Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
29
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 29 R 91/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
In Streit steht die Rechtmäßigkeit der Nichtberücksichtigung von Kindererziehungszeiten bei der Berechnung der Altersrente.
Die am 19.09.19xx geborene Klägerin war seit 01.12.19xx als Lehrerin tätig. Zunächst wurde sie am 01.12.19xx als Beamtin auf Widerruf ernannt, sodann am 01.02.19xx als Beamtin auf Probe und am 21.09.19xx auf Lebenszeit. Mit Ablauf des 30.06.20xx wurde sie wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Seit dem 01.07.2006 bezieht sie Ruhegehalt gemäß § 4 ff. des Beamtenversorgungsgesetzes. Bei der Festsetzung des Ruhegehalts berücksichtigt wurden bis 31.12.19xx Kindererziehungszeiten vom 01.08.19xx bis 10.10.19xx für den Sohn N. (*11.04.19xx) und vom 20.11.19xx bis 19.05.19xx für die Söhne Th. und St. (*20.11.19). Versorgungsrechtlich ist bei der Klägerin ein Grad der Behinderung von 50 v.H. anerkannt.
Am 20.05.2014 stellte sie einen Antrag auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen bei der Beklagten. Mit Bescheid vom 19.08.2014 gewährte die Beklagte die beantragte Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 01.10.2014. Die Zeit vom 01.05.19xx bis 30.04.19xx werde nicht als Kindererziehungszeit für den Sohn N. anerkannt, weil diese Zeit nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen systembezogen annähernd gleichwertig berücksichtigt werde. Das Gleiche gelte für die Zeit vom 01.12.19xx bis 30.11.19xx für die Söhne St. und Th ...
Gegen den Rentenbescheid legte die Klägerin im Hinblick auf die Nichtberücksichtigung der Kindererziehungszeiten am 13.09.2014 Widerspruch ein. Entgegen der Ausführungen im Bescheid seien die Kindererziehungszeiten nicht nach beamtenrechtlichen Vorschriften annähernd gleichwertig berücksichtigt worden. Vielmehr seien ihr für ihre drei Kinder zusammen nur 12 Monate anerkannt worden. Sie beantrage daher, dass die Kindererziehungszeiten in ihrer Rentenberechnung voll angerechnet werden. Dem Widerspruch beigefügt ist ein Schreiben des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen, in welchem dargelegt wird, dass die Kindererziehungszeit für Kinder, die vor dem 01.01.1992 geboren sind, in der Beamtenversorgung nicht annähernd gleichwertig wie in der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt würden. Das Beamtenversorgungsgesetz sehe eine Gewährung von Kindererziehungszeiten über den 6. Lebensmonat hinaus nicht vor, auch nicht bei Mehrlingsgeburten.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.01.2015 zurück. Der Gesetzgeber habe mit einer Neuregelung des § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – SGB VI – mit Wirkung ab 01.07.2014 klargestellt, dass Versorgungsanwartschaften nach beamtenrechtlichen Vorschriften generell als gleichwertig gelten. Die Neuregelung ab 01.07.2014 erfasse daher ohne Einschränkung auch Erziehungszeiten vor dem 01.07.2014.
