L 5 KA 1165/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 KA 254/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 1165/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24.02.2016 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen.

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren endgültig auf 60.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob der Beklagte dem Kläger zu Recht die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit entzogen hat.

Der 1948 geborene Kläger ist niedergelassener praktischer Arzt und zugleich selbstständiger Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei. Mit Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte vom 28.03.1984 ist ihm die Zulassung als Praktischer Arzt zur vertragsärztlichen Tätigkeit erteilt worden. Seine Tätigkeitsschwerpunkte als Rechtsanwalt sind nach eigener Angabe das Arzthaftungsrecht, das Medizinrecht, das Arbeitsrecht, das Versiche¬rungsrecht und das Sozialversicherungsrecht.

In den Quartalen I/2003 bis I/2008 rechnete der Kläger bei insgesamt 21 Quartalsabrechnungen ärztliche Leistungen für Heimbewohner der St. T.-Heime in H. und G.-N. ab, obwohl diese Leistungen nicht von ihm erbracht wurden. Das übersetzte Honorar wurde ihm jeweils ausbezahlt. Mit Urteil vom 09.10.2012 verurteilte ihn das Landgericht H. (LG; - KLs Js 2 /08 -) deshalb wegen gewerbsmäßig begangenen Abrechnungsbetrugs in 21 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten auf Bewährung. Das Urteil ist seit 21.12.2012 rechtskräftig. Der Verurteilung lagen Abrechnungen für nicht erbrachte Leistun¬gen (Begehungsvariante A), Abrechnungen für nicht honorarfähige, da von einem ungenehmigten Assistenten erbrachte Leistungen (Begehungsvariante B) und trotz Beendigung des Arzt-Patienten-Verhältnisses abgerechnete Leistungen (Begehungsvariante C) zugrunde. Die Tatvorwürfe waren vom Kläger nicht bestritten worden. Der Kläger hatte im Strafverfahren einen hierdurch entstandenen Schaden von 91.032,10 EUR eingeräumt, von dem er zum Zeitpunkt der Verurteilung 4.500,70 EUR durch Verrechnung getilgt hatte. Beim Straf¬rahmen wurde unter anderem berücksichtigt, dass der Kläger erstmalig straffällig geworden war und dass er zum Zeitpunkt seiner Verurteilung bereits 4 Jahre wieder als Arzt und Rechtsanwalt gearbeitet hatte, ohne hierbei auffällig geworden zu sein; aus diesen Erwägungen hielt das LG auch die Anordnung eines Berufsverbotes nach § 70 Strafgesetzbuch (StGB) für nicht angezeigt.

Der Disziplinarausschuss für den Bereich der Bezirksdirektion K. der zu 1) beigeladenen K. V. (DA) ordnete am 26.11.2013 das Ruhen der Zulassung des Klägers vom 01.02.2014 bis 31.01.2015 aufgrund der Verletzung von Pflichten als Vertragsarzt an, hilfsweise für den Fall der Klageerhebung das Ruhen der Zulassung für 12 Monate ab Eintritt der Bestandskraft des Beschlusses. Der Kläger habe die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung und die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung verletzt. Zudem habe er in den Quartalen 1/2003 bis 1/2008 auch Leistungen abgerechnet, die er nicht erbracht habe. Es liege ein vorsätzlicher Abrechnungsbetrug vor, auf¬grund dessen die persönliche Eignung des Klägers zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung in Frage stehe, weil das System der vertragsärztlichen Versorgung ganz maßgeblich auf dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Institutionen des Vertragsarztrechts beruhe. Beim Kläger trete erschwerend hinzu, dass er sein betrügerischen Verhalten über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren fortgesetzt und erst eingestellt habe, nachdem die Tat entdeckt worden sei. Sein Fall habe auch hohe Aufmerksamkeit in der Presse gefunden und damit in besonderem Maße das Vertrauen in das vertragsärztliche System in der Öffentlichkeit beschädigt. Zudem handele es sich um das zweite Disziplinarverfahren. Mit Beschluss des DA vom 10.11.2006 sei bereits eine Geldbuße in Höhe von 2.000 EUR wegen Verletzung der Mitwirkungs¬- und Dokumentationspflichten verhängt worden. Dieser Beschluss sei aufgrund der dagegen erhobenen Klage erst seit dem 25.10.2011 bestandskräftig. Dem Verhalten nach Stellung des Antrags auf Einleitung des Disziplinarverfahrens bzw. nach der Aufdeckung der Verfehlungen des Klägers komme demgegenüber ein weitaus geringeres Gewicht zu. Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig (siehe im Folgenden).

Am 27.12.2013 beantragte die Beigeladene zu 1) bei dem Zulassungsausschuss für den Regierungsbezirk K. (ZA) die hier streitgegenständli¬che vollumfängliche Entziehung der Zulassung zur kassenärztlichen Versorgung. Sie, die Beigeladene zu 1), habe bereits mit Schreiben vom 03.09.2012 die Entziehung der Zulassung des Klägers wegen Nichterfüllung der Fortbildungsverpflichtung beantragt. Der ZA habe daraufhin die Zulassung in seiner Sitzung am 19.12.2012 entzogen. Dem Widerspruch des Klägers sei in der Sitzung am 31.07.2012 stattgegeben worden, da der Kläger im Widerspruchsverfahren ein Fortbildungszertifikat vorgelegt habe. Zur Begründung des nunmehrigen Antrags wurde auf die rechtskräftige Verurteilung des Klägers durch das LG verwiesen. Die Beigeladene zu 1) vertrat die Auffassung, dass gemäß § 95 Abs. 6 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) die Zulassungsentziehung zu erfolgen habe, da die dem Kläger zur Last gelegten Verstöße ihn als ungeeignet für die weitere Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung erscheinen ließen. Es bestünden schwerwiegende, nicht nur vorübergehende Gründe im Sinne von § 21 Satz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) für die Annahme, dass der Kläger unfähig sei, die vertragsärztliche Tätigkeit ordnungsgemäß auszuüben. Aufgrund des Geständnisses und der Verurteilung des Klägers sei erwiesen, dass er vorsätzlich und dauerhaft fehlerhaft abgerechnet habe, um sich selbst zu bereichern. Dies stelle eine Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten dar. Zudem sei erwiesenermaßen direkt von sogenannten "Taschengeldkonten" von Heimbewohnern Geld für scheinbar angefallene Praxisgebühren einbehalten worden, obwohl diese Patienten nie bei dem Kläger in Behandlung gewesen seien. Durch diese Pflichtverletzung sei das Vertrauen in eine ordnungsgemäße Behandlung der Versicherten nachhaltig und wesentlich gestört.

