L 15 RF 9/16

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 RF 9/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
Leitsätze
1. Zu entschädigen ist die nach objektiven Maßstäben zu ermittelnde "gesamte Dauer der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten", nicht mehr wie früher unter Geltung des ZuSEG die "versäumte Arbeitszeit". Die konkret ausgefallene Arbeitszeit ist daher nicht zu ermitteln und für die Entschädigung ohne Bedeutung.
2. Die Entschädigung für Verdienstausfall wegen eines gerichtlichen Termins setzt voraus, dass eine Überschneidung der gerichtsterminsbedingten Abwesenheit mit der Arbeitszeit (inklusive der Zeit der An- und Abfahrt zu bzw. von der Arbeit) vorliegt.
3. Wenn keine solche Überschneidung gegeben ist, kommt eine Entschädigung für Verdienstausfall nicht in Betracht. Dies gilt auch dann, wenn der Gerichtstermin der Grund dafür war, dass der Antragsteller seiner beruflichen Tätigkeit in enger zeitlicher Nähe zum Gerichtstermin nicht nachgegangen ist oder sogar zwingend nicht nachgehen konnte.
Die Entschädigung des Antragstellers für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung am 21.10.2014 wird auf 57,55 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Streitig ist die Höhe der Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) wegen der Teilnahme an einem Gerichtstermin. Insbesondere geht es um die Frage der Entschädigung für Verdienstausfall.

In dem am Bayer. Landessozialgericht (LSG) unter dem Aktenzeichen L 3 U 239/14 geführten unfallversicherungsrechtlichen Berufungsverfahren fand am 21.10.2014 eine mündliche Verhandlung statt, an der der Antragsteller nach Anordnung des persönlichen Erscheinens teilnahm. Der auf 11.00 Uhr geladene Termin dauerte bis um 11.40 Uhr.

Mit beim LSG am 23.10.2014 eingegangenem Entschädigungsantrag beantragte der Antragsteller, der Berufskraftfahrer ist, eine Entschädigung für Verdienstausfall für 10,5 Stunden, einen Fahrtkostenersatz für zwei Bahnfahrkarten zu je 10,40 EUR und für eine Fahrtstrecke mit dem Auto von 42 km bis zum Bahnhof und zurück. Zum Verdienstausfall gab er, vom Arbeitgeber bestätigt, an, dass er unbezahlten Urlaub genommen habe und die Arbeitszeit am Tag der mündlichen Verhandlung um 20.00 Uhr begonnen und um 6.30 Uhr am nächsten Tag in der Früh geendet hätte. Der Stundenlohn betrage 15,90 EUR; zusätzlich erhalte er eine Nachtzulage von 25,44 EUR pro Tag. Eine Beschäftigung am Tag des Gerichtstermins sei nicht möglich gewesen, da Lenk- und Ruhezeiten eingehalten werden müssten. Der Antragsteller gab an, um 7.45 Uhr von zuhause weggefahren und um 15.00 Uhr wieder daheim gewesen zu sein.

Dem Antragsteller wurde Ende Dezember 2014 als Entschädigung ein Betrag in Höhe von 207,79 EUR ausgezahlt, wobei ein Verdienstausfall in Höhe von 176,49 EUR zu Grunde gelegt wurde.

Bei einer internen Prüfung am LSG wurde eine zu Gunsten des Antragstellers zu hoch ausgezahlte Entschädigung festgestellt. Die Kostenbeamtin des LSG teilte dem Antragsteller daher mit Schreiben vom 15.02.2016 mit, dass ihm anstelle einer Entschädigung von 207,79 EUR nur eine solche in Höhe von 52,30 EUR zustehe und daher eine Rückforderung in Höhe von 155,49 EUR beabsichtigt sei.