Mit der am 27.01.2015 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie ist der Auffassung, dass eine gleichwertige Berücksichtigung der Erziehungszeiten nicht vorliege, weil sich die bei der Ruhegehaltsfestsetzung anerkannten Kindererziehungszeiten in keiner Weise auf die Höhe ihrer Versorgungsbezüge auswirkten. Sie erhalte nur ein Mindestruhegehalt. Die vom Landesamt für Besoldung und Versorgung auf dem Papier stehende Anerkennung der Kindererziehungszeiten führe zwar zu einer theoretischen Versorgungsanwartschaft, aber letztlich nicht zu einem Versorgungsanspruch.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung ihres Rentenbescheides vom 19.08.2014 und des Widerspruchsbescheides vom 06.01.2015 zu verpflichten, der Klägerin ab dem 01.10.2014 Kindererziehungszeiten für drei Kinder anzuerkennen und die Rentenzahlung entsprechend zu erhöhen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen hat auf Rückfrage des Gerichts angegeben, dass in einem Beamtenverhältnis im Rahmen der Festsetzung der Versorgungsbezüge kraft Gesetzes und ohne Antrag die ersten sechs Lebensmonate eines vor dem 31.12.1991 geborenen Kindes als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden. Weitere Zeiten werden nicht berücksichtigt. Die Erziehungszeit werde also nicht annähernd gleichwertig wie in der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt. Da die Kinder der Klägerin vor dem 31.12.1991 während eines Beamtenverhältnisses geboren wurden, seien für diese Kinder keine Kindererziehungszuschläge berücksichtigt worden. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung werden in der Beamtenversorgung erst für Zeiträume anerkannt, die nach dem 31.12.1991 bis zur Vollendung des 10. Lebensjahres liegen. Diese werden durch die Gewährung eines Kindererziehungsergänzungszuschlags gleichwertig wie in der gesetzlichen Rente berücksichtigt. Im Fall der Klägerin, die seit dem 01.07.2006 Mindestversorgungsbezüge erhalte, sei noch nicht geprüft worden, ob ab 01.01.1992 ein Anspruch auf Kindererziehungsergänzungszuschläge bestehe. Die Prüfung werde nunmehr vorgenommen.
Mit Bescheid vom 21.07.2015 hat das Landesamt für Besoldung die Gewährung von Zuschlägen wegen Kindererziehung abgelehnt. Ein Kindererziehungsergänzungszuschlag könne für die Erziehung eines Kindes nur gezahlt werden, wenn die maßgebliche Berücksichtigungszeit mit einer Beschäftigungszeit zusammentrifft. Da die Klägerin im Berücksichtigungszeitraum jedoch beurlaubt war, sei die Gewährung dieses Zuschlags ausgeschlossen. Gegen den Bescheid hat die Klägerin am 25.07.2015 Widerspruch erhoben. Mit Bescheid vom 03.09.2015 hat das Landesamt für Besoldung und Versorgung anerkannt, dass der Klägerin ein Kindererziehungsergänzungszuschlag für ihr Kind Th. für die Zeit vom 01.02.1993 bis 19.11.1994 dem Grunde nach zustehe. Zu einer Auszahlung eines Betrages komme es jedoch nicht, weil bei einer Berücksichtigung eine gesetzlich vorgeschriebene Höchstgrenze überschritten werde. Der Kindererziehungsergänzungszuschlag ruhe daher in voller Höhe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ihr Einverständnis hierzu erklärt haben. Die Klägerin selbst hat ihr Einverständnis mit Schriftsatz vom 21.02.2015 erklärt. Die Beklagte hat ihr Einverständnis mit Schriftsatz vom 22.02.2016 erklärt.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid vom 19.08.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.01.2015 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten bei der Berechnung ihrer Altersrente.
Gemäß § 56 Abs. 1 iVm. § 249 Abs. 1 SGB VI beträgt die Dauer der als Beitragszeit zu berücksichtigenden Kindererziehungszeit für vor dem 01.01.1992 geborene Kinder 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt. Ausgeschlossen von der Anrechnung sind jedoch gemäß § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI Elternteile, wenn sie während der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter aufgrund der Erziehung erworben haben und wenn diese nach den für sie geltenden besonderen Versorgungsregelungen systembezogen annähernd gleichwertig berücksichtigt werden, wie die Kindererziehung nach dem sechsten Buch des Sozialgesetzbuches. Gemäß dem durch Gesetz vom 23.06.2014 mit Wirkung ab 01.07.2014 eingefügten weiteren Halbsatzes gilt unter anderem eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen als in diesem Sinne systembezogen annähernd gleichwertig. Der Gesetzgeber hat in seinen Motiven zu dieser ergänzenden Fiktion ausgeführt, dass es in der bisherigen Anwendung der Regelung, Personen mit einer Beamtenversorgung von der Anrechnung von Kindererziehungszeiten auszuschließen, zu Unsicherheiten gekommen ist, was als systembezogen gleichwertig anzusehen ist. Um eine doppelte Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung in jedem Fall zu vermeiden, sollen nunmehr nach dem Willen des Gesetzgebers Beamte wieder generell von der Anrechnung der Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeschlossen werden, da die Beamtenversorgung systembezogen Leistungen für Kindererziehung erbringt (siehe Gesetzentwurf zum RV-Leistungsverbesserungsgesetz Seite 10).