Dem Kläger wurde mit Schreiben des ZA vom 10.01.2014 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Er äußerte sich zunächst nicht. Nach Terminierung einer Sitzung des ZA auf den 26.03.2014 mit Schreiben vom 07.03.2014 schaltete sich am 24.03.2014 die Bevollmächtigte des Klägers ein und bat um Terminverlegung, da sie an dem Termin nicht teilnehmen könne.

In dem dennoch durchgeführten Termin beschloss der ZA am 26.03.2014 den Zulassungsentzug gemäß § 95 Abs. 6 SGB V i. V. m. § 27 der Ärzte-ZV. Ein Sofortvollzug dieser Entscheidung wurde ausdrücklich nicht angeordnet. Der ZA schloss sich in seinem Beschluss vom 26.03.2014 den Ausführungen des DA vom 26.11.2013 an. Es liege eine gröbliche Verletzung von vertragsärztlichen Pflichten über einen Zeitraum von fünf Jahren vor. Zwar sei die Entziehung der Zulassung bei Verletzung einer satzungsrechtlichen Pflicht zur Vorlage von Abrechnungsunterlagen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur dann gerechtfertigt, wenn der Arzt nicht auf andere Weise zur Aufgabe seines Fehlverhaltens veranlasst werden könne. Der ZA habe nicht zur Überzeugung gelangen können, dass das zur reibungslosen Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung notwendige Vertrauensverhältnis zu dem Kläger weiterhin gegeben sei, zumal gegen den Beschluss des DA Klage beim Sozialgericht Stuttgart erhoben worden sei (S 20 KA 7229/13). Eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger sei für die Beigeladene zu 1) und die Krankenkassen nicht zumutbar. Dem Vertagungsantrag der Klägerbevollmächtigten sei nicht stattgegeben worden, da dem Kläger bzw. seiner Bevollmächtigten ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden sei. Der Beschluss wurde am 01.07.2014 ausgefertigt und der Klägerbevollmächtigten am 02.07.2014 zugestellt.

Am 28.07.2014 legte die Klägerbevollmächtigte Widerspruch ein, ohne diesen anschließend zu begründen.

Der beklagte Berufungsausschuss für Ärzte für den Bezirk der K. V. wies den Widerspruch in seiner Sitzung vom 03.09.2014 zurück und entzog die dem Kläger am 28.03.1984 erteilte Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit, wobei erneut der Sofortvollzug dieser Entscheidung ausdrücklich nicht angeordnet wurde. Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des LG sei von gröblichen, schwerwiegenden Verstößen des Klägers sicher auszugehen. Das tatsächliche Vorliegen von Pflichtverletzungen könne einschränkungslos aus rechtskräftigen Urteilen entnommen werden (mit Hinweis auf Bundessozialgericht (BSG) MedR 2011, 307; Becker/Kingreen, SGB V zu § 95 Rn. 22). Das betrügerische Verhalten des Klägers sei über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren erfolgt. Erschwerend komme hinzu, dass dieser zugleich Rechtsanwalt sei, woraus ein besonders hoher Verwerflichkeitsgrad gemessen an der notwendigen Zusammenarbeit im vertragsärztlichen System folge. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass der Kläger die besonderen Bedingungen der ärztlichen Versorgung in einem Heim für psychisch Kranke für seine Manipulationen ausgenutzt habe, um eine ungerechtfertigte Gewinnerzielung zu erreichen. Er habe zudem unterschiedliche, wohl überlegte Tatbegehungsvarianten von der nicht erbrachten Leistung über den Einsatz eines ungenehmigten Vertreters bis zur Vorgabe hausärztlicher Betreuung eingesetzt. Die Gesamtumstände und die Vielzahl der Fälle ließen auf eine erhebliche kriminelle Energie schließen. Es liege auch eine weitere Pflichtverletzung hinsichtlich der Mitwirkungs- und Dokumentationspflichten vor, die bestandskräftig festgestellt worden sei; das diesbezügliche Disziplinarverfahren sei schon in der Zeit des betrügerischen Abrechnungsverhaltens anhängig gewesen. Insgesamt sei daher eine andere Entscheidung als die Entziehung auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht möglich. Weder durch das Ruhen der Zulassung noch durch eine hälftige Entziehung erfolge eine angemessene Reaktion auf die gravierende Störung im Vertrauensverhältnis der vertragsärztlichen Versorgung. Von der sofortigen Vollziehung sei indes abzusehen, da dieser weitere Eingriff nur dann gerechtfertigt sei, wenn schon aktuell konkrete Gefahren für das System der vertragsärztlichen Versorgung zu befürchten seien. Der Beschluss wurde am 05.01.2015 ausgefertigt und der Klägerbevollmächtigten am 07.01.2015 zugestellt.

