN).

Der Kläger ist in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen. Dies geht ausdrücklich aus den Gutachten von Dr. S. und Dr. B. hervor. Zudem hat der Kläger gegenüber Dr. B. selbst ausgeführt, dass er täglich laufe, am liebsten in den Wald.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI. Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist (vgl § 240 SGB VI), dass er vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Da der Kläger nach dem Stichtag geboren ist, scheidet ein Anspruch schon von vornherein aus, auch wenn die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Lkw-Fahrer nicht mehr möglich ist.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Gutachten und Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Die vorliegenden Gutachten von Dr. W., Dr. S. und Dr. B. haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 ZPO). Die Gutachten gehen von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthalten keine unlösbaren inhaltlichen Widersprüche und geben auch keinen Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gutachter zu zweifeln; weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig.

Die Würdigung unterschiedlicher Gutachtenergebnisse oder unterschiedlicher ärztlicher Auffassungen zur Leistungsfähigkeit des Versicherten gehört wie die anderer sich widersprechender Beweisergebnisse zur Beweiswürdigung selbst. Eine Verpflichtung zu weiterer Beweiserhebung besteht auch bei einander widersprechenden Gutachtenergebnissen im Allgemeinen nicht; vielmehr hat sich das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung mit den einander entgegenstehenden Ergebnissen auseinanderzusetzen. Hält das Gericht eines von mehreren Gutachten für überzeugend, darf es sich diesem anschließen, ohne eine weitere Sachaufklärung zu betreiben. Bei einer derartigen Fallkonstellation ist für eine weitere Beweiserhebung regelmäßig kein Raum (BSG 08.12.2009, B 5 R 148/09 B, juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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