Die Kinder der Klägerin sind 19xx und 19xx und damit vor dem 01.01.1992 geboren. Gemäß den Angaben des Landesamtes für Besoldung und aus dem Bescheid über die Festsetzung des Ruhegehalts sind für die Kinder Kindererziehungszeiten berücksichtigt worden. Zwar sind diese nicht in einem Umfang berücksichtigt worden, wie es § 249 SGB VI vorsieht. Entgegen der Auffassung sowohl des Landesamtes für Besoldung, als auch der Klägerin handelt es sich dennoch bei der Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten bei der Festsetzung des Ruhegehaltes um eine gleichwertige Versorgung. Dies ist durch die ab 01.07.2014 eingeführte gesetzliche Fiktion klargestellt worden. Ein quantitativer Vergleich zwischen der Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten nach beamtenrechtlichen Vorschriften einerseits und der Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung andererseits erübrigt sich dadurch. Der Gesetzgeber hat klargestellt, dass Beamte generell von der Anrechnung der Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeschlossen werden sollen, weil die Beamtenversorgung systembezogen Leistungen für Kindererziehung erbringt.
Die Regelung des § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI ist auch auf die Klägerin anwendbar, obwohl sie ein Ruhegehalt erhält, in welchem die Kindererziehungszeiten faktisch nicht enthalten sind. Denn die Klägerin erhält eine Mindestversorgung aufgrund spezieller beamtenrechtlicher Regelungen. Es handelt sich hierbei um eine spezielle beamtenrechtliche Regelung, die nur deshalb zum Tragen kommt, weil die von der Klägerin selbst erwirtschaftete Versorgung - in welcher die Kindererziehungszeiten berücksichtigt sind - geringer ausfällt, als die festgelegte Mindestversorgung. Entgegen der Auffassung der Klägerin wirken sich die bei der Ruhegehaltsfestsetzung anerkannten Kindererziehungszeiten mithin auf die Höhe ihrer Versorgungsbezüge aus. Lediglich aufgrund einer weiteren, beamtenrechtlichen, Regelung, die zugunsten der Klägerin Anwendung findet, kommt nicht dieses Ruhegehalt mit den berücksichtigten Kindererziehungszeiten zur Auszahlung, sondern ein höheres Ruhegehalt. Dies kann nach Auffassung der Kammer nicht dazu führen, dass die Regelung des § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI auf die Klägerin keine Anwendung findet. Bezieher der Mindestversorgung wären hiernach vielmehr doppelt begünstigt - zum Einen durch den Bezug einer höheren als der tatsächlich erwirtschafteten Versorgung und zum Anderen durch die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten auch durch die gesetzliche Rentenversicherung, obwohl eine Beamtenversorgung, die die Kindererziehungszeiten in der tatsächlich erwirtschafteten Versorgung berücksichtigt, vorliegt.
Da das Gericht eine Verfassungswidrigkeit des § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI nicht erkennen kann, erübrigt sich eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht. Insbesondere liegt nach Auffassung der Kammer kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Grundgesetz – GG – vor, denn verbeamtete Mütter und Mütter im Angestelltenverhältnis sind bereits aufgrund der ebenfalls aufgrund grundrechtlicher Regelungen eingeräumten Sonderstellung von Beamten nicht vergleichbar und dementsprechend auch nicht gleich zu behandeln. Eine Schlechterstellung der Klägerin ist aufgrund der Regelung über die Mindestversorgung ebenfalls nicht zu erkennen. Eine solche fehlt im gesetzlichen Rentenversicherungsrecht gänzlich, so dass sich bereits hieraus ergibt, dass die Klägerin – auch wenn eine Anrechnung der Kindererziehungszeiten nicht auch in der gesetzlichen Rente erfolgt – besser gestellt ist, als andere Mütter, die nicht verbeamtet sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
In Streit steht die Rechtmäßigkeit der Nichtberücksichtigung von Kindererziehungszeiten bei der Berechnung der Altersrente.