Die Bevollmächtigte des Klägers erhob am 23.01.2015 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Der Entzug der Zulassung sei aufgrund der Besonderheiten des Sachverhalts rechtswidrig. Die Feststellungen des LG hinsichtlich vorsätzlich unrichtiger Abrechnungen in den Jahren 2003 bis 2008 seien zwar zutreffend und würden ausdrücklich nicht angegriffen. Mit der Zulassungsentziehung liege jedoch eine "Übersanktion" eines Verhaltens vor, für welches der Kläger bereits seit vielen Jahren tatsächlich schon hart und ausreichend sanktioniert worden sei. Zum einen habe er sich einem jahrelangen Strafverfahren ausgesetzt gesehen, welches gravierende physische und psychische Belastungen zur Folge gehabt habe. Der Kläger habe sich hiervon gesundheitlich erst im Jahre 2013 wieder erholt und befinde sich seitdem wieder erfreulicherweise "voll auf der Höhe". Allerdings sei er nach Abschluss des jahrelangen Strafverfahrens im weiteren Verlauf mit mehreren weiteren Verfahren konfrontiert worden (Anordnung des Ruhens der Zulassung als disziplinarische Maßnahme, anschließender gänzlicher Entzug der Zulassung, Festsetzung eines Honorarregresses sowie berufsrechtliches Verfahren). Es sei bekannt, dass der Vorwurf des Abrechnungsbetruges wegen des dadurch gestörten Vertrauensverhältnisses grundsätzlich zum Entzug der Zulassung berechtige. Vorliegend sei jedoch zu berücksichtigen, dass der Kläger nach Abschluss des Strafverfahrens mit einem Regress konfrontiert worden sei, der um 55.000 EUR höher sei als die von der Beigeladenen zu 1) gegenüber dem LG vorgelegten Zahlen und Kalkulationen. Die Beigeladene zu 1) habe hierbei sogar Quartale aus den Jahren 2002 und 2003 aufgenommen, welche verjährt sein dürften. Das insoweit mittlerweile ergangene Urteil des Sozialgericht Stuttgarts vom 28.08.2015 mit Abweisung der Klage gegen den überhöhten Regressbescheid (S 20 KA 1979/14) verstoße gegen die Grundsätze und Rechtsprechung des BSG. Hätte die Beigeladene zu 1) nicht einen um 55.000 EUR höheren Regress geltend gemacht, würde der Kläger sich nicht so vehement gegen den Entzug seiner Zulassung wehren. Allerdings wolle er für den Fall der Rechtmäßigkeit der Regressforderung den entstandenen Schaden wiedergutmachen, was ihm nur dann gelinge, solange er Einnahmen aus seiner kassenärztlichen Tätigkeit verbuchen könne. Der Kläger habe unmittelbar nach Abschluss des Strafverfahrens mit der Rückzahlung der Forderung begonnen und mit Stand vom 31.08.2015 bereits 95.000 EUR zurückbezahlt. Es sei ihm ein aufrichtiges Anliegen, den durch ihn verursachten Schaden schnellstmöglich wiedergutzumachen. Schließlich sei der Kläger durch die berufsgerichtliche Verurteilung und die Entscheidung des DA hinreichend ge¬straft. Zwar sei die Entscheidung des DA durch das Sozialgericht Stuttgart mit weiterem Urteil vom 28.08.2015 wegen unzulässiger Doppelbestrafung aufgehoben worden (S 20 KA 7229/13), diese Entscheidung sei jedoch noch nicht rechtskräftig. Insgesamt zeige sich in dem Verhalten der Beigeladenen zu 1) eine Übersanktionierung, gegen die der Kläger sich zur Wehr setze. Er müsse noch mindestens zwei bis drei Jahre von seiner Kassenzulassung Gebrauch machen, da er insbesondere auch noch seine Schulden zurückzahlen wolle. Soweit inzwischen (Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 24.02.2016) die von der Beigeladenen zu 1) erhobene Regressforderung durch den Kläger vollumfänglich beglichen sei, habe er hierfür ein Darlehen aufnehmen müssen, da insoweit die Zwangsvollstreckung gedroht habe.

Der Beklagte trat der Klage entgegen. Ein Absehen vom Entzug der Zulassung sei nicht möglich. Insbesondere seien die von ihm, dem Beklagten, getroffenen tatsächlichen Feststellungen ausdrücklich nicht angegriffen worden, so dass der tatsächliche Sachverhalt feststehe. Eine besondere Sachverhaltskonstellation bzw. "Übersanktion" liege nicht vor. Voraussetzung für die Zulassungsentziehung sei die gröbliche Verletzung vertragsärztlicher Verpflichtungen, welche hier aus einem unstreitig festgestellten Sachverhalt mit langfristigen Abrechnungsmanipulationen hervorgehe. Da das auf die objektive Eignung abstellende Zulassungsentziehungsverfahren insbesondere kein Disziplinarverfahren und keine sonstige Ahndung schuldhafter Rechtsverstöße beinhalte (BSG, Urteil vom 29.10.1986, - 6 RKa 4/86 -, in juris), sei das Vor¬bringen des Klägers zu entsprechenden kumulativen Entscheidungen und auch dasjenige zu dem Streit über die Höhe zum Honorarregress irrelevant. Keines dieser Verfahren habe einen Bezug zur Eignung als Vertragsarzt. Es komme ausschließlich auf die Voraussetzungen der Zulassungsentziehung gemäß § 95 Abs. 6 SGB V i.V.m. § 27 Ärzte-ZV an. Zur weiteren Begründung wurde auf die Entscheidungsgründe des Beschlusses vom 03.09.2014 Bezug genommen.