Dagegen hat sich der Antragsteller mit Schreiben vom 21.02.2016 gewandt und mitgeteilt, dass er aufgrund der Vorschriften über die Lenk-, Arbeits- und tägliche Ruhezeiten seiner am Abend des Gerichtstermins beginnenden Arbeit nicht nachgehen habe können und daher einen unbezahlten freien Tag genommen habe. Tatsächlich sei ihm ein Verdienstausfall in Form eines vollen Arbeitstags entstanden; er bitte die Angelegenheit nochmals zu überprüfen.

Mit Schreiben des Senats vom 19.04.2016 sind dem Antragsteller die Voraussetzungen für eine Entschädigung für Verdienstausfall erläutert worden.

Der Antragsteller hat sich mit Schreiben vom 25.04.2016 dahingehend geäußert, dass er den Gerichtstermin nicht ohne Freistellung von der Arbeit wahrnehmen habe können, und um eine gerichtliche Entscheidung gebeten.

Der Senat hat die Akte des unfallversicherungsrechtlichen Verfahrens mit dem Aktenzeichen L 3 U 239/14 beigezogen.

II.

Die Entschädigung für das Erscheinen beim Gerichtstermin am 21.10.2014 ist auf 57,55 EUR festzusetzen.

Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte die gerichtliche Festsetzung der Entschädigung entweder explizit oder sinngemäß dadurch beantragt, dass er sich gegen die vom Kostenbeamten beabsichtigte oder vorgenommene Festsetzung der Entschädigung wendet.

Vorliegend ist das Schreiben des Antragstellers vom 21.02.2016 als Antrag auf gerichtliche Festsetzung der Entschädigung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG auszulegen. Zwar ist es vor dem Hintergrund einer Anhörung zu der Rückforderung einer aus Sicht der Kostenbeamtin in zu großer Höhe erfolgten Auszahlung verfasst worden. Gleichwohl ist dem Schreiben zu entnehmen, dass der Antragsteller Klarheit über die Höhe der ihm zustehenden Vergütung haben möchte, die er nur durch eine gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG erreichen kann. Wiederholt hat der Antragsteller seinen Antrag auf gerichtliche Festsetzung der Entschädigung im Schreiben vom 25.04.2016.

1. Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Entschädigung

Die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG stellt keine Überprüfung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Ermittlung der Entschädigung oder Vergütung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung. Bei der Festsetzung durch den Kostenbeamten handelt es sich um eine lediglich vorläufige Regelung, die durch den Antrag auf gerichtliche Festsetzung hinfällig wird (vgl. Bundesgerichtshof - BGH -, Entscheidung vom 05.11.1968, Az.: RiZ (R) 4/68). Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungsweg sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis gegenstandslos. Das Gericht hat daher eine vollumfassende Prüfung des Entschädigungs- oder Vergütungsanspruchs vorzunehmen, ohne auf Einwände gegen die im Verwaltungsweg erfolgte Festsetzung beschränkt zu sein. Die vom Gericht festgesetzte Entschädigung oder Vergütung kann daher auch niedriger ausfallen, als sie zuvor vom Kostenbeamten festgesetzt worden ist; das Verbot der reformatio in peius gilt nicht (h.M., vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12; Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 4, Rdnr. 12 - m.w.N.).

2. Fahrtkostenersatz

Dem Antragsteller sind antragsgemäß Fahrtkosten gemäß § 5 JVEG in Höhe von insgesamt 31,30 EUR zu ersetzen.

Der Gesetzgeber hat mit § 5 JVEG dem Zeugen bzw. Beteiligten ein Wahlrecht eröffnet, ob er mit öffentlichen Verkehrsmitteln (§ 5 Abs. 1 JVEG) oder mit dem Kraftfahrzeug (§ 5 Abs. 2 JVEG) zum gerichtlich festgesetzten Termin anreist. Der Fahrtkostenersatz folgt der getroffenen Wahl des Beförderungsmittels. Wählt der Zeuge bzw. Beteiligte (für einen Teil der Strecke) die Anreise mit dem Kraftfahrzeug, werden ihm gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG für jeden gefahrenen Kilometer 0,25 EUR ersetzt, wobei die objektiv erforderliche Fahrtstrecke der Fahrtkostenerstattung zugrunde zu legen ist. Reist ein Zeuge bzw. Beteiligter (einen Teil der Strecke) mit einem öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Beförderungsmittel an, werden ihm gemäß § 5 Abs. 1 JVEG die tatsächlich entstandenen Auslagen bis zur Höhe der entsprechenden Kosten für die Benutzung der ersten Wagenklasse der Bahn einschließlich der Auslagen für Platzreservierung und Beförderung des notwendigen Gepäcks ersetzt.