Die am 19.09.19xx geborene Klägerin war seit 01.12.19xx als Lehrerin tätig. Zunächst wurde sie am 01.12.19xx als Beamtin auf Widerruf ernannt, sodann am 01.02.19xx als Beamtin auf Probe und am 21.09.19xx auf Lebenszeit. Mit Ablauf des 30.06.20xx wurde sie wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Seit dem 01.07.2006 bezieht sie Ruhegehalt gemäß § 4 ff. des Beamtenversorgungsgesetzes. Bei der Festsetzung des Ruhegehalts berücksichtigt wurden bis 31.12.19xx Kindererziehungszeiten vom 01.08.19xx bis 10.10.19xx für den Sohn N. (*11.04.19xx) und vom 20.11.19xx bis 19.05.19xx für die Söhne Th. und St. (*20.11.19). Versorgungsrechtlich ist bei der Klägerin ein Grad der Behinderung von 50 v.H. anerkannt.
Am 20.05.2014 stellte sie einen Antrag auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen bei der Beklagten. Mit Bescheid vom 19.08.2014 gewährte die Beklagte die beantragte Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 01.10.2014. Die Zeit vom 01.05.19xx bis 30.04.19xx werde nicht als Kindererziehungszeit für den Sohn N. anerkannt, weil diese Zeit nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen systembezogen annähernd gleichwertig berücksichtigt werde. Das Gleiche gelte für die Zeit vom 01.12.19xx bis 30.11.19xx für die Söhne St. und Th ...
Gegen den Rentenbescheid legte die Klägerin im Hinblick auf die Nichtberücksichtigung der Kindererziehungszeiten am 13.09.2014 Widerspruch ein. Entgegen der Ausführungen im Bescheid seien die Kindererziehungszeiten nicht nach beamtenrechtlichen Vorschriften annähernd gleichwertig berücksichtigt worden. Vielmehr seien ihr für ihre drei Kinder zusammen nur 12 Monate anerkannt worden. Sie beantrage daher, dass die Kindererziehungszeiten in ihrer Rentenberechnung voll angerechnet werden. Dem Widerspruch beigefügt ist ein Schreiben des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen, in welchem dargelegt wird, dass die Kindererziehungszeit für Kinder, die vor dem 01.01.1992 geboren sind, in der Beamtenversorgung nicht annähernd gleichwertig wie in der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt würden. Das Beamtenversorgungsgesetz sehe eine Gewährung von Kindererziehungszeiten über den 6. Lebensmonat hinaus nicht vor, auch nicht bei Mehrlingsgeburten.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.01.2015 zurück. Der Gesetzgeber habe mit einer Neuregelung des § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – SGB VI – mit Wirkung ab 01.07.2014 klargestellt, dass Versorgungsanwartschaften nach beamtenrechtlichen Vorschriften generell als gleichwertig gelten. Die Neuregelung ab 01.07.2014 erfasse daher ohne Einschränkung auch Erziehungszeiten vor dem 01.07.2014.