Mit Beschluss der Kammer vom 26.01.2015 sind die aus dem Rubrum ersichtlichen Beiladungen erfolgt. Die Beigeladene zu 1) schloss sich dem rechtlichen Standpunkt des Beklagten an.

Das Sozialgericht Stuttgart hob mit Urteil vom 28.08.2015 den Bescheid des DA vom 26.11.2013 über die Disziplinarmaßnahme des Ruhens der Zulassung auf (Az. S 20 KA 7229/13; die Berufung ist anhängig, das Berufungsverfahren (L 5 KA 4385/15) ruht im Hinblick auf das vorliegende Verfahren). Die Aufhebung der Disziplinarmaßnahme wurde im Wesentlichen damit begründet, dass diese nach der Entziehung der Zulassung vom 26.03.2014 ins Leere gehe und aufgrund des zeitlichen Ablaufs zum Zeitpunkt der Feststellung auch nicht mehr erforderlich gewesen sei, um den Kläger zu einem korrekten Abrechnungsverhalten anzuhalten. Die Klage gegen den Regressbescheid über Honorarrückforderungen in Höhe von 146.524,98 EUR wies das Sozialgericht Stuttgart mit Urteil vom selben Tag als unbegründet ab (Az. S 20 KA 1979/14) Auch hier ist die Berufung (L 5 KA 4340/15) anhängig.