Bei insgesamt vom Antragsteller angegebenen und plausiblen 42 km Fahrtstrecke und einer Entschädigung gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG in Höhe von 0,25 EUR für jeden gefahrenen Kilometer errechnet sich ein Fahrtkostenersatz von 10,50 EUR. Für die im Übrigen mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegte Strecke sind die vom Antragsteller durch die Vorlage der Fahrkarten nachgewiesenen Kosten in Höhe von 20,80 EUR zu erstatten.

Insgesamt errechnet sich daher ein Fahrtkostenersatz von 31,30 EUR.

3. Entschädigung für Verdienstausfall

Dem Antragsteller steht eine Entschädigung für Verdienstausfall gemäß § 22 JVEG nicht zu, da sich die gerichtsterminsbedingte Abwesenheit des Antragstellers nicht mit seiner Arbeitszeit (inklusive der Zeit der An- und Abfahrt zu bzw. von der Arbeit) überschnitten hat.

In seiner Grundsatzentscheidung vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, hat sich der Senat umfassend mit der Frage der Entschädigung für Verdienstausfall auseinander gesetzt. Er hat dabei - kurz zusammen gefasst - folgende Kernaussagen getroffen:

* Um das Tatbestandsmerkmal des Verdienstausfalls im Sinn des § 22 JVEG bejahen zu können, bedarf es (nur) des Nachweises, dass überhaupt ein solcher Ausfall entstanden ist, nicht aber in welcher Höhe. * Dieser Nachweis ist im Vollbeweis zu führen, da das JVEG keine Beweiserleichterung enthält. * Dieser Beweismaßstab gilt sowohl bei abhängig beschäftigten als auch bei selbständig tätigen Anspruchstellern. Wegen der bei letzterer Berufsgruppe wesensmäßig vorliegenden Nachweisschwierigkeit ist durch das Gericht im Rahmen der ihm obliegenden freien Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs. 1 SGG aber sicher zu stellen, dass der gesetzlich vorgesehene Anspruch auf Entschädigung für Verdienstausfall nicht faktisch leer läuft. * Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein Verdienstausfall entstanden ist, ist die Beurteilung am Tag des Gerichtstermins, der den Entschädigungsanspruch nach dem JVEG zur Folge hat. Spätere Entwicklungen bleiben bei der Festsetzung der Entschädigung unberücksichtigt. * Zu entschädigen ist die nach objektiven Maßstäben zu ermittelnde "gesamte Dauer der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten", nicht mehr wie früher unter Geltung des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen die "versäumte Arbeitszeit". Die konkret ausgefallene Arbeitszeit ist daher nicht zu ermitteln; eine fiktive Mittagspause kann nicht in Abzug gebracht werden (vgl. auch Beschluss des Senats vom 06.12.2013, Az.: L 15 SF 39/13).

Die Entschädigung für Verdienstausfall wegen eines gerichtlichen Termins setzt voraus, dass eine Überschneidung der gerichtsterminsbedingten Abwesenheit des Antragstellers mit seiner Arbeitszeit (inklusive der Zeit der An- und Abfahrt zu bzw. von der Arbeit) vorliegt. Wenn keine solche Überschneidung gegeben ist, kommt eine Entschädigung für Verdienstausfall nicht in Betracht. Dies gilt auch dann, wenn der Gerichtstermin der Grund dafür war, dass der Antragsteller seiner beruflichen Tätigkeit in enger zeitlicher Nähe zum Gerichtstermin nicht nachgegangen ist oder sogar zwingend nicht nachgehen konnte. Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:

* Der Gesetzgeber hat sich bei der Neuregelung zur Entschädigung für Verdienstausfall im JVEG für eine pauschalierte und an der Zeit der gerichtsterminsbedingten Abwesenheit anknüpfende Entschädigung entschieden. Dem liegt zugrunde, dass die Regelungen des JVEG von dem Bestreben des Gesetzgebers nach einer Vereinfachung der Rechtsanwendung des Kostenrechts geprägt sind (vgl. die Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts [Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG] - Bundestags-Drucksache 15/1971, z.B. S. 1, 2, 142, 143, 180). Dazu stünde es im Widerspruch, wenn im Einzelfall in die durchaus schwierige Einzelfallprüfung eingestiegen werden müsste, ob aus rechtlichen oder auch praktischen Gründen eine Arbeitsaufnahme durch den Gerichtstermin verhindert worden ist.

* Dürfte die Entscheidung, ob ein Verdienstausfall entstanden ist, nicht allein unter dem Gesichtspunkt einer zeitlichen Überschneidung getroffen werden, würden dem Kostenbeamten bzw. Kostenrichter tiefgehende Prüfpflichten dahingehend auferlegt, aus welchen Gründen ein Antragsteller einer außerhalb der gerichtsterminsbedingten Abwesenheitszeit liegenden beruflichen Tätigkeit nicht mehr nachgehen konnte. Dabei wären schwer zu beurteilende Fragen rechtlicher (im vorliegenden Fall z.B.: Stehen die rechtlichen Vorgaben für Berufskraftfahrer zu den Ruhezeiten der beruflichen Tätigkeit nach Teilnahme an einem Gerichtstermin zwingend entgegen?) und tatsächlicher Art (im vorliegenden Fall z.B.: Kann sich ein Teilnehmer an einem Gerichtstermin darauf berufen, dass es unverantwortlich wäre, wenn er trotz der wegen des Gerichtstermins fehlenden Möglichkeit, sich ausreichend für seine am Abend beginnende berufliche Tätigkeit auszuruhen, zur Arbeit gegangen wäre, auch wenn einer Arbeitsaufnahme keine zwingenden rechtlichen Vorschriften entgegen stehen?) zu beantworten. Dies stünde nicht nur in Widerspruch zu dem Bestreben des Gesetzgebers nach einer Vereinfachung der Rechtsanwendung des Kostenrechts geprägt (vgl. vorhergehender Spiegelstrich), sondern wäre auch nicht mit der Rechtsprechung des Kostensenats vereinbar. Danach dürfen die Anforderungen an die Prüfpflichten der Kostenbeamten und Kostenrichter im Sinn der Praktikabilität und Verwaltungsökonomie nicht zu hoch angesetzt werden (Leitgedanke der Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Grundsatzbeschlüsse vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11, vom 22.06.2012, Az.: L 15 SF 136/11, vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, vom 08.04.2013, Az.: L 15 SF 305/10, vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B, vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13, vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12, vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E, vom 03.11.2014, Az.: L 15 SF 254/12, vom 04.11.2014, Az.: L 15 SF 198/14, vom 14.01.2015, Az.: L 15 SF 239/12 B, vom 10.03.2015, Az.: L 15 RF 5/15, vom 11.05.2015, Az.: L 15 RF 14/15, vom 08.06.2015, Az.: L 15 SF 255/14 E, vom 04.01.2016, Az.: L 15 SF 171/13 E, vom 08.03.2016, Az.: L 15 SF 209/15, vom 14.03.2016, Az.: L 15 RF 2/16, und vom 08.04.2016, Az.: L 15 SF 81/15).

* Auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten besteht kein Anlass, an der vom Senat gewählten Auslegung zu zweifeln.