Mit der am 27.01.2015 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie ist der Auffassung, dass eine gleichwertige Berücksichtigung der Erziehungszeiten nicht vorliege, weil sich die bei der Ruhegehaltsfestsetzung anerkannten Kindererziehungszeiten in keiner Weise auf die Höhe ihrer Versorgungsbezüge auswirkten. Sie erhalte nur ein Mindestruhegehalt. Die vom Landesamt für Besoldung und Versorgung auf dem Papier stehende Anerkennung der Kindererziehungszeiten führe zwar zu einer theoretischen Versorgungsanwartschaft, aber letztlich nicht zu einem Versorgungsanspruch.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung ihres Rentenbescheides vom 19.08.2014 und des Widerspruchsbescheides vom 06.01.2015 zu verpflichten, der Klägerin ab dem 01.10.2014 Kindererziehungszeiten für drei Kinder anzuerkennen und die Rentenzahlung entsprechend zu erhöhen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen hat auf Rückfrage des Gerichts angegeben, dass in einem Beamtenverhältnis im Rahmen der Festsetzung der Versorgungsbezüge kraft Gesetzes und ohne Antrag die ersten sechs Lebensmonate eines vor dem 31.12.1991 geborenen Kindes als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden. Weitere Zeiten werden nicht berücksichtigt. Die Erziehungszeit werde also nicht annähernd gleichwertig wie in der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt. Da die Kinder der Klägerin vor dem 31.12.1991 während eines Beamtenverhältnisses geboren wurden, seien für diese Kinder keine Kindererziehungszuschläge berücksichtigt worden. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung werden in der Beamtenversorgung erst für Zeiträume anerkannt, die nach dem 31.12.1991 bis zur Vollendung des 10. Lebensjahres liegen. Diese werden durch die Gewährung eines Kindererziehungsergänzungszuschlags gleichwertig wie in der gesetzlichen Rente berücksichtigt. Im Fall der Klägerin, die seit dem 01.07.2006 Mindestversorgungsbezüge erhalte, sei noch nicht geprüft worden, ob ab 01.01.1992 ein Anspruch auf Kindererziehungsergänzungszuschläge bestehe. Die Prüfung werde nunmehr vorgenommen.
Mit Bescheid vom 21.07.2015 hat das Landesamt für Besoldung die Gewährung von Zuschlägen wegen Kindererziehung abgelehnt. Ein Kindererziehungsergänzungszuschlag könne für die Erziehung eines Kindes nur gezahlt werden, wenn die maßgebliche Berücksichtigungszeit mit einer Beschäftigungszeit zusammentrifft. Da die Klägerin im Berücksichtigungszeitraum jedoch beurlaubt war, sei die Gewährung dieses Zuschlags ausgeschlossen. Gegen den Bescheid hat die Klägerin am 25.07.2015 Widerspruch erhoben. Mit Bescheid vom 03.09.2015 hat das Landesamt für Besoldung und Versorgung anerkannt, dass der Klägerin ein Kindererziehungsergänzungszuschlag für ihr Kind Th. für die Zeit vom 01.02.1993 bis 19.11.1994 dem Grunde nach zustehe. Zu einer Auszahlung eines Betrages komme es jedoch nicht, weil bei einer Berücksichtigung eine gesetzlich vorgeschriebene Höchstgrenze überschritten werde. Der Kindererziehungsergänzungszuschlag ruhe daher in voller Höhe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ihr Einverständnis hierzu erklärt haben. Die Klägerin selbst hat ihr Einverständnis mit Schriftsatz vom 21.02.2015 erklärt. Die Beklagte hat ihr Einverständnis mit Schriftsatz vom 22.02.2016 erklärt.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid vom 19.08.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.01.2015 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten bei der Berechnung ihrer Altersrente.
Gemäß § 56 Abs. 1 iVm. § 249 Abs. 1 SGB VI beträgt die Dauer der als Beitragszeit zu berücksichtigenden Kindererziehungszeit für vor dem 01.01.1992 geborene Kinder 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt. Ausgeschlossen von der Anrechnung sind jedoch gemäß § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI Elternteile, wenn sie während der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter aufgrund der Erziehung erworben haben und wenn diese nach den für sie geltenden besonderen Versorgungsregelungen systembezogen annähernd gleichwertig berücksichtigt werden, wie die Kindererziehung nach dem sechsten Buch des Sozialgesetzbuches. Gemäß dem durch Gesetz vom 23.06.2014 mit Wirkung ab 01.07.2014 eingefügten weiteren Halbsatzes gilt unter anderem eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen als in diesem Sinne systembezogen annähernd gleichwertig. Der Gesetzgeber hat in seinen Motiven zu dieser ergänzenden Fiktion ausgeführt, dass es in der bisherigen Anwendung der Regelung, Personen mit einer Beamtenversorgung von der Anrechnung von Kindererziehungszeiten auszuschließen, zu Unsicherheiten gekommen ist, was als systembezogen gleichwertig anzusehen ist. Um eine doppelte Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung in jedem Fall zu vermeiden, sollen nunmehr nach dem Willen des Gesetzgebers Beamte wieder generell von der Anrechnung der Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeschlossen werden, da die Beamtenversorgung systembezogen Leistungen für Kindererziehung erbringt (siehe Gesetzentwurf zum RV-Leistungsverbesserungsgesetz Seite 10).