Mit Urteil vom 24.02.2016 wies das SG die vorliegend streitgegenständliche Klage ab. Nach § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V sei die Zulassung zur kassenärztlichen Versorgung zu entziehen, wenn ihre Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, der Vertragsarzt die vertrags-ärztliche Tätigkeit nicht aufnimmt oder nicht mehr ausübt oder seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Die Zulassungsvoraussetzung der Eignung in § 21 Ärzte-ZV sei angesichts der Begehung der vorsätzlichen Straftaten des Klägers entfallen und sei auch bis zum Erlass des angefochtenen Beschlusses nicht wieder eingetreten. Das Vorliegen eines Entziehungsgrundes könne aus rechts- ¬bzw. bestandskräftigen Entscheidungen anderer Gerichte (hier: Begehung von Straftaten) oder Behörden abgeleitet werden (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.2010 - B 6 KA 32/09 B -; Landessozialgericht (LSG) Hamburg, Urteil vom 07.10.2015 - L 5 KA 20/13 -, beide in juris). Der Kläger habe die in dem Urteil des LG H. zugrunde gelegten Verfehlungen eingeräumt und auch im vorliegenden Verfahren nicht bestritten. Bei einer Verurteilung wegen fortgesetzten Betrugs in verschiedenen Begehungsvarianten mit einem eingeräumten Vermögensschaden von jedenfalls 91.032,10 EUR sei von einer gröblichen Pflichtverletzung auszugehen, welche die mangelnde Eignung für die Teilnahme an der vertrags¬ärztlichen Versorgung belege. Mangelnde Eignung könne sich gerade auch in der Begehung von Vermögensdelikten manifestieren (Pawlita in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 95 Rn. 376). Ein Arzt, der den gebotenen Respekt vor fremdem Vermögen und Eigentum vermissen lasse und dies sogar in der Begehung von Eigentums- und Vermögensstraftaten zum Ausdruck gebracht habe, rechtfertige nicht das Vertrauen, dass er die Vermögensinteressen der am System der vertragsärztlichen Versorgung Beteiligten achten und nicht schädigen werde (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8.10.2003 - L 11 KA 165/02 -, juris, Rn. 33). Der Beklagte habe zu Recht auch mehrere Aspekte hervorgehoben, welche die Pflichtverletzungen des Klägers als besonders gröblich erscheinen lassen würden: Es liege ein vorsätzlicher Abrechnungsbetrug in mehreren Begehungsvarianten über einen langen Zeitraum vor. Der Kläger habe trotz seiner juristischen und speziellen sozialrechtlichen Kenntnisse, durch die er das Unrecht seiner falschen Abrechnungen habe klar erkennen können, jahrelang an diesem Verhalten festgehalten und hierbei einen erheblichen Schaden und Vertrauensverlust verursacht. Zudem habe der Kläger dieses Ver¬fahren in Pflegeheimen und damit in einem Bereich praktiziert, in dem die Patienten besonders hilfe- und daher auch schutzbedürftig seien. Schließlich habe er sich auch durch das laufende erste Disziplinarverfahren wegen ungenügender Fortbildung nicht abschrecken lassen, wesentlich schwerwiegendere Verstöße zu begehen. Demgegenüber fielen die Gesichtspunkte, die zugunsten des Klägers sprechen würden, deutlich weniger ins Gewicht. Die von der Klägerbevollmächtigten gerügte Übersanktionierung liege nicht vor. Durch die Aufhebung des Disziplinarbescheids sei eine wesentliche Sanktion entfallen, auch wenn hierüber noch nicht rechtskräftig entschieden worden sei. Im Übrigen hätten die anderen durchgeführten Verfahren auch einen ganz anderen Gegenstand als das vorliegende Verfahren, in dem es alleine um die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung und das hierfür erforderliche Vertrauen in eine korrekte Abrechnungspraxis gehe. Der Regressbescheid betreffe nicht die zukünftige Abrechnung und sei im Übrigen keine Sanktion, sondern lediglich der Versuch des Beklagten (gemeint wohl der Beigeladenen zu 1)), den vom Kläger verursachten Vermögensschaden auszugleichen. Das berufsrechtliche Verfahren habe demgegenüber einen gänzlich anderen Ansatzpunkt, weil es hier nicht um den Schutz und die Gewährleistung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung gehe, sondern um den Schutz der Bevölkerung vor unzuverlässigen Heilbehandlern. Das Strafverfahren schließlich knüpfe an die persönliche Schuld des Klägers an und habe daher ebenfalls einen gänzlich verschiedenen Inhalt. Der Kammer sei bewusst, dass der Zulassungsentzug die schärfste Reaktion nach dem SGB V darstelle, weswegen Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte gesondert und eingehend zu prüfen seien. Auch nach Aufgabe der Rechtsprechung des BSG zur sogenannten Wohlverhaltensphase (BSG, Urteil vom 17.10.2012 - B 6 KA 49/11 R -, in juris) sei daher insoweit vor allem zu berücksichtigen, dass der Kläger seit seiner letzten Falschabrechnung im Jahr 2008 bis zu der Entscheidung über die Zulassungsentziehung durch den Beklagten am 03.09.2014 mehrere Jahre lang nach derzeitigem Kenntnisstand keinen vorsätzlichen Abrechnungsfehler mehr begangen habe. Andererseits liege noch kein zuverlässiger Nachweis von Rechtsstreue vor, wenn unter dem Eindruck des Beginns strafrechtlicher Ermittlungen eine über Jahre praktizierte rechtswidrige Abrechnungspraxis beendet werde. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit habe der Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass der Zulassungsentzug dem weiteren Praktizieren als Arzt, der Privatpatienten behandele, nicht entgegenstehe. Der Betrieb einer Privatarztpraxis dürfte gerade am Praxisstandort H. angesichts der in dem einschlägigen Einzugsgebiet vorhandenen Bevölkerung und Kaufkraft auch geeignet sein, wesentliche Honorare alleine durch die Tätigkeit als Privatarzt zu generieren. Schließlich treffe der Entzug der Zulassung den Kläger auch deswegen weniger deutlich als einen vergleichbaren Berufskollegen, weil dieser weiterhin zugelassener Rechtsanwalt sei und nach dem letzten Aktenstand durch seine anwaltliche Tätigkeit ein Vielfaches dessen verdiene, was er durch seine Tätigkeit als Kassenarzt erwirtschaftet habe. Es könne daher nicht die Rede davon sein, dass ihm die wesentliche Einnahmequelle genommen werde. Der Kläger befinde sich zudem im 67. Lebensjahr und damit bereits deutlich über dem faktischen durchschnittlichen Rentenalter. Er selbst hab im Erörterungstermin vom 29.09.2015 angegeben, nur noch zwei bis drei Jahre (mindestens) arbeiten zu wollen, so dass jedenfalls absehbar sei, dass der Kläger seine Zulassung nicht mehr lange benötige. Eine ausdrückliche "Verjährungsfrist", welche die Zulassungsgremien daran hindern würde, bereits länger zurückliegende gröbliche Pflichtverletzungen zur Begründung einer Zulassungsentziehung heranzuziehen, existiere nicht. Der bei solch einem schweren Eingriff in die Berufswahlfreiheit stets zu beachtende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. BVerfG (Kammer), NJW 2005, 3057, 3058; ebenso BVerfG (Kammer), Beschluss vom 23.08.2005 - 1 BvR 276/05 -, BRAK-Mitteilungen 2005, 275, 276; s. auch BSG, Urteil vom 24.11.1993, - 6 RKa 70/91 -, in juris) gebiete es aber, zum Zeitpunkt der Entscheidung der Zulassungsgremien bereits länger als die übliche Bewährungszeit von fünf Jahren (s. hierzu BSG MedR 1987, 254) zurückliegende Pflichtverletzungen nur dann noch zur Grundlage einer Zulassungsentziehung zu machen, wenn sie besonders gravierend seien oder aus anderen Gründen - etwa bei fortgesetzter Unwirt¬schaftlichkeit - bis in die Gegenwart hinein fortwirken würden (BSG, Urteil vom 19.07.2006, - B 6 KA 1/06 R -, in juris). Ein solcher Fall sei vorliegend gegeben. Das Vertrauen in das korrekte Abrechnungsverhalten des Klägers sei durch seine jahrelangen Straftaten nachhaltig erschüttert worden. Dass der Kläger unter dem Eindruck der Vielzahl der gegen ihn eingeleiteten Verfahren zu einer korrekten Abrechnungsweise zurückgekehrt sei und diese seit mehr als fünf Jahren praktiziert habe, sei nicht geeignet, das erschütterte Vertrauen im ausreichenden Maße wiederherzustellen. Ein Arzt, der auch in Kenntnis strafrechtlicher Ermittlungen wegen Falschabrechnung weiter vorsätzlich falsch abrechne, dürfte sich kaum finden. Da dieses im System der vertragsärztlichen Versorgung grundlegend erforderliche Vertrauen fehle, sei auch der Entzug lediglich einer halben Zulas¬sung nach § 95 Abs. 6 Satz 2 SGB V keine ausreichende Maßnahme. Die strafrechtliche Verurteilung eines zur vertragsärztlichen Versorgung durch die gesetzliche Krankenkasse zugelassenen Arztes wegen gewerbsmäßigen Betrugs bei der Abrechnung recht¬fertige als grobe Pflichtverletzung grundsätzlich den Entzug der Zulassung. Auch wenn zwischen einer groben Pflichtverletzung eines Kassenarztes und dem Entzug der Zulassung ein mehrjähri¬ger Zeitraum liege, führe dies nicht zur Unverhältnismäßigkeit des Zulassungsentzugs, jedenfalls soweit der Zeitabstand - wie hier - maßgeblich aus der Länge des strafrechtlichen Ermittlungsver¬fahrens resultiere und dem Betroffenen aus der langen Verfahrensdauer in Bezug auf seine Be¬rufsausübung keine Nachteile entstanden seien (SG München, Urteil vom 25.06.2013 - S 38 KA 5151/10 -, juris, zu einem Zeitraum von sieben Jahren).