Aus Verfassungsrecht lässt sich ohnehin kein Anspruch auf Entschädigung wegen der Teilnahme an einem gerichtlich angeordneten Termin für einen Zeugen (und damit erst recht nicht für einen Beteiligten) ableiten. Die Wahrnehmung derartiger Termine ist Ausfluss verfassungsmäßiger staatsbürgerlicher Pflichten, für deren Ausübung der Staat nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) (vgl. dessen Beschlüsse vom 14.07.1970, Az.: 1 BvL 2/67 - zum Ersatz von Verdienstausfall wegen der Musterungsuntersuchung im Rahmen der Wehrpflicht -, und vom 10.10.1978, Az.: 2 BvL 3/78 - zur Entschädigung von Zeugen ohne Verdienstausfall gemäß § 2 Abs. 3 ZuSEG), an die sich der Senat gebunden fühlt, verfassungsrechtlich nicht verpflichtet ist, dem Bürger einen Ausgleich zu gewähren bzw. liegt bei einem Beteiligten sogar in dessen Eigeninteresse. Wenn der Gesetzgeber gleichwohl eine Entschädigung ermöglicht, hat er dabei, da es sich um Ansprüche im Bereich der darreichenden Verwaltung handelt, eine deutlich größere Gestaltungsfreiheit als bei der Regelung staatlicher Eingriffe (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.07.1970, Az.: 1 BvL 2/67 - m.w.N.), sodass eine Begrenzung der erstattungsfähigen Kosten, wie es der Gesetzgeber beispielsweise bei der Höhe des Stundensatzes getan hat, auch durch die gebotene pauschale und rein auf eine zeitliche Überschneidung abstellende Betrachtungsweise nicht zu beanstanden ist (vgl. auch Beschluss des Senats vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12). Eine vom Gesetzgeber eingeführte Limitierung der Entschädigung, der auch eine gewisse Rücksichtnahme auf die Belastung der öffentlichen Haushalte zugrunde liegt, ist verfassungsrechtlich gleichfalls nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.06.1972, Az.: 1 BvL 34/70).

Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz steht dem nicht entgegen. Mit dem JVEG hat der Gesetzgeber gerade nicht eine Regelung zu einem möglichst weitgehenden Schadensersatz wegen entgangenen Verdiensts schaffen wollen, sondern nur eine Entschädigung aus Billigkeitsgründen vorgesehen (vgl. Beschluss des Senats vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11 - m.w.N.), die zudem vom Bestreben des Gesetzgebers nach einer Vereinfachung der Rechtsanwendung des Kostenrechts geprägt ist. Dass diese Vereinfachung dazu führen kann, dass die Entschädigung für Verdienstausfall - nicht nur bei Antragstellern, die einen Verdienst mit einem sehr hohen Stundensatz erzielen - nicht annähernd dem entstandenen Verdienstausfall entspricht, ist in Anbetracht der gesetzgeberischen Entscheidung hinzunehmen (vgl. z.B. Beschlüsse des Senats vom 13.01.2015, Az.: L 15 SF 170/14 - dort wurde eine Entschädigung für Verdienstausfall nur für einen Tag gewährt, obwohl nachweislich wegen des Gerichtstermins ein mehrtägiger Auftrag entgangen war -, und vom 23.02.2016, Az.: L 15 RF 35/15 - dort wurde eine Entschädigung für Verdienstausfall für nur drei Stunden gewährt, obwohl der Antragsteller wegen des Gerichtstermins die Arbeit am Tag der Gerichtstermins nicht mehr aufnehmen hatte können). Ebenso ist zu akzeptieren, dass die Entschädigung für Verdienstausfall den tatsächlich erlittenen Verdienstausfall im Einzelfall auch übersteigen kann. Auf diesen Umstand, damals unter dem Gesichtspunkt der zu entschädigenden Zeit, hat der Senat schon im Beschluss vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, hingewiesen und dies wie folgt zum Ausdruck gebracht:

"Abschließend weist der Senat darauf hin, dass er durchaus ein gewisses Verständnis dafür hat, wenn die von ihm getroffene Auslegung zu der zu entschädigenden Zeitdauer möglicherweise zunächst Gegenrede erzeugen wird. Er ist sich bewusst, dass die früher geltende Rechtslage diese Kritik provoziert. Er könnte es auch in beschränktem Umfang nachvollziehen, wenn die von ihm durchgeführte Auslegung als "Paradigmenwechsel" angesehen und ein Unverständnis erzeugen würde, wenn die seltenen Einzelfälle betrachtet werden, in denen die Entschädigung für Verdienstausfall höher ausfällt als der tatsächlich eingetretene Verdienstausfall. Gleichwohl verbieten es die vom Gesetzgeber im JVEG gewählten Formulierungen und der hinter der Modernisierung des Kostenrechts stehende Gedanke einer Vereinfachung der Rechtsanwendung, diesen Bedenken Rechnung zu tragen. Einer anderen Auslegung als der vom Senat getroffenen sind die Regelungen der §§ 19, 22 JVEG nicht zugänglich. Sollte der Gesetzgeber tatsächlich eine andere Entschädigung, als sie sich aus der Auslegung des Senats ergibt, wollen, wäre es allein Sache des Gesetzgebers, dies durch ein entsprechendes gesetzgeberisches Tätigwerden wieder zu korrigieren. Den Gerichten wäre eine solche Korrektur versagt, da sie sich damit zum Gesetzgeber aufschwingen und gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 GG verstoßen würden. Dies steht ihnen nicht zu."

Bei Beachtung der aufgezeigten Grundsätze kann dem Antragsteller eine Entschädigung für Verdienstausfall nicht gewährt werden, da er während der Zeit der gerichtsterminsbedingten Abwesenheit seiner beruflichen Tätigkeit nicht nachgegangen wäre, also keine Überschneidung von gerichtsterminsbedingter Abwesenheit und Arbeitszeit (samt der Zeit der An- und Abfahrt zu bzw. von der Arbeit) am Tag des Gerichtstermins vorliegt.

4. Entschädigung für Zeitversäumnis

Dem Antragsteller steht aber eine Entschädigung für Zeitversäumnis im Sinn des § 20 JVEG in Höhe von 26,25 EUR zu.

Eine Entschädigung für Zeitversäumnis ist regelmäßig dann zu gewähren, wenn - wie hier - zwar eine finanziell höherwertigere Entschädigung für Verdienstausfall beantragt worden ist, diese aber am Nachweis des Verdienstausfalls scheitert (ständige Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 06.11.2013, Az.: L 15 SF 191/11 B E).

Die Dauer der zu entschädigenden Zeit ergibt sich aus § 19 Abs. 2 JVEG. Danach ist gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 JVEG die "gesamte Dauer der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten" zu berücksichtigen. Ausgehend von einer vom Antragsteller angegeben und so auch noch grenzwertig als objektiv erforderlich (zum Begriff der objektiv erforderlichen Abwesenheitszeit: vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 23.02.2016, Az.: L 15 RF 35/15) zu betrachtenden Abwesenheitszeit von 7.45 Uhr bis 15.00 Uhr, also 7,25 Stunden, gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 JVEG aufgerundet auf 7,5 Stunden, ergibt sich bei einem Stundensatz von 3,50 EUR gemäß § 20 JVEG eine Entschädigung in Höhe von 26,25 EUR.

5. Höhe der Entschädigung insgesamt

Es errechnet sich aus den oben aufgezeigten Entschädigungspositionen eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 57,55 EUR.

Für den Tag des Gerichtstermins am 21.10.2014 steht dem Antragsteller eine Entschädigung in Höhe von 57,55 EUR zu. Wegen der bereits erfolgten Auszahlung in zu großer Höhe von 207,79 EUR muss er mit einer Rückforderung der Staatskasse über 150,24 EUR rechnen. Dem könnte der Antragsteller derzeit auch nicht die Einrede der Verjährung gemäß § 2 Abs. 4 JVEG entgegen halten.

Der Kostensenat des LSG trifft diese Entscheidung nach Übertragung wegen grundsätzlicher Bedeutung in voller Besetzung (§ 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG).

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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