Die Kinder der Klägerin sind 19xx und 19xx und damit vor dem 01.01.1992 geboren. Gemäß den Angaben des Landesamtes für Besoldung und aus dem Bescheid über die Festsetzung des Ruhegehalts sind für die Kinder Kindererziehungszeiten berücksichtigt worden. Zwar sind diese nicht in einem Umfang berücksichtigt worden, wie es § 249 SGB VI vorsieht. Entgegen der Auffassung sowohl des Landesamtes für Besoldung, als auch der Klägerin handelt es sich dennoch bei der Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten bei der Festsetzung des Ruhegehaltes um eine gleichwertige Versorgung. Dies ist durch die ab 01.07.2014 eingeführte gesetzliche Fiktion klargestellt worden. Ein quantitativer Vergleich zwischen der Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten nach beamtenrechtlichen Vorschriften einerseits und der Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung andererseits erübrigt sich dadurch. Der Gesetzgeber hat klargestellt, dass Beamte generell von der Anrechnung der Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeschlossen werden sollen, weil die Beamtenversorgung systembezogen Leistungen für Kindererziehung erbringt.
Die Regelung des § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI ist auch auf die Klägerin anwendbar, obwohl sie ein Ruhegehalt erhält, in welchem die Kindererziehungszeiten faktisch nicht enthalten sind. Denn die Klägerin erhält eine Mindestversorgung aufgrund spezieller beamtenrechtlicher Regelungen. Es handelt sich hierbei um eine spezielle beamtenrechtliche Regelung, die nur deshalb zum Tragen kommt, weil die von der Klägerin selbst erwirtschaftete Versorgung - in welcher die Kindererziehungszeiten berücksichtigt sind - geringer ausfällt, als die festgelegte Mindestversorgung. Entgegen der Auffassung der Klägerin wirken sich die bei der Ruhegehaltsfestsetzung anerkannten Kindererziehungszeiten mithin auf die Höhe ihrer Versorgungsbezüge aus. Lediglich aufgrund einer weiteren, beamtenrechtlichen, Regelung, die zugunsten der Klägerin Anwendung findet, kommt nicht dieses Ruhegehalt mit den berücksichtigten Kindererziehungszeiten zur Auszahlung, sondern ein höheres Ruhegehalt. Dies kann nach Auffassung der Kammer nicht dazu führen, dass die Regelung des § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI auf die Klägerin keine Anwendung findet. Bezieher der Mindestversorgung wären hiernach vielmehr doppelt begünstigt - zum Einen durch den Bezug einer höheren als der tatsächlich erwirtschafteten Versorgung und zum Anderen durch die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten auch durch die gesetzliche Rentenversicherung, obwohl eine Beamtenversorgung, die die Kindererziehungszeiten in der tatsächlich erwirtschafteten Versorgung berücksichtigt, vorliegt.
Da das Gericht eine Verfassungswidrigkeit des § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI nicht erkennen kann, erübrigt sich eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht. Insbesondere liegt nach Auffassung der Kammer kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Grundgesetz – GG – vor, denn verbeamtete Mütter und Mütter im Angestelltenverhältnis sind bereits aufgrund der ebenfalls aufgrund grundrechtlicher Regelungen eingeräumten Sonderstellung von Beamten nicht vergleichbar und dementsprechend auch nicht gleich zu behandeln. Eine Schlechterstellung der Klägerin ist aufgrund der Regelung über die Mindestversorgung ebenfalls nicht zu erkennen. Eine solche fehlt im gesetzlichen Rentenversicherungsrecht gänzlich, so dass sich bereits hieraus ergibt, dass die Klägerin – auch wenn eine Anrechnung der Kindererziehungszeiten nicht auch in der gesetzlichen Rente erfolgt – besser gestellt ist, als andere Mütter, die nicht verbeamtet sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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