Das Urteil wurde der Bevollmächtigten des Klägers am 01.03.2016 mittels Empfangsbekenntnis zugestellt.

Hiergegen richtet sich die am 29.03.2016 zum LSG Baden-Württemberg erhobene Berufung des Klägers, die trotz mehrfacher Aufforderung nicht begründet worden ist.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24.02.2016 sowie den Beschluss vom 03.09.2014/Bescheid vom 05.01.2015 des Beklagten aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Berichterstatter hat die Beteiligten mit Schreiben vom 06.07.2016 informiert, dass der Senat beabsichtige, über die Berufung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter zu entscheiden. Den Beteiligten ist bis 05.08.2016 Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden. Die Klägerbevollmächtigte hat hierauf am 05.08.2016 lediglich um vorrangige Entscheidung des Rechtsstreits hinsichtlich des Regressbescheids (L 5 KA 4340/15) gebeten. Der Kläger benötige die Kassenzulassung, um die Regressforderung für den Fall, dass diese in der festgesetzten Höhe bestätigt werde, zu tilgen. Die Beteiligten sind darauf hingewiesen worden, dass an der beabsichtigten Vorgehensweise festgehalten wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten, die Verwaltungsakte der Beklagten, die Strafprozessakten KLs Js 2 5/08 und die Gerichtsakten bezüglich des Ruhens der Zulassung und des Regresses Bezug genommen.

II.

1. Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Der Senat weist die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gem. § 153 Abs. 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden. Ein Einverständnis der Beteiligten mit dieser Vorgehensweise ist nicht erforderlich. Allein der Wunsch auf spätere Entscheidung, um die Zulassung möglichst lange nutzen zu können, rechtfertigt im Übrigen nicht die Zurückstellung der Entscheidung bzw. Anberaumung einer mündlichen Verhandlung zu einem späteren Zeitpunkt.

Die Berufung ist nicht begründet. Das Urteil des SG ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zu Recht hat der Beklagte mit dem angefochtenen Beschluss vom 03.09.2014/Bescheid vom 05.01.2015 dem Kläger die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung entzogen.

Streitgegenstand ist allein der Beschluss des Beklagten vom 03.09.2014/Bescheid vom 05.01.2015, der die vom ZA am 26.03.2014 ausgesprochene Zulassungsentziehung bestätigt hat. In vertragsärztlichen Zulassungssachen wird der beklagte Berufungsausschuss mit seiner Anrufung gem. § 96 Abs. 4 SGB V funktionell ausschließlich zuständig. § 95 SGG findet in diesen Verfahren keine Anwendung (ständige Rechtsprechung seit BSG, Urteil vom 27.01.1993, - RKa 40/91 -, in juris).

2. Rechtsgrundlage für die Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit ist § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V. Danach ist die Zulassung unter anderem zu entziehen, wenn ihre Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, der Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit nicht aufnimmt oder nicht mehr ausübt oder seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Die Voraussetzungen für die Zulassung sind in der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte, Vertragszahnärzte, Medizinische Versorgungszentren und Psychotherapeuten (Ärzte-ZV) ergänzend näher festgelegt.

Treten Verhaltensweisen eines Arztes nach erfolgter Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit auf, die einen Rückschluss auf eine fehlende Eignung zulassen, kann in diesen Verhaltensweisen zugleich eine gröbliche Verletzung vertragsärztlicher Pflichten liegen. Das BSG differenziert dabei nicht zwischen den Voraussetzungen der Nichteignung im Sinne von § 21 Ärzte-ZV und einer gröblichen Pflichtverletzung (vgl. BSG, Urteil vom 02.09.2009, - B 6 KA 14/09 B -; sowie BSG, Urteil vom 31.03.2006, - B 6 KA 69/05 B -, BSG, Urteil vom 27.06.2007, - B 6 KA 20/07 B -, alle in juris). Der Maßstab, anhand dessen die Ungeeignetheit bzw. die gröbliche Verletzung vertragsärztlicher Pflichten zu würdigen ist, ist im Wesentlichen der gleiche: Das Verhalten des Arztes muss das Vertrauen der Kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenkassen, insbesondere in die ordnungsgemäße Behandlung der Versicherten und in die Rechtmäßigkeit der Abrechnung so gestört haben, dass diesen eine weitere Zusammenarbeit mit dem betreffenden Arzt nicht zugemutet werden kann. Der Arzt ist dann zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nicht mehr geeignet (BSG, Urteil vom 17.10.2012, - B 6 KA 49/11 R -, in juris). Die Funktionsfähigkeit des von anderen geschaffenen und finanzierten Leistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung, an dem der Arzt durch seine Zulassung teilnimmt, hängt in wesentlichen Teilen entscheidend davon ab, dass Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen auf die ordnungsgemäße Leistungserbringung durch den einzelnen Arzt vertrauen können. Zu beachten ist allerdings, dass unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sowie des Grundrechts der Berufsfreiheit des betroffenen Arztes aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) die Zulassungsentziehung nur ausgesprochen werden darf, wenn sie das einzige Mittel zur Sicherung und zum Schutz der vertragsärztlichen Versorgung ist (vgl. BSG, Urteil vom 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 - sowie BSG, Urteil vom 19.06.1996, - 6 BKa 25/95 -, beide in juris).

Die Gültigkeit dieser Grundsätze hat das BSG nochmals mit Beschluss vom 09.02.2011 - B 6 KA 49/10 B -, in juris bestätigt. Sonstige Gründe, die einen Arzt ungeeignet im Sinne von § 21 Ärzte-ZV machen, sind alle denkbaren Mängel, sofern dadurch eine reibungslose vertragsärztliche Versorgung gefährdet werden kann. Hiervon ist nach der Rechtsprechung des BSG wie des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) auszugehen, wenn die gesetzliche Ordnung der ärztlichen Versorgung durch den Arzt in erheblichem Maße verletzt wird und das Vertrauensverhältnis zu den vertragsärztlichen Institutionen tiefgreifend und nachhaltig gestört ist, so dass ihnen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertragsarzt nicht zugemutet werden kann.

Die Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung beurteilt sich dabei nach der geänderten Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 17.10.2012, - B 6 KA 49/11 R -, in juris) nach der Sachlage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung. Später liegende Umstände - wie eine Verhaltensänderung - sind ggf. in einem Verfahren auf Wiederzulassung zu würdigen. Etwas anderes gilt nur für Fälle des Vertrauensschutzes. Dies setzt jedoch voraus, dass die nach der früheren Rechtsprechung angenommene "Wohlverhaltensphase" zum Zeitpunkt der Änderung der Rechtsprechung des BSG bereits abgelaufen war. Dies ist vorliegend nicht der Fall, weshalb die Sachlage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten maßgeblich ist.

3. Hiervon ausgehend wurde die Zulassung dem Kläger von dem Beklagten zu Recht entzogen. Dies hat das SG in seinem Urteil zutreffend dargelegt. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des SG gem. § 153 Abs. 2 SGG Bezug. Die Zulassungsvoraussetzung der Eignung in § 21 Ärzte-ZV war angesichts der Begehung der vorsätzlichen Straftaten des Klägers entfallen und ist auch bis zum Erlass des angefochtenen Beschlusses nicht wieder eingetreten. Der Kläger hat die in dem Ur¬teil des LG zugrunde gelegten Verfehlungen eingeräumt und auch im vorliegenden Verfahren nicht bestritten. Bei einer Verurteilung wegen fortgesetzten Betrugs in verschiedenen Begehungsvarianten mit einem eingeräumten Vermögensschaden von jedenfalls 91.032,10 EUR ist von einer gröblichen Pflichtverletzung auszugehen, welche die mangelnde Eignung für die Teilnahme an der vertrags¬ärztlichen Versorgung belegt. Darüber hinaus liegt ein vorsätzlicher Abrechnungsbetrug in mehreren Begehungsvarianten über einen langen Zeitraum vor. Der Kläger hat trotz seiner juristischen und speziellen sozialrechtlichen Kenntnisse, durch die er das Unrecht seiner falschen Abrechnungen klar erkennen konnte, jahrelang an diesem Verhalten festgehalten und hierbei einen erheblichen Schaden und Vertrauensverlust verursacht. Zudem hat der Kläger dieses Ver¬fahren in Pflegeheimen und damit in einem Bereich praktiziert, in dem die Patienten besonders hilfe- und daher auch schutzbedürftig sind. Schließlich hat er sich auch durch das laufende erste Disziplinarverfahren wegen ungenügender Fortbildung nicht abschrecken lassen, wesentlich schwerwiegendere Verstöße zu begehen.

4. Die dargestellten Pflichtverletzungen rechtfertigen auch die vom Beklagten mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung im Hinblick auf die betroffenen Grundrechte des Klägers. Denn die Pflichtverletzungen machen deutlich, dass die Beigeladene zu 1) und die Krankenkassen nicht mehr darauf vertrauen können, dass er eine ordnungsgemäße Leistungserbringung und ordnungsgemäße Abrechnung der zu vergütenden Leistungen vornehmen werde. Auch unter Berücksichtigung des damit verbundenen Eingriffs in die Berufsfreiheit gem. Art. 12 GG sowie unter Beachtung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit ist die Zulassungsentziehung das einzige Mittel zur Sicherung und zum Schutz der vertragsärztlichen Versorgung.

Dabei verkennt der Senat keineswegs, dass der Kläger seit seiner letzten Falschabrechnung im Jahr 2008 bis zu der Entscheidung über die Zulassungsentziehung durch den Beklagten am 03.09.2014 nach derzeitigem Kenntnisstand mehrere Jahre lang keinen vorsätzlichen Abrechnungsfehler mehr begangen hat. Zutreffend hat das SG jedoch darauf hingewiesen, dass eine "Verjährungsfrist", die die Zulassungsgremien daran hindern würde, bereits länger zurückliegende gröbliche Pflichtverletzungen zur Begründung einer Zulassungsentziehung heranzuziehen, nicht existiert (BSG, Urteil vom 19.07.2006, - B 6 KA 1/06 R -, in juris). Eine gröbliche Pflichtverletzung, die das Vertrauensverhältnis zu den vertragsärztlichen Institutionen so tiefgreifend und nachhaltig stört, dass ihnen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertragsarzt nicht mehr zugemutet werden kann, wird nicht bereits durch eine bloß lange Zeitdauer relativiert (BSG, Urteil vom 17.10.2012, - B 6 KA 49/11 R -, in juris). Maßgeblich ist, ob das Vertrauensverhältnis im Zeitpunkt der Entscheidung der Zulassungsgremien wiederhergestellt ist. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalles und namentlich die Einsicht des Betroffenen in den Unrechtsgehalt seines Verhaltens und eine hieraus resultierende Einstellungs- und Verhaltensänderung sowie die Bereitschaft zur Wiedergutmachung des Schadens von Bedeutung (vgl BSG, Urteil vom 17.10.2012, - B 6 KA 49/11 R -, in juris). Voraussetzung ist eine nachhaltige Verhaltensänderung während eines Zeitraums von mehreren Jahren, die eine zweifelsfreie Prognose künftig rechtmäßigen Verhaltens erlaubt (BSG, Beschluss vom 02.04.2014, - B 6 KA 58/13 B -, in juris mwN). Allerdings gebietet der zu beachtende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Pflichtverletzungen, die länger als die übliche Bewährungszeit von fünf Jahren (BSG, Urteil vom 17.10.2012, - B 6 KA 49/11 R -, in juris) zurückliegen, nur noch dann zur Grundlage einer Zulassungsentziehung zu machen, wenn sie besonders gravierend sind oder wenn sie aus anderen Gründen fortwirken (BSG, Beschluss vom 02.04.2014, B 6 KA 58/13 B - in juris mwN).

Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben. Auch insoweit wird gem. § 153 Abs. 2 SGG auf das Urteil des SG Bezug genommen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das Vertrauen in das korrekte Abrechnungsverhalten des Klägers durch seine jahrelangen Straftaten nachhaltig erschüttert wurde. Es liegt ein Fall systematischen Fehlverhaltens im Abrechnungsbereich vor. Dass der Kläger unter dem Eindruck der Vielzahl der gegen ihn eingeleiteten Verfahren zu einer korrekten Ab¬rechnungsweise zurückgekehrt ist und diese seit mehr als fünf Jahren praktiziert hat, ist nicht geeignet, das erschütterte Vertrauen im ausreichenden Maße wiederherzustellen und eine zweifelsfreie Prognose zu stellen. Dies gilt umso mehr als der Kläger im vorliegenden Verfahren darauf hingewiesen hat, dass er die Einnahmen zur Schuldentilgung bzw. Rückführung des hierfür aufgenommenen Darlehens benötigt. Eine wahrheitswidrige Abrechnung in der finanziell kritischen Situation liegt daher nicht völlig fern. Sie ist nicht gänzlich auszuschließen. Bezüglich des Wahrheitsgehalts der Angaben des Klägers ist auch darauf hinzuweisen, dass er vor den Straf- bzw. Sozialgerichten die wirtschaftliche Situation seiner Praxis der jeweiligen für ihn günstigen Situation anpasst. Während im Strafverfahren noch vorgetragen wurde, dass er die ärztliche Tätigkeit als kostenintensives "Hobby" betreibe, welches nicht einmal zur Deckung des Gehalts der Arzthelferin ausreiche, ist im vorliegenden Verfahren von einer wesentlichen Einnahmequelle die Rede. Die Tilgung der Regressforderung erfolgte im Übrigen erst nach der Ankündigung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und damit auf massiven Druck. Auch dies war zu berücksichtigen. Schließlich ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vorliegend gewahrt, denn der Zeitabstand resultierte maßgeblich aus der Länge des strafrechtlichen Ermittlungsver¬fahrens. Das zunächst betriebene Zulassungsentziehungsverfahren wegen Nichterfüllung der Fortbildungsverpflichtung führte zu der Verzögerung. Dem Betroffenen sind aus der langen Verfahrensdauer in Bezug auf seine Berufsausübung keine Nachteile entstanden. Er konnte seine Tätigkeit weiter auszuüben.

Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit hat das SG und der Beklagte im Übrigen zu Recht darauf hingewiesen, dass der Zulassungsentzug dem weiteren Praktizieren als Arzt, der Privatpatienten behandelt, nicht entge¬gensteht. Der Entzug der Zulassung trifft den Kläger auch deswegen weniger deutlich als einen vergleichbaren Berufskollegen, weil er weiterhin zugelassener Rechtsanwalt ist und nach dem letzten Aktenstand durch seine anwaltliche Tätigkeit ein Vielfaches dessen verdient hat, was er durch seine Tätigkeit als Kassenarzt erwirt-schaftet hat. Es kann daher nicht die Rede davon sein, dass ihm die wesentliche Einnah¬mequelle genommen wird. Der Kläger befindet sich zudem im 67. Lebensjahr und damit bereits deutlich über dem faktischen durchschnittlichen Rentenalter. Er selbst hat vor dem SG angegeben, nur noch zwei bis drei Jahre (mindestens) arbeiten zu wollen, so dass jedenfalls absehbar ist, dass er seine Zulassung nicht mehr lange benötigt.

Auch die vom Kläger gerügte Übersanktionierung liegt nicht vor. Auch hierauf hat das SG zutreffend hingewiesen. Der Regressbescheid betrifft nicht die zukünftige Abrechnung und ist im Übrigen keine Sanktion, sondern lediglich der Versuch des Beigeladenen zu 1), den vom Kläger verursachten Vermögensschaden auszugleichen. Das berufsrechtliche Verfahren hat den Schutz der Bevölkerung vor unzuverlässigen Heilbehandlern zum Gegenstand. Das Strafverfahren schließlich knüpfte an die persönliche Schuld des Klägers an und hatte daher ebenfalls einen gänzlich anderen Inhalt. Im Falle der Aufhebung der Zulassung wird der Disziplinarbescheid gleichsam gegenstandslos.

Das Urteil des SG ist daher nicht zu beanstanden, weshalb wie tenoriert zu entscheiden war.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Es entspricht nicht der Billigkeit, dem Kläger die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese (Sachanträge) nicht gestellt und damit ein Prozessrisiko nicht übernommen haben.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Da sich aus der Klage keine genauen Anhaltspunkte für den Umsatz der Praxis des Klägers und somit für den Streitwert entnehmen lassen, ist der Regelstreitwert pro Quartal von 5.000 EUR zugrunde zu legen, wonach sich bei dem maßgeblichen Zeitraum von 12 Quartalen bzw. drei Jahren ein Streitwert von 60.000 EUR ergibt (LSG Baden-Württemberg vom 06.03.2006 - L 5 KA 4495/05 W-B -, nicht veröffentlicht).
Rechtskraft
Aus
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